Tagesbild: Skizze aus dem Vorhof des Grauens

Das Schöne an Skizzenbüchern ist, dass Wartezeiten fast erwünscht und teilweise viel zu kurz sind. Das Porträt entstand beim Zahnarzt… ich hätte lieber weitergezeichnet…
Irgendwann verschwand mein Modell im Klo, ich bin bis heute nicht sicher, ob sie wirklich musste oder aber bemerkt hat, dass ich sie zeichne… etwas, womit ich noch hadere: wie zeichne ich unbemerkt?

Habt einen schönen Tag! 💕

Tagesbild: Hello, it’s me

Ich
„
Sklaverei ertrag ich nicht

Ich bin immer ich

Will mich irgend etwas beugen

Lieber breche ich.

Kommt des Schicksals Härte

oder Menschenmacht

Hier, so bin ich und so bleib ich

Und so bleib ich bis zur letzten Kraft.

Darum bin ich stets nur eines

Ich bin immer ich

Steige ich, so steig ich hoch

Falle ich, so fall ich ganz.
(Ingeborg Bachmann)

Aristoteles plädierte für den mittleren Weg als guten Weg, ein Gedanke, der sich in vielen Philosophien findet. Extreme sollen vermieden werden, weil sie oft ein „zu“ in sich tragen, welches dann Unruhe oder gar Leid mit sich bringt. Leider musste ich über die vielen Jahre merken, dass ich für mittlere Wege irgendwie nicht das Naturell bin. Es wurde etwas milder mit den Jahren, doch es blieb dabei: Was ich bin, das bin ich ganz. Und so verschreibe ich mich den Dingen auch ganz, mag keine halben Sachen.

Würde ich es empfehlen? Nein. Ich stelle mir einen gemässigten, ruhigeren Weg sehr schön und friedlich vor. Es ist einfach nicht meiner. Wenn ich früher hörte, ich müsste das lernen, fühlte ich mich schlecht. Ich dachte, mit mir ist etwas nicht in Ordnung. Und ich habe gelernt. Nämlich: Das ist Quatsch. Den mittleren Weg finde ich zwar toll, es ist einfach nicht meiner.

Wie haltet ihr es? Ganz oder gar nicht oder aber die goldene Mitte?

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Ich bin ich

„Ich bin ich, und hoffe, es immer mehr zu werden.“ Paula Moderson-Becker

Das schrieb Paula Moderson-Becker im Jahre 1906 an Rainer Maria Rilke. Dieses Ich war es, das sie immer wieder erforschte. Das „Erkenne dich selbst“, welches seit dem Orakel von Delphi den Menschen immer wieder antreibt, war ihr grosses Anliegen. Sie war sich dabei bewusst, dass dieses Ich immer auch eingebunden ist in ein grosses Ganzes, dass es Teil von etwas ist und von dem geprägt. So war die Selbsterforschung immer auch ein Erforschen der Rolle der Frau in der Gesellschaft, in der Familie, in der Beziehung – und ja, von sich selbst als Künstlerin und als Frau an sich.

Als ich vor langer Zeit mein Philosophiestudium begann, stand diese Frage, welche auch eine der grössten und zentralsten der Philosophie ist, im Zentrum meines Forschens: Was ist der Mensch und was kann er sein. Sicherlich auch geprägt durch meine eigene Geschichte ergründete ich die Frage des Ichs in der Welt, in der Mit- und Umwelt. Was ist sein Platz, wer ist der Einzelne und wie setzt er sich in Beziehung oder wird in diese gesetzt. Dass ich nun zeichnend und malend auch an diesen Punkt gekommen bin, erstaunt so gesehen wenig – selbst wenn ich es anfangs nicht gedacht und schon gar nicht geplant hatte.

Irgendwo las ich mal, dass Kunst immer auch eine Selbsterforschung ist. Da scheint was dran zu sein. Wobei: Ist nicht das wach gelebte Leben an sich eine?

Habt einen schönen Tag.

(im Bild: eine Skizze aus meiner neuen Reihe mit Porträts, Aquarellstift auf Papier)

Tagesbild: Bunt gefiedert

„Kunst wäscht den Staub des Alltags aus der Seele.“ Pablo Picasso

Wenn man an Spanien denkt, denkt man an Sonne, Meer, Wärme, Farben, Licht. Darauf freue ich mich auch immer, wenn es nach Spanien geht, denn der Winter in der Schweiz, vor allem, wenn man in den Niederungen und an einem See lebt, ist eher grau und kalt, wobei man das „eher“ eher streichen könnte.

