Was tun wir mit unseren Mördern, Gesellschaft?

Man stelle sich vor:

Einer geht dahin, bringt eine Familie grausam um und plant schon die nächsten Taten. Man kommt ihm (zu früh) auf die Schliche, er kann die Folgetaten nicht vollbringen, legt sie aber dar. Unser Rechtssystem besagt, dass man den Menschen nicht lebenslang verwahren kann, da er so jung ist – er könnte geläutert werden. Sprich: Aus Saulus könnte Paulus werden.

Nun glaube ich natürlich an solche Wandlungen, sonst wäre mein eigener (Yoga-, aber auch wissenschaftlicher in Sachen Neurobiologie)Weg eine Farce. Nur: Sie sind von 0 auf 100 relativ selten. Und: Würden sie gelingen, wäre dem Erleuchteten egal, wo er sitzt.

Wir leben in einer Welt, in der wir unsere Rolle spielen. Und das tun wir aufgrund von Regeln, nur so funktioniert ein Zusammenleben in dieser Welt. Wer dagegen verstösst, soll Konsequenzen spüren. Unser Rechtssystem verfolgt da interpretatorisch verschiedene Wege: Rache, Schutz der Allgemeinheit und Sühne sind Werte, die man subsummieren kann. (Sie lassen sich alle wissenschaftlich abstützen, ich verzichte hier der Lesbarkeit und des Umfangs wegen auf Ausführung).

Rache ist buddhistisch und yogisch kein Weg – er vergiftet den, der sie hegt. Schutz ist wichtig. Wenn man in Staaten lebt, soll sich jeder, der sich in diesem Staat befindet, den Werten desselben verpflichtet fühlen, im Gegenzug darauf bauen können. Wenn also einer seine Freiheit aufgibt, um in einem Staat leben zu können, muss er sicher sein können, dass der Staat dafür sorgt, dass Gefahren aus dem Weg geräumt werden (nicht letal, nur unmittelbar spürbar). Sühne ist für mich das Zauberwort. Da wirkt Ursache-Wirkung mit. Was ich tue, hat Folgen. Und wenn ich mein Tun nicht kontrollieren kann, dann soll es Wirkungen haben, die das unkontrollierte Tun unter Kontrolle bringen.

Ich las Empörung, dass ein solcher Mensch studieren wolle. Wieso? Er ist ein Mensch. Er will lernen, will wachsen. Das ist toll. Das steht ihm als Mensch zu. Er soll seine Würde behalten dürfen. Aber soll nie mehr andere Menschen in ihrem Wachsen hindern dürfen. Das ist eine reine Folge auf sein Tun. Keine Rache. Jeder schafft sich seinen Spielraum, in dem er agieren kann. Ursache – Wirkung. Man weiss es vorher. Und ja, das behaupte ich: Man weiss es. Wenn man behauptet, es nicht gewusst zu haben, ist eine lebenslange Verwahrung eh angebracht. Wenn man es wusste, aber doch einfachen Neigungen nachgab, dann muss man die Folgen tragen.

Das gilt ja für jeden. Beim Einen ist es das Vanilleeis, er sucht die Kleider in der Zeltabteilung, beim Anderen ist es der Drang nach Mord, er soll sein Auskommen in der Zelle finden. Ich bin hart? Der Vergleich hinkt? Ich denke nicht, zumal es nur eine Metapher war:

Der Weg des geringsten Widerstands ist immer verlockend. Wer ihm nicht widerstehen kann, der soll nicht über die Folgen jammern. Er hat sie sich selber beschert. Wenn sie ihm gefallen: Super, weiter so. Wenn nicht: Ändere was. Und genau da zeigt sich dann halt die Schwere… nicht alles ist einfach mal so wieder gut zu machen. Man kann aber immer das Beste draus machen. Für sich. Das würde jeder wirklich Geläuterte tun. Dazu muss man ihn nicht schon prophylaktisch freisprechen für irgendwann.

 

Rezension: Raymond Chandler – Die simple Kunst des Mordes

„Ich gelte als ziemlich ausgekochter Schriftsteller, aber das besagt nichts“

chandlermordesIn Briefen, Essays und Notizen beschreibt sich Raymond Chandler selber, schreibt über den Kriminalroman und dessen Stellung in der Literaturwelt und referiert über das Handwerk des Schreibens allgemein und sein eigenes im Speziellen.

Ich arbeite ziemlich sprunghaft, ohne feste Zeiten, was heissen soll, dass ich überhaupt nur arbeite, wenn mir danach ist.

Er zeigt dem Leser auf, wie es in der Filmwelt und im Verlagswesen abläuft, äussert sich über Katzen und berühmte Verbrechen sowie über seine eigenen Romane und Kurzgeschichten. Er tut dies auf eine humorvolle Weise, so dass man immer denkt, ihn vor sich zu sehen, wie er sein Gesicht zu einem Lächeln verzieht beim Schreiben.

Abgerundet wird das Buch durch den Essay Die simple Kunst des Mordes sowie das Romanfragment Die Poodle Springs Story. Wer Raymond Chandlers Krimis liebt, der wird von diesem Buch begeistert sein: Chandler so privat und persönlich wie selten. In seinem unzähligen Briefen zeigt er sich von allen Seiten, beleuchtet dabei auch die eigenen Schwächen.

Wenn eine Sammlung von Briefen überhaupt einen Wert haben soll, dann muss sie alle Seiten im Charakter eines Menschen enthüllen, nicht nur die liebenswürdigen und hellen.

Seine Briefe sind durchdrungen von polemischen Äusserungen – Chandler bezeichnete sich selber als „streitlustigen Burschen“, legen Abneigungen wie zum Beispiel gegen Agenten, Berufskritiker und Plagiatoren offen, zeigen ihn aber auch als belesenen und gebildeten Menschen, der die Literatur, die Welt und sich selber messerscharf beobachtet und analysiert.

Fazit:
Ein sehr persönliches, humorvolles, mitreissendes Buch – Raymond Chandler, wie er denkt, schreibt und lebt. Sehr empfehlenswert.

Der Autor
Raymond Chandler, geboren 1888 in Chicago, wuchs in England auf. Er arbeitete zwei Jahre im britischen Marineministerium, war dann freier Journalist, Buchhalter in einer Molkerei, Soldat im Ersten Weltkrieg und schließlich Direktor einer kalifornischen Ölgesellschaft. 1932 wurde er entlassen und begann ernsthaft zu schreiben. Mit seinen Romanen um den Privatdetektiv Philip Marlowe in Los Angeles wurde Chandler zum Klassiker der Kriminalliteratur. Er starb 1959 in La Jolla, Kalifornien.

