Hermann Hesse (*2. Juli 1877)

Um meine Geschichte zu erzählen, muss ich weit vorn anfangen. Ich müsste, wäre es mir möglich, noch viel weiter zurückgehen, bis in die allerersten Jahre meiner Kindheit und noch weit über sie hinaus in die Ferne meiner Herkunft zurück.

Mit diesen Worten beginnt Hermann Hesse seinen Demian und drückt damit ein Verständnis von Sein und Werden aus, das sich durch sein ganzes Werk zieht. Die kindliche Seele, ihre Entwicklung und die Nöte dabei prägen Hermann Hesses ganzes Werk. Kaum ein anderer Schriftsteller hat Themen wie (Persönlichkeits)Bildung und Erziehung so ins Zentrum gerückt wie er.

Hermann Hesse erblickt als Sohn einer christlichen Missionarsfamilie am 2. Juli 1877 in Calw, einer kleinen Stadt im nördlichen Schwarzwald, das Licht der Welt.  1881 folgt der Umzug nach Basel, wo die Familie fünf Jahre bleibt und Hermann Hesse die Internatsschule der Basler Mission, für die seine Eltern tätig sind, besucht. 1886 führt der Weg zurück nach Calw, wo Hermann Hesse die Schule besucht, danach in Stuttgart das Landesexamen besteht und in der Folge in das evangelisch-theologische Seminar in Maulbronn eintritt. Er ist ein rebellischer Student, der mehrfach den Seminarmauern entflieht.

Durch Konflikte mit den Eltern und verschiedenen Schulen belastet, tritt Hermann Hesse in eine depressive Phase ein, welche Suizidgedanken mit sich bringt. Ein gescheiterter Suizidversuch führt zu Hermann Hesses Einlieferung in eine Nervenheilanstalt nahe Stuttgarts. Hermann Hesse fühlt sich unverstanden und verstossen, er distanziert sich von seiner Familie, äussert dies in aggressiven und von Sarkasmus strotzenden Briefen.

Ab 1892 besucht Hermann Hesse das Gymnasium, bricht dann die Schule ab und beginnt eine Buchhändlerlehre, welche er nach drei Tagen hinwirft, um eine Mechanikerlehre zu beginnen und dann erneut in den Buchhandel zu wechseln.

Neben seiner Arbeit und Reisen nach Italien veröffentlicht er immer wieder Gedichte und kleine literarische Arbeiten in Zeitschriften. 1903 lernt Hesse die Basler Fotografin Maria (Mia) Bernoulli kennen und heiratet sie 1904. Im selben Jahr gelingt ihm auch der Durchbruch mit seiner Literatur, Peter Camenzind erscheint beim Fischer Verlag. 1906 erscheint der zweite Roman, Unterm Rad.

Der Erste Weltkrieg bricht aus, Hesse ist kriegsuntauglich und schon bald Gegner der Kriegspolemik, die er rund um sich sieht. 1917 verfasst Hesse seinen Roman Demian, welcher erst nach dem Krieg, 1919 unter Pseudonym erscheint. Ebenfalls 1919 folgt der Umzug ins Tessin. Zu diesem Zeitpunkt liegt Hesses Leben in Scherben. Mehrere Schicksalsschläge stürzen Hesse in eine Krise und auch seine Ehe ist nicht von Glück gesegnet. Die vielen Reisen Hesses, die alleinige Pflicht Mias für Haus und Kinder und die psychischen Probleme beider führen zum Auseinanderleben und zur Scheidung 1923.

Kennst du das auch?
Kennst du das auch, dass manchesmal
Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehen musst?

Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf
Wie Einer, den ein plötzlich Heimweh traf;
Lust und Gelächter ist verstiebt wie Rauch,
Du weinst, weinst ohne Halt – kennst du das auch?

Hermann Hesse widmet sich neu inspiriert seiner Schriftstellerei, malt daneben Aquarelle und macht Zeichenskizzen. Der Zweite Weltkrieg lässt seine Produktivität schwinden, zwar entstehen in der Zeit noch Erzählungen und auch Gedichte, aber kein Roman mehr. 1961 erkrankt Hermann Hesse an einer Grippe, man entdeckt zudem eine bisher unentdeckte Leukämie. Hermann Hesse stirbt in der Nacht zum 9. August 1962 in Montagnola.

Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Werke Hermann Hesses:

  • Peter Camenzind (1904)
  • Unterm Rad (1906)
  • Gertrud (1910)
  • Unterwegs (1911)
  • Rosshalde (1914)
  • Demian (1919)
  • Siddharta (1922)
  • Narziss und Goldmund (1939)
  • Morgenlandfahrt (1932)
  • Das Glasperlenspiel (1943)

5 Kommentare zu „Hermann Hesse (*2. Juli 1877)

  1. Sein Buch „Siddharta“ hat mich früher sehr angesprochen.
    Darin geht es ja auch um Entwicklungsstufen und Lebensreise.
    Beim „Querlesen“ erfuhr ich dann, dass ausgerechnet ein gewisser
    Henry Miller, wohl in den Sechziger / Siebzigern des letzten Jahrhunderts,
    den literarischen Hesse aus der „Dunkelheit“ holte, sprich aus der Vergessenheit.
    Miller machte Hesse im Amerika wieder bekannt.
    Und alsbald erfuhr Hermann Hesse auch in Deutschland eine Renaissance.
    Der Rebell von einst, wurde wieder geschätzt und gelesen,
    was er zweifellos verdient hat.

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    1. Ja, die vergessen gegangenen Propheten im eigenen Land. Manchmal müssen sie uns von aussen (neu) bekannt gemacht werden. Klassiker haben oft heute den Beigeschmack von verstaubter Literatur, man sieht ihren Wert nicht mehr und denkt, sie hätten ihre Zeit gehabt. Gute Literatur ist zeitlos, die Botschaften sind die ewig gleichen, nur in neue Geschichten verpackt. Allerdings hat nicht jede Geschichte eine Botschaft und schon gar nicht eine herausragende. Dazu bedarf es eines durchdachten, feinfühligen, hintergründigen Menschen, der es schafft, die oft verborgenen Lehren des Lebens durch eine Geschichte sichtbar zu machen. Hesse war in meinen Augen ein Meister darin.

      Mit dem hier gesagten möchte ich nicht die aktuelle zeitgenössische Literatur abwerten und ihr jeglichen Inhalt absprechen, viel mehr geht es mir darum, dass ich das verstaubte Image der alten Klassiker bedaure.

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