Nun denn, nach einigen wirklich wunderbar sonnigen Tagen in der Schweiz (Wunder gibt es immer wieder), landete ich gestern aus grauem Himmel kommend auf dem Boden der Tatsachen im Regen in Spanien. Nun sitze ich hier, höre draussen das Meer an die Steine branden, die Wellen rauschen, die Palmen… ich höre hier, bevor die Wetterbeschreibung ausufert und bei all ihrer Gräulichkeit doch noch zu Kitsch verkommt.

Und da dachte ich an Picasso. Wie oft schon hing meine Seele staubverhangen in den Seilen, ich konnte mich zu nichts aufraffen. Wenn ich es dann doch tat, Stift oder Pinsel in die Hand nahm, dann zeigte sich plötzlich Licht. Magisch. Heute würde man dem wohl „im Flow sein“ sagen. Für mich ist es einfach ein Aufgehen im Tun, das aus mir entspringt. Das Schöne daran: Nicht nur der Staub der Seele schwindet, auch das Grau draussen drückt nicht mehr, wenn auf dem Papier plötzlich Farben sind.

Ich glaube, jeder trägt einen solchen Lichtbringer in sich. Wenn man es schafft, den anzuzapfen, gerade in Zeiten, die eher grau sind, wird das Leben heller.

Ich wünsche euch einen schönen und hellen Tag!

Tagesbild: Up to the sky

„Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht kennt. Blaise Pascal

Up to the sky… heisst es bald, Spanien ruft. Trotzdem es eigentlich zur Normalität gehört, dieser Wechsel immer wieder, spüre ich in mir eine Unruhe. Und hier ist noch so viel zu tun, es kommt zu früh.

Die Erfahrung zeigt, dass das immer so war und es dann doch gut ist, nein, sogar schön ist. Im Moment kann ich es doch nicht ganz glauben. Ein Zeichen dafür, dass der rationale Geist noch so viele Argumente auffahren kann. Die Gefühle sind stärker.

Habt einen schönen Tag! 💕

Tagesgedanken: Ich hab’ ne Meise

«Hätte Gott mich anders gewollt,

so hätt’ er mich anders gebaut.»

Johann Wolfgang von Goethe

Als Kind hörte ich oft den Spruch:

«Du bist anders als die andern.»

Es war nicht als Kompliment gedacht, im Gegenteil, das war einer der grössten Vorwürfe überhaupt, denn die anderen, das waren die Normalen, das waren die, welche waren, wie man zu sein hatte. Nur ich, ich war anders.

Es kam eine lange Phase, in der ich zwar meine Unsicherheiten behielt, aber nie mehr mit solchen Aussagen konfrontiert wurde, im Gegenteil. Ich war in einem Kreis ähnlich denkender und funktionierender Menschen wie ich. Plötzlich war ich in Teilen vielleicht doch anders, aber in anderen auch gleich. Vor allem war da ein gegenseitiges Verständnis für das jeweilige Sosein.

Später hörte ich den Spruch auch wieder, teilweise begleitet mit einem

«Du bist komisch.»

Ich nahm mir das zu Herzen, zumal es mir auch vorkam, dass ich anders war als all die um mich. Zwar war ich mit mir zufrieden, fühlte mich mit mir wohl, doch mit den anderen umso unwohler, Denn: wenn die alle anders als ich waren und sich sicher waren, ihr Sein sei in Ordnung, das Normale eben, dann konnte ich nur daneben sein.

Vielleicht ist die tiefe Wahrheit aber im Ganzen zu sehen: Es gibt solche und andere. Und beide haben Platz. Schön, wenn es gelingt, die (Vor-)Urteile abzulegen und offen das Anderssein des anderen anzunehmen. Wichtig dabei ist jedoch nur eines: So zu sein, wie man sich selbst mit sich wohl fühlt. Allen wird es nie gefallen, doch die leben mein Leben dann nicht, wenn ich mich nach ihnen verbiege. Und so stehe ich heute dazu:

«Ich habe eine Meise. Ich mag die.»

Habt einen schönen Tag!

