Abbild der Zeiten

Matt geworden von der Zeiten Lauf
hängt er seit Jahren an der Wand. Ein Bild,
das keinen Inhalt trägt und nie verklärt,
nur spiegelt was sich neu ihm zeigt.

Ich seh’ ihn an und sehe mich, und um
mich rum nur wenig Welt, wie wenn ich ganz
alleine wär’ für alle Zeit, die dieses
Bild vor mir aufschlägt bis weit zurück.

Ich seh’ mich jung durch alle Falten, sehe
freies Walten, wenig Pflicht, nur einfach
tun. Ich sehe Leiden auch und Bangen,

Seh’ mich suchen, manchmal finden, alles
steht in dem Gesicht. Ich möcht’ nichts missen,
doch noch einmal jung sein möcht’ ich nicht.

©Sandra von Siebenthal

Auftanken

Die Möwe fliegt mit weiter Spanne, zieht
in Kreisen übers Meer. Mit heis’rem Ruf,
der um sich greift, durchschweifend Raum und Zeit,
im Wolkenweit des Himmelsfelds; und wer

ihr mit dem Blicke folgt weit übers Meer,
verliert sich hinterm Horizont und kommt
dann wieder her. Er zieht ganz einem Engel
gleich und lässt zurück das Erdenschwer.

So ziehen oft Gedanken auch in ferne
Welten weit hinweg, verlassen diese
schwere Zeit und suchen einen Hort,

wo sie sich tief geborgen fühlen, Frieden
finden für sich selbst; wo sie vom Trubel
Zuflucht suchen, einen Heimatort.

©Sandra von Siebenthal

In fremden Gewässern

Ein Blatt auf weiter See, getrieben, blass und
klein, nicht unbeschrieben, leer nur, schwimmt es
schweigend vor sich hin, kaum sichtbar, ohne
Sinn, verloren in der fremden Welt.

Fische ziehen, Vögel fliegen, ab
und zu ein Boot bemannt, und alle mit
dem Ziel vor Augen, Flossen und auch Flügel
weit, die Segel nach dem Wind gesetzt.

So sitz ich einsam unter Menschen, kenne
mich hier gar nicht aus; so fühl ich mich
allein im Sein und um mich rum Tumult.

So schweig ich gegen weisse Wände, berge
bebend meine Hände in den Taschen,
da sie keiner halten will – mich nicht.

@Sandra von Siebenthal

Das Gesicht wahren

Grillen zirpen zirrilierend, stellen
ihre Flügel auf. Sie zeigen eifrig
ihr Begehren, nehmen dazu gern
in Kauf von allen, auch von völlig Fremden,

So gehört zu werden; nehmen gerne
auch in Kauf, dass and’re sich dran stören,
Ruhe wünschen, sie auslachen ob
Der just entfachten, jubelschwang’ren Lust.

Wäre ich doch auch so mutig, wäre
ich doch auch so frei, und könnte die
Gefühle zeigen, wie sie sind, und nicht

mich schämen, weil ich fürchte, anzustehen,
statt Erhören, Spott zu ernten und drum
mein Begehren still in mich zu kehren.

©Sandra von Siebenthal

Kräftespiel

In schwarzen Klüften steigt der Fels hinab
Zum tosend blauen Meer. Er ist der Stein
Des Widerstands, der Stein, der Wasser trennt
Und es dann zwängt zu wellenweisser Wand.

Was oben weicht, zurück sich zieht, das spielt
Ein Spiel im Untermeer – mit Wellenwogen,
hin und her. Es schleift mit stetigem Durchstreifen
Von den Kanten alle Grate, macht sie

Sanft und mild und glatt. Was stark aufragend
Kraft ausstrahlte, liegt im Dunkeln weich
gespült. Das Wasser sieht sich nie als schwach,

es will nie Rache üben, lebt nur schlicht,
was ihm gegeben, lebt sein Leben, spielt
sein Spiel, und lässt auch andre spielend leben.

