Gedankensplitter: Zuhause

«Ein wahres Zuhause ist der Ort – jeder Ort –, an dem persönliche Entwicklung stattfinden kann, und der zugleich Beständigkeit bietet.» bell hooks

Wo bin ich zu Hause, wo ist der Ort, an den ich gehöre, der Ort, an dem ich sein kann, wer ich bin, weil ich merke, dass ich es auch sein darf? Was bedeutet dieses «Sein können, wer ich bin» überhaupt und wie realisiert es sich, realisiere ich es?

Als Mensch ohne wirkliche Wurzeln, weder bei Menschen noch an Orten, war das Gefühl von Heimat oder Zuhause für mich immer ein fremdes, eines, das zwar einer Sehnsucht entsprach, von dem ich aber nie wusste, was es genau ist und was es in einem bewirkt. Die Begriffe und das, wofür sie standen, wurden immer grösser und aufgeladener, das Hoffen, sie irgendwann ergründen und gar fühlen zu können, immer stärker.

Es gab immer wieder Momente, in denen ich dachte, nun gefunden zu haben, angekommen zu sein. Dieses Ankommen war ein Ziel gewesen, eines, das dem Sehnen und Bangen ein Ende setzen würde, das den gefühlten Mangel begleichen könnte. Immer wieder war es zerbrochen. Das Gefühl kam irgendwann auf, dass das einzige, worauf ich mich verlassen, worauf ich bauen, wo ich eine Art Zuhause finden könnte, ich selbst sei. Dies aber nicht in einer Selbstsicherheit des mir selbst Halt-Gebens, sondern vielmehr als Abkehr von anderen und dem Verlust jeglichen Vertrauens in sie, entstand es doch aus dem Gefühl heraus, dass sowieso nichts von Dauer und alles dem Verlust ausgeliefert sei.

Auf dieser Basis war ein Zuhause-Fühlen kaum möglich, auf dieser Basis war ein Wohlgefühl im Sein illusorisch, da dieses mangelnde Vertrauen auch aus einem Vertrauen in mich selbst rührte – oder das mangelnde Vertrauen zu anderen auf mich zurückwirkte, indem ich dachte, dass es an mir läge, wenn ich mich alleine fände, keinen hätte, auf den ich bauen könnte. Und vielleicht tat es dies, aber anders als gedacht: Nicht war ich in meinem SO-Sein nicht in Ordnung und damit nicht liebenswert, sondern in meinem fehlenden Vertrauen vermittelte ich selbst eine Form von Abwehr, verschanzte ich mich selbst hinter den selbstgebauten Schutzmauern, die sich schlussendlich als Gefängnismauern entpuppten.

Es ist wohl gar nicht so falsch, dass ich schlussendlich in mir selbst zuhause sein muss, dass ich auf mich bauen und vertrauen muss. Nur wenn ich das tue, kann ich mich öffnen nach aussen, im Wissen, dass ich sein darf, wie ich bin, dass ich auch anders sein darf, und doch in Ordnung bin. Aus diesem Wissen heraus kann ich mit einem Selbstverständnis auf andere zugehen, das diesen ihr Sein auch lässt, das uns in unserem jeweiligen So-Sein verbindet auch als Verschiedene, so dass daraus eine Beziehung entsteht, die auf Verständnis, Vertrauen, Zugewandtheit basiert. Wo würde man sich wohler fühlen als im Kreis von Menschen, die ein solches Miteinander leben? Wo wäre man mehr zuhause als da, wo man sich als Ich anerkannt fühlt und sich nicht schützen muss vor Verletzungen und Angriffen, wo man nicht in Angriffsstellung stehen muss, um gefürchtete Verletzungen abwehren zu können?

Es ist nicht immer leicht, die alten Muster abzulegen, die durch jahrelange Erfahrungen und Prägungen zustande kamen. Oft greifen sie in die Kindheit zurück, wurden da gefestigt und in die Seele gemeisselt. Veränderung braucht immer Zeit. Am besten gelingt sie an einem Ort, an dem man sich geschützt weiss, an dem man weiss: Hier darf ich sein. Und auch werden.  Schön, wenn man (manchmal auch einen) Menschen gefunden hat, die (der) einem das vermittelt. Vielleicht ist das dann Zuhause. Weil da Liebe herrscht und nicht Hass und Ablehnung. Ganz im Sinne von bell hooks Satz:

«Liebe ist die einzige Kraft, die einen Feind in einen Freund verwandeln kann.» bell hooks

Nicht dass vorher alle Menschen Feinde gewesen wären, aber die Angst, dass sie es sein könnten, hat eine wahre Begegnung verunmöglicht und damit ein Zuhause unmöglich gemacht.

