Ingeborg Bachmann – zum 99. Geburtstag

Passend zu ihrem Geburtstag möchte ich heute Ingeborg Bachmann die Bühne überlassen – und ich hebe mein Glas auf diese wunderbare, tiefgründige Frau und Schriftstellerin, die so viele verschiedene Facetten in sich trägt, dass wohl nie alle ans Licht kommen werden. Das macht sie einerseits zum Mysterium, andererseits aber zutiefst menschlich, sind wir doch alle mit unterschiedlichen Sehnsüchten, Anlagen und Facetten bestückt.

Ingeborg Bachmann ist wohl eine der unfassbarsten Künstlerinnen der Geschichte. Selbst gab sie kaum Informationen über sich preis, und wenn, dann widersprachen sich die einzelnen in einer Weise, dass man nie sicher sein konnte, was denn nun stimmte. Diese Mehrdeutigkeit war nicht nur in ihren Selbstaussagen zu finden, auch ihr Verhalten sprach eine ähnliche Sprache. Mal ungeschickt, schüchtern flüsternd, dann wieder ganz Ikone und Grand Dame der Deutschen Lyrik. Dass vieles davon nur Selbstinszenierung war, liegt auf der Hand, gedacht als Schutzschild, was auf eine unsichere Person hinter diesem deuten lässt. Liest man die Lebensgeschichte, lässt sich dieses Bild leicht bestätigen. Und doch wusste Bachmann schon früh, was sie will im Leben: Schreiben.

Am nächsten kommt man Ingeborg Bachmann wohl auch in ihrem Schreiben. Es sind keine chronologischen Lebenserzählungen, es sind Bilder von Gefühlswelten. Wie oft schreibt sie von Frauen als verwundetes Wesen, von grausamen Männern, von nicht gelebter Liebe, von Tod, Angst, Mord, Unsicherheiten? Wäre es eine Geschichte, könnte man an schöpferische Freiheit und phantasievolle Vorstellung glauben, doch in der Dichte? Glaubt man Goethes Dichtung, dass alles Schreiben autobiographisch ist nur schon teilweise, so muss man wohl zum Schluss kommen, dass ganz viel Ingeborg im Bachmannschen Werk steckt.

Ingeborg Bachmann fühlte sich lange, wenn nicht zeitlebens schuldig für ihre Herkunft als Tätertochter. Sie hat es als Pflicht gesehen, ihren Teil dazu beizutragen, dass nicht einfach weiter geht, was so viel Unheil angerichtet hat. Dies tat sie unter anderen in ihren Gedichten, später auch in der Prosa, indem sie die Geschichte und die durch diese aufgeladene Schuld immer wieder thematisiert, den (eigentlichen Nicht-) Umgang damit durch die Beschreibung der Kritik ausliefert.

Alle Tage

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
Ist in die Feuerzone gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

Er wird verliehen
für die Flucht vor den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.

Hinschauen wollte sie, nicht schweigen – zumindest im öffentlichen Raum, denn über das Private, vor allem die Vergangenheit ihres Vaters, schwieg auch sie. Sucht man einen einzigen Ausdruck, der Ingeborg Bachmann beschreiben soll, so könnte man sie wohl eine «unglücklich Liebende» nennen. Zeitlebens auf der Suche nach Liebe, wollte sich doch keine wirklich lebbare einstellen. Das mag an den Männern gelegen haben, hatte aber sicher auch den Anteil bei Bachmann selber. Sie konnte und wollte sich nicht anpassen, unterordnen, abhängig sein, sie kämpfte für ihre Freiheit, ihre Autonomie. Und: Sie stellte ihr Schreiben über alles. Sie war nicht bereit, dafür Zugeständnisse zu machen. So scheiterte ihre grosse Liebe zu Paul Celan, die Beziehung mit Max Frisch, und auch jede Liebelei zwischendurch. Zurück blieb eine einsame Frau, die am Leben und der fehlenden Liebe krankte.

