Ich suche nach Worten, doch sie sind mir noch immer ausgegangen. Vielleicht hört man in der Stille den Vogel leise zwistschern.
Habt einen schönen Tag!
Denkzeiten – Sandra von Siebenthal
Kunst und Leben
„…Und der Rabe weichet nimmer – sitzt noch immer, sitzt noch immer
Auf der blassen Pallasbüste ob der Türe hoch und her;“
(Edgar Allen Poe)
Es gibt viele Mythen um die Raben. Sucht man sie in der Lyrik oder Literartur, stösst man kaum auf etwas Lockerleichtes. Schwarz sind sie und eher gross, wirken stolz und selbstbewusst. Sie fliegen durch die Lüfte, stolzieren über Äcker, und wenn man ganz genau hinschaut, kann man ein verschmitztes Lachen ganz hinten im Schnabelwinkel erkennen. Wenn ihr wüsstet, scheinen sie zu denken. Ich denke, sie haben recht.
«Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.»
Aus: Rainer Maria Rilke, Das Buch der Bilder
„Jedes Mal, wenn ich ein Stillleben male, stelle ich begeistert fest, dass ich abertausend Dinge sehe. Welches soll ich auswählen? Je mehr ich betrachte und darüber nachdenke, desto mehr sehe ich.“ David Hockney
Ich bin jüngst in die Welt der Stillleben eingetaucht, am Anfang stand die Birne. Ich habe sie in diversen Varianten gemalt und gezeichnet und immer wieder kam ein neues Bild einer Birne heraus. Ist alles die gleiche Birne? Sind es verschiedene Birnen? Sind es Birnen, wie ich sie sehe?
Als eine Betrachterin seines Bildes Franz Marc mal sagte, Pferde seien gar nicht blau, meinte er nur: „Das ist auch kein Pferd, das ist das Bild eines Pferdes.“
Vielleicht ist es genau das, was ich wir oft vergessen: Wir sehen gar nicht die Welt, wir sehen nur das Bild, das wir uns von ihr machen? Das Bewusstsein könnte dazu beitragen, offener gegen andere Weltbilder zu werden.
Habt einen schönen Tag!
Was ist mein Platz? Wo gehöre ich hin?
Zentrale Fragen im Leben, vor allem dann, wenn man sich nicht zugehörig fühlt, wenn man sich fremd in der Welt und oft auch in und mit sich fühlt.
Wer bin ich eigentlich?
Und vor allem:
Was will ich?
Eine zentrale Frage, die drei Fragen in sich trägt:
WAS will ich?
Was WILL ich?
Was will ICH?
Ich glaube, wenn wir diese drei Fragen beantworten können, klären sich auch die Anfangsfragen. Dann merkt man, wie ein Umfeld sein sollte, in dem man so sein kann, dass man das leben kann, das einem entspricht. Dieses Leben ist dann nicht nur ein Tun und schon gar kein Kampf um das eigene Sein und Tun, das ständig der Rechtfertigung nach aussen bedarf, sondern man fühlt sich von diesem Aussen verstanden und getragen. Das ist dann der Ort, an dem man so richtig angekommen ist. Als Ich mit seinem Tun.
Manchmal ist das nicht in der radikalen Form möglich. Dann gilt es abzuschätzen, wo man Abstriche machen kann und wo sie zu sehr ins Innerste treffen und dieses verstören. Manchmal hilft auch ein Perspektivenwechsel oder aber das Anpassen des Aussens oder des Seins in diesem Aussen, welches nicht einhergehen sollte mit einem Verbiegen oder gar Aufgeben des Innens.
Es ist kompliziert. Und wohl ein Prozess, da sich alles auch immer wieder verändert. Es sei denn, das Gefühl für sich selbst ist so stark, dass sich der Rest immer wieder klärt. Vielleicht eine Lebensaufgabe?
Ein Wohlfühlort für mich ist immer die Kunst, das kreative Tun, und da vor allem meine Vögel. Wenn ich sie zeichne oder male, bin ich glücklich, dann vergeht die Zeit und es ist nie zu viel oder geht zu lang. Dann habe ich plötzlich alles, was mir sonst im oft Leben fehlt: Geduld, Ausdauer, Leichtigkeit, Freiheit.
Was sind eure Wohlfühlorte?
Habt einen schönen Tag!
«Spiel ist geistige oder körperliche Tätigkeit, die keinen unmittelbaren praktischen Zweck verfolgt und deren einziger Beweggrund die Freude an ihr selbst ist.»
