Vorurteile

Aktuell schlagen die Wellen hoch: Proteste, wohin man schaut, ganze Internetstreams sind schwarz aus Solidarität. Es darf nicht sein, dass ein Mensch wegen seiner Hautfarbe diskrimiert, hier sogar getötet wird. Wie viele der Schwarzbilder wirklich durchdacht und nicht einfach aus Mitläufertum eingestellt werden, soll Thema eines anderen Beitrags sein. Meine Vermutung ist: Die Mehrzahl. Es ist grad cool in der Community, man möchte dazu gehören, man macht mit. Weiter passiert leider wenig. Vermutlich nicht mal nur bei den Mitläufern. Denn:

Wir alle haben Vorurteile. Nicht die, welche wir hier anprangern, aber andere. Wir sehen was, das uns nicht entspricht, und denken:

„Das geht ja gar nicht.“

Ein Mensch, der sich nicht wohl fühlt in Gruppen? Was ist denn das für einer? So ein Introvertierter? Das muss ein ganz schräger Vogel sein. Den lassen wir mal lieber links liegen. Einer, der einfach zu singen anfängt, obwohl er es nicht kann? Wie peinlich. Man klickt zwar gerne beim Spruch «singe, als ob dich keiner hören würde» auf den Gefällt-mir-Button, doch wenn es einer wirklich tut, schämen wir uns fremd.

Das mag nach ganz harmlosen Beispielen klingen im Vergleich zu dem Vorfall in den USA, nur: Für gewisse Menschen – die, welche solchen Vorurteilen und damit Verurteilungen und Ausschlüssen, zum Opfer fallen – sind sie lebensbestimmend. Sie sind, weil sie sind, wie sie sind, ausgeschlossen. Verlacht. Verstossen. Allein. Weil wir annehmen, das, was wir für normal halten, sei das Richtige. Das, was eben so sei. Gut sei.

Und doch gäbe es einen anderen Weg. Einen Weg, wo jeder wäre, wie er ist. Und jeder sähe, dass es auch andere Wege gibt als den eigenen. Und ab und an trifft man sich und freut sich aneinander. Schaut vielleicht sogar ein wenig neidisch auf gewisse Punkte des anderen, nimmt sich vielleicht vor, das mal auszuprobieren, im Wissen:

„Ich bin auch ok, so wie ich bin.

So lange wir das im Kleinen nicht schaffen, so lange wird es im Grossen nicht gelingen. Da können noch so viele Bildschirme schwarz bleiben.

Wir leben in einem ach so aufgeklärten Zeitalter. Denken oft, wir hätten alles erreicht und seinen fast gottähnlich. Stehen über allem. Aber wir können uns nicht mal gegenseitig leben lassen. Mein Mitgefühl gehört den Angehörigen, mein Mitgefühl gehört allen, die Vorurteilen zum Opfer fallen. Ich möchte da nicht mal werten. Persönlich trifft es immer tief. Und wir hätten es in der Hand, daran was zu ändern, wenn wir bei unseren eigenen Vorurteilen hinschauen würden. Ich. Du. Wir alle.

6 Kommentare zu „Vorurteile

  1. Diese Perspektive sehe ich auch. Wenn es wenigstens gelänge, die Vorurteile als das zu sehen, was sie sind: Der Spontangedanke VOR dem Urteilen. Ich selber kann mich dem Vorurteilen auch nicht entziehen. Es ist in einer Art Plötzlichkeit da, die mich oft auch verunsichert mir selber gegenüber. Erst wenn es mir gelingt, nach dem Vorurteilen durch Nachdenken zu einem Urteil zu kommen, fühle ich mich besser. Aber auch dieses Urteil ist immer und notgedrungen subjektiv und ein Pfeiler meiner Wirklichkeit, deren Architekt ausschliesslich ich selber bin. Das sollte ich auch im Urteilen sehr vorsichtig machen. Und leider gelingt es mir nicht immer, weil Wissen häufig die Demut überholt. Aber ich bleibe dran.

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    1. ich denke, keiner ist gefeiht vor Vorurteilen – sich dessen bewusst zu sein und nicht an dem Ort stehen zu bleiben, ist wohl aber der erste Schritt.

      Mir gefällt dein Bild, dass das Wissen die Demut überholt. Und dein Dranbleiben ebenso!

      Danke für den Kommentar!

      Gefällt 1 Person

    1. Das sehe ich genauso. Das Leben wäre kaum lebbar, könnten wir nicht auf Erfahrungsschatz zurückgreifen. Nur müssen wir da, wo er nicht dem direkten Leben dient, immer mal wieder hinschauen. Und vermutlich auch sonst.

      Gefällt 1 Person

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