[Wir gehen, die Herzen im Staub]

Wir gehen, die Herzen im Staub,
und lange schon hart am Versagen.
Man hört uns nur nicht, ist zu taub,
um das Stönen im Staub zu beklagen.

Wir singen, den Ton in der Brust.
Dort ist er noch niemals entsprungen.
Nur manchmal hat einer gewusst:
wir sind nicht zum Bleiben gezwungen.

Wir halten. Beenden den Trott.
Sonst ist auch das Ende verdorben.
Und richten die Augen auf Gott:
wir haben den Abschied erworben!

Mag dieses Bild auch düster klingen, so sei doch gesagt, dass Ingeborg Bachmann es bei jeder Niederlage, nach jedem Leiden, wieder gelang, auf die Beine zu kommen, Energie zu finden, um weiterzuschreiben. Vermutlich war gerade das Schreiben ihr Lebensanker, auch wenn es ihr alles andere als leichtfiel, sie kämpfte mit Worten, Wendungen und Sätzen, sie kaum je zufrieden war und an allem feilte, bis es den eigenen – sehr hohen – Ansprüchen genügte. Entstanden sind so grossartige Gedichte, Marcel Reich-Ranicki nannte Bachmann denn auch eine der grossen Lyrikerinnen der jüngeren Vergangenheit, neben Lasker-Schüler und Droste-Hülshoff.

Doch irgendwann hörte sie auf, Gedichte zu schreiben. Sie sagte, sie hätte schon früh gewusst, dass das enden würde. Doch es endete nur nach aussen. Sie schrieb weiter, einige las sie noch vor, andere wurden erst nach ihrem Ableben publiziert. Schade, denn sie hatten nichts an der Grossartigkeit der früheren eingebüsst.

Meine Gedichte sind mir abhanden gekommen.
Ich suche sie in allen Zimmerwinkeln.
Weiss vor Schmerz nicht, wie man einen Schmerz
aufschreibt, weiss überhaupt nichts mehr.

Weiss, dass man so nicht daherreden kann,
es muss würziger sein, eine gepfefferte Metapher.
müsste einem einfallen. Aber mit dem Messer im Rücken.

Parlo e tacio, flüchte ich mich in ein Idion,
in dem sogar Spanisches vorkommt, los toros y
las planetas, auf einer alten gestohlenen Platte
vielleicht noch zu hören. Mit ezwas Französischem
geht es auch, tu es mon amour depuis si longtemps.

Adieu, ihr schönen Worte, mit euren Verheissungen.
Warum habt ihr mich verlassen. War euch nicht wohl?
Ich habe euch hinterlegt bei einem Herzen, aus Stein.
Tut dort für mich, Haltet dort aus, tut dort für mich ein Werk.

Mit nur 47 Jahren ist Ingeborg Bachmann gestorben. Ihr Tod war genauso mysteriös wie ihr Leben. Ein Kreis schloss sich. 

Aus dem Atelier: Poesie der Malerei

„Gedichte sind Bilder des Lebens in Klänge gepackt, sie sind der pulsierende Atem des Lebens im Rhythmus der Sprache.“

Das schrieb ich als Klappentext zu meinem Gedichtband, der vor vielen Jahren in Buchform erschienen ist. Ich habe viele Jahre keine Gedichte mehr geschrieben, habe mich auch von Schreiben grossenteils verabschiedet. Bücher spielen nach so vielen Jahren, in denen sie zentral waren in meinem Leben, nur noch eine kleine Rolle, es sei denn, sie handeln von Kunst. Oder beinhalten Gedichte. Die lese ich nach wie vor.

Seit ich mich (endlich) wieder der bildenden Kunst zugewandt habe, tat ich dies in einer eher konkreten, realitätsnahen Weise. Ich machte persönliche Abbilder dessen, was ich sah, übersetzte die Welt auf eine durch eigene Stilmerkmale repräsentierte zweidimensionale Fläche. Immer wieder änderten die Motive, ich suchte mehr Sinn, mehr Bedeutung im Dargestellten. Und merkte irgendwann: Wenn ich immer nur im konkreten bleibe, dann ist es wirklich nur das: ein Abbild.

