Zum Weltfrauentag – Gedanken und Bücher

Ich würde gerne behaupten und auch sehen, dass es keinen Weltfrauentag braucht, weil jeder Tag für alle da ist, doch leider ist dem an den meisten Tagen nicht so. Darum sind solche Tage wichtig, sie sollen wieder ins Bewusstsein rufen, was viel zu einfach vergessen gehen kann.

In seinem Buch „Die Würde ist antastbar“ behandelt Ferdinand von Schirach in einem Essay die Frage der Gleichstellung der Frau. Er zeigt fragwürdige Haltungen in der Politik zu diesem Thema auf (kurze Hoffnungsschimmer durch einzelne Personen werden mehrheitlich zunichte gemacht durch die oft erfolgreichen Versuche, diese zu verunglimpfen) und listet Zahlen aus Vorständen und Führungspositionen. Und man sitzt da und fragt sich, wie es möglich ist, dass der Frauenanteil in Vorständen grosser Firmen nur 3% beträgt, in Führungspositionen ist der Satz etwas höher, aber bei weitem nicht annähernd ausgeglichen. Nur mangelnder Einsatz und fehlende Bereitschaft kann nicht der Grund dafür sein.

Als Aristoteles seine Idee einer guten Gesellschaft formulierte, sprach er von gleichen Rechten für alle. Damals war klar, dass „alle“ nur freie Männer einer gewissen Klasse meinte. Sklaven, Arbeiter und Frauen waren ausgeschlossen aus diesem „alle“. Wenn man seine Schriften heute liest, denkt man, diese Bewertung sei antiquiert, doch die tatsächlichen Zahlen sprechen eine andere Sprache – immer noch. Die Aussage von Mary Shear:

„Feminismus ist die radikale Auffassung, dass Frauen Menschen sind.“

ist also nicht obsolet, sondern offensichtlich noch nicht in allen Köpfen in ihrer ganzen Tragweite angekommen. Zwar erkennt man Frauen durchaus als Menschen im Sinne des Menschseins, aber eben nicht im Sinne eines teilhabenden, gleichwertigen Menschen. Frauen sind eher „die Anderen“, die auch noch da sind, wenn die Welt verteilt ist unter denen, die eben „die Einen“ sind. Aus dieser Haltung leitet Simone de Beauvoir den Titel ihres Hauptwerkes ab („Das andere Geschlecht“) und das Buch ist aktuell wie eh und je und auch heute noch Pflichtlektüre sein sollte.

Wir haben also noch viel zu tun, um auch zu den Einen zu gehören. Denn: Es steht uns zu. Alles andere spräche uns unsere Würde als Mensch ab. Wobei der Konjunktiv falsch gesetzt erscheint…

Wenn es ums Lesen geht, zeigt sich ein ähnliches Bild. Viele Frauen wurden und werden vergessen, sie hatten früher zwar die grösseren Hürden, schreiben zu dürfen/können, aber auch heute noch zeigt sich in vielen Bereichen (Schule, Universität, Literaturbetrieb…) eine Ungleichbehandlung. (Sehr empfehlenswert dazu: Nicole Seifert, Frauenliteratur). Wenn ich zurückdenke, habe ich als Kind mehrheitlich Frauen gelesen (unbewusst), ab der Schule und auch im Literatur- wie Philosophiestudium kamen die kaum (schon das ist fast eine Übertreibung) mehr vor. Auch wenn ich nach wie vor sage, dass es nicht draufankommt, wer ein Buch geschrieben hat (rein vom Geschlecht her), merke ich, dass mich Literatur von Frauen oft mehr anspricht heutzutage (es gibt natürlich Ausnahmen, Autoren, die ich hochhalte und liebe). Heute möchte ich zehn Bücher von Frauen nennen, die ich für lesenswert halte, immer im Bewusstsein, dass dies eine persönliche Auswahl ist, die nicht mal über die Zeit gleich lauten würde:

Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht (und alles andere von ihr)
Ein Buch darüber, wie Frauen in die zweite Reihe gestellt werden durch die Sicht auf sie als andere, während der Mann die Norm darstellt. Da diese Hierarchie rein sozial und nicht biologisch begründet ist, ist sie veränderbar. Es ist an uns, dies zu tun.

