Vernachlässigung von Kriminalromanen

«…Sie sind gewiss nicht ohne Gesellschaft bei Ihrem Wunsch, dass ‘man etwas gegen die Isolierung und Benachteiligung des Kriminalromans in den Buchbesprechungen tun könnte’.»*

Das schrieb Raymond Chandler im Januar 1944 an James Sandoe, seines Zeichens Kriminalromankritiker der New York Herald Tribune und Professor für Klassische Literatur und Bibliographie an der University of Colorado. Was die beiden umtrieb, hat sich bis heute nicht geändert: Der Kriminalroman wird von den Literaturkritikern mehrheitlich gemieden, wenn nicht gar verschmäht. Für sie – und sie sind damit nicht allein – gibt es verschiedene Arten von Schreiben: Das anspruchsvolle und das banale, das, woraus Literatur entsteht, und das, was blosse Unterhaltung und damit minderwertig ist.

„Wenn man da sagt, was dieser Mann schreibt, sei keine Literatur, könnte man ebensogut auch sagen, ein Buch, das einem Lust zum Lesen mache, könne nichts taugen.
Wenn ein Buch, gleich welchen Genres, eine gewisse Intensität der künstlerischen Darstellung erreicht, wird es Literatur. Diese Intensität kann sich im Stil zeigen, in der Situation, in den Charakteren, im inneren Ton oder in der Idee, oder in einem halben Dutzend anderen (sic!) Dingen.“

Nun gibt es durchaus Krimis, die in der Tat seicht und belanglos sind, die daherkommen wie nach einem vorgegebenen Raster und in Rekordzeit geschrieben. Es gibt aber auch die literarisch und sprachlich wertvollen, die inhaltlich und stilistisch anspruchsvollen, die durchdachten, durchkomponierten, die durchaus den Begriff Literatur verdienen. Und: Nicht alles, was als Literatur daherkommt, ist auch ein Meisterwerk schreiberischer Genialität.

«Die Franzosen sind das einzige Volk, das ich kenne, für die Schreiben in erster Linie Schreiben ist.»*

Oft sieht es auch so aus, als ob das, was sich gut verkauft, von vornherein abgewertet ist, kann es doch nicht für den höheren Geschmack bestimmt sein, wenn so viele es gut finden. Dass diesem Ansinnen eine unglaubliche Arroganz innewohnt, ist offensichtlich: Nur der auserlesene Kreis der Verstehenden ist in der Lage, so wirkt es zumindest, den wahren Wert von Literatur zu verstehen. Nur das erlauchte Grüppchen der Intelligenten weiss die hohe Literatur zu schätzen. Sobald es jeder versteht, kann es – so die scheinbar logische Folge – nur banal sein.

Ich zitiere in solchen Fällen immer gerne den wunderbaren Philosophen Harry G. Frankfurt:

«Bullshit!»

(Nun entspricht natürlich auch dieser Ausdruck nicht dem elaborierten Code der Bestimmer und Leser der gewählten Literatur, aber damit kann ich durchaus leben, zumal ich mich immerhin auf einen Philosophieprofessor berufen kann.

*zitiert nach Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordens, Diogenes Verlag, Zürich 1975.

Neues Jahr, neuer Blog 

My two cents

Schon ist ein Monat um vom neuen Jahr. Ich habe ihn genutzt, um mich zu sortieren, hinzuschauen, was ich wirklich will, wie es weitergehen soll. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten des vergangenen Jahres gemerkt, dass ich mich oft getrieben fühlte, dass ich dachte, liefern zu müssen, dass ich dabei, es liegt wohl in der Natur des Menschen, auch gefallen wollte. Zwar habe ich mich nie verstellt, habe immer «mein Ding» gemacht, und doch merkte ich, dass Freude und Leidenschaft etwas zu schwächeln begannen, zumal sich meine Leseinteressen in der letzten Zeit merklich verschoben haben.

Ich könnte es mit Goethe sagen:

“Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum-
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.

Nun bin ich sicher nicht gescheiter als die anderen, zumal ich nicht festlegen möchte, was «gescheit» überhaupt heissen soll, ist es doch, so denke ich, immer an Massstäbe geknüpft, die von Menschen gemacht werden, welche sich als massgeblich für unsere Gesellschaft erachten. Ob das immer gescheit ist, wage ich zu bezweifeln. Aber ich schweife ab.

Ich habe von Kind an viel gelesen, damals hauptsächlich Krimis, aber auch anderes. Landläufig aber wohl eher das, was man in unseren Breitengraden etwas abschätzig die seichte Literatur nennt. Die Schullektüren waren selten mein Geschmack, was aber durchaus auch daran gelegen haben kann, dass sie unter Zwang zu lesen waren – was mir das Lesen eher verleidete. Trotzdem blieb die Liebe zu Büchern bestehen, das Studium der Literaturwissenschaft und auch der Philosophie waren folgerichtig – und von einer grossen Leidenschaft erfüllt. Ich habe die sogenannte Hochliteratur mehrheitlich gern gelesen, habe viel daraus gezogen. Aber: Nach dem Studium hatte ich erstmal genug. Ich war irgendwie gesättigt. Ich verlegte mich auf das Lesen von Krimis. Nein, ich frass sie regelrecht.

Ich habe nie zu denen gehört, die Literatur (und auch andere Kunst) in Hierarchien einbaut. Ich merkte aber, dass dies oft getan wird. Und ja, vielleicht hat mich das auch ab und zu beeinflusst. Nach einer langen Pause mit Krimis, ich habe sie immer noch gerne geschaut, aber nicht mehr gelesen, habe ich nun beschlossen, dass ich diese Leidenschaft nicht mehr länger brachliegen lassen möchte. Und: Ich habe auch wieder begonnen, literarisch zu schreiben, Kindergeschichten, Kurzgeschichten und ein grösseres Projekt schwebt mir auch vor. All das möchte ich in diesen Blog einbringen.

Das heisst nicht, dass alles andere nicht mehr da ist, mich interessieren immer noch viele Themen, Philosophie ist mir wichtig und ein grosser Teil von mir, aber die Schwerpunkte haben sich etwas verlagert. Ich freue mich über jeden, der mich auch weiter begleitet, verstehe aber, wenn es für den einen oder anderen nicht mehr passt.

So oder so möchte ich mich bedanken. Ich habe hier viele treue Leser, erhalte im Blog und auch auf anderen Kanälen immer wieder schöne und berührende Rückmeldungen. Das bedeutet mir viel, der Austausch bedeutet mir viel, und das Wissen, dass das Internet nicht nur eine grosse, anonyme Masse ist, sondern auch ein Ort für menschliche Begegnungen.

Was könnt ihr erwarten:

  • Buchtipps
  • Anekdoten
  • Kurzgeschichten
  • Gedankensplitter
  • Inspirationen, die ich teilen möchte

Sprich: Ein kunterbuntes Sammelsurium von Texten über die Welt und das, was mich in ihr bewegt.