Angaben zum Buch:
Taschenbuch: 368 Seiten
Verlag: Diogenes Verlag (14. Auflage, 24. Februar 2009)
Übersetzung: Hans Wollschläger
ISBN-Nr: 978-3257202090
Preis: EUR 9.90 / CHF 15.90
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Rezension: Michel Bussi: Die Frau mit dem roten Schal

Trügerische Erinnerungen?

Wenn Sie am Rand einer Klippe einer schönen jungen Frau begegnen, reichen Sie ihr nicht die Hand. Man könnte glauben, Sie hätten sie hinabgestossen.

Jamal joggt den Klippen entlang, als er zuerst den roten Schal, dann die Frau sieht. Sie will sich von den Klippen stürzen. Jamal will ihr helfen, doch er kommt zu spät – sie springt. Jamal rennt nach unten, mit ihm sind zwei Zeugen da, die die junge Frau fallen sahen. Ein tragischer Selbstmord.

Die Polizei geht bald von Mord aus und sie hat den Mörder gefunden: Jamal. Alles spricht gegen ihn. Erschwerend kommt hinzu, dass auf dieselbe Weise schon andere junge Frauen zu Tode kamen. Und immer war Jamal in der Nähe. Die Schlinge um seinen Hals zieht sich enger und enger und er versucht verzweifelt, seine Unschuld zu beweisen. Er erhofft sich Unterstützung von den anderen beiden Zeugen – doch die sind plötzlich vom Erdboden verschwunden, als ob es sie gar nie gegeben hätte.

Eine spannende Geschichte, die durch Verknüpfungen mit der Vergangenheit immer mysteriöser wird. Bald sieht sich der Leser am gleichen Punkt wie der Protagonist steht: Er weiss nicht mehr, was richtig und was falsch ist.

Die Rückblenden in Form von Mails aus den vergangenen Fällen wirken ab und an ermüdend und langweilig, lassen sich aber gut etwas schneller überfliegen, um im Lesefluss zu bleiben.

Fazit:
Fängt etwas langsam an, wird dann aber immer spannender und zieht einen schliesslich gänzlich in den Bann. Sehr empfehlenswert.

Zum Autor
Michel Bussi
Michel Bussi, geb. 1965, Politologe und Geograph, lehrt an der Universität in Rouen. Er ist einer der drei erfolgreichsten Autoren Frankreichs. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Bei Rütten und atb liegen seine Romane „Das Mädchen mit den blauen Augen“ und „Die Frau mit dem roten Schal“ vor. „Beim Leben meiner Tochter“ und „Das verlorene Kind“ erscheinen im Frühjahr 2016 Mehr zum Autor unter www.michel-bussi.fr

Angaben zum Buch:
BussiFrauRotTaschenbuch: 368 Seiten
Verlag: Rütten & Loening Verlag (21. August 2015)
Übersetzung: Dr. Olaf Matthias Roth
ISBN-Nr.: 978-3352006760
Preis: EUR 14.99 / CHF 21.90

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Rezension des Films: Mut zum Leben

Sie haben das wohl Schlimmste gesehen, was ein Mensch sehen kann. Sie sahen es nicht nur, sie erlebten es: Auschwitz. Ein Name, der bekannt ist, der für Leid steht, für Gräueltaten, für ein Verbrechen an der Menschheit, an der Menschlichkeit und an vielen Millionen Menschen.

 Damit so etwas nie mehr passieren kann. Darum mache ich das hier ja. Darum erzähle ich meine Geschichte. (Esther Bejarano)

Esther Bejarano, Yehuda Bacon, Éva Pusztai und Greta Klingsberg haben überlebt, was ganz vielen Menschen der sichere Tod war: Die Konzentrationslager des Zweiten Weltkriegs, die systematische Mordmaschinerie der Nazis. Überleben allein reichte aber nicht:

Überleben allein ist keine Leistung. Es kommt darauf an, was man daraus macht.

Alle oben genannten machen etwas: Sie leben ihr Leben, sie leben es bewusst und sie wollen zeigen, was war und was nie mehr sein darf. Dabei strahlt aus allen eine unglaubliche Wärme, eine unglaubliche Lebenslust, viel Witz, Kraft und Mut. Der Film bewegt, er zieht einen hinein und er lässt einen nachdenklich zurück, denn: Man ist konfrontiert mit einer Zeit, die so schwarz war, dass man sie sich kaum vorstellen kann, geschweige denn will. Und doch muss man immer wieder hinschauen, darf nicht vergessen, weil: Die Geschichte lehrt nur, wenn man aus ihr lernt. Und dazu muss sie erinnert sein.

Gerade in einer Zeit, in welcher der Rutsch nach rechts eine traurige Realität ist, sollte dieser Film zur Pflicht werden. Menschen, die den Holocaust leugnen, sollten diese Menschen erleben und dann noch auf ihrer „Meinung“ (in Anführungszeichen, denn eine Völkermordleugnung ist NIE eine Meinung, es ist IMMER eine Lüge!) bestehen können… das kann nicht gehen.

Der Film thematisiert alles, was wichtig ist: Solidarität, Menschlichkeit, Würde, Empathie. Er zeigt an Menschen, wozu Menschen fähig sind. Und er zeigt: Das Leben ist kostbar, aber man muss etwas daraus machen. Und: Man muss für seine Überzeugung einstehen. Man darf menschenfeindlichen Tendenzen keine Macht geben.

Fazit
Ein wunderbarer Film, der an Kraft, Mut, Inhalt, Gefühl kaum zu überbieten ist. Er ist nicht empfehlenswert, er ist ein Muss!

Produktinformation
MutZumLebenDarsteller: Esther Bejarano, Yehuda Bacon, Éva Pusztai-Fahidi, Great Klingsberg
Regisseure: Thomas Gonschior, Christa Spannbauer
Studio: absolut Medien GmbH
Erscheinungstermin: 14. Juni 2013
ASIN: 3848840081

Zu erwerben bei AMAZON.DE

Rezension zur Serie: Alles was zählt

Ich liebe meine Tochter über alles. Und wenn Sie ihr das Herz brechen, dann breche ich Ihnen das Genick. Ich schwöre es.

Der Satz ist typisch für die Serie und ich liebe diese Haltung. Sie drückt Kraft, Spannung, Energie und völlig verschwurbelte Verhältnisse aus. Worum es geht? Um einen Familienbetrieb, der mal auf Eislauf setzt, dann auf Sport, dann auf Wellness, schliesslich auf Tanzen – bis alle Tänzer bei einem Busunglück ums Leben kommen und die Firma vor dem Ruin steht und sich neu erfindet. Schliesslich und endlich aber geht es um die Irrungen und Wirrungen einer Familie: den Steinkamps.

