Theodor Fontane (30.12.1819 – 20.9.1898)

„Es ist immer dasselbe Lied: wer durchaus Schriftsteller werden muss, der wer’ es; er wird schliesslich in dem Gefühl, an der ihm einzig passenden Stelle zu stehen, auch seinen Trost, ja, sein Glück finden. Aber wer nicht ganz dafür geboren ist, der bleibe davon.“

Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren, wo er später auch das Gymnasium besucht. Nach einem abgebrochenen Besuch der Gewerbeschule beginnt er 1836 eine Ausbildung zum Apotheker, um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und arbeitet nach deren Abschluss als Apothekergehilfe. Daneben erscheinen bereits erste literarische Werke. 1849 hängt er den Apothekerberuf an den Nagel, um als freier Schriftsteller zu arbeiten.

«Ohne Vermögen, ohne Familienanhang, ohne Schulung und Wissen, ohne robuste Gesundheit bin ich ins Leben getreten, mit nichts ausgerüstet als einem poetischen Talent und einer schlechtsitzenden Hose.“ (Brief an Georg Friedländer, 3. Oktober 1893)

Um finanziell über die Runden zu kommen, wird er Journalist und reist in dieser Funktion nach London, von wo er unter anderem über Kunstausstellungen berichtet – es zeigt sich darin der Kunstkenner Fontane. Daneben verfasst er Theaterkritiken und Reisebücher – alles befriedigt ihn nicht, so dass er wieder freier Schriftsteller wird. Diesem Entschluss verdanken wir heute viele grossartige Bücher.

Theodor Fontane stirbt am 20. September 1898 in Berlin.

Die Romane
Theodor Fontanes Romane werden dem poetischen Realismus zugeordnet. Er beschreibt in seinen Büchern das Leben von ganz normalen Menschen, zeigt ihre Befindlichkeiten und Schwierigkeiten. Es sind stille Bücher, die trotzdem eine grosse Tragkraft haben und in denen immer wieder Fontanes ironischer Humor durchkommt. Seine Bücher beginnen meistens gleich: Man fährt – wie bei der Kameraführung im Film – die Strasse entlang zum Haus, in den Garten, die Treppe hoch in die Wohnung und wird dann mit den Hauptfiguren des Romans bekannt. Man lernt ihre Stube kennen, die Bilder an der Wand, erfährt von einem auktorialen Erzähler einiges über ihre Geschichte und ihr aktuelles Leben.

Theodor Fontane ist aber nicht nur ein Meister der Beschreibungen, er ist auch ein Meister der Lücken. Ganz viel steht bei ihm zwischen den Zeilen, man kann es erahnen, sieht sich aber erst später in dieser Ahnung bestätigt. Teilweise sind es gerade die wichtigsten Dinge, die sich in Lücken befinden – man denke nur an Effi Briests Seitensprung.

Die meisten grossen Romane Fontanes sind erst nach seinem 60. Geburtstag entstanden. Was Thomas Mann in seinem Essay Der alte Fontane in Bezug auf dessen Briefe schrieb, könnte auch bei den Romanen gelten:

«Scheint es nicht, dass er alt, sehr alt werden musste, um ganz er selbst zu werden?»

Bekannte Werke Fontanes sind unter anderem Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862), Vor dem Sturm (1878), Grete Minde (1880), L’Adultera (1882), Irrungen, Wirrungen (1888), Unwiederbringlich (1892), Effi Briest (1896), Die Poggenpuhls (1896), Der Stechlin (1899).

Auch unbedingt lesenswert sind die Briefe Fontanes, allen voran seine Ehebriefe.

Wer könnte zu diesem Anlass ein besseres Gedicht schreiben als der grosse Meister selber?

Nicht Glückes bar sind Deine Lenze,
Du forderst nur des Glücks zu viel.
Gib Deinem Wunsche Maß und Grenze,
und Dir entgegen kommt das Ziel.

Wie dumpfes Unkraut lass vermodern,
was in Dir noch des Glaubens ist.
Du hättest doppelt einzufordern
des Lebens Glück, weil Du es bist.

Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen,
es ist nicht dort, es ist nicht hier.
Lern überwinden, lern entsagen,
und ungeahnt erblüht es Dir.

Theodor Fontane: Es kann die Ehre dieser Welt

Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muß in dir selber leben.

