Es muss doch alles seine Ordnung haben

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben

Das Leben in der Schweiz ist mitunter sehr reglementiert. Damit sich auch alle an die Regeln halten, agieren die emsigen Schweizer Bürger gerne als private Polizei. Als ich heute von der Arbeit heimkam, erfuhr ich, dass mein Nachbar heimlich Buch über die Schuhe vor meiner Tür führt. Er hat mich das – stolz über seine Aufmerksamkeit und exakte Arbeit – mit einem Verweis auf die Hausordnung wissen lassen:

Hallo Frau M.

Stets habe ich gehofft, dass ich Sie im Gang antreffen würde.
Da dies nicht der Fall war – vielleicht waren Sie ein paar Tage weg gewesen und da wir nun für ein paar Tage weggefahren sind -, auf diesem Weg.
Als ich gestern in der Wohnung war, waren drei Paar Schuhe im Gang abgestellt. Montag waren es zwei Paar, Sonntag ein Paar.
Um offen zu sein, mich stört das. Ich wäre froh, wenn das nicht mehr vorkommen würde. So wie meine Frau mir berichtet hat, hat die Liegenschaftsverwaltung erklärt, weshalb Schuhe und sonstige Gegenstände im Hausflur nicht vorgesehen sind. Es wäre gut, wenn wir uns alle daran halten täten.

Danke und beste Grüsse
XXX

Ich bin nun nicht ganz sicher, ob ich ihm mitteilen muss, dass ich nicht weg war, sondern schlicht arbeite tagsüber und mich auch sonst selten im Hausflur rumtreibe? Ich wüsste gerade gar nicht, ob mir ein Sitzen in ebendiesem überhaupt erlaubt wäre – ich werde bei Gelegenheit mal die Hausordnung anschauen.

Aber schön, gibt es aufmerksame Nachbarn. So werde ich nie als unentdeckte Leiche im Hausflur verenden und erst Jahre später gefunden werden.

Rezension: Michael Robotham – Sag, es tut dir leid

Und wenn du nicht gehorchst….

Wir sind zusammen verschwunden, Tash und ich. Es war ein Sommer mit heissen Winden und heftigen Gewittern, die kamen und gingen wie, na ja, Gewitter eben. […] Vor der Stadtuhr stehend berichteten Reporter den Leuten, dass es nichts zu berichten gebe, doch sie taten es trotzdem. […] Einen Monat nach unserem verschwinden brachte George uns aus dem Speicher an diesen Ort. Die Polizei hatte die Suche nach uns mittlerweile eingestellt, und alle nahmen an, dass wir weggelaufen wären.

Drei Jahre sind sie bereits verschwunden, Piper Hadley und Tash McBain. Die Suche ist schon lange abgebrochen worden, gefunden wurden sie nie. Als ein Ehepaar brutal ermordet wird und kurz darauf die Leiche einer jungen Frau erfroren in einem See gefunden wird, ändert das schlagartig. Tash McBain war drei Jahre verschwunden, nun ist sie tot. Wo aber steckt Piper? Und wer hat die beiden Mädchen entführt?

Der Psychologe Joe O’Loughlin hilft der Polizei, den wahren Entführer zu finden, was sich als schwierig erweist, da die Polizei ungerne sieht, dass sich jemand von aussen einmischt und die vergangenen Ermittlungen anzweifelt.

Sag, es tut dir leid ist ein spannender Psychothriller, der alles in sich vereint, was man in diesem Genre erwartet: Die Figuren sind plastisch, die Schauplätze ebenso, der Plot stimmig, mit den nötigen Cliffhangers versehen, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Die aktuelle Suche wechselt sich ab mit den Aufzeichnungen von Piper, welche erzählt, was mit ihr und Tash in all den Jahren passiert ist.

Michael Robotham zeigt auch in seinem achten Thriller, dass er sein Handwerk beherrscht. Er versteht es, den Haupterzählstrang mit Nebensträngen anzureichern, ohne Längen entstehen zu lassen. Persönliches aus dem Leben der Figuren fliesst natürlich in den Lauf der Geschichte ein, ohne sie zu belasten oder zu bremsen, im Gegenteil, sie wird dadurch plastischer, menschlicher. Und über allem bleibt ein Spannungsbogen, der nie abreisst.

 

Fazit:
Spannung und Tiefe in eine packende Form gebracht. Ein Psychothriller, der alles hat, was man sich in dem Genre erhofft. Sehr empfehlenswert.

Zum Autor
Michael Robotham
Michael Robotham wurde 1960 in New South Wales, Australien, geboren. Er war lange Jahre als Journalist für große Tageszeitungen und Magazine in London und Sydney tätig, bevor er sich ganz seiner eigenen Laufbahn als Schriftsteller widmete. Mit seinen Romanen sorgte er international für Furore und wurde mit mehreren Preisen geehrt. Michael Robotham lebt mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in Sydney. Von ihm erschienen sind unter anderem Bis du stirbst, Erlöse mich, Todeswunsch.

