Aus dem Atelier: Rationaler Abgesang

Die westliche Welt ist eine mehrheitlich rationale. Alle Schöngeistigkeit wird einerseits bewundert, gilt aber andererseits als lebensfern und fällt damit durch die Raster (der Bildung, der Finanzierung, der gesellschaftlichen Relevanz, etc.) des allgemeingültig als anzustrebendes Leben Bewerteten. Viele Jahre war ich als Philosophin mittendrin in dieser rationalen Welt, diskutierte, argumentierte, feierte Kant und Konsorten, studierte wissenschaftliche und historische Zusammenhänge, wirtschaftliche Bedingungen und gesellschaftliche Abgründe. Wie viel Kraft es mich gekostet hat, merkte ich erst bei meinem ersten Ausbruch – damals in die östliche Welt des Yoga und Buddhismus, dann später immer wieder durch Ausflüchte in die Kunst. 

Das Schöne am Älterwerden ist, dass ich mittlerweile vieles hinter mir lassen darf, dass mich nicht mehr so sehr kümmern muss, was andere denken oder über mich sagen (und doch tut es das noch viel zu sehr, ich arbeite dran).  Dafür, dass mir die Worte abhanden gekommen sind, kamen nun doch wieder viele zusammen. Es werden wohl mitunter weniger werden, denn ich merke, die Suche nach Worten lässt mich ganz schweigsam zurück. 

Habt einen schönen Tag. 


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10 Kommentare zu „Aus dem Atelier: Rationaler Abgesang

  1. Naja, die Rationalität ist das, was die westliche Kultur auszeichnete und die Renaissance von den Griechen übernahm. Ich bin jetzt seit 15 Jahren pensioniert und erfreue mich jetzt erst recht an der Klarheit des Rationalen, die Schönheit der Logik und letztendlich der Mathematik. Natürlich ist es modisch, das Rationale abzulehnen und die Wortlosigkeit zu zelebrieren, aber ich halte mich für alt genug, das nicht wieder mitzumachen müssen, was schon in 60er-Jahren topmodisch war.
    Klasusbernd 🙂

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    1. Ach, mit Mode hat das bei mir gar nichts zu tun, das interessiert mich nicht. Noch ist die Rationalität bei uns mehr in Mode als anderes, ergo müsste man dem ja folgen, ginge es darum. Es ist mehr, was in mir vorgeht und was ich für mich als passend empfinde. Aus Gründen. Dem möchte ich folgen. Nicht aus Prinzip oder dem Denken, so müsste es sein, mehr weil ich merke: So stimmt es für mich. Im Moment.

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  2. Liebe Sandra,
    einst wollte ich Philosophie studieren, um gute Märchen schreiben zu können. Bei den Miletern gab es doch schon so wunderbare Sprachbilder: …Alles Leben kommt aus dem Feuchten, dem großen Maul eines Fisches… Nach sechs Semestern wars mir zu viel des Guten, weil zu wenig Antike. Das Märchenschreiben aber blieb mir und ich habe wie Du jetzt immer dazu gezeichnet. Es tat mir gut, der Außenwelt etwas anderes zu geben, als sie mir. Aber Du hast recht, das Älterwerden lässt uns sein wer wir wirklich sind… Die Worte kommen wieder, bestimmt.
    Liebe Grüße aus der Schorfheide von Petra

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    1. Liebe Petra
      Märchen sind was Wundervolles. Ebenso Gedichte, die ich sehr liebe. Und wegen der Worte: Für mich stimmt es so ganz gut. Ich mag die Bilderwelt lieber, ich fühle mich im Zeichnen sehr wohl. Es ist ein Heimkommen an einen Ort, an dem ich mich mal sehr zu Hause fühlte.

      Liebe Grüsse zu dir
      Sandra

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