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Buchempfehlung zum Thema:
bell hooks: Dazugehören. Über eine Kultur der Verortung

bell hooks wächst in Kentucky auf, verlässt den ländlichen Staat, um in der Stadt ihr Leben weg von der Arbeiterklasse und im universitären Umfeld zu führen. Sie schreibt vom Wunsch, dazuzugehören, von Rassismus, der auf dem Papier abgeschafft, doch im Leben präsent wie eh und je ist. Sie schreibt vom Trost der Natur, vom Wert der Familie, der Kunst und des sorgsamen Umgangs mit Menschen und der Welt. Sie träumt von einer Welt des Miteinanders, einer Welt der Zugehörigkeit ohne Rassismus und Segregation. Und sie schreibt von ihrer Rückkehr nach Kentucky, den Ort, den sie überall hin mitgenommen hat durch die verinnerlichten Werte und Muster, und wo sie sich nun niederlassen will.

(bell hooks: Dazugehören. Über eine Kultur der Verortung, Unrast Verlag, Münster 2022.

Gedankenströme: Zuhause

Ich bin heute dreimal umgezogen. Das war doch sehr anstrengend.

Zuerst las ich ein Buch über eine Frau, die ein kleines Haus im Grünen fand, eher heruntergekommen, aber doch mit Potential. Sie hat es instand gesetzt, nach ihren Bedürfnissen umgebaut und eingerichtet, um sich da mit ihrem Hund wohl zu fühlen. Das wäre perfekt. Dachte ich. Ein kleines Haus im Grünen, ein lauschiger Baum vor dem Fenster. Das Grün bitte pflegeleicht, ich habe keinen grünen Daumen und auch keine gärtnerischen Ambitionen, nur grosse Träumen von selbst angebautem Gemüse und Tee aus eigenen Kräutern, doch die Umsetzung war bislang immer eher kümmerlich. Aber sonst? Ein Traum.

Die Tage vorbeiziehen sehen, Ruhe, ich, der Hund, schreiben, lesen, Weinchen schlürfen, Kaffee geniessen, durch die Zeit segeln. Gut, ein Laden müsste erreichbar sein. Vielleicht besser die nächste Stadt eher nah. So dass ich Menschen sehen könnte, wenn ich wollte. Und einkaufen. Sonst wird das nichts mit Kaffee und Wein und Käse und Brot und Genuss…. aber sonst? Perfekt. Nicht gross, nicht schick, viele Regale, gemütlich, kuschelig, klein. Ja…

Ich bin da quasi schon eingezogen, doch dann wohnte die Frau ja auch noch in der Stadt. Und hatte ein kleines Schreibatelier, eigentlich eine Werkstadt. Hinterhof. Da wollte sie nun hinziehen. Weil sie nicht alt genug sei für so ein Leben im Grünen. So ganz. Weg. Von allem. Ja. Ich bin eigentlich auch noch nicht sooo alt. Und so ein Hinterhofatelier, so künstlerisch kreativ, mit einem Baum vor dem Hinterhoffenster, Räder an den Wänden, vielleicht Backsteinbau… Leben rundrum. Das wäre was. Bücherregale rundrum, eine kleine Kochmische, ein Tischchen vor der Tür zum Hinterhof, wo ich Kaffee trinken, in einem Buch schmökern, Nachbarn begrüssen könnte. Und wenn ich aus dem Hinterhof träte, wäre das das Leben der Stadt. Menschen, Kultur, Getümmel, Gewimmel. Puls. Und dann könnte ich wieder in den Hof, am Baum vorbei, in mein Atelier. Ich würde mich auf mein Bett legen, natürlich ein sehr rudimentäres, das der Atmosphäre dieses Ateliers gerecht würde, und den Blick schweifen lassen. Den Wänden entlang, die voller Bücher stünden. Und ich würde dann und wann die Augen ruhen lassen und mich auf Inhalte besinnen. Und mich in meinem Leben neu einfinden, das ich hatte, als ich es mal gelesen habe. Und würde dann friedlich einschlafen in diesem kreativen Traum einer urbanen Bleibe (hach, was für eine Wendung, sie kam mir spontan in den Sinn und musste, auch wenn sie grad nicht rein passt, in den Text hinein).