Wenn’s deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.

Das flücht’ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.

Fontane kann es, Fontane darf es, Fontane trauen wir, wenn er etwas sagt. Wieso? Er kommt nicht nur mit weisen Ratschlägen daher, er sagt uns die Dinge auf den Kopf zu, die wir eigentlich selber wissen, aber doch immer wieder dagegenhandeln. Er kommt nie überheblich oder abwertend daher, er nennt die Dinge schlicht beim Namen und wir sitzen da, lesen es und denken: Ich hätte es eigentlich wissen sollen.

Aber von vorne. Was immer wir im Aussen suchen an Ehre, an Ruhm – es wird uns nie genügen. Von aussen wird nichts so sein, dass es uns hält oder gar hebt, dazu müssen wir in uns gehen. Wenn da nichts ist an Halt, an Erhebung, dann können wir im Aussen suchen, was wir wollen, es wird nichts nützen. Selbst wenn alle laut klatschen: Unser Zweifel bleibt.

Was immer von aussen kommt, ist flüchtig, selten von Dauer. Es mag ein kurzer Freudenmoment sein, doch dann ist dieser auch schon wieder vorbei. So sehr man sich drin suhlt, am nächsten Morgen wacht man ernüchtert auf und es ist nichts besser als am Tag davor – im Gegenteil. Das kurze Lob dient nur dem Eitlen, der es sich auf die Fahnen streichen will – nach aussen. Tief drin bleibt alles wie gehabt. Es gibt also nur eins: Sei so, wie du für dich sein willst und kannst. Und tue alles dafür, deine eigenen Massstäbe zu erfüllen, dir selbst als das beste Ich, das du sein kannst und das du sein willst, zu sein.

Dann wirst du den Applaus von aussen nicht mehr brauchen, denn er könnte nichts hinzufügen. Und wenn das nicht ist, kann er ausbleiben, denn er könnte nichts bringen, das dir nützen könnte. Für dich.

Theodor Fontane: Zuspruch

Such nicht immer, was dir fehle,
Demut fülle deine Seele,
Dank erfülle dein Gemüt.
Alle Blumen, alle Blümchen,
und darunter selbst ein Rühmchen,
haben auch für dich geblüht.

Das Gedicht besteht mehrheitlich aus 4-hebigen Trochäen, dieser Rhythmus wird nur in der dritten und in der letzten Zeile durchbrochen. So entsteht ein fliessender Rhthmus, der beim Gemüt stoppt, dann weiter geht. Dadurch kommt dem Gemüt eine herausragende Bedeutung zu, auf ihm liegt die Aufmerksamkeit. Der Reim unterstützt das zusätzlich, indem auf einen Paarreim ein umschliessender Reim folgt, der die dritte und die letzte Zeile noch näher zusammenrückt, in Beziehung bringt. (aabccb).

Am Anfang steht eine Aufforderung: „Such nicht immer“. Fontane fordert den Empfänger dieses Gedichts auf, nicht immer nach dem zu suchen, was ihm fehlt. Hinter dieser Suche liegt ein Anspruch, welcher zu gross ist und nie zu Zufriedenheit führt, da immer etwas fehlt im Leben. Statt dieser Anspruchshaltung soll der Leser lieber demütig sein. Und hier kommt das Gemüt. Dank soll es erfüllen (dafür, was ist).

Das Gemüt beinhaltet alle vom Seelischen und vom Gefühl ausgehenden Kräfte und Empfindungen eines Menschen. Dass diese mit Dankbarkeit gefüllt sein sollen, ist die zentrale Aussage, die er daraufhin begründet. Er tut dies wieder in fliessendem Rhythmus, verweist auf alle Blumen und Blüten, die auch für den hier Angesprochenen geblüht haben. Hier endet das Gedicht, eng bezogen durch Takt und Reim aufs Gemüt.

Das Gedicht ist überschrieben mit „Zuspruch“. Es soll also jemandem, der klagt, Trost bringen, ihm gut zureden und ihm zeigen, dass alles nicht so schlimm ist, wie er es aktuell beklagt. Den Grund zur Klage sieht Fontane in der Suche nach Fehlern, die Lösung des Problems in einer Veränderung der Perspektive: Statt die Konzentration auf den Mangel zu legen, soll man besser schauen, was ist, sich daran freuen und dafür dankbar sein.

