Aus dem Atelier: Blumengruss für Mascha Kaléko

„Jage deine Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.

Für die paar Jahre

Wird wohl alles noch reichen.

Das Brot im Kasten

Und der Anzug im Schrank.



Sage nicht mein.

Es ist dir alles geliehen.

Lebe auf Zeit und sieh,

Wie wenig du brauchst.

Richte dich ein. 

Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:

Was kommen muss, kommt.

Geh dem Leid nicht entgegen.

Und ist es da,

Sieh ihm still ins Gesicht.

Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.

Und hüte besorgt dein Geheimnis.

Auch der Bruder verrät,

Geht es um dich oder ihn.

Den eignen Schatten nimm

Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.

Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.

Flicke heiter den Zaun

Und auch die Glocke am Tor.

Die Wunde in dir halte wach

Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug

Und halte dich an Wunder.

Sie sind lang schon verzeichnet

Im großen Plan.

Jage die Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.“
Mascha Kaléko

Heute würde Mascha Kaléko 118 Jahre alt. Ich hebe mein Glas auf diese wunderbare Dichterin, deren Gedichte sich durch eine Mischung aus Melancholie, Tiefgang, spitzer Zunge und Witz auszeichnen. Ich kann ihre Lektüre nur ans Herz legen.

Ausgewählte Werke
Das lyrische Stenogrammheft (1933)
Kleines Lesebuch für Grosse (1935)
Verse für Zeitgenossen (1945)
Der Papagei, die Mamagei und andere komische Tiere (1961)
Verse in Dur und Moll (1967)
Das himmelgraue Poesiealbum der Mascha Kaléko (1968)
Feine Pflänzchen (Posthum, 1976)
In meinen Träumen läutet es Sturm (Posthum, 1977)

Aus dem Atelier: Ich-Sein

„Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, wie du bist.“ Niccolò Machiavelli

Bin ich, wer ich zu sein scheine? Bin ich, wer ich sein will? Will ich sein, wer ich bin, oder will ich doch eher sein, wie ich denke, sein zu müssen? Will ich um des Scheins Willen sein oder aus mir heraus?

Bestimmt sich mein Sein durch mein Tun oder tue ich, was ich tue, weil ich bin, wer ich bin?

Fragen, die man sich an einem Dienstag Morgen so stellen kann. Oder auch sonst. Vielleicht doch auch besser nicht? Was wäre, wenn ich eine Antwort fände? Was würde ich damit anfangen? Was würde sich ändern? Was müsste ich ändern? Und wenn sich nichts änderte und ich dies ebenfalls nicht täte, wozu dann die Frage?

Fragen sind sich selbst befruchtende Wesen. Bevor sich eine Antwort zeigt, sind schon 100 neue da.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Blumengruss

„Da mir immer die Worte fehlen Ihnen zu sagen, wie lieb ich Sie habe, schick ich Ihnen die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns andeutet, wie lieb sie uns hat.“ Johann Wolfgang von Goethe

Manchmal sagen Gesten und Bilder mehr als Worte. Und manchmal steckt in Worten mehr drin, als man auf den ersten Blick sieht. Dann wecken sie auf den zweiten Gedanken aus, führen zu neuen Feldern, in neue Themen und eröffnen neue Welten.

Blumen seien das Lächeln der Erde, sagte Ralph Waldo Emerson. Und manchmal frage ich mich, wieso sie noch lächelt bei all dem, was wir ihr antun. Wenn ich daran denke, dass in naher Zukunft ein grosser Teil der Tierwelt, wie ich sie kenne, ausgestorben sein wird, macht mich das traurig. Können wir wirklich etwas tun? Klar gibt es gute Tips wie weniger dies und mehr das. Doch hilft das wirklich? Ist es genug? Und wie viele müssten es machen, damit es einen Effekt hat? Ist der Gedanke, dass jeder für sich anfangen kann, nicht auch illusorisch und idealisiert?

