Aus dem Atelier: Freiheit

„Jeder freie Mensch ist kreativ. Da Kreativität einen Menschen ausmacht, folgt: nur, wer Künstler ist, ist Mensch. Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Joseph Beuys.

Der letzte Satz wird oft alleine zitiert und dann frei und ohne Kontext interpretiert. Er meinte wahrlich nicht, dass jeder Mensch, um Mensch zu sein, den Malpinsel schwingen müsste. Mit dem Gedanken, den Beuys hier im Sinn hatte, stand er nicht alleine, schon Schiller drückte sich sinngemäss aus, als er meinte: 

„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Nimmt man dann noch Goethe dazu, der meinte:

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

ergibt sich daraus die Idee einer Gesellschaft, in welcher die Freiheit oberstes Gebot ist, die Freiheit nämlich, zu spielen, kreativ zu sein, keinen vorgetretenen Pfaden folgen zu müssen, sondern eigene finden zu können. 

Ich geh’ dann mal spielen. Habt einen schönen Tag!

Atelier: Von Fehlern und vom Gelingen

„The imperfections you’re tempted to fix may prove to be what make the worlk great. And sometimes not.“ Rick Rubin*

Kommt ein Vogel geflogen…

Manchmal tragen eigentliche Fehler zum Gelingen bei. Hier spielte ich mit Verläufen und Salz, doch das Salz liess sich nicht mehr abkratzen. Nun hat mein Vogel ein Glitzerkleid. Mir gefällt es😍

Kommt gut in die neue Woche 💕

(*aus dem Buch „Rick Rubin, The creative Act)

Aus dem Atelier: Vogelgesang

Wenn ich nicht schon früher selbst erwache, was meist der Fall ist, werde ich jeden Morgen von Vogelgesang geweckt. Leider kommt er nur aus meinem Wecker und selten von draussen.Früher, ich erinnere mich, dachte ich im Halbschlaf, draussen würden die Vögel pfeifen, bis ich merkte, dass es nur mein Wecker ist. Das passiert kaum mehr.

Der Vogelgesang ist weniger geworden. Zumindest empfinde ich es so. Und ich finde es schade, denn für mich gibt es kaum ein schöneres Geräusch als das Singen der Vögel. Und ich höre hin. Seit ich ein Kind bin. Diese Faszination für Vögel begleitet mich nun doch schon einige Jahrzehnte und es ist kein Ende in Sicht. Ich habe immer wieder anderes gezeichnet und gemalt, weil ich dachte, ich könne ja nicht nur Vögel bildhaft in die Welt fliegen lassen. Doch ich komme immer wieder zurück und spüre tief drin bei jedem eine grosse Freude.

Ich hoffe, nächsten Frühling kommen wieder mehr Vögel und singen aus voller Kehle, tauchen die Welt in Musik.

Habt einen schönen Tag!

Im Atelier: Der Rabe

„…Und der Rabe weichet nimmer – sitzt noch immer, sitzt noch immer
Auf der blassen Pallasbüste ob der Türe hoch und her;“
(Edgar Allen Poe)

Es gibt viele Mythen um die Raben. Sucht man sie in der Lyrik oder Literartur, stösst man kaum auf etwas Lockerleichtes. Schwarz sind sie und eher gross, wirken stolz und selbstbewusst. Sie fliegen durch die Lüfte, stolzieren über Äcker, und wenn man ganz genau hinschaut, kann man ein verschmitztes Lachen ganz hinten im Schnabelwinkel erkennen. Wenn ihr wüsstet, scheinen sie zu denken. Ich denke, sie haben recht.

Aus dem Atelier: Keine Kunst

„Das ist doch keine Kunst, das ist viel zu gefällig. Das geht höchstens als Dekoration durch.“

„Kunst muss eine Aussage haben, sie muss eine kritische Auseinandersetzung sein mit der Welt. Sonst ist es nur belanglose Malerei.“

„Mal mal Menschen, das ist die wahre Kunst.“

„Blumen sind typische Frauenmalereien. Kunst ist was anderes.“

„Ist das nur nach Referenz gemalt oder hast du das aus dem Kopf gemacht?“

„Wie lange hast du dafür gebraucht?“

Fragen, die so auf einen einströmen. Und ich frage mich dann, wieso all das so wichtig ist? Was hat es auf sich mit der Kunst? Einerseits werden Künstler belächelt und gesellschaftlich nicht ernst genommen, tun sie doch etwas nicht Systemrelevantes, andererseits wird ein Mythos um den Künstler und sein Tun gebildet, welcher zum Sockel wird, auf welchen man gehoben werden muss – vorgeblich von denen, welche sich die Deutungshoheit in dieser Sache zuschreiben.