Arbeitsnotizen: Veränderungen und Findungen

«Man steigt nie zweimal in den gleichen Fluss.» Heraklit

Kein Zitat drückt in meinen Augen das Grundprinzip des Lebens besser aus als dieses von Heraklit. Nicht nur verändert sich die Welt um uns, auch wir selbst Verändern uns immer wieder. Was im Laufe der Zeit fast unmerklich passiert, ausser in Situationen, die, meist von aussen angestossen durch Ereignisse oder Begegnungen, zum Bruch oder klaren Wechsel führen, zeigt sich oft im Rückblick.

Mein Weg führte immer wieder in die Kunst – und immer wieder davon weg. Die Gründe für das Hingezogen-Sein lassen sich in einem zusammenfassen: Es ist in mir angelegt, mein Naturell. Die Gründe fürs Wegziehen sind vielfältig, sie reichen von Verboten über Ängste und Selbstzweifel bis hin zu Sinnkrisen, Existenzfragen und mehr.

Blicke ich zurück, sehe ich Dinge, die in meinem bildnerischen Tun immer wiederkehrten, sehe aber auch Veränderungen oder Weiterentwicklungen. Es zeigt sich, dass auch die Zwischenphasen im neuen Eintauchen ihren Raum einnehmen, sich durch etwas zeigen. Als wären sie nötige Schritte auf dem Weg weiter gewesen. So wie Rilke es meinte, wenn er von wachsenden Ringen sprach. James Joyce hatte noch ein anderes Bild:

«Der Umweg ist der Weg nach Hause.»

So bin ich also wieder zuhause angekommen, versuche aber noch, mich zurechtzufinden. Motive und Themen werden gewälzt, Medien und Stile ausprobiert, verworfen, wieder aufgenommen. Manchmal voller Inspiration und Tatendrang, teilweise auch mit Frustration und Wut. Und doch ist da dieses innere Feuer, das weitertreibt. Und immer wieder denke ich:

«Ich hab’s.»

Um am nächsten Tag zu denken:

«Noch nicht ganz.»

Matisse meinte, Kunst zu machen brauche Mut. Dem stimme ich zu. Und Geduld. Beides nicht immer leicht. Ich bleibe dran. Denn Disziplin ist das nächste. Und Kontinuität. Nie zu vergessen aber: Freude.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Die Kuh

Früher, da ich unerfahren
Früher, da ich unerfahren 

Und bescheidner war als heute, 

Hatten meine höchste Achtung 

Andre Leute.

Später traf ich auf der Weide 

Außer mir noch mehrere Kälber, 

Und nun schätz ich, sozusagen, 

Erst mich selber.
Wilhelm Busch (1832 – 1908)

Was Wilhelm Busch hier schreibt, müsste man sich gross ausdrucken und irgendwohin kleben.

Viele kennen das wohl, dass sie denken, die anderen seien besser, schöner, toller, interessanter, talentierter, intelligenter… to be continued… und achten sich klein. Aus diesem Denken folgt so viel: Man traut sich zu wenig zu und vertraut zu wenig auf sich.

Ich bin dann mal weg, auf der Weide, Kälber suchen.

Habt ein schönes Wochenende!

Tagesbild: Schlafende Katze

«Gib niemals auf, für das zu kämpfen, das du tun willst. Mit etwas, wo Leidenschaft und Inspiration ist, kann man nicht falsch liegen.» Ella Fitzgerald

Ich weiss nicht, wieso es mir die schlafenden Katzen so angetan haben. Vielleicht, weil ich selbst ein wenig müde bin. Was aber auch ist: Ich liebe es, dasselbe Motiv auf verschiedene Weisen zu probieren. Ich mag es, mit klaren Linien, fliessenden Übergängen und auch vielen Farben zu spielen. Erstens ist darin eine grosse Entdeckerfreude, zudem ist es immer wieder spannend zu sehen, wie unterschiedlich Motive wirken, je nachdem, wie sie umgesetzt werden.

