Tagesbild: Lass uns spielen

«Spiel ist geistige oder körperliche Tätigkeit, die keinen unmittelbaren praktischen Zweck verfolgt und deren einziger Beweggrund die Freude an ihr selbst ist.»
Johan Huizinga (1872-1945), niederländischer Kulturhistoriker

Wir leben in einer Zeit, in welcher alles etwas taugen muss. Wir optimieren die Welt, das Leben, uns selbst. Wir dürfen nicht nur gut sein, wir müssen besser werden. Besser als wir sind und vor allem besser als die anderen. Das Grundprinzip des Kapitalismus ist zu unserer eigenen Natur geworden, die ursprüngliche wird mehr und mehr verdrängt. Wenn wir nur erst erreicht haben, was wir anstreben, denken wir, dann sind wir glücklich. Und merken nicht, wie wir das Glück genau dadurch mehr und mehr aus dem Leben katapultieren.

Einfach nur spielen? Um des Spiels willen? Das geht höchstens, wenn wir genug geleistet haben und auch nur für kurz, dann müssen wir uns wieder dem Ernst des Lebens widmen. Das fängt schon im Kindesalter an, leider immer noch früher. Alles Spielerische und Kreative weicht mehr und mehr dem Leistungsdruck. Dabei weiss man, dass gerade im Spiel das Leben gelernt wird. Vor allem auch das Miteinander-Leben. Da lernen wir, mit Leidenschaft an etwas zu sein, mit Frustration umzugehen, Regeln zu befolgen und die dadurch entstehende Freiheit auszukosten. Wir lernen, Lösungen zu finden, um die Ecke zu denken, Dinge auszuprobieren, auch mal zu scheitern, dann aber doch weiterzugehen.

Schiller sagte, der Mensch sei nur da ganz Mensch, wo er spiele. Wir sollten wieder mehr spielen. Die Dinge zwar ernst nehmen, aber nicht verbissen, sondern mit einer spielerischen Leichtigkeit. Dann ist der Kopf halt grün und die Haare sind blau. Wie sagte Franz Marc so schön zu einer Betrachterin seiner Bilder, die meinte, Pferde seien nicht blau?

„Das sind keine Pferde, das ist ein Bild.“

Ich wünsche euch einen verspielten Tag.

Tagesbild: Ich bin ich

„Ich bin ich, und hoffe, es immer mehr zu werden.“ Paula Moderson-Becker

Das schrieb Paula Moderson-Becker im Jahre 1906 an Rainer Maria Rilke. Dieses Ich war es, das sie immer wieder erforschte. Das „Erkenne dich selbst“, welches seit dem Orakel von Delphi den Menschen immer wieder antreibt, war ihr grosses Anliegen. Sie war sich dabei bewusst, dass dieses Ich immer auch eingebunden ist in ein grosses Ganzes, dass es Teil von etwas ist und von dem geprägt. So war die Selbsterforschung immer auch ein Erforschen der Rolle der Frau in der Gesellschaft, in der Familie, in der Beziehung – und ja, von sich selbst als Künstlerin und als Frau an sich.

Als ich vor langer Zeit mein Philosophiestudium begann, stand diese Frage, welche auch eine der grössten und zentralsten der Philosophie ist, im Zentrum meines Forschens: Was ist der Mensch und was kann er sein. Sicherlich auch geprägt durch meine eigene Geschichte ergründete ich die Frage des Ichs in der Welt, in der Mit- und Umwelt. Was ist sein Platz, wer ist der Einzelne und wie setzt er sich in Beziehung oder wird in diese gesetzt. Dass ich nun zeichnend und malend auch an diesen Punkt gekommen bin, erstaunt so gesehen wenig – selbst wenn ich es anfangs nicht gedacht und schon gar nicht geplant hatte.

Irgendwo las ich mal, dass Kunst immer auch eine Selbsterforschung ist. Da scheint was dran zu sein. Wobei: Ist nicht das wach gelebte Leben an sich eine?

Habt einen schönen Tag.

(im Bild: eine Skizze aus meiner neuen Reihe mit Porträts, Aquarellstift auf Papier)