Aber es ist da wohl wie überall, wo es menschelet, wie wir Schweizer so schön sagen: Die Kritik am anderen und an dessen Tun ist sehr bequem und drum genehm, hebt sie einen selbst doch über ihn und wird zur Selbstbestätigung. Schliesslich muss der Messlattensetzer doch am oberen Ende derselben stehen, von da aus misst er ja. Dumm ist eigentlich nur eines: Das alles zu ernst zu nehmen. Noch dümmer: Sich davon beeinflussen zu lassen. Machen wir nicht, oder?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Blumengruss für Mascha Kaléko

„Jage deine Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.

Für die paar Jahre

Wird wohl alles noch reichen.

Das Brot im Kasten

Und der Anzug im Schrank.



Sage nicht mein.

Es ist dir alles geliehen.

Lebe auf Zeit und sieh,

Wie wenig du brauchst.

Richte dich ein. 

Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:

Was kommen muss, kommt.

Geh dem Leid nicht entgegen.

Und ist es da,

Sieh ihm still ins Gesicht.

Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.

Und hüte besorgt dein Geheimnis.

Auch der Bruder verrät,

Geht es um dich oder ihn.

Den eignen Schatten nimm

Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.

Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.

Flicke heiter den Zaun

Und auch die Glocke am Tor.

Die Wunde in dir halte wach

Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug

Und halte dich an Wunder.

Sie sind lang schon verzeichnet

Im großen Plan.

Jage die Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.“
Mascha Kaléko

Heute würde Mascha Kaléko 118 Jahre alt. Ich hebe mein Glas auf diese wunderbare Dichterin, deren Gedichte sich durch eine Mischung aus Melancholie, Tiefgang, spitzer Zunge und Witz auszeichnen. Ich kann ihre Lektüre nur ans Herz legen.

Ausgewählte Werke
Das lyrische Stenogrammheft (1933)
Kleines Lesebuch für Grosse (1935)
Verse für Zeitgenossen (1945)
Der Papagei, die Mamagei und andere komische Tiere (1961)
Verse in Dur und Moll (1967)
Das himmelgraue Poesiealbum der Mascha Kaléko (1968)
Feine Pflänzchen (Posthum, 1976)
In meinen Träumen läutet es Sturm (Posthum, 1977)

Aus dem Atelier: Lebens-Fest

„Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest.“ Rainer Maria Rilke

Verstehen ist in einer geistigen Welt das oberste Gebot und das erklärte Ziel. Wir suchen Worte, lesen Bücher, um dahin zu kommen. Doch was, wenn es gar nichts zu verstehen gibt, weil nichts eindeutig ist? Was, wenn das Leben ist, was wir daraus machen? Wir klagen die Zeit an, weil sie schwer ist, nur: Es ist die einzige, die wir haben.

Vielleicht ist das Leben, wie Sartre sagt:

„…in Fest der Freude. Leider wird dabei zu wenig gelacht.“ Jean-Paul Sartre

Vielleicht tut es ab und zu gut, sich vom Geistigen, von Worten, vom Streben, vom Verstehen-Wollen zu lösen und einfach zu sein.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Ich-Sein

„Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, wie du bist.“ Niccolò Machiavelli

Bin ich, wer ich zu sein scheine? Bin ich, wer ich sein will? Will ich sein, wer ich bin, oder will ich doch eher sein, wie ich denke, sein zu müssen? Will ich um des Scheins Willen sein oder aus mir heraus?

Bestimmt sich mein Sein durch mein Tun oder tue ich, was ich tue, weil ich bin, wer ich bin?