An vorderster Front Richard und Simone, die schon mehrfach verheiratet und wieder geschieden waren (aktuell geschieden zusammen). Gemeinsam haben sie ein paar Kinder (ich weiss gar nicht wie viele, zwei sind grad präsent) – er hat ein paar mehr als sie, wobei sie vor kurzem nachzog mit dem Geliebten ihrer Tochter. Noch alles klar soweit? Auf alle Fälle zeigt das so ziemlich den Charakter der Serie, der in etwa als Dallas und Denver für überm Teich zu umschreiben wäre.

AWZHochstehend ist das nicht, aber die Serie wartet immer gerade mit soviel Liebe und Spannung auf, dass ich unbedingt die nächste Folge sehen möchte. Aktuell zapple ich, weil ich wissen will, was mit Vanessa (eine Tochter von Richard und Simone) und „Big Daddy“ (viel älter, verheiratet, aber es ist kompliziert und er kein Schwein) wird.

Alles was zählt schafft es, immer so viel Neugier zu wecken, dass man dranbleiben will. Glaubwürdigkeit fällt als Entscheidungskriterium unter den Tisch, einmal gefangen, bleibt man haften. Da es nur eine halbe Stunde täglich ist und man die im Replay gestaffelt und zu Zeiten, die passen, schauen kann, bin ich seit einer ganzen Weile dabei… und bleibe noch, bis die Sache mit Vanessa geklärt ist. Dann hör ich auf (wobei ich sicher bin, dass bis dahin sicher eine andere tolle Liebesgeschichte so spannend ist, dass ich unbedingt deren Ende abwarten muss….).

Für die, welche nicht so auf Liebeschnulzen stehen, gibt es auch das Krimielement. Für diese Fälle hat Simone einen verkommenen Sohn, der immer und überall für kriminelle und mörderische Intermezzi sorgt. Auch Richard nimmt es nicht immer so genau mit dem Gesetz und wenn es um die Familie geht, drückt sogar Simone alle Augen zu – man sieht es beim Zitat am Anfang – und sie meint das so. Was nämlich ganz zentral ist bei dieser Serie: Wenn es hart auf hart kommt, gelten Liebe, Familie, Freundschaft – und alle stehen füreinander ein.

Fazit:
Nicht hochstehend oder hochtrabend, aber wunderbare Unterhaltung mit der nötigen Spannung, verworrenen Verbandelungen und menschlichen Werte, die man sich im Alltag wünscht. Das perfekte Programm zum Abschalten.

Rezension zur Serie: True Detective

Matthew-McConaughey-and-Woody-Harrelson-in-True-Detective-Season-1-Episode-3Lousianna 1995. Eine ehemalige Prostituierte wird ermordet, das Ganze erinnert an ein Ritual. Die beiden Kriminalpolizisten Martin Hart und Rustin Cohle, sie könnten unterschiedlicher nicht sein, untersuchen den Fall. Der Verdacht erhärtet sich, dass dies nicht der erste Mord des Täters war, sie finden weitere Mordfälle mit ähnlich ritualhaftem Vorgehen. Trotz aller Anstrengungen gelingt die Aufklärung nicht. Die beiden Detectives zerstreiten sich, beide steigen 2002 aus dem Polizeidienst aus, gehen getrennte Wege. Während sich Martin Hart mit einer Sicherheitsfirma selbständig machte, fristet Cohle sein Leben als Aussteiger und Pegeltrinker. Nach 10 Jahren Sendepause werden beide getrennt voneinander zu dem Fall befragt. Anlass dafür ist ein neuer Mord, der an die alten erinnert. Matthew-McConaughey-and-Woody-Harrelson-in-True-Detective-Season-1-Episode-1True Detective ist ein brilliant aufgegleister Krimi. Aus den Erzählungen der beiden ehemaligen Detectives erfährt der Zuschauer nach und nach, was vor 17 Jahren vor sich ging, wie die Ermittlungen liefen. Spannung pur wird vermischt mit philosophischen Betrachtungen über das Leben und generell von Cohle, markigen Sprüchen von Hart und epischen Autofahrten durch endlose Weiten.Und immer schweben über allem viele Fragezeichen darüber, was wirklich vorgefallen ist, wem man trauen kann, wo die Lösung des Geheimnisses liegt. Man wähnt sich immer knapp vor der Erkenntnis, wird aber immer wieder in neue Zweifel geworfen. Diese erste Staffel umfasst insgesamt 8 Folgen an je einer Stunde, wobei das Ende einer jeden so spannungsgeladen ist, dass man gleich weiter schaut. Ich als Serienjunkie habe es geschafft, acht Stunden am Stück auf dem Sofa angewachsen zu sitzen und wie gebannt in den Fernseher zu starren. Darum meine Warnung: Absolute Suchtgefahr, nur schauen, wenn genügend Zeit ist. Fazit Brillante Schauspieler, tolles Drehbuch, gut umgesetzt – Spannung pur mit Suchtfaktor 10. Unbedingt schauen! Informationen:

Deutscher Titel True Detective
Originaltitel True Detective
Prouktionsjahr 2014
Besetzung:
Rustin „Rust“ Cohle Matthew McConaughey
Martin Hart Woody Harrelson
Maggie Hart Michelle Monaghan

Trailer

Rezension: Horst Eckert – Schattenboxer

Intrigen, Vertuschungen und Wettlauf mit der Zeit

Etwas schimmerte dort obenauf. Torsten stoppte das Boki-Mobil und stieg aus, um sich die Sache anzusehen. Hatte sich jemand einen bösen Scherz erlaubt?
Nach wenigen Schritten wurden ihm die Knie weich. Seine Eingeweide verkrampften sich. Er hielt die Luft an.
Nein. Bitte nicht.

EckertSchattenboxerVincent Che Veih, Enkel eines Nazis und Sohn einer RAF-Terroristin hat es in diesem Fall mit dem grausamen Mord an einer jungen Frau zu tun. Einen Tag nach der Beerdigung der tochter eines Kollegen, die sich das Leben genommen hatte, liegt auf deren Grab die schrecklich zugerichtete Leichte einer anderen jungen Frau. Zwar kannten sich die beiden Frauen nicht, aber es gibt ein verbindendes Element: Beide engagierten sich in einer Initiative, die sich für die Freilassung eines zu Unrecht inhaftierten – und in ihren Augen unschuldigen – Mörders einsetzte. Der Fall zieht immer weitere Kreise, reicht zurück in die aktive Zeit der RAF und zum Mord des Managers Rolf-Werner Winneken (angelehnt an den Fall um Detlev Karsten Rohwedder, den man aber nicht kennen muss, um das Buch zu verstehen).

