Arme Welt

Kürzlich sah ich eine Sendung, in der gesagt wurde, dass allein mit den weggeworfenen (und noch guten) Esswaren aus Deutschland der Welthunger halbiert werden könnte. Heute las ich in einer Zeitung, dass in der (ach so reichen) Schweiz jeder Siebte gefährdet ist, in die Armutsfalle zu tappen. Weltweit gibt es Hunger, weltweit gibt es Menschen, die kein Dach über dem Kopf , nicht die Möglichkeit, für ihre Gesundheit zu sorgen, nicht die Chance, Bildung zu geniessen und nicht das Glück, ihr Leben frei gestalten zu können, haben.

Dies allein ist schon traurig genug, aber noch viel trauriger ist es, dass das alles nicht nötig wäre. Nicht die Bevölkerungsdichte ist schuld, dass es Mangel gibt. Wir haben nicht zu viele Menschen auf einer zu kleinen Welt. Wir haben zu selbstverliebte Besitzende, die nicht bereit sind, einen Teil von ihrem Zuviel abzugeben, damit die, welche zu wenig haben, ein menschenwürdiges Leben führen können. Klar liest man immer wieder von grosszügigen Spenden von Reichen an Bedürftige oder Organisationen. Schaut man dahinter, ging es vielfach nicht um Nächstenliebe, sondern um einen Steuertrick. Das alleine wäre nicht verwerflich, das gespendete Geld hilft ja trotzdem und ist nicht schlechter, nur weil es aus Eigennutz gespendet wurde. Meist ist es aber ein Bruchteil dessen, was abgegeben werden könnte und noch viel öfter nur ein Tropfen auf den heissen Stein, der nur hilft, dass die von Armut geplagten nicht gleich verhungern, sondern Aufschub erhalten.

Die Thematik ist lange bekannt. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Es ist klar, dass niemand hungern müsste, würde man es wirklich ändern wollen. Es ist offensichtlich, dass es von allem genug hätte, würde man es gut verteilen. Ich sage damit nicht, dass man den Reichen jeden Luxus nehmen müsste, Gott bewahre, sie sollen in Saus und Braus weiter leben, viele von ihnen haben sich diesen Saus auch erarbeitet. Verdient im wortwörtlichen Sinne vielleicht nicht, aber immerhin etwas dafür getan.

Stellen wir uns mal vor: Morgen käme jemand und würde uns eine Million bieten, damit wir etwas tun für ihn. Wir könnten arbeiten und hätten dieses Jahressalär, das von vielen angeprangert wird als nicht mehr leistungsorientiert, als unverhältnismässig. Würden wir ablehnen? Würden wir sagen, dass wir das gar nicht verdienen und darauf verzichten, stattdessen für 100’000 arbeiten wollen? Oder gar für 72’000? Oder für wieviel eigentlich? Ich denke nicht. Wie können wir es von denen verlangen, die soviel verdienen? Freiwilligkeit scheint bei diesem Fall schwer zu sein, es müsste also von aussen kommen. Staatsgewalt? Ein Gesetz, das eine Höchstlohnstufe einführte? Oder sollte es ab einem gewissen Betrag eine Spendensollquote einführen? Das käme einer Steuererhöhung gleich. Und wem soll die zugute kommen? Armen im eigenen Land? Was passiert dann mit all den Hungernden in fremden Ländern, die keine so reichen Menschen haben, die ihren Anteil abgeben können? Zählen die nichts? Oder müssen wir in unserem Land dafür sorgen, dass andere Länder genug haben?

Kommt man dabei nicht in einen Konflikt mit der Souveränität? Wenn ich von aussen etwas über ein Land stülpe, übergehe ich dessen Souveränität. Sicher in einem Fall, den dieses Land nicht will. Nun kann man sagen, dass kein Land Hunger haben will. Allerdings hungern nie alle und meist die nicht, die das Geld in die Hände bekommen… Und schon sitzen wir wieder mittendrin.

Ein auswegloses Problem? Ist der Mensch einfach so, dass er hortet, hortet wie ein Eichhörnchen, ohne je den Hals voll genug zu kriegen? Wo könnte man den Hebel ansetzen, um diese selbstgerechte Welt aus den Angeln zu heben?

Mein Sohn meinte kürzlich, dass die Welt ungerecht wäre. Das allein ist keine neue Erkenntnis, wenn auch für einen bald 11 Jährigen nicht ganz selbstverständlich. Er machte diese Einsicht daran fest, dass er fand, dass ein Bauer viel mehr für die Menschen täte, indem er ihr Überleben durch Nahrungsmittel sichere als ein Anwalt. Trotzdem verdiene ein Anwalt viel mehr als ein Bauer. Er fand das ungerecht. Und bei Lichte betrachtet hat er damit einen wichtigen Punkt angeschnitten. Wir achten heute so viele Berufe mehr, die in abstrakten und abgehobenen Bereichen tätig sind, dass wir die, welche mit ehrlichem Handwerk für ihr Auskommen und auch für das Überleben (Bauer), das Hausen (Maurer), das Wohnen (Schreiner) sorgen, herabsetzen. Ihr Bildungsweg war ein geringerer, das macht sie in unserer Werte- (und Lohn-) Bemessung minderwertig. Wir messen Wert an abstrakten Grössen und vergessen dabei oft die Lebensnotwendigkeiten. Diese sehen wir erst, wenn sie fehlen. In der Armut. Und dagegen tun wir nichts, weil wir sie nicht sehen wollen. Ein Perpetuum Mobile, das in den Abgrund führt?