Angaben zum Buch:
sag_es_tut_dir_leidTaschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag (16. September 2013)
Übersetzung: Kristian Lutze
ISBN-Nr.: 978-3442313167
Preis: EUR 14.99 / CHF 15.90

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Rezension: Kerstin Herrnfeld/Walter K. Ludwig – Tod eines Mathematikers

Sex, Crime and Rock’n’Roll

Er liebt sie. Deshalb bricht er ihr das Genick. So bleibt ihre Schönheit erhalten. Und sie muss nicht leiden. Es ist die humanste Art, jemanden zu töten. Sauber, sicher und schnell. Und vollkommen schmerzlos.
Sie hat keine Chance. Nicht die geringste. Nicht gegen ihn. Er ist stark.

Als der Polizist Harry Tenge nach seiner Silvesterschicht ins Gebüsch pinkelt, schauen ihm aus diesem zwei dunkle Augenhöhlen entgegen. Er hat soeben einen Schädel freigepinkelt. Der Schädel, man erfährt es später, gehört einer seit langem vermissten Frau. Kurz nach diesem Fund bringt sich ein renommierter Mathematikprofessor, Professor Katzenstein, um, der – wie der Zufall so will – der Professor der nunmehr als Leiche gefundenen jungen Frau war – und wie man munkelte, auch deren Liebhaber.

Die Journalistin Alexandra Katzenstein, mit ihrem Vater seit Jahren zerstritten, glaubt nicht an einen Selbstmord. Da ihr niemand glaubt, will sie die Sache selber in die Hand nehmen und den Mord an ihrem Vater klären. Sie erhält dabei Hilfe von ihrem Freund Matze, Fotograf bei derselben Zeitung wie sie. Zwar glaubt er nicht immer an Alexandras Theorie, aber seine Verehrung für die schöne Rothaarige lässt ihn ihr beistehen. Ihnen zu Hilfe kommt alsbald Harry Tenge, welcher auf eigene Faust den Mord an der jungen Frau klären will, weil die Mordkommission zu wenig Gas gibt, und er an eine Verbindung zwischen Katzensteins Tod und „seinem“ Mord glaubt.

„Kann sein, dass ich gerade einen Riesenfehler mache“, begann Harry mit einem leisen Zittern in der Stimme, das verriet, wie unsicher er war. […| „Obwohl es auf der Hand liegt, dass Nicole keines natürlichen Todes gestorben ist, will der Leiter der Mordkommission, Hauptkommissar Kühlborn, jetzt nicht an die Öffentlichkeit gehen. Es wird zwar ermittelt, aber, wie ich aus sicherer Quelle weiss, nicht mit Nachdruck. Und das finde ich merkwürdig.“

Tod eines Mathematikers ist ein Krimi, der mit sehr vielen Personen agiert, der an vielen Orten spielt, der die Perspektiven wechselt, den Leser jedes Kapitel wieder in einen neuen Zusammenhang setzt. Aus einer Vielzahl von Anhaltspunkten, möglichen und tatsächlichen Verbrechen, mehreren Verdächtigen und Theorien, kristallisiert sich mehr und mehr eine Lösung heraus, die wieder verworfen wird, um einer neuen Platz zu machen. Die tatsächliche Lösung wirkt schlussendlich ein wenig gesucht, der Schluss nach der Auflösung des Falls erinnert an eine Rosamunde Pilcher-Geschichte und ist gar zuckersüss. Trotzdem ist der Krimi packend, spannend, man will die Auflösung kennen, weswegen man das Buch nicht eher aus der Hand gibt. Gewisse Nebengeschichten hätte man wegstreichen können, da sie dem Storyverlauf keinen Gewinn brachten und auch sonst wenig Gewicht hatten.

 

Fazit:
Spannender Krimi, kompliziert, aber interessant aufgebaut mit einem etwas gesuchten Ende. Empfehlenswert.

 

Zum Autor
Kerstin Herrnkind/Walter K. Ludwig
Kerstin Herrnkind ist eine waschechte Hanseatin. Sie wurde 1965 in Bremen geboren. Im zarten Alter von zehn Jahren verschleppten sie ihre Eltern in die Nähe von Hamburg aufs platte Land. Nach dem Studium volontierte sie bei der Nordsee-Zeitung in Bremerhaven, wo sie und Walter K. Ludwig sich kennenlernten. Nach Zwischenstation bei der taz ging sie zum Stern, wo sie für Polizei- und Justizthemen zuständig ist. 2011 erschien bei Grafit ihr Psychothriller Mein Mann der Mörder. Walter K. Ludwig wurde 1957 in Bad Neustadt a. d. Saale geboren. Er machte Musik, studierte Geschichte und Politikwissenschaft und absolvierte ein Zeitungsvolontariat. Mehrere Jahre arbeitete er als Redakteur. 2007 erschien sein erster Roman. Er lebt als Autor in Hamburg.