Dann verschwindet eine zweite junge Frau, die Polizei arbeitet auf Hochtrab. Als auch noch Veihs Lebensgefährtin wie vom Erdboden verschluckt ist, wird die Suche zu einem Wettlauf mit der Zeit.

Horst Eckert ist wieder einmal ein spannender Krimi gelungen, der den Leser packt und nicht mehr loslässt. Es gelingt ihm, Fakten aus der Realität mit Fiktion zu verbinden. Mit plastischen Figuren – allen voran Vincent Che Veih, welcher im Privaten immer ein bisschen neben sich zu stehen scheint, im Beruf aber zielgerichtet seinen Dienst tut – schafft er es, seine Kriminalgeschichte real erscheinen zu lassen. Der Schauplatz Düsseldorf, Eckerts eigener Wohnort, tut durch seine wirklichkeitsgetreue Darstellung, die auf der persönlichen Kenntnis des Autoren beruht, das Seine dazu.

Schattenboxer ist ein detailgetreuer, authentischer Krimi, der alles vereint, was einen guten Krimi ausmacht: Charakterstarke Figuren, Verdächtige – auch falsche –, falsche Spuren, Tempo, Cliffhanger. Ab und an ist das Hin und Her in den Zeiten ein bisschen verwirrend, vor allem wenn man verpasst, die Daten am Kapitelanfang genau zu lesen, dies ist aber eher dem ungenauen Leser (der zu seiner Verteidigung nur die Spannung anbringen kann) denn dem Autor anzulasten.

Fazit:
Horst Eckert ist mit Schattenboxer wieder ein Krimi gelungen, der Lesevergnügen und Spannung bis zur letzten Seite verspricht. Absolut empfehlenswert.

Zum Autor
Horst Eckert
Horst Eckert wurde am 7. Mai 1959 in Weiden/Oberpfalz geboren und wuchs in Pressrath auf. Er studierte in Erlangen und Berlin Soziologie und Politische Wissenschaften, jobte als Bierschlepper und Fahrstuhlführer, später als Hospitant im Berliner ZDF-Studio. Nach einem Umzug nach Düsseldorf 1987, die Liebe war Schuld, arbeitete er 15 Jahre lang als Fernsehreporter, seitdem ist er hauptberuflich als freier Schriftsteller tätig. Von ihm erschienen sind unter anderem Annas Erbe (1995), Finstere Seelen (1999), Ausgezählt (2002), Der Abrsprung (2006), Sprengkraft (2009), Schwarzer Schwan (2011).

Ein Interview mit dem Autoren findet sich hier: Horst Eckert – Nachgefragt

Porträt der Frankfurter Rundschau

Angaben zum Buch:
EckertSchattenboxerGebundene Ausgabe: 400 Seiten
Verlag: Wunderlich Verlag (27. Februar 2015)
ISBN-Nr.: 978-3805250795
Preis: EUR 19.95 / CHF 29.90

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Rezension: Ian Rankin – Mädchengrab

Mit eigenen Methoden

„Sechs Jahre…“ Sie starrte mit leerem Blick an ihm vorbei.
[…]
„Meine Tochter Sally.“
„Wann ist sie verschwunden?“
„Silvester 1999“ ,erwiderte Hazlitt.
„Und seither keine Spur von ihr?
Die Frau senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

Über Jahre verschwanden entlang der A9 immer wieder Mädchen, alle entlang derselben Strasse. Rebus erkennt das Muster, stösst aber bei seinen Mitarbeitern auf taube Ohren, bei seiner ehemaligen Abteilung sowieso.

Rebus starrte ihn an. „Und was hast du auf der A9 getrieben?“
Cafferty zuckte mit den Schultern. „Illegale Müllentsorgung, könnte man sagen.“
„Du meinst, du hast Leichen verschwinden lassen?“
[…]
„Im Laufe der Jahre sind dort ein paar Frauen verschwunden – du weißt nicht zufällig was darüber?“

Eigentlich ist Rebus in diesem 18. Kriminalroman aus der Reihe im Ruhestand, er arbeitet aber noch in einer kleinen Einheit, die sich mit ungeklärten Fällen beschäftigt. Dass diese bald auch aufgelöst werden soll, verdrängt Rebus lieber, auch die Frage, was er dann machen soll mit seinem Leben. Am besten gelingt ihm dieses Verdrängen wie eh und je mit Bier und Whiskey. Zwar hat er intern einen Antrag gestellt auf Wiedereinstellung, doch macht ihm eine interne Untersuchung das Leben schwer, zumal der Untersuchende alles andere als objektiv, sondern wenig angetan von Rebus eigenmächtigen und eigensinnigen Vorgehensweisen ist. Und genau diese setzt Rankin auch dieses Mal wieder ein.

Mädchengrab ist der 18. Roman einer Krimireihe, die nach 17 Folgen eingeschlafen ist, nun wiederbelebt wurde. Der Krimi lässt sich auch ohne die Kenntnis der vorhergehenden Fälle gut lesen, er steht unabhängig. Ob die Wiederaufnahme gelungen ist, ist schwer zu sagen, der Krimi hat deutliche Längen, wenig Spannung, mehr Plänkeleien zwischen den einzelnen Polizisten denn wirkliche Aufklärungen oder etwas, das passiert.

Rebus ist sehr klar gezeichnet, man kann ihn fassen, er wird plastisch aus dieser Geschichte. Die anderen Figuren treten dagegen deutlich zurück, man erfährt am Rande, wie sie aussehen, teilweise nicht mal das (ist vielleicht aus früheren Fällen bekannt). Nicht, dass dies ein grosser Negativpunkt wäre, es fällt aber beim Lesen auf.

Es werden im Lauf des Krimis einiges Verdächtige präsentiert, jeder hätte es sein können. Auch wartet der Krimi mit Überraschungen auf, die wieder ein neues Licht auf die ganze Geschichte werfen, trotzdem plätschert er eher, als dass er reisst. Ian Rankin gelingt es aber, die Neugier auf den wirklichen Täter so hoch zu halten, dass man weiter liest. So gesehen hat Ian Rankin alles richtig gemacht, hätte es aber noch ein bisschen besser machen können.