Wer mit ein wenig mehr Achtsamkeit durch die Welt geht, sieht die Blumen am Wegesrand. Und selbst wenn der Weg ab und an holprig und mit Hindernissen bestückt ist, so blühen sie trotzdem und erfreuen den, welcher sie sieht.

Lyrische Helfer: Theodor Fontane – Lass ab von diesem Zweifeln

Theodor Fontane (1819 – 1898)

Lass ab von diesem Zweifeln
Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben,
Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre dir den vollen Glauben
An diese Welt trotz dieser Welt.

Schau hin auf eines Weibes Züge,
Das lächelnd auf den Säugling blickt,
Und fühl’s: es ist nicht alles Lüge,
Was uns das Leben bringt und schickt.

Und, Herze, willst du ganz genesen,
Sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Wiederschein.
(1895)
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Projekt „Lyrische Helfer“  – Weil es für jede Lebenslage ein Gedicht gibt. Ein Gedicht, das man lesen kann, wenn man zweifelt

Theodor Fontane: Rückblick

Es geht zu End’, und ich blicke zurück.
Wie war mein Leben? wie war mein Glück?

Ich saß und machte meine Schuh’;
Unter Lob und Tadel sah man mir zu.

„Du dichtest, das ist das Wichtigste…“
„‚Du dichtest, das ist das Nichtigste.‘“

„Wenn Dichtung uns nicht zum Himmel trüge…“
„‚Phantastereien, Unsinn, Lüge.‘“

„Göttlicher Funke, Prometheusfeuer…“
„‚Zirpende Grille, leere Scheuer.‘“

Von hundert geliebt, von tausend mißacht’t,
So hab’ ich meine Tage verbracht.

1895 schreibt Theodor Fontane dieses Gedicht. Er blickt auf 76 Jahre zurück, davon 46 Jahre als Schriftsteller. 1849 hatte er beschlossen, den Apothekerberuf aufzugeben, um ganz als freier Schriftsteller zu leben. Es waren nicht nur einfache Jahre, vor allem am Anfang waren er und seine Familie von finanziellen Sorgen geplagt. Manch einer wird ihm wohl gesagt haben, er hätte den falschen Schritt gewagt, manch einer sein Schreiben belächelt haben – und auch er selber zweifelte ab und an, meinte gar, nicht wirklich schreiben zu können. Zum Glück hat er nicht auf die anderen und eigenen Stimmen gehört.

1892 erkrankte Fontane an einer Gehirnischämie, worauf ihm der Arzt riet, seine Kindheitserinnerungen aufzuschreiben. Auch entstanden in der Zeit einige seiner wundervollsten Werke, wie zum Beispiel Effi Briest, sowie auch die autobiografische Schrift Von Zwanzig bis Dreissig. Die Beschäftigung mit seiner Vergangenheit war also in diesen Jahren Programm.

So schaut das lyrische Ich also zurück, zieht quasi Bilanz. Es fragt nach seinem Leben, nach seinem Glück. Es sieht, wie es – ganz Schuster, der bei seinen Leisten blieb – tat, was ihm gegeben war. Es sieht auf die anderen, welche über es urteilten, mal positiv, mal negativ. Auch den Stellenwert der Dichtung bezieht es mit ein in seinen Rückblick: für die einen wichtig, für die anderen Unsinn. Und so kommt es zum Schluss, dass es wohl von weniger Menschen geliebt wurde als missachtet. Und doch: Wenn wir an den Anfang zurück gehen, sehen wir es: Da fragt das Ich nach dem Leben und nach dem Glück – es muss also ein solches gewesen sein.

Es gibt im Leben immer andere, die sich herausnehmen, sich ein Urteil zu bilden und dieses als alleinige Wahrheit zu verkaufen. Da steht man dann und sieht sich auf sich selber zurückgeworfen, hinterfragt das eigene Tun, Zweifel kommen auf. Man es den anderen recht machen, nur: Wenn man das tut, kommen wieder andere, die wieder andere Wahrheiten verkünden. Allen wird man nie gerecht.

