Wer in Frankreich künftig magere Models über den Steg schicken will, muss den Gürtel selber enger schnallen, denn die Bussen sind hoch angesetzt und es droht unter Umständen gar Gefängnis. Das will ein Zusatz zum Gesundheitsgesetz.
Die Meinungen, ob das nun gut sei oder nicht, gehen auseinander. Von Irrsinn ist die Rede, davon, man wolle Menschen diskriminieren, die halt dünn seien. Im Sport gäbe es auch Drill und Zurückhaltung, wieso nicht auch im Modelbusiness. Zu dem Argument ist zu sagen, dass man weiss, dass es gerade im Sport nicht immer gesund zu und her geht, dass in gewissen Sportarten Magersucht, in anderen Medikamente an der Tagesordnung sind. Man erinnere sich nur an gewisse Turnerinnen aus der ehemaligen DDR. Das Argument hinkt also ziemlich.
Stellt sich die Frage nach der Angemessenheit des Strafmasses. 6 Monate und 75’000 Euro – diese Zahlen geistern durch die Medien. Ein relativ hohes Strafmass, wenn man bedenkt, was man für andere Delikte kassiert. Nur: Der Straftatbestand wird als Anstiftung zu Magersucht bezeichnet und Magersucht ist eine mitunter tödliche Krankheit – nicht immer, aber doch oft. Es ist ein Selbstmord auf Raten und die Anstiftung dazu ist sicher kein Kavaliersdelikt. Die Frage, die sich also stellt: Sind Models einfach so dünn oder sind sie wirklich krank?
Der Durchschnitts-BMI auf den Laufstegen soll bei etwa 16 – 17 liegen. Damit man eine Vorstellung davon hat, hier eine kurze Auflistung:
165 cm à 43 kg
170 cm à 46 kg
175 cm à 50 kg
180 cm à 55 kg
185 cm à 57 kg
Damit bewegt man sich zwischen BMI 16 und 17. Jeder zu Hause kann nun mal rechnen, wie gross er sein müsste für Modelmasse. Klar gibt es Menschen, die von Natur mit einem supertollen Stoffwechsel, ebensolchem Aussehen und dazu auch noch Modelambitionen ausgestattet sind. Ich denke aber, dass das eher die Minderheit ist und die Mehrheit sich mit Toilettenpapier, Wattebäuschchen und saucefreiem Salat dahin bringt – weitere Massnahmen möchte ich gar nicht mehr erwähnen. Naturwunder sind wohl die wenigsten. Und ja: Der Druck ist da, denn der Beruf ist für viele ein Traum und wenn sie nicht aussehen, wie sie müssen, sieht eine andere so aus.
Ist das Gesetz also gut? Es ist traurig, dass es ein solches Gesetz braucht, weil Menschen nicht mehr auf Menschen achten, sondern darauf, wie sie ihre Belange am besten verkaufen. Ein paar Exemplare – meist eher nicht ganz so hübsch wie die Laufsteggeherinnen – definieren Schönheit und erklären das zum Massstab. Wer nicht will, der kann sich einen anderen Job suchen. Auf der anderen Seite stehen Menschen, die nicht mehr auf sich selber achten, nicht schauen, ob es ihnen gut geht, sondern nur darauf, ob sie anderen gefallen, deren Anforderungen genügen. Und sie würden dafür fast alles tun, sie setzen ja sogar ihr Leben aufs Spiel.
Wir sind also so weit gekommen, dass wir Gesetze brauchen, die Menschen vor sich selber und ihrem ungesunden Ehrgeiz schützen. Gesetze, die uns vor den Übergriffen anderer schützen, sind ja nicht neu. Und so einer findet hier auch statt. Und die Gesellschaft schaut zu, klatscht Applaus und kauft teure Kleider, weil sie sie an krank gehungerten Menschen sahen und nicht bedachten, dass das an ihnen selber ganz anders aussieht – es sei denn, sie setzen sich demselben Drill aus, weil ihnen ja vorgegaukelt wird, das allein sei schön.
Klar kann man sagen, keiner hätte die Models gezwungen. Es war ihre freie Wahl, könnte man argumentieren. Das stimmt ein Stück weit schon. Nur: Wir sprechen hier von meist sehr jungen Frauen, oft gar Mädchen. Die grosse Welt lockt, die ehrgeizige Mutter schiebt noch ein wenig, die eigenen Träume schillern rosarot und ein Promi verspricht das Blaue vom Himmel. Wie viel lassen sich gestandene Männer und Frauen vom Chef gefallen, machen eher die Faust im Sack als aufzubegehren, geschweige denn, den Bettel hinzuwerfen?
Dazu kommt erschwerend: Was als Ideal über den Laufsteg stolziert und von Plakatwänden lacht, ist für ganz viele (vor allem junge Mädchen) Vorbild und Ziel. Und schon haben wir eine Epidemie geschaffen. Sie ist schon lange da, es wäre an der Zeit, da Gegengewicht zu geben. Und ich höre förmlich die Aufschreie, dass unsere Gesellschaft verfettet und wir eher dicker denn dünner würden. Allerdings ist das nur die Kehrseite der Medaille und kein zweites Übel. Das Übel liegt nämlich immer an einem Ort: Es geht nicht darum, was gesund ist, was sich gut anfühlt, es geht darum, was andere als schön und richtig definieren. Und dem muss man entsprechen. Tut man es nicht, ist man raus, tut man es, fühlt man sich zwar drin, aber der Preis ist hoch. Und so fressen sich die einen Frustpfunde an und die anderen hungern sich das letzte Gramm Fett ab. Ob ein Gesetzt da hilft? Es ist auch in meinen Augen nicht der richtige Weg, aber einen besseren habe ich auch nicht.
Sehr guter Artikel, obwohl ich beim Ansehen von Werbung dieses ungute Gefühl von Gedankenlosigkeit des Konsumenten empfinde, der ja mit dem Kauf der angeprisenen Ware indirekt diesem Fehlverhalten zustimmt, sei es Jeans in „Size Zero“, Fältchenglättercreme, die von 23 Jahre alten Models präsentiert werden, die vorher stundenlang Geschminkt werden und dann mit Weichzeichner über den Bildschirm flimmern, oder die tolle und gesunde Produkte der Lebensmittelbranche anpreisen, die schlank, fröhlich und ausgeglichen machen, und das am Besten vor dem Frühstück. Ich grusel mich bei diesen Botschaften, denn sie sind für Normalsterbliche einfach nicht erfüllbar. Bei deinem eingefügten BMI würde jeder Arzt sofort Alarm schlagen, weil das schon starkes Untergewicht bedeutet. In den 60er und 70er Jahren hat man Kinder, die solche Größen/ Gewichtsverhältnisse hatten, zu einer staatlich bezahlten Kur geschickt, um zuzunehmen. Also hat doch irgendetwas im Kopf der Menschen klick gemacht, als Twiggi zum Schönheitsideal einer ganzen Generation wurde. Ein Ideal, dem die Männer zumeist nicht folgen, sondern nur unter Frauen als erstrebenswert empfunden wird.
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