Fazit:
Mädchengrab ist ein guter, wenn auch kein packender Krimi. Gut gemacht mit Luft nach oben. Wer Rebus mag, wird dieses Buch mögen, auch ohne Kenntnis der vorhergehenden Fälle ist es gut lesbar.

 

Zum Autor
Ian Rankin
Ian Rankin wurde 1960 in Schottland geboren und studierte Literaturwissenschaft an der Universität von Edinburgh. Seine ersten Bücher entstanden als Nebenprodukt seiner Doktorarbeit. Berühmt machte ihn die „Inspector-Rebus“-Reihe, deren erster Band 1987 erschien. Nach 17 Fällen, zuletzt Ein Rest von Schuld, pensionierte Ian Rankin seinen Chefermittler und ließ ihm einen jungen Ermittler, Inspector Malcolm, nachfolgen. Ian Rankin ist einer der erfolgreichsten britischen Krimiautoren. Seine Bücher werden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt, er ist Preisträger vieler nationaler und internationaler Auszeichnungen. Der Autor lebt mit seiner Familie in Edinburgh. Von ihm erschienen sind Verborgene Muster, Wolfsmale, Ein Rest von Schuld, Ein reines Gewissen, Die Sünden des Gerechten,, u. a. m.

Angaben zum Buch:
RankinIanTaschenbuch: 544 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag (19. Mai 2014)
Übersetzung: Conny Lösch
ISBN-Nr.: 978-3442480913
Preis: EUR 9.99 / CHF 15.90
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Rezension: Michael Kibler – Opfergrube

Bittersüsse Rache

„Und du meinst, das ist die gerechte Strafe?“
Ich sitze hier in diesem dunklen Loch. Seit Tagen. Diese innere Stimme, die von den dreckigen Wänden hallt, wird jetzt auch noch philosophisch. Kaum zu ertragen.
„Quatsch. Vergiss es. Ich soll sterben, Mann. Das ist nicht gerecht. […]“

An seinem freien Tag am Badsee trifft Horndeich auf eine Leiche im Wasser. Der freie Tag ist Geschichte, der nächste Fall für ihn seine Kollegin Margot Hesgart übernimmt das Zepter. Was zuerst nach einer Beziehungstat aussieht – Emil Sacher ist nicht das, was man als beliebten Zeitgenossen beschreiben würde -, zieht bald grössere Kreise. Es finden sich weitere Morde, die ähnliche Muster aufweisen. Nur: Wie hängen die Taten zusammen? Was verbindet die Leichen?

Nicht genug, dass Margot Hesgart an ihrer Trennung von Mann Rainer – der soll sich zum Teufel scheren – krankt, sieht sie sich plötzlich mit Hexenzirkus konfrontiert – mittendrin Stieftochter Doro.

„Doro!“
Die Angesprochene starrte Margot an, als ob die angerufene Göttin in persona von ihr stünde. „Was machst du denn hier?“ Doros Ratlosigkeit schien über die Störung zu überwiegen. Noch.
„Was soll der Hokuspokus?“

Die Aufklärung des Falls führt das Ermittlerteam in die Vergangenheit. Langsam fügen sich die Puzzleteile zusammen, bis die letzte Lücke geschlossen ist. Und dann wird es erst richtig gefährlich.

Ein Krimi, wie er im Buche steht. Ein Plot mit den nötigen Cliffhangern, der langsam seine Kreise zieht, das Netz der verfolgten Fäden dichter werden lässt, bis sich die Auflösung langsam aber sicher zeigt. Die privaten Befindlichkeiten der Ermittler machen die Geschichte menschlich, sind aber nicht so dominant, dass der eigentliche Fall in den Hintergrund tritt. Da hat ein Autor sein Handwerk beherrscht.

Opfergrube ist der 7. Darmstadt-Krimi Kiblers. Man merkt beim Lesen, dass er auf einer Vorgeschichte aufbaut, allerdings ist der Band für sich genommen gut verständlich. Man braucht die Vorgeschichte nicht, ist aber neugierig, so dass durchaus der Impuls ausgelöst werden könnte, die anderen Fälle auch lesen zu wollen.

Fazit:
Ein spannender Krimi mit einem stimmigen Plot, einnehmenden Figuren, plastischen Schauplätzen – pures Lesevergnügen. Absolut empfehlenswert!

Zum Autor
Michael Kibler
Michael Kibler wurde 1963 in Heilbronn geboren, studierte an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt, im Hauptfach Germanistik mit den Nebenfächern Filmwissenschaft und Psychologie. 2005 veröffentlichte er den ersten Krimi „Madonnenkinder“, es folgen weitere Darmstadt-Krimis mit dem Ermittlerteam um Margot Hesgart und Steffen Horndeich. Neben den Krimis schreibt Kibler schreibt auch Sachbücher, hat schon einige Krimi-Kurzgeschichten veröffentlicht und zudem als Texter und PR-Profi tätig. Michael Kibler lebt in Darmstadt, wo er Lesungen, Stadtführungen durch Darmstadt und Schreib-Workshops anbietet.

Angaben zum Buch:
opfergrubeTaschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Piper Verlag (12. November 2013)
ISBN-Nr.: 978-3492300476
Preis: EUR 12.99 / CHF 19.90

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Rezension: Christa Bernuth – Das Falsche in mir

Leichen im Keller tauchen auf

Wenn er im Tötungsmodus ist, tötet er nicht wirklich. Der Anfang sind immer Fantasien und dabei bleibt es dann auch, glaubt er. Fantasien sind nicht strafbar, solange sie im Kopf bleiben. Er begeht kein Verbrechen. Ab einem bestimmten Punkt kann er nur nicht immer unterscheiden, was gedacht und was von dem Gedachten umgesetzt wird.

Als Jugendlicher bringt Lukas Salfeld seine Jugendliebe Marion um und büsst diese Tat 10 Jahre im Gefängnis. Danach baut er sich ein neues Leben auf, heiratet, kriegt zwei Kinder, hat einen Job. Keiner in seinem Umfeld weiss von seiner Vergangenheit.

Bisher war ich sicher, dass ich alles richtig gemacht hatte. ich hatte den richtigen Beruf gewählt. ich hatte die richtige Frau geheiratet – dunkelhaarig, kraftvoll, rassig, selbstbewusst genug, mich in Ruhe zu lassen.
Ich hatte zwei Mädchen gezeugt.
Ich gebe zu, das war dumm.