Johan Huizinga (1872-1945), niederländischer Kulturhistoriker
Wir leben in einer Zeit, in welcher alles etwas taugen muss. Wir optimieren die Welt, das Leben, uns selbst. Wir dürfen nicht nur gut sein, wir müssen besser werden. Besser als wir sind und vor allem besser als die anderen. Das Grundprinzip des Kapitalismus ist zu unserer eigenen Natur geworden, die ursprüngliche wird mehr und mehr verdrängt. Wenn wir nur erst erreicht haben, was wir anstreben, denken wir, dann sind wir glücklich. Und merken nicht, wie wir das Glück genau dadurch mehr und mehr aus dem Leben katapultieren.
Einfach nur spielen? Um des Spiels willen? Das geht höchstens, wenn wir genug geleistet haben und auch nur für kurz, dann müssen wir uns wieder dem Ernst des Lebens widmen. Das fängt schon im Kindesalter an, leider immer noch früher. Alles Spielerische und Kreative weicht mehr und mehr dem Leistungsdruck. Dabei weiss man, dass gerade im Spiel das Leben gelernt wird. Vor allem auch das Miteinander-Leben. Da lernen wir, mit Leidenschaft an etwas zu sein, mit Frustration umzugehen, Regeln zu befolgen und die dadurch entstehende Freiheit auszukosten. Wir lernen, Lösungen zu finden, um die Ecke zu denken, Dinge auszuprobieren, auch mal zu scheitern, dann aber doch weiterzugehen.
Schiller sagte, der Mensch sei nur da ganz Mensch, wo er spiele. Wir sollten wieder mehr spielen. Die Dinge zwar ernst nehmen, aber nicht verbissen, sondern mit einer spielerischen Leichtigkeit. Dann ist der Kopf halt grün und die Haare sind blau. Wie sagte Franz Marc so schön zu einer Betrachterin seiner Bilder, die meinte, Pferde seien nicht blau?
„Das sind keine Pferde, das ist ein Bild.“
Ich wünsche euch einen verspielten Tag.
„Kunst wäscht den Staub des Alltags aus der Seele.“ Pablo Picasso
Wenn man an Spanien denkt, denkt man an Sonne, Meer, Wärme, Farben, Licht. Darauf freue ich mich auch immer, wenn es nach Spanien geht, denn der Winter in der Schweiz, vor allem, wenn man in den Niederungen und an einem See lebt, ist eher grau und kalt, wobei man das „eher“ eher streichen könnte.
Nun denn, nach einigen wirklich wunderbar sonnigen Tagen in der Schweiz (Wunder gibt es immer wieder), landete ich gestern aus grauem Himmel kommend auf dem Boden der Tatsachen im Regen in Spanien. Nun sitze ich hier, höre draussen das Meer an die Steine branden, die Wellen rauschen, die Palmen… ich höre hier, bevor die Wetterbeschreibung ausufert und bei all ihrer Gräulichkeit doch noch zu Kitsch verkommt.
Und da dachte ich an Picasso. Wie oft schon hing meine Seele staubverhangen in den Seilen, ich konnte mich zu nichts aufraffen. Wenn ich es dann doch tat, Stift oder Pinsel in die Hand nahm, dann zeigte sich plötzlich Licht. Magisch. Heute würde man dem wohl „im Flow sein“ sagen. Für mich ist es einfach ein Aufgehen im Tun, das aus mir entspringt. Das Schöne daran: Nicht nur der Staub der Seele schwindet, auch das Grau draussen drückt nicht mehr, wenn auf dem Papier plötzlich Farben sind.
Ich glaube, jeder trägt einen solchen Lichtbringer in sich. Wenn man es schafft, den anzuzapfen, gerade in Zeiten, die eher grau sind, wird das Leben heller.
Ich wünsche euch einen schönen und hellen Tag!
Guten Morgen
Was wär ein Apfel ohne -Sine,
Was wären Häute ohne Schleim?
Was wär’n die Vita ohne -Mine,
Was wär’n Gedichte ohne Reim?
Was wär das E ohne die -llipse,
Was wär veränder ohne -lich?
Was wär ein Kragen ohne Schlipse,
Und was wär ich bloß ohne Dich?
Heinz Erhardt
Nun sind es immerhin zwei Äpfel, doch ohne Sine und ohne Reim, aber wie heisst es so schön: A apple a day keeps the doctor away – und: doppelt gemoppelt hilft bekanntlich besser.
Der Apfel ist Teil einer Sechser-Serie, ich mag es Serien zu malen, die das gleiche Motiv auf ähnliche Weise aufnehmen und doch unterschiedliche Ergebnisse abgeben.
Habt einen schönen Tag!
«Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt.» Ernst Bloch
Angst ist ein schlechter Ratgeber, heisst es landläufig. Ernst Bloch fand das nicht zwingend. Wichtig aber fand er, zu ergründen, woher sie kommt, was sie auslöst und welche Bilder sie für die Zukunft malt. Auf dieser Grundlage sollte die Hoffnung entstehen. Der Gedanke: «Es könnte auch anders kommen.» Ist ein wichtiger, einer, in dem die Kraft der Veränderung angelegt ist. Er fängt mit der Hoffnung an und führt im besten Fall zum Tun.
«Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.» Ernst Bloch
Es ist nie sicher, ob das Vorhaben gelingt, doch wenn wir es nicht probieren, dann haben wir schon verloren. Ansonsten lernen wir dazu und versuchen es nochmals. So lange, bis es gelingt. Und immer wieder, so auch hier, kommt mir meine Lieblingszeile von Rilke in den Sinn, die gleichzeitig auch mein Lebensmotto ist:
«Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
Die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
Aber versuchen will ich ihn.»
Habt einen schönen Tag!
Guten Morgen
«Kunst dient dazu, jene zu trösten, die vom Leben gebrochen sind.» Vincent van Gogh
Wer hätte das besser gewusst als dieser Mann, der zeitlebens kämpfte, der oft an sich und dem Leben verzweifelte, aber immer wieder Zuflucht fand in der Kunst. Leider wurde er zu Lebzeiten zu wenig geschätzt. Zum Glück hatte er ein paar Menschen, die an ihn glaubten und ihn unterstützten.
Die Druckerin Anni Albers sagte:
«Kunst ist etwas, das dich mit einer ganz anderen Art von Glück atmen lässt.» Anni Albers
Atmen ist ein gutes Stichwort. Mir fehlt er im Moment. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich tief einatme, fast schon seufze. Bei kleinsten Dingen. Und ich merke, wie alles viel ist. Zu viel. Das Schwierige in solchen Situationen, die mir ja nicht neu sind, sondern seit vielen Jahrzehnten treue Begleiter, dass ich wüsste, was gut tut, aber genau die Kraft fehlt, damit anzufangen.
«Du musst doch nur…», sagen dann gutmeinende Menschen voller Unverständnis. Und helfen damit nicht. «Ich kann nicht!», trifft genauso auf Unverständnis. Und ja, ich kann nicht. Ich weiss, dass es besser ist, sobald ich den Pinsel oder Stift in die Hand nehme – und komme nicht ins Tun. Schaue über Stunden, wie andere malen und verzweifle ob meiner Untätigkeit. Immerhin ist es eine Auseinandersetzung mit Kunst. Und langsam nährt sich wohl dadurch der Krafttank ein wenig. Und dann gelingt plötzlich ein Trotzdem. Und es kommt besser.
Habt einen schönen Tag! Heute wird ein guter!
„Vom Wind umweht, mit leisem Rauschen, sieht
der Baum den Wellen zu. Er steht schon lang, ist
alt und weise, stolze Kraft auf festem
Grund, der hält und ihn zum Himmel treibt .Was klein begann mit einem Stein, das wuchs
in Ringen an und an. Erst nur ein Stamm,
dran Äste dann, die weit und breit ins Land
ausschweifen, es ergreifen, Blätterregenum sich legen und daran ganz klein
ein Stein in grüner Hülle, die in sich
Genuss mitträgt. Es scheint die Sonne, nährtDie Früchte, lässt sie reifen, rund und prall, bis
eines Tages diese fallen, und zu
neuem Leben streben – irgendwann.“
SVS
Vor meinem Schlafzimmer steht ein Olivenbaum. Zu ihm geht mein erster Blick, wenn ich auf die Wiese trete. Nie habe ich mich an ihm satt gesehen, immer wieder entdecke ich Neues an ihm. Matisse sagte einst:
„Eine vertiefte Studie erlaubt es mir, vom Gegenstand meiner Betrachtung Besitz zu ergreifen und mich bei der endgültigen Ausführung des Bildes mit ihm zu identifizieren.“
Ähnlich auch Wolfgang Tillmans:
„Wenn man sich nicht für die vielseitigen Qualitäten eines Baumstamms interessiert, kann man sich den Gegenstand auch nicht künstlerisch aneignen, indem man ihn malt, zeichnet, filmt oder fotografiert.“
Und so wird mich der Baum auch weiter jeden Morgen fesseln.
Habt einen schönen Tag.
„Kommt, von allerreifsten Früchten / mit Geschmack und Lust zu speisen! / Über Rosen läßt sich dichten, / in die Äpfel muß man beißen.“ Johann Wolfgang von Goethe
Man kann sie auch malen, doch irgendwann werden sie gegessen. Im Bild zwar eine Khaki, die später dann zu einer Vorspeise wurde als Carpaccio auf Ruccola mit einem Limettendressing, Parmesanspänen und Balsamico-Creme wurde. Sehr lecker.
Neben dem Malen mag ich auch das kreative Erkunden in der Küche. Ich halte mich selten an Rezepten, liebe es aber, in solchen zu stöbern und Inspirationen zu holen. Wo lebt ihr eure Kreativität gerne aus?
Habt einen schönen Tag!