Es ist wohl richtig und wichtig, sich zu hinterfragen. Schlussendlich kann man nur seinen Weg gehen. Es gibt Menschen, die begleiten einen, andere ziehen weiter. Das ist das Leben. Und: Man stelle sich vor, Theodor Fontane hätte auf die kritischen und abwertenden Stimmen gehört und das Schreiben eingestellt. Nie hätten wir mit Effi Briest mitgelitten, nie seine Gedichte zu Gesicht bekommen. Auch dieses hier nicht.

Theodor Fontane: Jenseits des Tweed (Rezension)

Bilder und Briefe aus Schottland (Grosse Brandenburger Ausgabe)

Mit Fontane durch Schottland reisen

Eine Reise an der Seite eines Freundes ist eine Freundschaftsprobe, wie die Ehe eine Liebesprobe ist. Wir haben sie bestanden.

Im Sommer 1858 zieht Theodor Fontane mit seinem Freund Bernhard von Lepel los, um sich einen Wunsch zu erfüllen: Zwei Wochen wollen die beiden durch Schottland reisen.

„Nach Schottland also!“ Die Koffer waren gepackt, die Billets gelöst, und als der Spätzug sich endlich in Bewegung setzte und majestätisch aus der Halle des Kings-Cross-Bahnhofs hinausglitt, überlief es mich ähnlich wie vierzehn Jahre früher, wo es zum ersten Male für ich hiess: „Nach England!“

FontaneTweedVon Anfang an plante Fontane, die Reise mit Zeitungsartikeln und einem Buch zu dokumentieren, um einerseits seine Leser teilhaben zu lassen, wichtiger aber, um die Reise zu finanzieren. Entstanden ist eine wunderbare, unterhaltsame, sehr persönliche Reisebeschreibung – für Fontane-Liebhaber ein Muss. Der Schriftsteller berichtet über schottische Sagen ebenso wie über touristische Attraktionen und die beeindruckende Natur. Als Leser fühlt man sich teilweise wie der Dritte im Bunde mit den beiden Freunden und erlebt so die Reise im Geiste mit.

Die Grosse Brandenburger Ausgabe ist in Zusammenarbeit mit der Theodor-Fontane-Arbeitsstelle der Universität Göttingen entstanden, dieses ist der zweite Band des reiseliterarischen Werks Fontanes. Ziel ist es, das Werk des grossen Realisten vollständig zu publizieren und umfassend zu kommentieren. So wird denn der eigentliche Text auch durch einen sehr ausführlichen Anhang ergänzt, welcher von der Entstehungsgeschichte über die Rezeption, Stellenkommentare sowie editorische Informationen dieser Ausgabe alles enthält. Das Register nach Personen und Werken sowie geographischen Angaben hilft, gezielt im Text zu suchen.

Fazit:
Ein ausführlich und kompetent kommentierter Reisebericht eines wunderbaren Autoren. Absolute Leseempfehlung.

Zum Autor
Theodor Fontane
Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 im märkischen Neuruppin geboren. Er erlernte den Apothekerberuf, den er 1849 aufgab, um sich als Journalist und freier Schriftsteller zu etablieren. Ein Jahr später heiratete er Emilie Rouanet-Kummer. Nach seiner Rückkehr von einem mehrjährigen England-Aufenthalt galt sein Hauptinteresse den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Neben der umfangreichen Tätigkeit als Kriegsberichterstatter, Reiseschriftsteller und Theaterkritiker schuf er seine berühmt gewordenen Romane und Erzählungen sowie die beiden Erinnerungsbücher „Meine Kinderjahre“ und „Von Zwanzig bis Dreißig“. Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin.

Zum Herausgeber
Maren Ermisch
Die Bandherausgeberin Maren Ermisch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universät Göttingen. Sie wurde 2014 mit einer Arbeit über Theodor Fontane und den deutschen Schottland-Reisebericht des 19. Jahrhunderts promoviert.

Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag (19. Januar 2017)
Herausgeber: Maren Ermisch
ISBN: 978-3-351-03137-4
Preis: EUR 44 / CHF 58
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort und online beim Aufbau Verlag selber sowie bei AMAZON.DE und BOOKS.CH

Theodor Fontane (1819-1898)

„Ohne Vermögen, ohne Familienanhang, ohne Schulung und Wissen, ohne robuste Gesundheit bin ich ins Leben getreten, mit nichts ausgerüstet als einem poetischen Talent und einer schlechtsitzenden Hose.“ (Brief an Georg Friedländer, 3. Oktober 1893)

Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren, wo er später auch das Gymnasium besucht. Nach einem abgebrochenen Besuch der Gewerbeschule beginnt er 1836 eine Ausbildung zum Apotheker, um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und arbeitet nach deren Abschluss als Apothekergehilfe. Daneben erscheinen bereits erste literarische Werke. 1849 hängt er den Apothekerberuf an den Nagel, um als freier Schriftsteller zu arbeiten.

