Lebenskunst: Prioritäten setzen

„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen. „(Albert Schweitzer)

Kürzlich sprach ich mit einer Freundin und sie erzählte mir vom Tod ihres Vaters. Sie erzählte von der Trauer und dem grossen Gefühl des Verpassten, das sie bis heute, viele Jahre nach dem Tod, belastete. Wie viel hätte sie noch mit ihrem Vater machen wollen, es aber immer aufgeschoben, weil sie zu viel Arbeit und zu viele Termine hatte. Nie fand sie die Zeit, ihn zu besuchen. Und dann starb er. Aus heiterem Himmel. Und all die Pläne für Gemeinsamkeiten waren hinfällig, sie würden nie mehr umgesetzt werden können. Zurück blieben Wehmut und das nagende Gefühl: Wieso habe ich mir die Zeit nicht genommen.

Wie oft setzen wir die Prioritäten im Leben falsch oder gar nicht, indem wir einfach alltäglichen Dingen hinterherrennen und daneben verpassen, was uns eigentlich wichtig wäre. Wie oft wissen wir gar nicht so genau, was überhaupt wichtig wäre, da wir zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt sind. Wir rennen Erfolg, Geld, Ruhm, Macht, Besitz nach, versprechen uns davon Glück und das gute Gefühl, etwas zu gelten in dieser Gesellschaft. Wir streben immer höher, weiter, alles soll besser werden, vergessen dabei, dass vieles schon gut wäre, wenn wir es nur sehen würden. Doch dazu fehlt uns die Zeit.

Und manchmal öffnet sich ein kleiner Spalt in diesem Tunneldasein, ein wenig Licht dringt hinein und wir sehen, was wir eigentlich gerne würden. Und wir halten kurz inne, denken, dass es schön wäre, schieben es in die Zukunft, und machen wieder weiter in unserem Hamsterrad. Wozu? Spätestens wenn wir merken, dass wir nicht glücklich sind, dass wir immer müder werden, müssten wir doch ausbrechen und uns wieder darauf besinnen, dass es nicht mehr Geld und Erfolg sind, die Glück verheissen, sondern Beziehungen zu Menschen, gemeinsame Erlebnisse, das Teilen von Lebenszeit mit denen, die man liebt.

5 Inspirationen – Woche 15

Was ist mir diese Woche begegnet, hat mich diese Woche inspiriert?

  • Ferdinand Schirach denkt schon eine Weile über eine Europäische Verfassung nach, welche für den Menschen in Zukunft wichtige Grundrechte beinhalten soll. Dabei möchte er auf die Utopie einer wünschenswerten Umwelt setzen, nicht auf nach heutiger Sicht mögliche Forderungen – dass dies gelingen kann, zeigt er an historischen Beispielen. Dazu hörte ich kürzlich einen Podcast ( hier auf Video oder auf Spotify und anderen Kanälen als Podcast), dazu gibt es neben seinem Buch „Jeder Mensch“ eine Petition, die man unterschreiben kann: HIER
  • Ein weiterer Podcast, den ich hörte, stammt aus dem letzten Jahr, es war der Literaturpodcast der FAZ, ich weiss leider nicht, welche Folge. Aber: Es drehte sich um das Beethoven-Jahr und die damit zusammenhängenden Neuerscheinungen zum Leben und Wirken Beethovens. Nun mag ich zwar seine Musik, aber ich habe ich nie weiter mit ihm befasst. Ich habe in den wohl 20 Minuten so viel gelernt und gehört, fand einen Zugang zu einem mir neuen Feld, dass ich mir dachte, dass es ab und an wertvoll ist, einfach mal mit offenem Blick in neue Gebiete hineinzuschauen… klar sollten sie wohl einen Bezug zu einem selber haben, sonst schweben sie gar im luftleeren Raum. Aber mit einem Minibezug lassen sich ganz schnell neue Gebiete ertasten, die so wertvoll sind.
  • Mein dritter Punkt ist ähnlich: Ich habe das schon mehrfach in meinem Leben erlebt, nun gerade neu: Ich bin an einem Projekt, das ziemlich fokussiert ist. Und doch habe ich – zwar verwandt, aber eher weitverzweigt – Interessen und Wissensdurst, so dass ich mir Bücher bestelle, Artikel suche. Ich schelte mich im ersten Moment innerlich, dass ich mich wieder verzettle, finde beim nähere Hinschauen Bezüge, auf die ich rein rational nie gestossen wäre. Manchmal denke ich, dass wir, wenn wir unseren Weg haben, wie von Zauberhand auf Passendes stossen. Synergien zeigen sich, wenn man genug in die Tiefe geht und aus sich heraus arbeitet. Es klingt esoterisch, ist aber nicht so gemeint, denn daran glaube ich nicht. So wie Schwangere plötzlich nur noch andere Schwangere sehen, öffnen sich plötzlich Bezugsmomente.
  • Ich schaue in letzter Zeit wieder vermehrt Filme, die mit der Kriegs- oder Nachkriegszeit in Verbindung stehen. Das war über Jahre mein Thema, wissenschaftlich und durch die grosse Präsenz davon auch im Leben. Es war nicht immer leicht, mit all dem Leid, mit all der Schwierigkeit so nah konfrontiert zu sein (und immer noch unglaublich privilegiert durch die zeitliche Distanz). Heute rückt es mir ab und an die Relationen zurecht. Wenn ich höre, wie schwer die Zeiten heute doch seien… und sehe, was mal war… fühle ich mich unglaublich glücklich, heute und nicht damals zu leben. Zumal ich nicht wüsste, wer ich damals gewesen wäre und welches Schicksal mich ereilt hätte…
  • Diese Woche ertappte ich mich beim Gedanken, gerne zu einer Gruppe zu gehören, zu der ich offensichtlich nicht gehöre. Zwar ist sie im nächsten Umfeld und doch bin ich aussen vor. Zuerst kam der Schmerz des Ausgeschlossenseins. Dann das Nachdenken, was ein Eingeschlossensein bedeuten würde. Ich müsste etwas mir sehr Wichtiges aufgeben. Etwas, das in meinem Leben oberste Priorität hat. Auch die zweitoberste Priorität müsste ich aufgeben. Aber dann… wäre es eventuell möglich. Ohne dieses Nachdenken war ich im Schmerz des Ausgeschlossenseins gefangen. Danach merkte ich, dass ein Teil auch bei mir liegt. Wie möchte ich leben? Welche Konsequenzen hat das? Will ich die tragen oder gebe ich was auf? Es ist zumindest teilweise auch meine Entscheidung. Und ich muss sie bewusst fällen.

Ich hoffe, es war was für euch dabei, das euch angesprochen hat. Wenn ihr etwas habt, das euch diese Woche angesprochen, bewegt, inspiriert hat – ich würde mich freuen, wenn ihr davon berichten würdet. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und einen guten Start in die neue Woche!

Wert des Lebens

Was wirklich zählt in dieser Welt,
lässt sich ganz leicht erzählen.
Wie oft ist uns der Blick verstellt,
verirren wir in Wünschen, Plänen.
Seh’n, was fehlt und wollen hin,
schätzen nicht, was da schon steht,
in den Augen, aus dem Sinn,
wir wollen das, was wirklich geht..

Doch eines Tages, knüppeldicke,
holt uns schon das Schicksal ein,
reisst unser Sein in viele Stücke,
hinterlässt bloss Wut und Pein.
So langsam dämmert’s, wir seh’n ein,
dass was wir suchten und begehrt,
war nichtig und auch blosser Schein,
denn wo dein Herz sitzt, liegt nur Wert.