Inhalt
G.W.Pabst hat es geschafft. Er konnte Europa mit seiner Frau und seinem Sohn rechtzeitig verlassen und in den USA das tun, was er liebte: Filme machen. Der Erfolg hält nur kurz, zudem ist seine Mutter noch in Österreich und nicht bei bester Gesundheit. Mit seiner Familie reist er zurück, um die Mutter in ein Sanatorium zu bringen und dann – so gibt er vor – zurück in die USA zu gehen. Er bleibt, kommt in die Mühlen der Nazis, dreht fortan unter deren Augen. Der rote Pabst von einst plötzlich ein Nazizudiener?
Gedanken zum Buch
Daniel Kehlmann wollte keine Biografie schreiben, er schrieb einen Roman, den er um die Figur des Georg Wilhelm Pabst herum konstruierte. Interessiert hat ihn dabei, was möglich gewesen wäre, was vielleicht wirklich so stattgefunden hat, vielleicht auch nicht. Er erschafft also keine neue Welt, sondern durchforstet eine reale Welt nach ihren Möglichkeiten, die nicht immer verwirklicht worden sind. Es ist dabei nicht interessant, was wirklich passiert ist, zählen tut nur, ob die Welt, die Kehlmann konstruiert hat, in sich stimmig ist. Das ist ihm gelungen. In einer wortgewandten Sprache, in sprechenden Bildern, mit lebendigen Figuren zeichnet uns Daniel Kehlmann die Zeit von damals nach und lässt uns erfahren, was es heisst, sich in Fallstricken zu verfangen, aus denen man nicht mehr kommt.
«Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, was man will. Wichtig ist, Kunst zu machen unter den Umständen, die man vorfindet.»
Redet Pabst sich die Dinge schön? Sucht er eine Rechtfertigung für all die kleinen Entscheide, die ihn schlussendlich dahin brachten, wo er heute ist? Den Gegner des Naziregimes, den roten Pabst hatte man in eine Rolle gezwängt, die er nie hatte haben wollen, die er nun aber gezwungen war, auszufüllen. Zwar machte er keine Propagandafilme, aber er diente diesem System. Hatte er eine Wahl? Jetzt noch? Wo hätte er noch anders abbiegen können und war stattdessen den Weg hinein ins Verderben gefahren? Ist es an uns, zu urteilen, zu verurteilen? Vom sicheren Sofa aus, so viele Jahre später? Noch vor einigen Jahren wäre die Antwort wohl noch anders gewesen als heute. Wir stehen wieder vor Brüchen und Umbrüchen, vor Bewegungen, Spaltungen und latenten Gefahren, die an vielen Orten schon Realität geworden waren. Was tun wir heute? Wie viel unterscheidet uns von seiner Haltung damals?
Sicher ist: Seine Kunst stand für Pabst zuoberst. Ihr ordnete er alles unter, für sie fällte er Entscheidungen, die im Nachhinein ungünstig waren, bis er an einem Punkt angelangt war, von dem aus es kein Zurück mehr gab. Aus dem sicheren Exil kam er zurück nach Deutschland, setzte seine Frau und seinen Sohn dieser Atmosphäre aus und brachte alle in Gefahr – wenn er nicht spurte.
«Sie verkennen die Lage. Ich diskutiere nicht. Wenn Sie nur die geringste Idee hätten, was ihnen blühen kann, würden Sie es nicht mal versuchen.»
Der Regisseur Pabst, der keine Widerworte duldet, der bestimmt, wann ein Film gut ist und der Szenen immer wieder neu drehen lässt, ist selbst ind er Position, dass ein Nein nicht mehr gilt.
Fazit
Ein grossartiger Roman um den bekannten Regisseur Georg Willhelm Pabst, erzählt in einer wunderbaren Sprache und allen Zutaten, die Literatur gross machen. Für Puristen vielleicht ein paar Längen zu viel, für Epiker ein Hochgenuss.
Zum Autor
Daniel Kehlmann, 1975 in München geboren, wurde für sein Werk unter anderem mit dem Candide-Preis, dem Per-Olov-Enquist-Preis, dem Kleist-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis ausgezeichnet. Sein Roman Die Vermessung der Welt war eines der erfolgreichsten deutschen Bücher der Nachkriegszeit, und auch sein Roman Tyll stand monatelang auf den Bestsellerlisten und gelangte auf die Shortlist des International Booker Prize. Daniel Kehlmann lebt in Berlin.
Angaben zum Buch
- Herausgeber : Rowohlt Buchverlag; 3. Edition (10. Oktober 2023)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 480 Seiten
- ISBN-10 : 3498003879
- ISBN-13 : 978-3498003876
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Deine Rezension regt geradezu an, den Roman zu lesen! Vielen Dank
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Das freut mich sehr, der Roman hat es verdient, gelesen zu werden. Und Kehlmanns Sprache und Erzählweise bereiten wirklich Freude.
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