Es ist immer dasselbe Lied: wer durchaus Schriftsteller werden muss, der wer’ es; er wird schliesslich in dem Gefühl, an der ihm einzig passenden Stelle zu stehen, auch seinen Trost, ja, sein Glück finden. Aber wer nicht ganz dafür geboren ist, der bleibe davon. (aus einem Brief Fontanes, zit. nach Thomas Mann, Der alte Fontane)

fontanetheodor
Theodor Fontane (1883), Gemälde von Carl Breitbach

Aufträge sind Mangelware und so lässt er sich von der Zentralstelle für Presseangelegenheiten anstellen. In deren Auftrag reist er nach London und berichtet von da unter anderem über Kunstausstellungen. Er verfasst auch Reisebücher und Theaterkritiken, doch all das befriedigt ihn nicht. Aus dem Grund ist der Entschluss nicht verwunderlich, wieder als freier Schriftsteller arbeiten zu wollen. Diesem Entschluss haben wir eine Reihe bis heute bekannter Bücher zu verdanken. Theodor Fontane stirbt am 20. September 1898 in Berlin.

Die Romane

Theodor Fontanes Romane werden dem poetischen Realismus zugeordnet. Er beschreibt in seinen Büchern das Leben von ganz normalen Menschen, zeigt ihre Befindlichkeiten und Schwierigkeiten. Es sind stille Bücher, die trotzdem eine grosse Tragkraft haben und in denen immer wieder Fontanes ironischer Humor durchkommt. Seine Bücher beginnen meistens gleich: Man fährt – wie bei der Kameraführung im Film – die Strasse entlang zum Haus, in den Garten, die Treppe hoch in die Wohnung und wird dann mit den Hauptfiguren des Romans bekannt. Man lernt ihre Stube kennen, die Bilder an der Wand, erfährt von einem auktorialen Erzähler einiges über ihre Geschichte und ihr aktuelles Leben.

Theodor Fontane ist aber nicht nur ein Meister der Beschreibungen, er ist auch ein Meister der Lücken. Ganz viel steht bei ihm zwischen den Zeilen, man kann es erahnen, sieht sich aber erst später in dieser Ahnung bestätigt. Teilweise sind es gerade die wichtigsten Dinge, die sich in Lücken befinden – man denke nur an Effi Briests Seitensprung.

Die meisten grossen Romane Fontanes sind erst nach seinem 60. Geburtstag entstanden. Was Thomas Mann in seinem Essay Der alte Fontane in Bezug auf dessen Briefe schrieb, könnte auch bei den Romanen gelten:

Scheint es nicht, dass er alt, sehr alt werden musste, um ganz er selbst zu werden?

Bekannte Werke Fontanes sind unter anderem Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862), Vor dem Sturm (1878), Grete Minde (1880), L’Adultera (1882), Irrungen, Wirrungen (1888), Unwiederbringlich (1892), Effi Briest (1896), Die Poggenpuhls (1896), Der Stechlin (1899).

Auch unbedingt lesenswert sind die Briefe Fontanes, allen voran seine Ehebriefe.

Theodor Fontane: Die Poggenpuhls

Adel, Geld und andere Befindlichkeiten

Sämtliche Poggenpuhls – die Mutter freilich weniger – beassen die schöne Gabe, nie zu klagen, waren lebensklug und rechneten gut, ohne dass sich bei diesem Rechnen etwas störend Berechnendes gezeigt hätte.