Ich habe mich lange gegen die Abstraktion gewehrt. Landläufig kursiert eine Meinung: Wer nicht zeichnen kann, wirft ein paar Flecken auf die Leinwand und nennt es Kunst. Dass das nicht für alle abstrakten Künstler gilt, war mir klar, doch die Gefahr, in die Ecke gedrängt zu werden, war mir zu gross. Bis ich merkte: Bedeutung kann nur haben, was wirklich meine Sprache ist. Abbilder zu generieren reicht mir dafür nicht. Ich bewundere noch immer die grosse Zeichenkunst, die naturgetreuen Wiedergaben der Welt, doch mein Weg wird das nicht sein. Und so breche ich auf zu neuen Gefilden, tauche ein in die Abstraktion.

Ich merke, wie mehr Freiheit und Freude im Tun aufkommt. Ich merke, wie die Dinge wieder mehr ins Fliessen kommen, dass das Spiel wieder einen grossen Anteil im Tun hat. Ich weiss nicht, wann ich erste Versuche davon zeigen werde. Bis dahin werde ich hier anderes zeigen: meine täglichen Porträts, die ich noch immer mit Tinte und Freude zeichne, Alltagsskizzen, inspirierende Trouvaillen sowie alles, was mir sonst noch in den Sinn kommt.

Fast vergessen: Was das Zitat vom Anfang mit der abstrakten Kunst zu tun hat? Für mich ist die Abstraktion dasselbe wie das Gedicht im Vergleich zur Prosa: Eine Reduktion, eine andere Sprache im Umgang mit der Welt. Abstraktion ist für mich die Poesie der Malerei.

Aus dem Atelier: Sommerpause

„Ich singe, wie ein Vogel singt,
Der in den Zweigen wohnet.
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
Ist Lohn, der reichlich lohnet.“
Johann Wolfgang von Goethe

Warm und wärmer wird es, der Sommer kommt mit Siebenmeilenstiefeln und legt sich über die Welt. Ich werde meinen Sommer grossenteils im Atelier verbringen. Viele Ideen schwirren durch den Kopf, die alle ausprobiert werden wollen. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt. Ich hoffe natürlich, mit Rilke sagen zu können: „Herr, der Sommer war sehr gross…“, doch bis dahin will ich ihn geniessen (sofern die Hitze mich lässt, vertrage ich sie doch nicht wirklich – irgendwas ist ja immer).

Habt ihr Sommerpläne?

Ich habe beschlossen, eine kleine Sommerpause einzulegen. Der Kanal hier wird in dieser Zeit frei von vielen Worten, aber nicht ganz still sein. Eigentlich hatte ich eine Idee, was ich tun möchte, nämlich meine schrägen Vögel reinflattern zu lassen, doch die habe ich nun glaube ich auch wieder verworfen. Mein Hirn gleicht einem Nest voll Flöhen aktuell. Ich hoffe, das beruhigt sich bald wieder.

Für heute noch ein paar kleine Vogelskizzen – ich bin noch nicht schlüssig, ob sie noch farbig werden oder so bleiben.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Schönheit

„Die Blume entfaltet sich und zeigt der Welt ihre Schönheit, auch wenn niemand hinschaut.“ – Laozi

Einfach sein, statt zu scheinen. Dem Schein keinen Wert geben, durch das Sein aus sich wirken. In einer Welt des Scheins oft schwer – sowohl zu sehen als auch zu leben.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Wochenstart

Die Arbeitswoche

Montag laß die Arbeit ruh’n.
Dienstag sollst du wenig tun.
Von der ganzen Plackerei
mach dich dann am Mittwoch frei.
Donnerstag lohnt kein Beginnen.
Freitag sollst du dich besinnen,
daß am Samstag Ruhe sei.
Sonntag hast du endlich frei.