Max Frisch fragte in seinem wunderbaren Büchlein „Fragebogen“, ob wir die Welt retten wollen würden, wenn wir und keiner, den wir kennen, von ihrem Untergang nicht betroffen wären. Und ich denke, genau da fängt ein Teil des Problems an. Auf der anderen Seite sieht man im kontaminierten Gebiet von Tschernobyl, wie sich die Natur das Gelände zurückerobert hat. Vielleicht müssen wir die Welt gar nicht retten. Oder besser: Wir sind schon dran, in dem wir uns selbst eliminieren durch unsere Machenschaften.

Eigentlich wollte ich nur einen Blumengruss schicken, nun ist so viel daraus geworden. Geniessen wir das Lächeln der Erde, freuen uns daran. Und ja, wenn ich tue, was ich kann, um zu bewahren, was mir Freude bereitet und am Herzen liegt, dann ist das sicher nicht falsch. Die Hoffnung, dass es etwas bewirkt, bleibt.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Vom Wandel

„Der einzige Weg, dem Wandel einen Sinn zu geben, besteht darin, in ihn einzutauchen, sich mit ihm zu bewegen und mitzutanzen.“ Alan Watts

Es liegt wohl in der Natur des Menschen, das, was gut ist, bewahren zu wollen. Goethes Faust strebte nach diesem guten Moment, er hat für dessen Bleiben seine Seele verkauft. Das Leben hat oft anderes mit uns vor. Leben heisst, sich täglich mit Neuem konfrontiert zu sehen. Dinge gehen, andere kommen. Manchmal ist das begrüssenswert, manchmal erst im Nachhinein, manchmal überwiegt der Verlust des Alten. Nur: Wir werden es nicht ändern können, so sehr wir uns auch darum bemühen. Und: Das Festhalten an Altem ist in einem weiteren Sinne nicht nur gut: Es verunmöglicht uns, das Neue zu sehen und anzunehmen. Gerade im kreativen Tun kann das schwierig sein, führt es doch mitunter zum Versiegen der Kreativität, vor allem aber auch der Leidenschaft am Tun. Das immer Gleiche, war es am Anfang noch voll Freude und Entdeckergeist, wird nach und nach zur Gewohnheit, verliert den Esprit. Nur: Was kommt nach? Und wird es auch gut, gut genug sein?

Wandel ist immer ein Risiko. Was uns dabei am meisten im Weg steht, ist der eigene Perfektionismus. Wir erwarten von uns ständig Höchstleistungen und die inneren Stimmen, die uns anklagen, gelingen uns die nicht, sind unbarmherzig. Nur, wie sagte Henry Ford so treffend:

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“

Ich würde es sogar erweitern und sagen:

„Wer immer tut, was er schon kann, erfährt nie, wozu er noch fähig wäre, würde er es versuchen.“

Wo ertappt ihr euch, an Altem festzuhalten? Und was würdet ihr schon lange gerne probieren, traut euch aber nicht?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Melancholie

„Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
und wie Legende weit und überwunden.

Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
der, reif und rauschend, über einem Grabe
den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
verlor in Traurigkeiten und Gesängen.“

(Rainer Maria Rilke, 1899)

Auch sie gehören zum Leben, die dunklen Stunden. Auch in ihnen liegt eine Schönheit, die man wohl meist erst hinterher sieht – oder zu sehen versucht, um ihnen zumindest einen Sinn zu geben. Doch was wäre all das Licht, gäbe es kein Dunkel? Gäbe es überhaupt Licht? Und gäbe es ohne Licht Dunkelheit?

Habt einen lichtvollen Tag!

Aus dem Atelier: Sonnenstrahl

„Ein Sonnenstrahl reicht hin, um viel Dunkel zu erhellen.“ Franz von Assisi

Es muss nicht immer viel und gross sein, oft sind es die kleinen Dinge, die grosses Bewirken. In er japanischen Philosophie „Ikigai“ gibt es die fünf Säulen, wobei die vierte besagt, man solle sich an kleinen Dingen freuen. Wie viel Gutes wäre plötzlich in der Welt, würden wir das nicht übersehen bei unserer Suche nach dem Besseren?