Lukas lebt sein Leben in sicheren Bahnen, versucht, seine zwar auftauchenden, aber im Kopf gefangenen Fantasien im Griff zu haben. Sein sorgsam aufgebautes Leben kommt ins Wanken, als ein junges Mädchen nach demselben Muster getötet wird, wie er einst Marion tötete. Lukas hat kein Alibi für die Tatzeit und auch keine Erinnerung. Verzweifelt macht er sich selber auf die Suche nach der Wahrheit, in Sorge darüber, was er herausfinden wird.

Christa Bernuth hat in Das Falsche in mir einen spannenden Plot realisiert. Durch die unmittelbare Sicht des Ich-Erzählers Lukas Salfeld ist der Leser immer live dabei, erlebt die Geschichte quasi aus erster Hand und aus der Perspektive des Verdächtigen. Das ist vor allem am Anfang etwas verwirrend, da man nicht weiss, wo man genau ist, was man da soll und wo das Ganze hinführt. Dass die Perspektive auch noch ab und an abschweift, man immer wieder von anderen Blickwinkeln auf die Geschichte schaut, ist dem Verständnis nicht dienlich.

Was bei der Ich-Erzählung etwas fehlt, ist die persönliche Involviertheit des Erzählers. In fast monoton erscheinender Weise schildert er, was gerade passiert, was er tun will, tut oder getan hat. Da driften Unmittelbarkeit des Erzählens und des Erzählten auseinander.

Nichtsdestotrotz ist Das Falsche in mir ein solider Krimi mit einem gut aufgebauten Spannungsbogen. Er braucht am Anfang ein wenig Durchhaltevermögen, um sich zurechtzufinden, zieht dann aber an.

Fazit:
Guter Plot, eigenwillig und verschachtelt aufgebaut. Spannende Geschichte, bei welcher der Leser lange im Dunkeln tappt. Empfehlenswert.

Zum Autor
Christa Bernuth
Christa Bernuth arbeitete nach dem Studium an der Deutschen Journalistenschule in München viele Jahre als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen und Magazine. Ihre Kriminalromane wurden in mehrere Sprachen übersetzt und drei davon verfilmt. Christa Bernuth lebt mit ihrem Mann in München. Von ihr erschienen sind unter anderem die Romane Innere Sicherheit (2009) und Wer schuld war (2010),

Angaben zum Buch:
bernuthdas_falsche_in_mirTaschenbuch: 352 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuchverlag (1. Januar 2014)
ISBN-Nr.: 978-3423249928
Preis: EUR 14.90 / CHF 29.90

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Rezension: Michael Robotham – Sag, es tut dir leid

Und wenn du nicht gehorchst….

Wir sind zusammen verschwunden, Tash und ich. Es war ein Sommer mit heissen Winden und heftigen Gewittern, die kamen und gingen wie, na ja, Gewitter eben. […] Vor der Stadtuhr stehend berichteten Reporter den Leuten, dass es nichts zu berichten gebe, doch sie taten es trotzdem. […] Einen Monat nach unserem verschwinden brachte George uns aus dem Speicher an diesen Ort. Die Polizei hatte die Suche nach uns mittlerweile eingestellt, und alle nahmen an, dass wir weggelaufen wären.

Drei Jahre sind sie bereits verschwunden, Piper Hadley und Tash McBain. Die Suche ist schon lange abgebrochen worden, gefunden wurden sie nie. Als ein Ehepaar brutal ermordet wird und kurz darauf die Leiche einer jungen Frau erfroren in einem See gefunden wird, ändert das schlagartig. Tash McBain war drei Jahre verschwunden, nun ist sie tot. Wo aber steckt Piper? Und wer hat die beiden Mädchen entführt?

Der Psychologe Joe O’Loughlin hilft der Polizei, den wahren Entführer zu finden, was sich als schwierig erweist, da die Polizei ungerne sieht, dass sich jemand von aussen einmischt und die vergangenen Ermittlungen anzweifelt.

Sag, es tut dir leid ist ein spannender Psychothriller, der alles in sich vereint, was man in diesem Genre erwartet: Die Figuren sind plastisch, die Schauplätze ebenso, der Plot stimmig, mit den nötigen Cliffhangers versehen, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Die aktuelle Suche wechselt sich ab mit den Aufzeichnungen von Piper, welche erzählt, was mit ihr und Tash in all den Jahren passiert ist.

Michael Robotham zeigt auch in seinem achten Thriller, dass er sein Handwerk beherrscht. Er versteht es, den Haupterzählstrang mit Nebensträngen anzureichern, ohne Längen entstehen zu lassen. Persönliches aus dem Leben der Figuren fliesst natürlich in den Lauf der Geschichte ein, ohne sie zu belasten oder zu bremsen, im Gegenteil, sie wird dadurch plastischer, menschlicher. Und über allem bleibt ein Spannungsbogen, der nie abreisst.

 

Fazit:
Spannung und Tiefe in eine packende Form gebracht. Ein Psychothriller, der alles hat, was man sich in dem Genre erhofft. Sehr empfehlenswert.

Zum Autor
Michael Robotham
Michael Robotham wurde 1960 in New South Wales, Australien, geboren. Er war lange Jahre als Journalist für große Tageszeitungen und Magazine in London und Sydney tätig, bevor er sich ganz seiner eigenen Laufbahn als Schriftsteller widmete. Mit seinen Romanen sorgte er international für Furore und wurde mit mehreren Preisen geehrt. Michael Robotham lebt mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in Sydney. Von ihm erschienen sind unter anderem Bis du stirbst, Erlöse mich, Todeswunsch.

Angaben zum Buch:
sag_es_tut_dir_leidTaschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag (16. September 2013)
Übersetzung: Kristian Lutze
ISBN-Nr.: 978-3442313167
Preis: EUR 14.99 / CHF 15.90

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Rezension: Lucie Flebbe – Tödlicher Kick

Puff um einen Kicker

Die Spannung im Stadion steigt, Bochum steht kurz vor dem Aufstieg in die nächste Liga, doch der alles entscheidende Kick des Nachwuchsfussballers Oran Mongabadhi geht daneben. Am nächsten Morgen ist dieser tot, niedergestreckt durch einen Schuss in den Hinterkopf. Die Polizei ermittelt gegen Mongabadhis Freundin, eine Prostituierte mit Lockenkopf, welche kurz nach der Tat blutverschmiert vor der Haustür des Ermittlerduos Lila und Danner steht.