(Unbekannt)

Kommt gut in die neue Woche!

Aus dem Atelier: Keine Kunst

„Das ist doch keine Kunst, das ist viel zu gefällig. Das geht höchstens als Dekoration durch.“

„Kunst muss eine Aussage haben, sie muss eine kritische Auseinandersetzung sein mit der Welt. Sonst ist es nur belanglose Malerei.“

„Mal mal Menschen, das ist die wahre Kunst.“

„Blumen sind typische Frauenmalereien. Kunst ist was anderes.“

„Ist das nur nach Referenz gemalt oder hast du das aus dem Kopf gemacht?“

„Wie lange hast du dafür gebraucht?“

Fragen, die so auf einen einströmen. Und ich frage mich dann, wieso all das so wichtig ist? Was hat es auf sich mit der Kunst? Einerseits werden Künstler belächelt und gesellschaftlich nicht ernst genommen, tun sie doch etwas nicht Systemrelevantes, andererseits wird ein Mythos um den Künstler und sein Tun gebildet, welcher zum Sockel wird, auf welchen man gehoben werden muss – vorgeblich von denen, welche sich die Deutungshoheit in dieser Sache zuschreiben.

Aber es ist da wohl wie überall, wo es menschelet, wie wir Schweizer so schön sagen: Die Kritik am anderen und an dessen Tun ist sehr bequem und drum genehm, hebt sie einen selbst doch über ihn und wird zur Selbstbestätigung. Schliesslich muss der Messlattensetzer doch am oberen Ende derselben stehen, von da aus misst er ja. Dumm ist eigentlich nur eines: Das alles zu ernst zu nehmen. Noch dümmer: Sich davon beeinflussen zu lassen. Machen wir nicht, oder?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Pfingstrose

Pfingstbestellung
Ein Pfingstgedichtchen will heraus

Ins Freie, ins Kühne.

So treibt es mich aus meinem Haus

Ins Neue, ins Grüne.

Wenn sich der Himmel grau bezieht,

Mich stört’s nicht im geringsten.

Wer meine weiße Hose sieht,

Der merkt doch: Es ist Pfingsten.

Nun hab ich ein Gedicht gedrückt,

Wie Hühner Eier legen,

Und gehe festlich und geschmückt

Pfingstochse meinetwegen

Dem Honorar entgegen.
(Joachim Ringelnatz)

Ein kleines Nachgedicht zu Pfingsten – kommt gut in die Woche!

Aus dem Atelier: Blumengruss für Mascha Kaléko

„Jage deine Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.

Für die paar Jahre

Wird wohl alles noch reichen.

Das Brot im Kasten

Und der Anzug im Schrank.



Sage nicht mein.

Es ist dir alles geliehen.

Lebe auf Zeit und sieh,

Wie wenig du brauchst.

Richte dich ein. 

Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:

Was kommen muss, kommt.

Geh dem Leid nicht entgegen.

Und ist es da,

Sieh ihm still ins Gesicht.

Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.

Und hüte besorgt dein Geheimnis.

Auch der Bruder verrät,

Geht es um dich oder ihn.

Den eignen Schatten nimm

Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.

Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.

Flicke heiter den Zaun

Und auch die Glocke am Tor.

Die Wunde in dir halte wach

Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug

Und halte dich an Wunder.

Sie sind lang schon verzeichnet

Im großen Plan.

Jage die Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.“
Mascha Kaléko

Heute würde Mascha Kaléko 118 Jahre alt. Ich hebe mein Glas auf diese wunderbare Dichterin, deren Gedichte sich durch eine Mischung aus Melancholie, Tiefgang, spitzer Zunge und Witz auszeichnen. Ich kann ihre Lektüre nur ans Herz legen.

