Aus dem Atelier: Rationaler Abgesang

Die westliche Welt ist eine mehrheitlich rationale. Alle Schöngeistigkeit wird einerseits bewundert, gilt aber andererseits als lebensfern und fällt damit durch die Raster (der Bildung, der Finanzierung, der gesellschaftlichen Relevanz, etc.) des allgemeingültig als anzustrebendes Leben Bewerteten. Viele Jahre war ich als Philosophin mittendrin in dieser rationalen Welt, diskutierte, argumentierte, feierte Kant und Konsorten, studierte wissenschaftliche und historische Zusammenhänge, wirtschaftliche Bedingungen und gesellschaftliche Abgründe. Wie viel Kraft es mich gekostet hat, merkte ich erst bei meinem ersten Ausbruch – damals in die östliche Welt des Yoga und Buddhismus, dann später immer wieder durch Ausflüchte in die Kunst. 

Das Schöne am Älterwerden ist, dass ich mittlerweile vieles hinter mir lassen darf, dass mich nicht mehr so sehr kümmern muss, was andere denken oder über mich sagen (und doch tut es das noch viel zu sehr, ich arbeite dran).  Dafür, dass mir die Worte abhanden gekommen sind, kamen nun doch wieder viele zusammen. Es werden wohl mitunter weniger werden, denn ich merke, die Suche nach Worten lässt mich ganz schweigsam zurück. 

Habt einen schönen Tag. 

Atelier: Von Fehlern und vom Gelingen

„The imperfections you’re tempted to fix may prove to be what make the worlk great. And sometimes not.“ Rick Rubin*

Kommt ein Vogel geflogen…

Manchmal tragen eigentliche Fehler zum Gelingen bei. Hier spielte ich mit Verläufen und Salz, doch das Salz liess sich nicht mehr abkratzen. Nun hat mein Vogel ein Glitzerkleid. Mir gefällt es😍

Kommt gut in die neue Woche 💕

(*aus dem Buch „Rick Rubin, The creative Act)

Aus dem Atelier: Vogelgesang

Wenn ich nicht schon früher selbst erwache, was meist der Fall ist, werde ich jeden Morgen von Vogelgesang geweckt. Leider kommt er nur aus meinem Wecker und selten von draussen.Früher, ich erinnere mich, dachte ich im Halbschlaf, draussen würden die Vögel pfeifen, bis ich merkte, dass es nur mein Wecker ist. Das passiert kaum mehr.

Der Vogelgesang ist weniger geworden. Zumindest empfinde ich es so. Und ich finde es schade, denn für mich gibt es kaum ein schöneres Geräusch als das Singen der Vögel. Und ich höre hin. Seit ich ein Kind bin. Diese Faszination für Vögel begleitet mich nun doch schon einige Jahrzehnte und es ist kein Ende in Sicht. Ich habe immer wieder anderes gezeichnet und gemalt, weil ich dachte, ich könne ja nicht nur Vögel bildhaft in die Welt fliegen lassen. Doch ich komme immer wieder zurück und spüre tief drin bei jedem eine grosse Freude.

Ich hoffe, nächsten Frühling kommen wieder mehr Vögel und singen aus voller Kehle, tauchen die Welt in Musik.

Habt einen schönen Tag!

Im Atelier: Der Rabe

„…Und der Rabe weichet nimmer – sitzt noch immer, sitzt noch immer
Auf der blassen Pallasbüste ob der Türe hoch und her;“
(Edgar Allen Poe)

Es gibt viele Mythen um die Raben. Sucht man sie in der Lyrik oder Literartur, stösst man kaum auf etwas Lockerleichtes. Schwarz sind sie und eher gross, wirken stolz und selbstbewusst. Sie fliegen durch die Lüfte, stolzieren über Äcker, und wenn man ganz genau hinschaut, kann man ein verschmitztes Lachen ganz hinten im Schnabelwinkel erkennen. Wenn ihr wüsstet, scheinen sie zu denken. Ich denke, sie haben recht.

Aus dem Atelier: Reife Frucht

«Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.»

Aus: Rainer Maria Rilke, Das Buch der Bilder

Aus dem Atelier: Eine Birne ist eine Birne ist…

„Jedes Mal, wenn ich ein Stillleben male, stelle ich begeistert fest, dass ich abertausend Dinge sehe. Welches soll ich auswählen? Je mehr ich betrachte und darüber nachdenke, desto mehr sehe ich.“ David Hockney

Ich bin jüngst in die Welt der Stillleben eingetaucht, am Anfang stand die Birne. Ich habe sie in diversen Varianten gemalt und gezeichnet und immer wieder kam ein neues Bild einer Birne heraus. Ist alles die gleiche Birne? Sind es verschiedene Birnen? Sind es Birnen, wie ich sie sehe?