„Ich muss Sie beauftragen“, sagte Curly-Mo ohne Nachnamen. „Ich habe auch Geld“, fügte sie rasch hinzu, als sie meine noch immer gerunzelte Stirn bemerkte. […] „Ich sitze echt in der Scheisse“, gestand Curly […]

Die Suche nach dem wahren Täter gestaltet sich schwierig, da die Verdächtigen zunehmen, die Situationen zunehmend brenzliger werden, Streitereien zwischen Lila und Danner noch erschwerend dazu kommen. Nach einem besonders heftigen Streit nimmt Lila die Nachforschungen in die eigenen Hände und begibt sich dabei in Gefahr. Nicht nur die Aufklärung des Falls, sondern auch ihr Leben steht plötzlich auf dem Spiel.

Tödlicher Kick ist ein solide gestrickter Krimi, der kriminalistische Aufklärungsarbeit mit Beziehungsproblemen, Vergangenheitsbewältigung der Protagonisten und aktuellen Themen wie Homosexualität im Fussball und Prostitution und Frauenhandel zu einem unterhaltsamen Ganzen verwebt.

Man dachte schon nach Das fünfte Foto, dass Lila ihre Vergangenheit aufgearbeitet hätte und nun froh in die Zukunft ginge, allerdings scheint ihre Vergangenheit Stoff für mehrere Bewältigungsschübe zu liefern, so dass sie auch in diesem Buch wieder eines der zentralen Hintergrundthemen ist. Dass Danner ebenfalls mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird, macht das Miteinander des Ermittlerteams umso schwerer und die Beziehungsthematik nimmt einen vergleichsweise grossen Stellenwert in der ganzen Geschichte ein. Nichtsdestotrotz ist Lucie Flebbe auch mit Tödlicher Kick ein flüssig zu lesender, unterhaltsamer und spannender Krimi gelungen. Krimifreunde werden bei dem Buch auf ihre Kosten kommen.

Fazit:
Ein solide gestrickter Krimi, unterhaltsame und spannende Lektüre. Empfehlenswert.

 

Zur Autorin
Lucie Flebbe
Lucie Flebbe wurde 1977 in Hameln geboren. Bereits mit 14 Jahren verfasste sie ihren ersten belletristischen Text, Die Geschichte eines Rennpferdes, welchen sie in einem spanischen Verlag veröffentlichen konnte. Lucie Flebbe ist Physiotherapeutin und lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Bad Pyrmont. Mit ihrem Krimidebüt Der 13. Brief wurde sie mit dem Friedrich-Glauser-Preis als beste Newcomerin ausgezeichnet. Von ihr erschienen sind bislang unter anderem Der 13. Brief (2008), Hämatom (2010), Fliege machen (2011), 77 Tage (2012), Das fünfte Foto (2013).

Ein Interview mit der Autorin findet sich hier.

Angaben zum Buch:
FlebbeKickTaschenbuch: 285 Seiten
Verlag: Grafit Verlag (11. März 2014)
ISBN: 978-3894254353
Preis: EUR 10.99/ CHF 17.90

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Rezension: Karin Slaughter – Belladonna

Traue nicht deinem Nächsten

Sibyl Adams, eine Professorin am College, sass auf der Toilette, den Kopf gegen die gekachelte Wand gelehnt, die Augen geschlossen. Ihre Hose war bis zu den Knöcheln hinuntergezogen, die Beine waren weit gespreizt. Sie hatte eine Stichwunde im Unterleib. Blut füllte das Toilettenbecken, Blut tropfte auf die Bodenkacheln.

Als Sara, Kinderärztin der örtlichen Klinik und Gerichtspathologin, die schwerverletzte Sibyl Adams auf der Restauranttoilette findet, versagen alle lebensrettenden Massnahmen ihr Ziel. Die Brutalität, mit der das Opfer behandelt worden ist, übertrifft alles bislang Gesehene und es ist erst der Anfang einer grausamen Serie von Vergewaltigungen und Schändungen an jungen Frauen. Ihr Exmann, Polizist in dem verschlafenen Ort, übernimmt den Fall mit seinem Team, tappt aber lange im Dunkeln. Ein Wettkampf mit der Zeit beginnt, denn wer weiss, wann der Täter das nächste Mal zuschlägt?

Belladonna ist ein rasanter und packender Thriller. Er hat einen stringenten und stimmigen Plot, einen Hauptkonflikt, dessen Auflösung man als Leser entgegenfiebert, ebenso packende Nebenkonflikte, so dass man das Buch kaum mehr aus der Hand legt. Die Figuren sind plastisch, man meint, sie zu kennen, kann mit ihnen mitdenken, mitfühlen, versteht ihre Handlungs- und Denkweisen.

Was ab und an störend war, war die Übersetzungsleistung; so heisst es im Buch zum Beispiel ständig „Er machte die Liebe mit mir“ statt richtig „Er machte Liebe mit mir“ – eine Wendung, die mehrfach falsch vorkam und dementsprechend störte. Das aber nur eine Kritik am Rande.

Fazit:
Ein gelungener, packender Thriller mit Suchtfaktor. Absolut empfehlenswert.

Zum Autor
Karin Slaughter
Karin Slaughter, Jahrgang 1971, stammt aus Atlanta, Georgia. 2003 erschien ihr Debütroman Belladonna, der sie sofort an die Spitze der internationalen Bestsellerlisten und auf den Thriller-Olymp katapultierte. Ihre Romane um Rechtsmedizinerin Sara Linton, Polizeichef Jeffrey Tolliver und Ermittler Will Trent sind inzwischen in 32 Sprachen übersetzt und weltweit mehr als 30 Millionen Mal verkauft worden. Von ihr erschienen sind unter anderem Schattenblume, Belladonna, Vergiss mein nicht und Dreh dich nicht um.

Angaben zum Buch:
SlaughterBelladonnaTaschenbuch: 480Seiten
Verlag: Blanvalet Verlag (8. Juli 2012)
Übersetzung: Teja Schwaner
ISBN-Nr.: 978-3442379064
Preis: EUR  8.99 / CHF 14.90

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Rezension: Zoë Beck – Brixton Hill

Wem kann man trauen?

Es ist nicht der Aufprall, an den man sich später erinnert. Was man immer wieder vor sich sehen wird, ist der Moment des freien Falls.
Und man wird die Stille dieses Moments hören. Denn die Welt hört auf, sich zu drehen. Alles ist ruhig. Nur der Körper fällt, schwebend, lautlos.

Zuerst streikt nur das Internet, dann setzt hier und da die Technik kurz aus, bis schliesslich nichts mehr geht. Rauch zieht durch die Gänge des Limeharbour Towers, eines dieser modernen neuen Geschäftstowers, in denen auch Kimmy Rasmussen ihr Büro hat. Emma Vine, ihre Geschäftspartnerin und Freundin kann ihr nicht helfen, als sie sich in Panik aus dem Fenster des fünfzenhnten Stock stürzt. Als ob das nicht schlimm genug wäre, wird sie kurz darauf von der Polizei abgeführt wegen des Verdachts, diesen Terroranschlag verübt zu haben.