Ausgewählte Werke
Das lyrische Stenogrammheft (1933)
Kleines Lesebuch für Grosse (1935)
Verse für Zeitgenossen (1945)
Der Papagei, die Mamagei und andere komische Tiere (1961)
Verse in Dur und Moll (1967)
Das himmelgraue Poesiealbum der Mascha Kaléko (1968)
Feine Pflänzchen (Posthum, 1976)
In meinen Träumen läutet es Sturm (Posthum, 1977)

Aus dem Atelier: Lebens-Fest

„Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest.“ Rainer Maria Rilke

Verstehen ist in einer geistigen Welt das oberste Gebot und das erklärte Ziel. Wir suchen Worte, lesen Bücher, um dahin zu kommen. Doch was, wenn es gar nichts zu verstehen gibt, weil nichts eindeutig ist? Was, wenn das Leben ist, was wir daraus machen? Wir klagen die Zeit an, weil sie schwer ist, nur: Es ist die einzige, die wir haben.

Vielleicht ist das Leben, wie Sartre sagt:

„…in Fest der Freude. Leider wird dabei zu wenig gelacht.“ Jean-Paul Sartre

Vielleicht tut es ab und zu gut, sich vom Geistigen, von Worten, vom Streben, vom Verstehen-Wollen zu lösen und einfach zu sein.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Ich-Sein

„Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, wie du bist.“ Niccolò Machiavelli

Bin ich, wer ich zu sein scheine? Bin ich, wer ich sein will? Will ich sein, wer ich bin, oder will ich doch eher sein, wie ich denke, sein zu müssen? Will ich um des Scheins Willen sein oder aus mir heraus?

Bestimmt sich mein Sein durch mein Tun oder tue ich, was ich tue, weil ich bin, wer ich bin?

Fragen, die man sich an einem Dienstag Morgen so stellen kann. Oder auch sonst. Vielleicht doch auch besser nicht? Was wäre, wenn ich eine Antwort fände? Was würde ich damit anfangen? Was würde sich ändern? Was müsste ich ändern? Und wenn sich nichts änderte und ich dies ebenfalls nicht täte, wozu dann die Frage?

Fragen sind sich selbst befruchtende Wesen. Bevor sich eine Antwort zeigt, sind schon 100 neue da.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Blumengruss

„Da mir immer die Worte fehlen Ihnen zu sagen, wie lieb ich Sie habe, schick ich Ihnen die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns andeutet, wie lieb sie uns hat.“ Johann Wolfgang von Goethe

Manchmal sagen Gesten und Bilder mehr als Worte. Und manchmal steckt in Worten mehr drin, als man auf den ersten Blick sieht. Dann wecken sie auf den zweiten Gedanken aus, führen zu neuen Feldern, in neue Themen und eröffnen neue Welten.

Blumen seien das Lächeln der Erde, sagte Ralph Waldo Emerson. Und manchmal frage ich mich, wieso sie noch lächelt bei all dem, was wir ihr antun. Wenn ich daran denke, dass in naher Zukunft ein grosser Teil der Tierwelt, wie ich sie kenne, ausgestorben sein wird, macht mich das traurig. Können wir wirklich etwas tun? Klar gibt es gute Tips wie weniger dies und mehr das. Doch hilft das wirklich? Ist es genug? Und wie viele müssten es machen, damit es einen Effekt hat? Ist der Gedanke, dass jeder für sich anfangen kann, nicht auch illusorisch und idealisiert?

Max Frisch fragte in seinem wunderbaren Büchlein „Fragebogen“, ob wir die Welt retten wollen würden, wenn wir und keiner, den wir kennen, von ihrem Untergang nicht betroffen wären. Und ich denke, genau da fängt ein Teil des Problems an. Auf der anderen Seite sieht man im kontaminierten Gebiet von Tschernobyl, wie sich die Natur das Gelände zurückerobert hat. Vielleicht müssen wir die Welt gar nicht retten. Oder besser: Wir sind schon dran, in dem wir uns selbst eliminieren durch unsere Machenschaften.

