Annie Ernaux (1. September 1940)

«Der Gedanke, ich könnte sterben, ohne über das Mädchen geschrieben zu haben…. lässt mir keine Ruhe. Eines Tages wird es niemanden mehr geben, der sich erinnert…. Kein anderes Schreibvorhaben erscheint mir so lebensnotwendig.»

Und so schrieb Annie Ernaux immer wieder über sich und ihren Lebensweg. Ich hebe mein Glas auf die Schriftstellerin, die heute 83 Jahre alt wird. Annie Ernaux, die in Frankreich schon lange bekannt war, die sich ihrem Leben entlang schrieb, ihren Weg vom Arbeiterkind zur studierten Lehrerin und Schriftstellerin immer wieder thematisierte, die von Didier Eribon zitiert, mit Bourdieu in einem Atemzug genannt wird wegen ähnlicher Themen, hat letztes Jahr den Literaturnobelpreis gewonnen und ist nun auch in den deutschen Sprachraum eingezogen. 

«Je weiter ich schreibe, umso mehr kommt mir die Einfachheit der Erzählung abhanden, die in meiner Erinnerung aufbewahrt ist.“

Die Zeit des Preises war wohl nicht zufällig, schiessen doch autofiktionale Erzählungen aktuell buchstäblich aus dem Boden. Zwar spielen die von Annie Ernaux in der Vergangenheit ihrer Kindheit und Jugend, in der Zeit ihres Lebens, ihres Erwachsenwerdens und -seins, doch haben sie an Aktualität nichts verloren. Noch immer pendeln Menschen zwischen Klassen, noch immer ist es schwer, sozial aufzusteigen, weil es oft nicht gelingt, und wenn doch, man irgendwie nie ganz ankommt und fortan zwischen den Welten lebt. 

All das und noch viel mehr findet sich Annie Ernaux’ Büchern, Bücher, die aus dem Leben heraus entstanden sind und die in das Leben der Leser hineinwirken. 


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