Robert Walser (15. April 1878 – 25. Dez. 1956)

Robert Otto Walser wird am 15. April 1878 in Biel geboren, wo er auch die Schule besucht, bis er diese wegen Geldnot der Familie abbrechen muss. Er hängt sehr an seiner Mutter, so dass ihr Tod 1894 ein schwerer Schlag für ihn ist. Nach einer Banklehre verlässt der theaterbegeisterte Walser die Schweiz und zieht (wie vor ihm schon sein Bruder Karl) nach Stuttgart, wo er sich neben seinem Brotjob erfolglos als Schauspieler versucht. Schon ein Jahr später bricht er auch in Stuttgart wieder seine Zelte ab und wandert zu Fuss zurück in die Schweiz, wo er sich in Zürich niederlässt. Er hält sich da mit verschiedenen Bürostellen über Wasser, was er später in seiner Literatur immer wieder als Motiv verwendet.

1898 erscheinen die ersten Gedichte in der Zeitung, welche Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihm weitere Publikationsmöglichkeiten eröffnen. 1904 erscheint mit «Fritz Kochers Aufsätze» Walsers erstes Buch, 1908 der Roman «Der Gehülf», 1909 «Jakob von Gunten. In seinen Werken verarbeitet er immer wieder Stationen seines Lebens, so ist die Figur des Dieners, welche in vielen seiner Bücher eine Rolle spielt, auf seine eigene Ausbildung zum Diener zurückzuführen.

1906 zieht Walser nach Berlin, wo er 1907 «Geschwister Tanner» veröffentlicht, einen Roman, den er in gerade mal sechs Wochen geschrieben hatte. Durch seine Romane und die parallel dazu erscheinenden Prosastücke, welche in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften publiziert werden, etabliert sich Walser bald schon im Literaturbetrieb der damaligen Zeit, namhafte Schriftsteller wie Hesse oder Kafka nennen ihn ihren Lieblingsschriftsteller und auch andere grosse Namen preisen sein Werk. Trotzdem bleibt er zu Lebzeiten dem breiten Publikum unbekannt, obwohl schon zu Lebzeiten eine dreibändige Werkausgabe erscheint, etwas, das vielen Schriftstellern zu Lebzeiten nicht zuteil wird.

Wie immer

Die Lampe ist noch da,
der Tisch ist auch noch da,
und ich bin noch im Zimmer,
und meine Sehnsucht, ah,
seufzt noch wie immer.

Feigheit, bist du noch da?
und, Lüge, auch du?
Ich hör’ ein dunkles Ja:
das Unglück ist noch da,
und ich bin noch im Zimmer
wie immer.
(1909)

1913 zieht Robert Walser in die Schweiz zurück. Trotz vieler Erfolge reicht das Geld kaum zum Leben. Es folgen viele Umzüge, aus der finanziellen Not heraus muss er auch eine Anstellung annehmen. Daneben schreibt er unentwegt weiter und unternimmt zudem ausgedehnte Fussmärsche.

„Der Mensch ist ein feinfühliges Wesen. Er hat nur zwei Beine, aber ein Herz, worin sich ein Heer von Gedanken und Empfindungen wohlgefällt. Man könnte den Menschen mit einem wohlangelegten Lustgarten vergleichen.“

Es fällt auf, dass in Robert Walsers Familie psychische Krankheiten gehäuft auftreten. Schon die Mutter ist an einer gestorben, ebenso stirbt sein Bruder Ernst 1916 in einer Heilanstalt, der Bruder Hermann nimmt sich das Leben. Der Krieg tut das Seine dazu, Robert Walser lebt mehr und mehr isoliert und wird zudem von Angstzuständen und Halluzinationen heimgesucht. Das alles führt schliesslich zu einem psychischen Zusammenbruch und in der Folge 1929 zur Einweisung in eine Heilanstalt in Bern.  

Nach einer zeitweiligen Verbesserung seines Zustandes beginnt Walser wieder mit dem Schreiben, allerdings in viel geringerem Ausmass als früher. Auffällig ist dabei seine Methode: Mit Bleistift und in immer kleiner werdenden Buchstaben füllt er Unmengen von Blättern mit Gedichten und Prosawerken. Am Schluss messen die einzelnen Buchstaben kaum mehr als einen Millimeter.

„Die Erfolglosigkeit ist eine bitterböse, gefährliche Schlange. Sie versucht, unbarmherzig das Echte und Originelle im Künstler abzuwürgen.“

Der Schreibfluss endet 1933 nach seiner gegen seinen Willen erfolgten Verlegung in eine andere Heilanstalt nach Herisau. Ein weiterer Grund für das Versiegen desselben dürfte auch der durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr vorhandene Absatzmarkt sein. Robert Walser verbringt im Folgenden die Zeit mit den üblichen Arbeiten im Heim sowie mit Lesen und ausgedehnten Spaziergängen.

«Spazieren muss ich unbedingt, um mich zu beleben und um die Verbindung mit der lebendigen Welt aufrechtzuerhalten.»

Auch als er eigentlich als gesund gilt, will er die Anstalt nicht verlassen, es scheint, er hat hier ein Zuhause gefunden, wie er es lange nicht gekannt hat.

Der Schnee

Der Schnee fällt nicht hinauf
sondern nimmt seinen Lauf
hinab und bleibt hier liegen,
noch nie ist er gestiegen.

Er ist in jeder Weise
in seinem Wesen leise,
von Lautheit nicht die kleinste Spur.
Glichest doch du ihm nur.

Das Ruhen und das Warten
sind seiner üb’raus zarten
Eigenheit eigen,
er lebt im Sichhinunterneigen.

Nie kehrt er je dorthin zurück,
von wo er niederfiel,
er geht nicht, hat kein Ziel,
das Stillsein ist sein Glück.

Robert Walser stirbt 1956 auf einer Wanderung an einem Herzschlag. Es existieren Fotos vom Verstorbenen, wie er im Schnee liegt, welche in einer fast unheimlich zu nennenden Weise an den toten Dichter Sebastian aus Walsers erstem Roman «Geschwister Tanner» erinnern. Als Schriftsteller ist Robert Walser aber schon etwa 30 Jahre vorher verstummt, so lange liegt sein letztes Werk zurück.

Zu philosophisch

Wie geisterhaft im Sinken
Und Steigen ist mein Leben.
Stets seh‘ ich mich mir winken,
dem Winkendem entschweben.

Ich seh‘ mich als Gelächter,
als tiefe Trauer wieder,
als wilden Redeflechter;
doch alles dies sinkt nieder.

Und ist zu allen Zeiten
wohl niemals recht gewesen.
Ich bin vergessne Weiten
Zu wandern auserlesen.

Ein früher erschienenes Porträt findet sich HIER

Robert-Walser-Pfad
Wer sich Robert Walsers Lebensweg sprichwörtlich erlaufen möchte, kann dies auf dem Robert-Walser-Pfad in Herisau tun. Auf einer Strecke von 7.9 km finden sich immer wieder Tafeln mit Zitaten und Einblicken in sein Werk.

Link zum Robert-Walser-Pfad

Ausgewählte Werke

  • 1904 Fritz Kochers Aufsätze
  • 1907 Geschwister Tanner
  • 1908 Der Gehülfe
  • 1909 Jakob von Gunten
  • 1915 Kleine Dichtungen
  • 1917 Kleine Prosa
  • 1917 Der Spaziergang
  • 1917 Poetenleben

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