Werbung als Selbstläufer?

Smartphones und Tablets führten sie ein: die Apps. Egal, ob man spielen will, Bahn fahren, kochen, die neusten Börsentrends oder das Wetter abrufen, für alles gibt es eine App. Viele dieser Apps sind gratis, zumindest als Grundversion; will man mehr, wird man zum Zahlen aufgefordert. Der Name für dieses Geschäftsmodell lautet „Freemium“ (bestehend aus free = gratis und premium), definieren kann man es folgendermassen:

„Biete deinen Dienst gratis an, möglicherweise mit Werbeeinblendungen oder vielleicht auch nicht, gewinne viele Kunden auf effiziente Weise durch Mundpropaganda, Werbepartner, Platzierung in Suchmaschinen usw., und biete dann deinem Kundenstamm zu einem Aufpreis Zusatzleistungen oder eine erweiterte Version deines Dienstes an.“ (Fred Wilson[1]).

Dieses Geschäftsmodell wird oft so verstanden, dass man nichts mehr tun müsse, Werbung, Marketing, alles wegfalle, da sich das Produkt auf diese Weise quasi durch Mund zu Mund Propaganda selbst verkauft. Das funktioniert vielleicht bis zu einem gewissen Punkt, allerdings nimmt der Verkaufserfolg mit der Dichte der Produkte sowie mit der Kenntnis des Systems ab. Zudem ist nicht jeder Kunde, der das kostenlose Basisprodukt geniesst, automatisch ein zahlender Kunde.

Wie findet man zahlende Kunden? Sie müssen von dem Produkt erfahren. Bei freemium soll das über Mund zu Mund Propaganda geschehen. Die Einstiegshürde ist dabei relativ gering, da man das Basisprodukt gratis erwerben kann. Je mehr ähnliche Produkte aber auf dem Markt sind, desto schwieriger wird es, Nutzer des eigenen zu finden, wenn diese nicht klar um die Vorzüge des einen wissen. Dazu bedarf es doch der Werbung, die genau diese Vorzüge herausstreicht. Mund zu Mund Propaganda mag bis zu einem gewissen Grad funktionieren, den grossen Markt gewinnt man auf diese Weise allerdings selten.

Der nächste Schritt ist, aus einem Gratisbenutzer einen zahlenden Kunden zu machen. Dazu bedarf es einer Bindung des Benutzers zum Produkt. Diese ergibt sich einerseits durch die bedarfsgerechte Ausrichtung des Produkts , andererseits durch die Notwendigkeit der kostenpflichtigen Erweiterungen. Ist die emotionale Bindung an ein Produkt an diesem Punkt aber nicht gross genug, wird aus dem Gratiskunden kein zahlender werden.

Wie kann ich den Kunden am mein Produkt binden?

–       Bedarfsgerechtes Produkt: Das Produkt entspricht den Bedürfnissen des Kunden an ein solches Produkt

–       Überzeugendes Marketing: Das Produkt wird glaubhaft als das am besten die Bedürfnisse abdeckend präsentiert

–       Breitgestreute Werbung: Das Produkt wird über verschiedene Kanäle bekannt gemacht – freemium kann hierbei eine (von vielen) Strategie sein.

–       Emotionale Bindung: Das Produkt wird in einen Rahmen gesetzt, mit dem sich der Kunde (emotional) identifizieren kann

–       Kontinuität: Das Produkt erfüllt die Bedürfnisse konstant und ohne grosse Veränderungen/Abstriche. Freemium kann hier kontraproduktiv wirken, wenn das Gratisprodukt nur eine Zeit lang läuft. Damit verärgert man eher Kunden als dass man sie zum Kauf zwingt. Besser ist es, Zusatzdienste kostenpflichtig zu machen, wobei die erst gekauft werden, wenn die anderen Punkte erfüllt sind.

Fazit

So gesehen ist der Aufwand, den Markt mit Produkten zu überschwemmen, in der Hoffnung, dass sie sich selber verkaufen, grösser als der wirkliche Nutzen. Zwar kann eine kostenlose Basisversion den Zugang für Kunden erleichtern, allerdings ersetzt diese Geschäftsstrategie nicht die üblichen Werbestrategien. Es heisst also, das eine tun, das andere nicht lassen.