Die Majorin von Poggenpuhl lebt nach dem Tod ihres Mannes, der Major fiel an der Spitze seines Bataillons bei Gravelotte, mit ihren drei Töchtern Therese, Sophie und Manon und dem treuen Dienstmädchen Friederike in ärmlichen Verhältnissen in Berlin. Durch die tatkräftige Unterstützung der drei ungleichen Schwestern – Therese ist standesbewusst und auf den guten Namen bedacht, Sophie praktisch veranlagt und Nesthäkchen Manon lieb und beliebt in jüdischen Bankkreisen – schaffen es die drei Frauen gerad so zu überleben. Neben den weiblichen Poggenpuhls existieren noch Wendelin und Leo, der erste und ältere Sohn pflichtbewusst und ehrgeizig, der jüngere ein charmanter Luftikus und ständig in Geldnöten, beide im Dienste desselben Regimes, in dem schon ihr Vater diente. Nach einem Besuch des Schwagers der Majorin nimmt dieser Sophie mit sich, sie soll als Gesellschafterin für seine Frau auf deren Landgut leben. Der Kontakt nach Berlin bleibt in Briefen bestehen, in einem solchen informiert Sophie ihre Familie auch vom Ableben des Onkels. Dieser Tod läutet denn auch das versöhnliche Ende ein, die hinterlassene Witwe will die Poggenpuhlschen Frauen fortan mit einer kleinen Rente bedenken und Sophie bei sich behalten.

Glücklich machen ist das höchste Glück. Es war mir nicht beschieden. Aber auch dankbar empfangen können ist ein Glück.

Die Poggenpuhls ist ein Roman mit sehr wenig Handlung. Es ist mehr eine Charakterstudie der Familie sowie eine hervorragende Zeitstudie (erschienen ist es 1896). Fontane selbst sagte dazu:

Das Buch ist kein Roman und hat keinen Inhalt, das ‚Wie’ muss für das ‚Was’ eintreten.

Und weiter:

Dass man dies Nichts, das es ist, um seiner Form willen so liebenswürdig anerkennt, erfüllt mich mit grossen Hoffnungen, nicht für mich, aber für unsere liter. Zukunft.

Fontane beschreibt in der ihm eigenen Art die Atmosphäre der verarmten Adelsfrauen. Er zeigt, wo und wie sie wohnen, wie sie sprechen, was sie denken, wo sie sich sehen und womit sie hadern. Dabei entwickelt er seine Figuren hauptsächlich in Dialogen, lässt sie sich selber darstellen in ihren Aussagen oder durch die Einschätzungen anderer. Trotz der eigentlich bedrückenden Lage der Poggenpuhls ist es ein fast heiter zu nennendes Buch, indem vieles in Ironie gepackt und mit einem feinen Humor präsentiert wird. Abgerundet wird das Ganze durch psychologisch-philosophische Erkenntnisse, die nie belehrend, sondern wie nebenbei eingestreut wirken sowie die aktuellen Themen der damaligen Zeit wie die Judenproblematik, Standesdiskussionen sowie das Künstlertum und dessen Wert und Bild in der Gesellschaft.

Fazit:
Detaillierte und unterhaltsame Zeit- und Charakterstudie, grosse Literatur von einem herausragenden Schriftsteller. Sehr empfehlenswert.

Zum Autor:
Theodor Fontane
Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren, wo er später auch das Gymnasium besucht. Nach einem abgebrochenen Besuch der Gewerbeschule beginnt er 1836 eine Ausbildung zum Apotheker, um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und arbeitet nach deren Abschluss als Apothekergehilfe. Daneben erscheinen bereits erste literarische Werke. 1949 hängt er den Apothekerberuf an den Nagel, um als freier Schriftsteller zu arbeiten. Mangels Aufträgen lässt er sich von der Centralstelle für Presseangelegenheiten anstellen, reist in deren Auftrag nach London und berichtet von da unter anderem über Kunst. Es folgen Reisebücher und Theaterkritiken, dann der Beschluss, wieder als freier Schriftsteller arbeiten zu wollen, was in einer Reihe bis heute bekannter Bücher resultiert. Theodor Fontane stirbt am 20. September in Berlin. Werke Fontanes sind unter anderem Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862), Vor dem Sturm (1878), Grete Minde (1880), L’Adultera (1882), Irrungen, Wirrungen (1888), Unwiederbringlich (1892), Effi Briest (1896), Die Poggenpuhls (1896), Der Stechlin (1899).

FontanePoggenpuhlsAngaben zum Buch:
Taschenbuch: 128 Seiten
Verlag: Aufbau Taschenbuch Verlag (18. Februar 2013)
Preis: EUR 8.99; CHF 14.90

Online zu kaufen bei AMAZON.DE und BOOKS.CH