Heute werde ich die Sonne wohl in mir finden müssen, denn draussen ziert sie sich. Etwas Farbe kann da helfen.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Go Girl

„Ich suche nicht, ich finde.“ Pablo Picasso

Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, dass ich krampfhaft versuchte, „mein Ding“ zu finden. Und ich schwirrte vom einen zum anderen und immer bleibt nach einer kurzen „Heureka-Euphorie“ ein ernüchtertes „Nein, doch nicht“ zurück. Und dann machte ich einfach wieder, was mir in den Sinn kam, und merkte, dass eigentlich alles da war. Ich es nur sehen und als „mein Ding“ erkennen müsste. Und dann schaute ich manchmal zurück auf all die Ausflüge meiner Suchereien und sah, dass in all diesen auch durchschien, was ich tue, wenn ich eben aus mir heraus arbeite und nicht nach etwas im Aussen suche.

Ich bin aus meinem früheren Leben in der Akademie so gewohnt, dass man sich abstützen, dass man bei andern suchen muss, dass man belegen und bewerten, zielorientiert vorgehen muss, dass es mir immer wieder schwer fällt, aus mir heraus frei zu arbeiten. Ich habe gemerkt, dass mir das am besten gelingt, wenn ich die Ansprüche loslasse und denke, ich übe nur. Und plötzlich ist da was, das mir gefällt. Von dem ich denke: „Genau so.“

Pablo Picasso sagte mal, Inspiration müsse einen beim Arbeiten finden. Das trifft für mich auch zu. Je mehr ich mache, desto mehr kommt alles ins Fliessen. Wenn ich aber zu viel denke, kommt alles ins Stocken.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Think pink

Als ich im linken Daumen Rhizarthrose bekam, welche durch eine Fehlstellung des Daumens durch einen Unfall beschleunigt wurde, dachte ich, es sei gut, sei es wenigstens links, bin ich doch ausgeprägter Rechtshändler. Dachte ich. Ich merkte erst da, wie viel ich eigentlich mit links mache. Ausser Schreiben, was links gar nicht geht, eigentlich fast alles.

Nun, die in den Rau gestellte OP umging ich mit einer Spritze, die bislang gute Dienste leistet, zumindest schmerztechnisch. Wie es so kommen musste, ist nun der rechte Daumen auch dran. Die OP links sieht der Herr in Weiss noch dringender, rechts rät er auch dazu (und war eher angepisst, als ich beides nicht freudig als Option in Betracht ziehen wollte). Mit einer weiteren Spritze im Daumen bin ich wieder heim.

Und so sitze ich da und frage mich, was da wohl noch auf mich zukommen wird. Wie viel Zeit ich die Daumen nicht benutzen darf, wie ich dann zeichne, was ich dann mache. Und ich muss gestehen, es schlägt mir ziemlich aufs Gemüt.

So düster darf es nicht bleiben, da muss ein wenig Farbe her. Das hilft immer. Und auch jetzt kommt der Gedanke auf: Ich schaff’s das. Und ich mache auch schon Pläne, wie das aussehen könnte.

Habt einen schönen, farbenfrohen Tag!

Aus dem Atelier: Sportliche Skizzen

«Sport ist Mord.» Winston Churchill

Als junger Mann Leistungsschwimmer, wandte er sich später anderen Leidenschaften zu. Seine Aussage ist wohl so gemeint, dass wirklicher Leistungssport immer mit viel Aufwand und Anstrengung verbunden ist.

Sport ist gesund. Sagen andere. Ich würde nicht so weit gehen, Sport als Mord zu bezeichnen, aber langweilig ist er in meinen alleweil. Ein notwendiges Übel quasi, weil es mir danach immer besser geht. Und so raffe ich mich nach meiner Yogasitzung immer auf und steige auf den Hometrainer für 10-15 Minuten. Und damit es nicht zu langweilig wird, habe ich ein Brett auf die Lenkstange gelegt und kritzle nun vor mich hin. Reduziert mit Bleistift und Leuchtstift (was halt so da liegt). Und schwupps, ist die Zeit um und die Skizze fertig. Bis zum nächsten Tag.