Angaben zum Buch:
HerrnkindLudwigMatheTaschenbuch: 352 Seiten
Verlag: Grafit Verlag (27. September 2013)
ISBN-Nr.: 978-3894254223
Preis: EUR 10.99 / CHF 17.00

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Rezension: Martin Walker – Reiner Wein. Der sechste Fall für Bruno, Chef de Police

 Die Vergangenheit zieht ihre Fäden

Wie hängen ein toter Résistance-Veteran, eine Einbruchserie und ein brutaler Mord an einem schwulen Antiquitätenhändler zusammen? Nachdem es anfänglich wenige Verbindungen gibt, finden sich mehr und mehr Fäden, die sich schliesslich zu einem dichten Netz verstricken. Bruno, der sympathische Chef de Police von Saint-Denis hat alle Hände voll zu tun. Dass diese Fälle in eine Zeit fallen, die wegen anstehender Neuwahlen und dadurch angestachelte Profilierungszwänge politisch schwierig ist, erleichtert die Aufklärung nicht. Bruno lässt sich nicht beirren, verfolgt die Ursprünge der Verbrechen bis in die tiefe Vergangenheit, in die Zeit der Résistance und zurück zu einem nie aufgeklärten, sagenumwobenen Zugüberfall in Neuvic 1944. Dank der tatkräftigen Hilfe seiner Freunde setzt sich das Puzzle langsam zusammen.

Man mische ein (oder mehrere) Verbrechen, einen Sympathieträger als Ermittler, dessen Frauengeschichten und des Mannes Schwanken zwischen ihnen sowie viele Freunde, gutes Essen und ebensolchen Wein in einer malerischen Umgebung: Fertig ist ein Walker-Krimi. Auch die Spannung kommt nicht zu kurz, allerdings wird sie im neuen Fall arg oft durch unnötige Längen strapaziert, die ein guter Lektor hätte eliminieren müssen. Hätte der Korrektor noch alle Fehler (und es hatte so einige) gefunden, wäre der Lesegenuss noch grösser gewesen.

Trotzdem ist zu sagen, dass das Buch unterhält, man sich schnell hineinfindet in die Geschichte und sich bei all den bekannten Charakteren gleich wieder zu Hause fühlt. Wie schon beim fünften Fall von Bruno ist auch bei diesem zu sagen: Nach Schreiblehrgang vorgehend ist der Protagonist perfekt gezeichnet, der Antagonisten relativ farblos, aber ausreichend, der Schauplatz lebendig, so dass man sich mittendrin fühlt, der Plot stringent.

[Mich hat das Buch zeitweise so gepackt, dass ich vergass, aus dem Zug aus- oder in den Zug einzusteigen, weil ich so ins Lesen vertieft war. Wie bei jedem Buch von Martin Walker nehme ich mir auch dieses Mal vor, diese Region mal besuchen zu wollen (vielleicht in der leisen Hoffnung, dort auf Bruno und seine Freunde zu treffen).]

 

Fazit:
Leichte Unterhaltung mit Spannung und ans Herz wachsenden Protagonisten. Sehr empfehlenswert.

 

Zum Autor
Martin Walker
Martin Walker wurde 1947 in Schottland geboren. Er studierte in Oxford Geschichte, wechselte dann nach Harvard, um internationale Beziehungen und Wirtschaft zu studieren. Nach dem Abschluss war er viele Jahre im Journalistischen Bereich (The Guardian, Global Businell Policy Council) tätig. Und veröffentlichte daneben Werke über politische Themen. 1999 folgte der Umzug nach Périgord, wo er durch die Umgebung und ihre Bewohner zu seinen Kriminalromanen rund um Bruno, Chef de Police, inspiriert wurde. Von ihm erschienen sind unter anderen Bruno, Chef de police (2009), Grand cru. Zweiter Fall für Bruno, Chef de police (2010), Schatten an der Wand (2012), Femme fatale. Der fünfte Fall für Bruno, Chef de police (2013), Reiner Wein. Der sechste Fall für Bruno, Chef de police (2014).

 

Angaben zum Buch:
WalkerReinerWeinGebundene Ausgabe: 432 Seiten
Verlag: Diogenes Verlag (30. April 2014)
Übersetzung von: Michael Windgassen
ISBN-Nr.: 978-3257068962
Preis: EUR 22.90 / CHF 34.90

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