Und während ich so träume und in meiner Vorstellung im imaginären Altstadtatelier einschlafe, erinnere ich mich an eine Altstadtwohnung mit Jubeltrubel bis morgens um eins und Marktgetümmel ab fünf Uhr morgens.

Und jetzt? Ich höre das Prasseln des Regens über meinem Bürodach, schaue aus dem Fenster auf den grossen, wunderbaren Baum, und finde: Es ist doch ganz schön hier. Ich glaube, hier bleibe ich.

Uns geht es gut

Wunsch nach Glück

Kürzlich kam mein Sohn zu mir und sagte: „Mama, eigentlich geht es uns doch wirklich gut.“ Er überlegte kurz und korrigierte sich: „Nein, es geht uns nicht eigentlich gut, es geht uns gut.“ Ich schaute ihn an und fragte ihn, wieso er das denke. Er sagte mir: „Wir haben ein schönes Zuhause, wir haben es schön miteinander, es fehlt uns an nichts. Uns geht es wirklich gut!“

Danke!

Alice Buckley: Entspannt wohnen mit den richtigen Farben

Heute bedeutet ein Zuhause weit mehr als Schutz und Unterkunft. Wir richten es zwar so ein, dass es diese Notwendigkeiten erfüllt, aber auch so, dass es unsere Persönlichkeit widerspiegelt, unsere Hoffnungen, unser Innerstes. Man kann das auf vielerlei Farben tun. Licht und Farbe, die beiden Faktoren, die uns auch in der Natur umgeben, können unseren Lebensraum grundlegend beeinflussen und verändern.

Die Autorin will dem Leser ihres Buches helfen, sein Zuhause nach den eigenen Bedürfnissen und dem eigenen Geschmack zu gestalten. Dazu führt sie zuerst in die Farblehre Ewald Herings ein, liefert kurze Definitionen verschiedener Farbgruppen und konzentriert sich auf die Neutralfarben, welche eher gedeckt erscheinen.

Neutralfarben bestehen aus zwei bis vier Primärfarben, die unterschiedliche Grau- und Brauntöne bilden. Durch Hinzufügen von Schwarz oder Weiss erhält man aufgehellte oder abgedunkelte Töne. .

Diese eher gedeckten (oft als langweilig bezeichneten) Farben soll eine harmonische Stimmung erzielt werden. Wichtig ist dabei, auch die Funktion des Raumes einzubeziehen bei der Auswahl der Farbnuance, da verschiedene Farbkonzepte verschiedene Stimmungen erzeugen.

Alice Buckley betont, dass Inspiration überall geholt werden kann: In Filmen, Alben, in der Natur. Man soll mit offenen Augen durchs Leben gehen und aufnehmen, wie die Dinge auf einen wirken. Daraus kann man dann auch Ideen schöpfen für das passende Zuhause.

Bei der Auswahl des passenden Farbkonzeptes darf auch das Licht und dessen Fluss nicht ausser Acht gelassen werden. Nach einem kleinen Abschnitt über Textur als weiteres Gestaltungsmittel präsentiert das Gestaltungsbuch 200 Farbpaletten, bestehend aus einer Hauptfarbe und passenden Akzentfarben. Ein kurzer Text leitet die Palette ein, zeigt, woher die Inspiration stammt, die zu diesem Konzept führte und zeigt die Gefühle auf, die daraus wachsen können.

Die Gestaltung als Ringbuch macht dieses Buch zu einem guten Begleiter bei der Arbeit des Einrichtens. Es bleibt offen liegen, lässt sich so gut als Arbeitswerkzeug einsetzen. Das Layout ist generell ansprechend, der Text kurz und prägnant. Zu bemängeln ist die Konzentration auf Neutralfarben, welche aus dem Titel nicht ersichtlich ist sowie die kaum vorhandenen Beispielbilder zu jeder Palette. Ein Bild ist etwas knapp, um wirklich einen Eindruck der Wirkung zu erhalten. Da wären weniger Paletten mehr gewesen.

Fazit:

Ein schön gestaltetes Buch, welches einen guten Einblick in die Welt der Neutralfarben gibt. Man kann sicher nichts falsch machen, wenn man sich an die vorgeschlagenen Konzepte hält. Es fehlt die Anschaulichkeit des möglichen Ergebnisses.

Bild Angaben zum Buch:

Ringbuch: 256 Seiten

Verlag: Bassermann Inspiration

Übersetzung: Ulrich Magin

Preis: EUR: 9.95 ; CHF 16.90

 

 

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