Fragen, die man sich an einem Dienstag Morgen so stellen kann. Oder auch sonst. Vielleicht doch auch besser nicht? Was wäre, wenn ich eine Antwort fände? Was würde ich damit anfangen? Was würde sich ändern? Was müsste ich ändern? Und wenn sich nichts änderte und ich dies ebenfalls nicht täte, wozu dann die Frage?

Fragen sind sich selbst befruchtende Wesen. Bevor sich eine Antwort zeigt, sind schon 100 neue da.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Blumengruss

„Da mir immer die Worte fehlen Ihnen zu sagen, wie lieb ich Sie habe, schick ich Ihnen die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns andeutet, wie lieb sie uns hat.“ Johann Wolfgang von Goethe

Manchmal sagen Gesten und Bilder mehr als Worte. Und manchmal steckt in Worten mehr drin, als man auf den ersten Blick sieht. Dann wecken sie auf den zweiten Gedanken aus, führen zu neuen Feldern, in neue Themen und eröffnen neue Welten.

Blumen seien das Lächeln der Erde, sagte Ralph Waldo Emerson. Und manchmal frage ich mich, wieso sie noch lächelt bei all dem, was wir ihr antun. Wenn ich daran denke, dass in naher Zukunft ein grosser Teil der Tierwelt, wie ich sie kenne, ausgestorben sein wird, macht mich das traurig. Können wir wirklich etwas tun? Klar gibt es gute Tips wie weniger dies und mehr das. Doch hilft das wirklich? Ist es genug? Und wie viele müssten es machen, damit es einen Effekt hat? Ist der Gedanke, dass jeder für sich anfangen kann, nicht auch illusorisch und idealisiert?

Max Frisch fragte in seinem wunderbaren Büchlein „Fragebogen“, ob wir die Welt retten wollen würden, wenn wir und keiner, den wir kennen, von ihrem Untergang nicht betroffen wären. Und ich denke, genau da fängt ein Teil des Problems an. Auf der anderen Seite sieht man im kontaminierten Gebiet von Tschernobyl, wie sich die Natur das Gelände zurückerobert hat. Vielleicht müssen wir die Welt gar nicht retten. Oder besser: Wir sind schon dran, in dem wir uns selbst eliminieren durch unsere Machenschaften.

Eigentlich wollte ich nur einen Blumengruss schicken, nun ist so viel daraus geworden. Geniessen wir das Lächeln der Erde, freuen uns daran. Und ja, wenn ich tue, was ich kann, um zu bewahren, was mir Freude bereitet und am Herzen liegt, dann ist das sicher nicht falsch. Die Hoffnung, dass es etwas bewirkt, bleibt.

Habt einen schönen Tag!

Atelier: Selbsterkenntnis

Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß Sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur Das Leben lehret jeden was er sei.
Johann Wolfgang von Goethe

Wer bin ich, wenn ich alleine bin? Kann ich mir auf die Schliche kommen? Goethe meint, man brauche den anderen, um es zu tun. Auch Martin Buber schlägt in die Kerbe, wenn er sagt, dass das Ich eines Du bedürfe, um sich entwickeln zu können. Viele andere gingen den gegenteiligen Weg. Sie zogen sich in einsame Wälder oder in die Berge zurück oder sie gingen auf Wanderung. Auch in der Meditation geht man den Weg nach innen. Man lässt nach und nach alles im Aussen los, um die innerste Essenz zu fühlen, das, was bleibt, wenn der Rest weg ist.

Was ist denn nun der richtige Weg? Ich halte es da wie auch sonst gerne im Leben: Das Eine tun, das andere nicht lassen. Ich denke, nur in einer gesunden Mischung von Miteinander und alleinigem Reflektieren findet man schlussendlich wirklich das, was man dann als Ich erkennt. In welchem Verhältnis das stattfindet, wie die Einkehr aussieht, unterscheidet sich wohl von Mensch zu Mensch. Bei mir ist es sicher das kreative Tun, das mich immer wieder mehr zu mir bringt, das mir die Augen öffnet, mich sprichwörtlich sehend macht. Wie ist es bei dir?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Vom Wandel

„Der einzige Weg, dem Wandel einen Sinn zu geben, besteht darin, in ihn einzutauchen, sich mit ihm zu bewegen und mitzutanzen.“ Alan Watts