Eigentlich wollte ich nur einen Blumengruss schicken, nun ist so viel daraus geworden. Geniessen wir das Lächeln der Erde, freuen uns daran. Und ja, wenn ich tue, was ich kann, um zu bewahren, was mir Freude bereitet und am Herzen liegt, dann ist das sicher nicht falsch. Die Hoffnung, dass es etwas bewirkt, bleibt.

Habt einen schönen Tag!

Atelier: Selbsterkenntnis

Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß Sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur Das Leben lehret jeden was er sei.
Johann Wolfgang von Goethe

Wer bin ich, wenn ich alleine bin? Kann ich mir auf die Schliche kommen? Goethe meint, man brauche den anderen, um es zu tun. Auch Martin Buber schlägt in die Kerbe, wenn er sagt, dass das Ich eines Du bedürfe, um sich entwickeln zu können. Viele andere gingen den gegenteiligen Weg. Sie zogen sich in einsame Wälder oder in die Berge zurück oder sie gingen auf Wanderung. Auch in der Meditation geht man den Weg nach innen. Man lässt nach und nach alles im Aussen los, um die innerste Essenz zu fühlen, das, was bleibt, wenn der Rest weg ist.

Was ist denn nun der richtige Weg? Ich halte es da wie auch sonst gerne im Leben: Das Eine tun, das andere nicht lassen. Ich denke, nur in einer gesunden Mischung von Miteinander und alleinigem Reflektieren findet man schlussendlich wirklich das, was man dann als Ich erkennt. In welchem Verhältnis das stattfindet, wie die Einkehr aussieht, unterscheidet sich wohl von Mensch zu Mensch. Bei mir ist es sicher das kreative Tun, das mich immer wieder mehr zu mir bringt, das mir die Augen öffnet, mich sprichwörtlich sehend macht. Wie ist es bei dir?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Vom Wandel

„Der einzige Weg, dem Wandel einen Sinn zu geben, besteht darin, in ihn einzutauchen, sich mit ihm zu bewegen und mitzutanzen.“ Alan Watts

Es liegt wohl in der Natur des Menschen, das, was gut ist, bewahren zu wollen. Goethes Faust strebte nach diesem guten Moment, er hat für dessen Bleiben seine Seele verkauft. Das Leben hat oft anderes mit uns vor. Leben heisst, sich täglich mit Neuem konfrontiert zu sehen. Dinge gehen, andere kommen. Manchmal ist das begrüssenswert, manchmal erst im Nachhinein, manchmal überwiegt der Verlust des Alten. Nur: Wir werden es nicht ändern können, so sehr wir uns auch darum bemühen. Und: Das Festhalten an Altem ist in einem weiteren Sinne nicht nur gut: Es verunmöglicht uns, das Neue zu sehen und anzunehmen. Gerade im kreativen Tun kann das schwierig sein, führt es doch mitunter zum Versiegen der Kreativität, vor allem aber auch der Leidenschaft am Tun. Das immer Gleiche, war es am Anfang noch voll Freude und Entdeckergeist, wird nach und nach zur Gewohnheit, verliert den Esprit. Nur: Was kommt nach? Und wird es auch gut, gut genug sein?

Wandel ist immer ein Risiko. Was uns dabei am meisten im Weg steht, ist der eigene Perfektionismus. Wir erwarten von uns ständig Höchstleistungen und die inneren Stimmen, die uns anklagen, gelingen uns die nicht, sind unbarmherzig. Nur, wie sagte Henry Ford so treffend:

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“

Ich würde es sogar erweitern und sagen:

„Wer immer tut, was er schon kann, erfährt nie, wozu er noch fähig wäre, würde er es versuchen.“

Wo ertappt ihr euch, an Altem festzuhalten? Und was würdet ihr schon lange gerne probieren, traut euch aber nicht?

Habt einen schönen Tag!