Mögt ihr Sport?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Abstecher in die Modewelt

In den letzten Tagen habe ich einen Abstecher in die Welt der Mode, genauer der Modeillustration gemacht. Fasziniert von verschiedenen Künstlern, liess ich mich treiben, zeichnete mit klareren Linien, «zog meine vormals nackten Frauen an», liess sie gehen, stehen, tanzen. Ich experimentierte mit einem illustrativeren Stil und irgendwie gefiel mir das Aufgeräumte, die klaren Strukturen. Weniger Chaos, weniger Dreck, weniger Unordnung – sowohl auf dem Papier wie auch im Atelier. Als ordnungsliebender Mensch kam mir das sehr entgegen.

Und plötzlich merkte ich eine innere Unzufriedenheit. Da fehlte plötzlich was. Etwas, das mir die Kunst vorher gegeben hat: Die Freude am Erforschen. Ich hatte mein Grundthema verloren, nämlich den Menschen in seiner Welt und seinem Sein einen Ausdruck zu geben. Ich hatte ihn im wahrsten Sinne verkleidet.

Heute habe ich ihn wieder entkleidet. Gewisse Dinge werde ich aber mitnehmen aus der Zeit. Und genau das ist das Schöne, das wohl auch zu (meine)m Weg gehört: Immer wieder Neues erforschen, um dann mitzunehmen, was passt und wegzulassen, was doch nicht meins ist.

Habt einen schönen Tag!

Das Bild entstand nach einer Fotografie des Modehauses Chloé.

(Die Zeichnung habe ich eingescannt, um verschiedene Farbvariationen auszuprobieren. Den für solche Dinge eigens angeschafften Scanner einzurichten, war eine Herausforderung für sich….)

Aus dem Atelier: Scham

«Das Schöne, auch in der Kunst, ist ohne Scham nicht denkbar.» Hugo von Hofmannsthal

Als ich nach Zitaten über die Scham suchte, hatte ich natürlich etwas im Sinn. Allerdings entsprach das in keiner Weise dem, was ich gefunden habe. Scham, so landläufig die Ansicht, sei es bei Philosophen, Literaten oder in Religionsbüchern, wird als Zier und gebührliches Empfinden gesehen. Sie ist quasi der Hüter der Moral, der Wächter über Zucht und Ordnung.

Nun kann ich dieser Sicht durchaus etwas abgewinnen, doch mir ging es um etwas anderes: Um die Scham, die wir oft verspüren, wenn es um unsere Unzulänglichkeiten und vermeintlichen Unperfektheiten geht. Wir verstecken sie so gut wie möglich, verstecken damit uns selbst auch, denn indem wir diesen Teil verbergen, dringt nur noch eine halbherzige Version unserer selbst nach draussen. Wir vermitteln ein Bild, das nur in Teilen uns entspricht.

Das ist sicher gut und sinnvoll als Selbstschutz in gewissen Momenten, doch oft kann einem dieses Verhalten auch behindern. Wir stehen uns damit selbst im Weg, weil wir uns nicht trauen. Wir fürchten uns vor unseren Fehlern, fürchten uns vor den Reaktionen darauf, und wagen nicht, was wir eigentlich gerne tun und sein würden.

Das liegt sicher mit daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Fehler und Scheitern verteufelt werden, etwas, das es nicht geben darf. Wie schade. Wie oft zeigen sich gerade in Fehlern oder Dingen, die nicht gelingen neue Wege und Möglichkeiten? Kreativität entsteht da, wo dem freien Ausprobieren nichts im Wege steht. Und meiner Meinung nach entsteht dann das Schöne. In der Kunst und im Leben.

Habt einen schönen Tag!