Als eine Betrachterin seines Bildes Franz Marc mal sagte, Pferde seien gar nicht blau, meinte er nur: „Das ist auch kein Pferd, das ist das Bild eines Pferdes.“

Vielleicht ist es genau das, was ich wir oft vergessen: Wir sehen gar nicht die Welt, wir sehen nur das Bild, das wir uns von ihr machen? Das Bewusstsein könnte dazu beitragen, offener gegen andere Weltbilder zu werden.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Ohne Worte

«Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.»
Goethe, Faust

Bis vor einigen Jahren definierte ich mich als schreibenden Menschen. Auch wenn ich immer viel anderes machte, das Schreiben (und Lesen) waren die Konstanten. Sie sind mir abhanden gekommen. Das erinnert mich an Ingeborg Bachmann, die mal meinte, die Gedichte seien ihr abhanden gekommen. Ich konnte damals mit dem Satz wenig anfangen. Heute glaube ich, ihn zu verstehen. Ich bin der Worte müde. Sie werden so oft für wenig Schönes benutzt. Man stänkert, motzt, setzt herab, beleidigt… und ich bin dessen so müde geworden. Vielleicht bin ich drum (zurück) in die Malerei. Habe mich in Farben und Formen geflüchtet. Weit ab von jeglichen Begrifflichkeiten und Wortklaubereien. Und merke, wie mein Tun doch in ebensolchem gemessen werden will.

Ich bin müde. Ich schiebe Worte wo möglich von mir und hinaus. Das kannte ich nie. Einfach auch, weil ich wusste, dass ich sie habe. All die Worte. Dass ich sie benutzen kann. In Sätzen. In Texten. Zur Analyse. Zur Kommunikation. Das Vertrauen, etwas zu können, kann auch einschränken. Man bleibt dabei, weil es da sicher ist. Ich aber musste gehen. Vielleicht ist genau das gut. Im Vertrauen darauf, dass Rilke recht hatte:

«Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest.*

Habt einen schönen Tag. Ich melde mich hiermit wirklich in die Sommerpause ab. Wir lesen uns wieder im August. Habt einen wunderbaren Sommer, geniesst, was ihr könnt!

Aus dem Atelier: Mehr Meer

„Lied vom Meer

Uraltes Wehn vom Meer, 

Meerwind bei Nacht:

du kommst zu keinem her;

wenn einer wacht, 

so muß er sehn, wie er 

dich übersteht:

uraltes Wehn vom Meer 

welches weht 

nur wie für Ur-Gestein, 

lauter Raum

reißend von weit herein…

O wie fühlt dich ein 

treibender Feigenbaum 

oben im Mondschein.“

Rainer Maria Rilke

Wenn ich dieses Gedicht lese, fühle ich mich zurück am Meer. Wenn nachts alles dunkel ist, das Meer nur sein Rauschen ins Zimmer schickt, ist es genau das: Lauter Raum, reissend von weit herein… Jede Nacht gehört, jede Nacht erneut ergreifend wunderbar.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Meer

„Für Einen


Die Andern sind das weite Meer.

Du aber bist der Hafen.

So glaube mir: kannst ruhig schlafen,

Ich steure immer wieder her.

Denn all die Stürme, die mich trafen,

Sie ließen meine Segel leer.

Die Andern sind das bunte Meer,

Du aber bist der Hafen,

Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.

Kannst Liebster, ruhig schlafen.

Die Andern … das ist Wellenspiel,

Du aber bist der Hafen.“

Mascha Kaléko

Da ich diesen Sommer nicht ans Meer fahren werde, hole ich das Meer halt zu mir. Das schöne am Malen ist ja: Es ist alles hier, ich muss es nur malen. Interessant ist ja, dass mich das Meer mehr inspirierte bislang als die Berge, obwohl im im Grunde ein Bergkind bin (zumindest als solches geprägt bin und die Liebe ist noch immer da). Wobei: Irgendwo bin ich auch ein Stadtmensch, denn ich liebe es, durch Häuser zu schlendern, Menschen zu sehen, dem Treiben zuzuschauen, mich selber dabei treiben zu lassen.
Was ist es bei euch? Meer oder Berge? Oder Städte?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Blumenstrauss

„Blumengruss
Der Strauss, den ich gepflücket,
Grüsse dich vieltausendmal!
Ich habe mich oft gebücket,
Ach, wohl eintausendmal,
Und ihn ans Herz gedrücket
Wie hunderttausendmal!“

Johann Wolfgang von Goethe

Kürzlich war ich eingeladen und ein anderer Gast brauchte einen wunderbaren Wiesenblumenstrauss mit. Da dachte ich wieder einmal bei mir, wie wunderbar unsere Natur ist und was sie an Schönem bereithält.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Der Spatz

„Es flog ein Spatz spazieren
hinaus aus großer Stadt.
Er hatte all die Menschen
und ihr Getue satt.

Er spitzte keck den Schnabel
und pfiff sich was ins Ohr.
Er kam sich hier weit draußen
wie eine Lerche vor.

Er traf hier auch manch Rindvieh,
sah auch manch Haufen Mist . . .
Er sah, dass es woanders
auch nicht viel anders ist.“
Heinz Erhardt

Habt einen schönen Sonntag!