Kommt Zeit, kommt Rat

Nach Enttäuschungen neigt man dazu, die Tür hinter sich zu schliessen. Ab und an baut man noch Mauern auf, um ja sicher zu sein, dass man nie mehr auf gleiche Weise verletzt wird, vor allem nicht von denselben Menschen oder Dingen. Sie sollen draussen bleiben, haben nichts mehr zu suchen im eigenen Leben.

So geht man dahin, baut an seinem Leben, wähnt die Gefahren draussen, fühlt sich befreit von ihnen, indem man sich selber eingeschlossen hat, um von ihnen fern zu sein. Allerdings ignoriert man dabei, dass man mal Gründe hatte, sie ins Leben zu lassen. Etwas hatten die Dinge oder Menschen, das sie in unserem Leben wünschenswert machte, das uns soviel gab, dass wir dachten, sie in unserem Leben zu wollen, zu brauchen vielleicht gar.

Wenn sie nun weg sind, mag durch die aktuelle Enttäuschung die Befreiung und Erleichterung gross sein. Mit der Zeit aber wird auch das fehlen, was uns ursprünglich mal zu ihnen hinzog. Und so sitzen wir zwischen dem Vermissen des Gewünschten und der Befreiung vom Unerwünschten. Die beiden gehen zusammen, die Frage ist, was überwiegt. Das wird meist die Zeit zeigen. War die Enttäuschung so gross, dass sie alles Gute überwiegt, es zum Schweigen bringt, so dass es nicht mehr wünschenswert genug ist ob der negativen Konsequenzen? Oder aber war das Gute so gut, dass es zu viele Lücken hinterlässt und das Loch kaum zu stopfen ist, wenn es wegfällt?

Neigt man im ersten Moment also dazu, die Türen zu schliessen, zu verriegeln, zuzumauern, wäre es vielleicht sinnvoller, sie mal sanft zuzuziehen und die Zeit arbeiten zu lassen. Wenn der akute Schmerz über die Enttäuschung wegfällt, sieht man klarer, was diese angerichtet hat. Man sieht auch, was über die Zeit hinweg überwiegt: Die Enttäuschung oder der Mangel. Ab und an ist es dann möglich, mal durchs Schlüsselloch zu blinzeln, vielleicht lässt sich die Tür sogar einen Spalt öffnen und dem aus dem Leben Gestrichenen wieder ein wenig Zutritt zu lassen zum eigenen Leben. Vielleicht merkt man aber auch, dass die Trennung gut war, das Leben ohne zu etwas Besserem führte als es das Leben mit je war. Es gibt kein richtig oder falsch, es sind alles Möglichkeiten, bei denen man sich irgendwann für die eine oder andere entscheiden muss. Sinnvoll ist sicher immer, sich dazu die nötige Zeit zu lassen, da man in Akutsituationen oft zu impulsiv und aus einer Verletzung heraus handelt, während man mit dem nötigen Abstand sich selber und die wirklichen Bedürfnisse besser spürt und dann einen tragfähigen Entscheid treffen kann.

Ich hätte meine Mama immer erwürgen können, wenn sie es sagte, aber irgendwo hatte sie wohl recht:

Kommt Zeit, kommt Rat.

 

Ent-Täuschung

Nimm einem Menschen sein Spielzeug weg und er zeigt sein wahres Gesicht.

So lange ein Mensch hat oder kriegt, was er möchte oder zumindest die Hoffnung behält, es (wieder) zu erlangen, zeigt sich derselbe von seiner besten Seite, verspricht, wenn nötig, das Blaue vom Himmel, ist zu allem bereit. Wehe, wenn die Hoffnung schwindet, die Dinge nicht nach seinem Sinn laufen. Wie weggewischt ist das freundliche Lächeln, all die Schwüre, Versprechen, noblen Gesten sind vergessen, zurück bleibt, was immer schon da war, allerdings überdeckt wurde durch den angenommenen Nutzen.

So gesehen erlebt man in solchen Situationen eine wahre Enttäuschung, indem wegfällt, was eh nur vorgetäuscht war und sich zeigt, was wirklich dahinter steckte. Enttäuschungen können insofern befreiend sein, indem sie einem deutlich zeigen, was wirklich Sache ist. Schade, treten sie oft erst dann ein, wenn die Täuschung schon zu gross war und man Folgen trägt, die man mit einer früheren Enttäuschung hätte vermeiden können. Tröstlich ist, dass mit jeder Enttäuschung die Erfahrung wächst und hilft, weitere Täuschungen zu vermeiden. Schade wäre es allerdings, aufgrund negativer Erfahrungen keine neuen mehr machen zu wollen, denn ab und an steckt wirklich drin, was vorne drauf steht.

Ellen Berg: Ich koch dich tot. (K)ein Liebesroman

Nicht nur Liebe geht durch den Magen

Auf Zehenspitzen näherte sie sich ihm. Beugte sich über die reglose Gestalt. Sah die starren, weit aufgerissenen Augen. Dann liess sie die Dessertschüssel fallen. Scheppernd zerbrach sie auf dem Natursteinboden. Werner atmete nicht. Er würde nie wieder atmen. Er war tot.