Hinter all dem – da ist sich Emma Vine sicher – kann nur Alan stecken, der Mann, der sie seit Wochen stalkt, sie mit Twitternachrichten und anderem verfolgt. Sie macht sich auf die Suche nach ihm, seine Reaktion bestätigt ihre Ahnung, leider will ihr niemand glauben. Kurz darauf ist auch Alan tot und Emma steht unter Mordverdacht. Von diesem Moment an ist Emma auf der Flucht. Sie ahnt noch nicht, wie gross die Kreise wirklich sind, die sich hinter allem verbergen. Was sie aber ahnt ist, dass sie die Nächste sein soll.

 

Mit Brixton Hill ist Zoë Beck ein rundum gelungener Thriller gelungen. Die Figuren sind plastisch gezeichnet, haben Geschichte, sind abgerundete Charaktere. Die Schauplätze wirken realistisch und bildhaft und der Plot ist stimmig, spannend aufgebaut mit den nötigen Cliffhangern, Wendungen und dem doch erwünschten Ablauf des Geschehens. Zoë Beck zeigt einmal mehr, dass sie ihr Handwerk versteht.

Würde man einen Negativpunkt nennen wollen, dann wohl den, dass es am Schluss plötzlich schnell geht mit der Aufklärung, Dinge nicht mehr gezeigt werden, sondern beschrieben, ohne sie in eine Handlung einzubetten. Trotzdem tut dies dem Lesegenuss keinen Abbruch, die Spannung bleibt von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit:
Brixton Hill packt einen von der ersten Seite und lässt einen nicht mehr los. Pures Lesevergnügen. Absolut empfehlenswert.

Zum Autor
Zoë Beck
Zoë Beck, geboren 1975, wuchs zweisprachig auf und pendelt zwischen Großbritannien und Deutschland. Ihre grosse Liebe neben der Literatur ist die Musik: Mit drei Jahren begann sie, Klavier zu spielen, gewann bald darauf diverse Wettbewerbe und gab zahlreiche Konzerte. Heute arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Übersetzerin. 2010 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte „Bester Kurzkrimi“. Von ihr erschienen sind unter anderem Das zerbrochene Fenster (2012), Der frühe Tod (2011), Das alte Kind (2010).

Mehr zu Zoë Beck und ihrem Schreiben unter Zoë Beck – Nachgefragt.

Angaben zum Buch:
BeckZoeBrixtonTaschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (9. Dezember 2013)
ISBN-Nr.: 978-3453410428
Preis: EUR 8.99 / CHF 14.90

 

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Rezension: Rolf von Siebenthal – Höllenfeuer

Politzirkus und Sektentaumel

Mit einem lauten Knall flog die Wohnzimmertür auf, der Rahmen fing sofort Feuer. Eine Woge aus Hitze und dichtem Qualm umfing ihn und sog die Luft aus seinen Lungen. […] Brunner hob den Kopf und setzte zu einem tierischen Gebrüll an, als der Raum um ihn herum in einem grellen Blitz zerbarst. Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, dann war alles vorbei.

Der Journalist Max Bollag hat alle Hände voll zu tun. Er schreibt über den Tod des Arztes Michael Brunner, welcher beim Brand seines Hauses ums Leben kam, eine anonym abgegebene Notiz, dass ein vor Jahren verschwundenes Kind noch lebt, lässt ihn Nachforschungen anstellen, Drohungen gegen seine Freundin, die Bundesrätin Petra Mangold, lassen ihn ebenfalls nicht in Ruhe und als ob das nicht genug wäre, schickt ihn sein Chef zu langweiligen Anlässen , da die Zeitung weg von aktuellen Ereignissen hin zu positivem Lokalgeschehen wechseln will.

Bei seinen Nachforschungen kommt er immer wieder Kripo-Chef Heinz Neuenschwander ins Gehege, der weder von der Presse allgemein noch von Max Bollag im Besonderen viel hält. Als sich die Geschehnisse zuspitzen, bleibt den beiden wenig übrig, als zusammenzuarbeiten – zumindest vordergründig -, was auch bitter nötig wird, als es für einen der beiden richtig gefährlich wird.

Weder mit Händen noch Füssen konnte [er sich] wehren, als der Junge die Nadel in seinen Nacken stiess. Er spürte, wie sich irgendein Zeugs von seinem Hals aus in den Körper ergoss. Wenig später erschlafften alle Muskeln und sein Sichtfeld verengte sich wie ein Lasso. Dann zog sich die Schlinge zusammen und riss ihn hinab in die Dunkelheit.

Höllenfeuer ist Rolf von Siebenthals zweiter Kriminalroman. War schon sein erster, Schachzug, gelungen, hat der Autor nochmals zugelegt und mit seinem Zweitwerk einen fesselnden, komplexen und doch verständlichen Krimi geschrieben. Der Plot ist stimmig und spannend, die Schauplätze wirken plastisch und realistisch, einzig die Figuren bleiben teilweise ein wenig blass, was dem Lesegenuss aber wenig Abbruch tut.

Von Siebenthal behandelt in seinem aktuellen Roman politische Meinungsbildung und politische Intrigen, beleuchtet die Hintergründe und Auswüchse von Sekten, streift Themen wie Abtreibung und Sterbehilfe und lässt auch ein bisschen Raum für die Liebe. Alles in allem eine gelungene Mischung, die das Lesen zum Genuss machte.

Fazit:
Höllenfeuer hat alles, was ein guter Kriminalroman haben muss, so macht Lesen Spass. Sehr empfehlenswert.

 

Zum Autor
Rolf von Siebenthal
Rolf von Siebenthal, Jahrgang 1961, ist ausgebildeter Sprachlehrer. Er arbeitete viele Jahre bei einer Tageszeitung und im Schweizer Verkehrsministerium, heute ist er selbstständiger Journalist und Texter. Er lebt mit seiner Familie in der Nordwestschweiz. Von ihm erschienen ist bereits der Kriminalroman Schachzug (2013).

 

Angaben zum Buch:
vonSiebenthalHöllenfeuerTaschenbuch: 352 Seiten
Verlag: Gmeiner Verlag (2. Juli 2014)
ISBN-Nr.: 978-3839216149
Preis: EUR 11.99 / CHF 19.90

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