Hannah Arendt: Denken ohne Geländer
Das Buch vereint zentrale Texte aus Hannah Arendts Schaffen sowie Auszüge aus Briefen, die ihr Denken offenlegen – ein Denken, das wirklich ohne Geländer frei floss, das vor nichts Halt machte, sondern sich auch (und oft) unbequemen Dingen stellte.

Elizabeth Strout: Am Meer
Lucy Barton befindet sich im Lockdown mit ihrem Exmann, sie denkt über ihr Leben nach, über die Brüche und Umbrüche, ihre Beziehungen zu Männern und ihren Töchtern. Ein Buch zum Mitfühlen, Mitdenken, eine Anregung, das eigene Leben Revue passieren zu lassen.

Caroline Emcke: Weil es sagbar ist
Was lässt sich erzählen und wer kann es tun? Für wen erzählen wir und wem wollen wir erzählen? Für wen können wir sprechen und wieso sollen wir es tun? Carolin Emcke zeigt den Wert der geteilten Geschichten für das Leben und das Überleben, denkt über die Sprache als Verbindung zwischen den Menschen nach.

Vigdis Hjorth: Die Wahrheit über meine Mutter
Die Auseinandersetzung einer Frau mit ihrer Mutter, zu welcher der Kontakt abgebrochen wurde und die sich weigert, ihn wieder aufzunehmen. Gedanken dazu, wie Menschen werden, wie sie sind, was es bedeutet, Mutter oder Tochter zu sein, zu den eigenen Gefühlen, schmerzhaften Erfahrungen und Sehnsüchten.

Annie Ernaux: Erinnerungen eines Mädchens
Die Geschichte eines Mädchens und einer jungen Frau auf der Suche nach dem richtigen Platz im Leben, ihr Heranwachsen mit Wünschen, Träumen, Verletzungen und Scham. Der Blick von Heute auf das Gestern, der Versuch, sich selbst in der eigenen Vergangenheit zu finden und zu durchleuchten, schreibend, und dabei dieses Schreiben selbst immer wieder zu hinterfragen

Susan Sontag: Tagebücher 1964 – 1980
Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke – so beschreibt Susan Sontag ihr Schreiben selber. Die Tagebücher sind das Zeugnis einer intelligenten, nachdenklichen, oft vom Leben enttäuschten Frau.

Virginia Woolf: Ein Zimmer für sich allein
Ein Buch darüber, wie wichtig es ist für eine Frau, ihr eigenes Zimmer, den Raum für sich zu haben.

Deborah Levy: Was das Leben kostet
Die Ehe ist zerbrochen, das alte Leben ist vorbei. Es gilt, ein neues aufzubauen, in einem neuen Zuhause und im neuen Leben anzukommen und sich da einzurichten. Deborah Levy erzählt aus dieser Zeit des Umbruchs, erzählt von den Gedanken, Gefühlen, Herausforderungen und immer wieder auch vom Schreiben.

Elisabeth Wellershaus: Wo die Fremde beginnt
Gedankenräume über erfahrenen Rassismus, Nachdenken über blinde Flecken bei sich und in der Gesellschaft, eine persönliche Lebensreise durch verschiedene Stationen der eigenen Biografie, pendelnd zwischen Spanien und Deutschland, zwischen verschiedenen Identitäten und Zuschreibungen. Ein persönliches, ein augenöffnendes Buch, ein Buch über systemische, strukturelle und individuelle Diskriminierung.


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6 Kommentare zu „Zum Weltfrauentag – Gedanken und Bücher

  1. Von Elizabeth Strout mochte ich die Romane „Mit Blick aufs Meer“ und „Die langen Abende“ schon immer. Jetzt, als „alte“ Frau aber besonders, weil die Romane so viele Themen ansprechen, die mich in diesem Lebensabschnitt besonders betreffen. Dazu ist auch die Miniserie „Olive Kitteridge“ sehr sehenswert. Ich werde mir die DVD heute einlegen und den Weltfrauentag damit ausklingen lassen. Liebe Grüße! Regine

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    1. Ich habe schon lange mit ihr geliebäugelt, immer wieder Bücher kaufen wollen. Das war nun mein erstes von ihr, aber die Lust ist gross, weitere zu lesen. Sie hat mich wirklich sehr beeindruckt und begeistert in ihrer Reflektiertheit, in ihrer Sprache, in den Themen auch, ja, in denen ich mich oft wiederfand. Liebe Grüsse zu dir, Sandra

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