Vivi ist soeben ihren Gatten und Haustyrannen Werner losgeworden. Er starb am Rattengift, welches ins Essen gelangt ist. Ist sein Tod noch ein Zufall, welcher Vivi aber durchaus gelegen kommt, so sind die nächsten toten Männer, welche sich als Enttäuschung entpuppen, geplant. Es wird gekocht, was das Zeug hält, die Folgen lassen nicht lange auf sich warten. Bis das Blatt sich wendet und der Richtige kommt. So sieht es zumindest aus.

Auf locker flockige Weise erzählt Ellen Berg die Geschichte ihrer mörderischen Köchin Vivi. Ihre Suche nach dem richtigen Mann fürs Leben endet immer mit dem Tod. Die im Anhang nachgereichten Rezepte laden zum Nachkochen ein, die nötigen Zusätze für alle Fälle erfährt man im Buch.

Fazit:
Leichte und amüsante Unterhaltung für zwischendurch. Sehr empfehlenswert.

Zur Autorin
Ellen Berg
Ellen Berg, geboren 1969, studierte Germanistik und arbeitete als Reisebegleiterin und in der Gastronomie, wo sie auch die erotische Küche kennenlernte. Sie lebt mit ihrer Tochter auf einem Bauernhof im Allgäu. Von ihr erschienen sind Du mich auch. Ein Rache-Roman (2011), Das bisschen Kuchen. (K)ein Diät-Roman (2012), Den lass ich gleich an. (K)ein Single-Roman (2013).

BergkochdichAngaben zum Buch:
Broschiert: 320 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag GmbH (20. Mai 2013)
ISBN-Nr.: 978-3746629315
Preis: EUR 9.99 / CHF 15.90

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Besinnliche Weihnachtszeit

Die Weihnachtszeit steht vor der Tür. Eine besinnliche Zeit soll es sein, eine Zeit der Liebe, die im Fest der Liebe gipfelt. Schaut man in die Welt hinaus, ist von Besinnlichkeit wenig zu spüren. Im Osten fliegen Raketen, im Westen gibt es nichts Neues und das, was ist, hat mit Besinnlichkeit wenig gemein.

Sieht man mal von der ganzen Geschenkerennerei ab, bleibt die Organisation der Festtage. Bei wem feiert man wann und wieso? Wie teilt man die Tage auf, um allen gerecht zu werden, wer ist dabei, wer darf fehlen? Aus diesen Abwägungen heil herauszukommen und am Schluss keine Erwartungen zu verletzen, erscheint als hohe Kunst. Die eigenen Erwartungen wollen wir nicht mal erwähnen, die würden das Fass des Konfliktpotentials zum Überlaufen bringen.

Erwartungen sind wohl im zwischenmenschlichen Bereich die grösstmögliche Konfliktquelle. Einerseits die eigenen Erwartungen an andere, die, wenn nicht erfüllt, zu grossen Enttäuschungen führen, andererseits die Erwartungen anderer an einen, die  Stress bei einem selbst bewirken. Und als ob das noch nicht genügte, kommen noch die angenommenen Erwartungen der anderen. Ich denke, der andere erwarte etwas von mir und versuche, diese angenommene Erwartung zu erfüllen, ohne zu wissen, ob meine Annahme realistischen Charakter hat.

Erwartet meine Mutter meine Anwesenheit an Weihnachten? Muss es noch ein Geschenk sein? Sollte sich das in einem bestimmten Rahmen bewegen? Ich kann mutmassen. Dazu habe ich Anhaltspunkte aus meinen Kenntnissen ihrer Person, wobei auch die grossenteils auf eigenen Interpretationen beruhen. Die Annahmen von Erwartungen kommen nicht aus dem Nichts. Sie gründen auf Erfahrungen aus der Vergangenheit. Unterlassene Handlungen, welche erwartet worden waren, führten zu Reaktionen. Man merkte sich diese und leitete Erwartungshaltungen daraus ab. Und da steht man nun im Dschungel von Erwartungen, Annahmen, Enttäuschungspotential und Überforderung. Und denkt sich leise „Oh du fröhliche Weihnachtszeit“.

Wo bleibt man eigentlich selber in dem Ganzen? Man könnte von sich auf die Anderen schliessen und denken, die kümmern sich dann alle darum, was man von ihnen erwartet und erfüllen es bestmöglich. Ich wage dies zu bezweifeln. Wieso also tue ich mir diesen Stress an? Wieso mache ich mir die Gedanken? Wohl, weil ich niemanden verletzen möchte. Dabei übersehe ich, dass ich mich selber verletze, indem ich mich einem derartigen Stress aussetze. Ich könnte einfach fragen: Was erwartet ihr von mir? Was wollt ihr von mir an Weihnachten? Und dann danach handeln. Doch weiss ich schon vor der Frage, was käme: „nichts“… und ich könnte es nicht glauben und verführe gleich, wie ich ohne nachfragen agiere.

Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft… kein Wunder, nach all dem Stress.

Fallen der Liebe

Wer hat es nicht schon erlebt im Leben? Er liebte, vertraute und wurde enttäuscht, wurde fallen gelassen. Lag dann da, sah zurück, fragte, was er übersehen hatte, fragte sich, ob er leichtfertig vertraut hat, hätte vorsichtiger sein müssen. Ist Vertrauen Leichtsinn? Müsste man immer auf der Hut sein? Liesse sich damit leben? Liesse sich damit lieben? Sich hingeben? Funktioniert Liebe ohne Hingabe? Funktioniert eine Liebesbeziehung, wenn man ständig lauert, auf der Hut ist? Was also tun? Wieder blind ins nächste Loch fallen? Die Dinge selber in den Sand fahren durch die eigenen Vorbehalte?

Was heisst es überhaupt, fallen gelassen zu werden? Man fühlt sich wohl fallen gelassen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie man sie sich selber ausmalt. Man fühlt sich verstossen, schlecht behandelt, wenn jemand anders agiert, als man sich das wünscht. Das hat mit dessen Gefühlen oft wenig zu tun, zumindest nicht mit denen gegen einen. Es hat wohl mehr mit diesem Menschen und mit den eigenen Erwartungen an ihn zu tun. Doch wie bedingungslos liebe ich, wenn ich etwas vom anderen erwarte, mich benachteiligt fühle, wenn das nicht eintritt? Dann ist doch der andere streng genommen nur eine Marionette meines Wollens, bricht er aus, bin ich enttäuscht. Was hat er falsch gemacht? Sein Fehler war, in einer Weise zu handeln, die nicht meinem Wollen entsprach.

Verstösst er gegen Dinge, die vorgängig ausgemacht waren, ist man im Recht. Man hat sich verlassen, hat auf eine Abmachung gebaut, die wurde gebrochen. Wenn man aber nur auf die eigenen Ansprüche baut, ohne die je geklärt zu haben: Mit welchem Recht ist man enttäuscht? Mit welchem Recht verletzt? Man selber hat die eigenen Ansprüche zur Regel erhoben, sie unumstösslich hingestellt, ohne dass der andere davon wusste. Vielleicht wusste man das selber nicht, bis etwas passierte. Merkte es erst, als es passiert war. Wie hätte es der andere wissen können? Der handelte vielleicht nach bestem Wissen und Gewissen, wollte alles richtig machen, machte in den eigenen Augen alles falsch. Und man selber sitzt da wie ein verwundetes Reh und leidet. Wer hat Schuld?

Schuld ist wohl das, was am meisten Zündstoff beinhaltet ohne dass es etwas löst. Was bringt es, zu wissen, wer nun falsch handelte, wer richtig? Die Gefühle sind da. Selbst wenn der andere alles richtig gemacht hat, leide ich. Selbst wenn er alles falsch machte, ohne es zu wollen, leide ich. Was ist Schuld? Ein Konstrukt, um früher christliche Ansprüche von Sühne und Absolution zu ermöglichen. Ein Konstrukt, um Strafe im rechtlichen Sinne zu rechtfertigen. Ein Konstrukt, das theoretisch praktisch ist, praktisch zu theoretisch ist.

Ich erwähnte die bedingungslose Liebe. Ich denke, Liebe ist nie bedingungslos. Kann sie nicht sein. Wäre sie es, würde sie zerstören. Man kann nicht unbeschadet lieben, egal, was der andere tut, lässt, einem antut. Das würde man nicht aushalten. Wichtig ist aber, sich der eigenen Bedingungen bewusst zu sein und sie auszusprechen. Was erwarte ich von meiner Liebe, von meinem Geliebten? Was brauche ich zum Leben, was möchte ich erfüllt haben. Weiss der andere das nicht, wie soll er anders leben, als ständig Enttäuschungen zu produzieren? Nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Unwissen, oft gar aus gutem Willen, alles richtig zu machen.

Und ab und an weiss man selber nicht, was man sich wünscht. Und merkt erst durch das Handeln des anderen, dass man das, was passiert ist, gerade nicht wollte. Weil es Bedürfnisse verletzte, die einem elementar waren. Man leidet, zürnt. Möchte wegrennen, dem anderen vorher ins Gesicht schreien, was er einem angetan hat, traut sich nicht, schliesst sich ein, tief in sich. Verletzt. Verwundet – oft auch sich selber. Hört nicht mehr die Liebe, die Schwüre. Glaubt sie nicht. Wie kann der andere lieben, wenn er einem das antat. Und würde man hinschauen, merkte man: Er hat nichts gegen einen getan. Er hat nur nicht das getan, was man selber gebraucht, gewünscht hätte. Vielleicht wusste er es sogar, dass man es brauchte, aber vielleicht hatte er keine Wahl. War es seine Schuld? Was bringt mir wegrennen? Gewinne ich? Gewänne ich nicht mehr, schaute ich hin, sähe meinen Anteil, nähme ihn an und liebte weiter, liesse lieben?