Und immer ist da das Spielerische. Für mich etwas ganz Zentrales beim kreativen Schaffen. Zwar sind Kontinuität, Disziplin und Struktur in meinen Augen wichtige Punkte, wenn es darum geht, kreativ zu sein, weil dieser Rahmen erst der Kunst die Freiheit gibt, aber wenn die Freude fehlt, bleibt es leer und damit auch bedeutungslos.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Schlafende Katze

«Die Fähigkeit, das Wort Nein auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.» Nicolas Chamfort

Wie frei können wir sein? Keiner ist eine Insel, wir leben in einem Netz von Abhängigkeiten, in einem Miteinander mit anderen Menschen. Wie viel Nein steht mir zu und wo muss ich das Nein als Dienst für das Ganze hintenanstehen? Wann verliere ich das Mitspracherecht an meinem Leben, weil ich mich anderen füge oder fügen muss? Wann bin ich zu sehr bei mir und vernachlässige andere und die Beziehung zu ihnen?

Aristoteles propagierte den Weg der Mitte: Nichts zu sehr und nichts zu wenig. Ein kluger Rat. Auf den ersten Blick, auf den zweiten sagt er gar nichts aus, denn diese Mitte muss man zuerst mal finden. Und vermutlich ist sie nicht ein für allemal festgelegt und auch nicht für jeden gleich.

Das Leben als Katze scheint mir da einfacher, sie scheinen ihren Weg gefunden zu haben. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass es einer der Mitte ist.

Habt einen schönen Tag!

(Tinte im Skizzenbuch)

Tagesbild: Der Hase

«Drei Hasen tanzen im Mondenschein
im Wiesenwinkel am See:
Der eine ist ein Löwe,
der andre eine Möwe,
der dritte ist ein Reh.

Wer fragt, der ist gerichtet,
hier wird nicht kommentiert,
hier wird an sich gedichtet;»

Das An-sich-Tun propagiert hier Morgenstern. Abstand nehmen von den ewigen Fragen «Wozu», «Warum» und vor allem «Was soll das sein?» Wir wollen oft die Antworten präsentiert haben, oder noch schlimmer, haben sie schon, bevor wir genau hingeschaut haben. Dabei ist gerade das Hinschauen die Tür zu so viel Schönem, Neuem, auch Spannendem. Und wenn man ganz tief in sich hineinsieht, dann findet man da Dinge über sich heraus, die das Weitergehen im Leben stimmiger werden lassen, weil es plötzlich von innenheraus und nicht mehr von aussen bestimmt passiert.

Was einem so in den Sinn kommt, wenn man einen Hasen zeichnet…

Habt einen schönen Tag.

Tagesbild: Der Stoiker

Manchmal muss man stoische Gelassenheit an den Tag legen, die Dinge nehmen, wie sie nun mal kommen. Noch viel Schlimmer als alles, was kommt, ist nämlich die Mördergrube, die wir daraus machen.

So wusste schon Epiktet:

„Einige Dinge stehen in unserer Macht, andere hingegen nicht. In unserer Macht sind Urteil, Bestrebung, Begier und Abneigung, mit einem Wort alles das, was Produkt unseres Willens ist. Nicht in unserer Macht sind unser Leib, Besitz, Ehre, Amt, und alles was nicht unser Werk ist. Was in unserer Macht ist, ist seiner Natur gemäß frei, kann nicht verboten oder verhindert werden; was aber nicht in unserer Macht steht, ist knechtisch, kann verwehrt werden, gehört einem anderen zu… prüfe nach den von dir angenommenen Grundregeln, besonders nach der ersten, ob es zu den in unserer Macht stehenden Dingen gehöre oder nicht. Gehört es zu den nicht in unserer Macht stehenden, so halte dies Wort bereit: »Es berührt mich nicht.«“

(Bleistiftskizze im Skizzenbuch)

Tagesbild: Jungfernkranich im Skizzenbuch

Eine kleine Kritzelei im Skizzenbuch. Ich mag es, mit wenigen Strichen auf schwarzem Hintergrund ein Bild entstehen zu lassen. Hier ein Motiv, das ich in letzter Zeit häufig aufgegriffen habe in verschiedenen Medien. Vielleicht stelle ich die auch mal noch rein.

Ich merke immer wieder, wie befreiend es ist, Dinge probieren zu können. Ja, manches gelingt nicht. Aber immer wieder passiert etwas, womit ich selbst nicht gerechnet hätte. Oder aber ich lerne mehr über mich, finde heraus, was ich will, was nicht. Das sind sehr wertvolle Prozesse und in ihnen liegt eine grosse Freiheit. Dafür bin ich sehr dankbar.

Kommt gut in den Tag hinein.