©Sandra von Siebenthal

Wäsche waschen

Ich hänge meine Hosen seilelang dem
Wind entgegen, seh sie schweifen, schweben,
vogelfrei zum Himmel streben, fast wie
nicht von dieser Welt, schon ihr enthoben.

Seh’ sie flattern, seh’ sie treiben, seh’ sie
Hin zum Himmel greifen, sie die sonst
An meinen Beinen erdenfest am Boden
Kleben, da verweilen, manchmal eilen.

Sind sie nicht den Träumen gleich, die durch die
Lüfte ziehen? Sind sie nicht den Wünschen
Nah, die wir vom Leben weben, hoffen,

dass Hekate spricht und sie dem
Leben übergebe zur Erfüllung
Hier und jetzt, nicht einfach irgendwann?

©Sandra von Siebenthal

Der Olivenbaum

Vom Wind umweht, mit leisem Rauschen, sieht
der Baum den Wellen zu. Er steht schon lang, ist
alt und weise, stolze Kraft auf festem
Grund, der hält und ihn zum Himmel treibt .

Was klein begann mit einem Stein, das wuchs
in Ringen an und an. Erst nur ein Stamm,
dran Äste dann, die weit und breit ins Land
ausschweifen, es ergreifen, Blätterregen

um sich legen und daran ganz klein
ein Stein in grüner Hülle, die in sich
Genuss mitträgt. Es scheint die Sonne, nährt

Die Früchte, lässt sie reifen, rund und prall, bis
eines Tages diese fallen, und zu
neuem Leben streben – irgendwann.

©Sandra von Siebenthal, 13. Juli 2021

Lebensspiel

Es tost das Meer in lauten Wogen, rauschend
Brechen Wellen an der Steine Riff.
Sie schiessen auf mit weisser Krone, bis
In sich zusammenbricht die weisse Gischt.

Auf und nieder, immer wieder, neu
Ergiesst sich dieses Spiel des Elements.
Sonnenfunken tänzeln, rauf und runter,
munter eingewirktes Glitzervlies.

Spiel des Lebens, Lebensfülle, stetig
Gehend, kehrend, mitgeführt im Fluss
Der niemals anhaltenden Ewigkeit.

Und über allem steht die Sonne, thront
Als die, die ganz klar weiss, dass ohne sie
Kein Leben und in dem kein Lichtspiel sei.

©Sandra von Siebenthal, Juni 2021

Wetterumschwung

Blätter tanzen sanft im Wind, sie hören
wohl die Himmelstöne leise spielen,
geben sich dem zärtlich hin und leben
damit unbeschwerte Ewigkeiten.

Strahlenhelles Sonnengleissen lässt die
Glitzerplättchen schimmernd schweifen,
Vögel singen, jubilieren, feiern
diese freudentollen Festmomente.

Hinter fernen Hügelketten hangen
graue Wolkenbetten, tragen in sich
alles Dunkle, dem wir beide bis vor
kurzem hilflos ausgeliefert waren.

Diese heut’gen Lichterreigen bringen
Hoffnung und vor allem Dankbarkeiten!

©Sandra von Siebenthal

Bittersüsses Leben

Gefangen im dunklen Bunker der Ängste
krebs’ ich zurück und decke mich zu.
Was hier eingestürzt ist die längste
Zeit, machte so müde, nun such ich nur Ruh.

Träume vom Leben mit Farben und Sommer
blüten, so süss und so fein.
Es ist oft einfach Wunsch nur, ein frommer,
und doch kann’s so ab und an sein.

So ist wohl das Leben denn mitunter bitter
und süss auch mit Sonne, Gewitter
Wolken, die ziehen – und dann kommt der Knall.

Ich stelle mir vor, sie wären nur Decken, die
einhüllen, schützen, dass von den Blüten sie
Erinnerung sind, ein Nachhall.

©Sandra Matteotti

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2017_24-17_3_drei

Für die abc.etüden, Woche 24.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Sabine Wortgeflumsel (wortgeflumselkritzelkram.wordpress.com) und lauten: Bunker, Sommerblüten, bittersüss.

Der Ursprungspost: HIER