Es liegt wohl in der Natur des Menschen, das, was gut ist, bewahren zu wollen. Goethes Faust strebte nach diesem guten Moment, er hat für dessen Bleiben seine Seele verkauft. Das Leben hat oft anderes mit uns vor. Leben heisst, sich täglich mit Neuem konfrontiert zu sehen. Dinge gehen, andere kommen. Manchmal ist das begrüssenswert, manchmal erst im Nachhinein, manchmal überwiegt der Verlust des Alten. Nur: Wir werden es nicht ändern können, so sehr wir uns auch darum bemühen. Und: Das Festhalten an Altem ist in einem weiteren Sinne nicht nur gut: Es verunmöglicht uns, das Neue zu sehen und anzunehmen. Gerade im kreativen Tun kann das schwierig sein, führt es doch mitunter zum Versiegen der Kreativität, vor allem aber auch der Leidenschaft am Tun. Das immer Gleiche, war es am Anfang noch voll Freude und Entdeckergeist, wird nach und nach zur Gewohnheit, verliert den Esprit. Nur: Was kommt nach? Und wird es auch gut, gut genug sein?

Wandel ist immer ein Risiko. Was uns dabei am meisten im Weg steht, ist der eigene Perfektionismus. Wir erwarten von uns ständig Höchstleistungen und die inneren Stimmen, die uns anklagen, gelingen uns die nicht, sind unbarmherzig. Nur, wie sagte Henry Ford so treffend:

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“

Ich würde es sogar erweitern und sagen:

„Wer immer tut, was er schon kann, erfährt nie, wozu er noch fähig wäre, würde er es versuchen.“

Wo ertappt ihr euch, an Altem festzuhalten? Und was würdet ihr schon lange gerne probieren, traut euch aber nicht?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Melancholie

„Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
und wie Legende weit und überwunden.

Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
der, reif und rauschend, über einem Grabe
den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
verlor in Traurigkeiten und Gesängen.“

(Rainer Maria Rilke, 1899)

Auch sie gehören zum Leben, die dunklen Stunden. Auch in ihnen liegt eine Schönheit, die man wohl meist erst hinterher sieht – oder zu sehen versucht, um ihnen zumindest einen Sinn zu geben. Doch was wäre all das Licht, gäbe es kein Dunkel? Gäbe es überhaupt Licht? Und gäbe es ohne Licht Dunkelheit?

Habt einen lichtvollen Tag!

Aus dem Atelier: Quo vadis?

„Manchmal muss man Wege erst gehen, um zu sehen, dass sie nicht passen.“

Ich probiere gerne Neues aus, bin anfangs meist auch Feuer und Flamme und denke schnell: Das ist es, das mache ich nun weiter. Mit der Flut des Geschafften nimmt oft das Mass an Enthusiasmus ab, bis ich an einem Punkt bin, an dem ich merke: Nein, das ist es doch nicht. Und oft kehre ich dann zu Bewährtem zurück und merke, dass ich von meinem Ausflug in neue Gefilde etwas mitgebracht habe, das sich nun auf eine gute Weise eingebracht hat.

Vermutlich ist es das, was Rilke meint, wenn er vom Leben in wachsenden Ringen spricht. Wir gehen ständig weiter, nehmen Dinge weg, andere bleiben zurück. Und so durchschreiten wir Ring für Ring unser Leben. Oft sehen wir das als Weiterentwicklung. So, als ob wir im Aussen etwas aufgenommen und verinnerlicht haben. Max Frisch sah es andersrum. Er sagte, wir entwickeln uns nicht, sondern entfalten uns. Nach dem Bild ist alles in uns angelegt, wir müssen es nur entdecken und zur Entfaltung bringen. Vielleicht ist dann das, was bleibt von den Ausflügen, das, was in meinem Innern eine Resonanz findet, weil es da schon im Verborgenen angelegt war.

Und wenn ich solche Dinge schreibe und darüber nachdenke, was wer gesagt und gedacht hat, kommt mir manchmal der Gedanke: Ist das überhaupt wichtig? Entfalten, entwickeln? Vielleicht kommt es nur darauf an, den Weg zu gehen und darauf zu achten, was wir auf ihm entdecken und wie es sich für uns anfühlt. Weniger denken. Tun.

Habt einen schönen Tag!