Rückenschmerzen – Physiotherapie, die Erste

Claudia war brav. Sie glaubte zwar nicht wirklich an die Wirksamkeit verordneter Übungen, trotzdem machte sie einen Termin bei der Physiotherapie aus. Die vom Herrn Doktor empfohlene Physiotherapeutin war zeitnah nicht frei, ihr Mitarbeiter, Herr Bäcker aber schon. Er sei gut, wurde Claudia am Telefon versichert, er könne ihr sicher helfen. Sie hoffte es.

Der Termin kam und Claudia fuhr zum Ort des Geschehens. Kein Parkplatz weit und breit. Der einzige, den sie fand, lag so, dass sie quasi von zu Hause hätte laufen können. Nun denn. Diese Hürde nahm sie und sass alsbald wartend im entsprechenden Zimmer. Dann kam er. Er war hübsch. Wenigstens etwas. Sie folgte ihm in den Behandlungsraum, entledigte sich – der Aufforderung folgend – ihrer Kleidung und fand sich alsbald in diversen Vor- und Rückbeugen wieder. Der adrette Herr Bäcker klopfte auf Knie und Füsse, tastete Wirbel für Wirbel ab und drückte auch sonst ein wenig rum. Dann schaute er Claudia an und sagte es. Das Unwort.

„Ich zeige Ihnen eine Übung.“

Claudia sah ihn an. „Ich hatte eigentlich auf eine Massage gehofft“, sagte sie.

„Nein, es gibt keine Massage, wir machen Übungen“, sagte Herr Bäcker ernst.

Claudia versuchte ihr Glück nochmals, indem sie meinte, die kenne sie, die hülfen nix und sie hätte eigentlich auf ein wenig Spa, ein bisschen Wellness gehofft.

Der nette Bäcker lächelte breit – und er hatte ein umwerfendes Lächeln. Das half aber nicht über seine Sturheit hinweg, er wollte diese verdammte Übung und Claudia sollte sie machen.

IMG_8103Claudia gab nach, liess sich die Übung zeigen und machte sie pflichtschuldig nach. Sie solle eine ganz leichte Rückbeuge machen, da ihr 5. Lendenwirbel in der Beweglichkeit eingeschränkt sei, wie der gute Mann meinte. Claudia dachte an ihre täglichen Yogastellungen, die mehrfach eine um Stufen grössere Rückbeuge beinhalteten, sagte aber nichts mehr und beugte sich wie vorgezeigt leicht zurück und wieder vor, zurück und wieder vor. Das solle sie nun täglich machen. Mit der Verordnung ein breites und umwerfendes Lächeln. Claudia beschloss, zu gehorchen – zwar wenig überzeugt von der Übung, aber aus grosser Sympathie zu Herrn Bäcker heraus.

Ob es geholfen hat, so ganz wider Erwarten? Die Auflösung folgt nächstes Mal.

Rückenschmerzen, die Zweite: Dr. Frank

Wie Claudia schon erwartet hatte, waren die Rückenschmerzen auch nach zwei Wochen mit regelmässiger Medikamenteneinnahme nicht verschwunden. Im Gegenteil. Wenn sie sich bückte, ächzte sie, beim Hochkommen stöhnte sie. Das war nicht nur nicht sexy, das war vor allem kein Qualitätsmerkmal für eine Yogalehrerin. Der nächste Arztbesuch musste her. Und: Doktor Frank hatte Zeit.

Wieder machte sich Claudia auf den Weg zur Praxis, setzte sich geduldig ins Wartezimmer und sass alsbald im Stuhl vor dem Ärztepult. Doktor Frank schaute sie an, er kannte sie. Wie es ihr ginge, fragte er. Claudia fühlte sich wahrgenommen, ganz anders als beim Kollegen, dessen Namen sie bereits verdrängte, weswegen er ihr partout nicht mehr in den Sinn kam. Egal, das war hier nicht Thema, wobei sich Claudia fragte, ob sie mal einen Neurologen beiziehen sollte wegen ihrer Vergesslichkeit – aber zuerst war nun mal der Rücken dran.

Claudia erzählte also erneut von ihren Wehwehchen und Zipperlein, erörterte ihre Schlüsse aufgrund ihrer Selbststudien und deutete vage Vermutungen in Richtung Diagnose an. Doktor Frank schaute wenig beeindruckt, wies sie dann an, nochmals alle Stellungen einzunehmen, die schon der Doktor mit dem vergessenen Namen sehen wollte, klopfte hier, drückte da… und war alsbald so klug wie sein Kollege. Da die Wunderwaffe Tabletten schon ausgeschöpft war, zückte er die nächste aus dem Ärztekittel (den er übrigens nicht trägt – Klischees sind auch nicht mehr, was sie mal waren): Physiotherapie.

Claudia schaute ihn erwartungsvoll an und fragte: Massagen? Doktor Frank schaute kurz auf, denn er suchte bereits nach dem Formular für die Verordnung, und sagte (schon wieder über die Schublade gebeugt): „Nein, Übungen.“ Mittlerweile schien er das Formular gefunden zu haben, denn er tauchte wieder aus der tiefen Verbeugung auf und sass aufrecht vor ihr. Claudia meinte schüchtern (Widerstand erschien ihr mittlerweile sinnlos): „Die kenne ich doch selber, das hilft nichts.“ Doktor Frank liess sich nicht beirren: „Die kennen andere Übungen.“ Claudia schwieg. „Für den Notfall gebe ich Ihnen nochmals die Tabletten mit, damit sie Schmerzen überbrücken können.“ Claudia nickte und versuchte, nicht zu resigniert auszusehen. „Wenn nach drei Sitzungen mit der Physio nichts besser ist, brechen wir ab und röntgen mal. Rufen Sie dann einfach an“, sagt er ihr noch.

Nachdem alle Formalitäten geklärt, das Formular den Besitzer gewechselt und noch ein paar Worte gewechselt waren, verabschiedete Dr. Frank Claudia. Sie erinnerte ihn pflichtbewusst an die Medikamente, die er noch aushändigen wollte, was er pflichtschuldig tat. Dann zottelte Claudia von dannen, um einen Termin mit der Physiotherapie auszumachen. Zwar glaubte sie nicht an Übungen, wollte aber ja brav sein und musste den von der Krankenkasse vorgesehenen Weg gehen, denn: Das Hausarztmodell schreibt vor, dass erst der Hausarzt konsultiert werden muss, der dann weiterleitet. Zweifel an der Sparsamkeit dieses Modells stiegen langsam hoch, aber das wäre eine andere Geschichte. Diese hier geht nächstes Mal weiter mit dem Besuch beim Physiotherapeuten.

Von Rückenschmerzen und Ärzten

Claudia hatte Rücken. So richtig. Egal ob sie stand, ging oder sass: Es zwickte. Teilweise so stark, dass sie kaum mehr gehen, stehen oder sitzen konnte, nicht mal liegen ging. Sie cremte, salbte und badete, bis sowohl sie als auch die Wohnung den beissenden Geruch in allen Poren hatten. Aber es half nichts.

Claudia schimpfte und fluchte, jammerte und klagte. Nicht dass es geholfen hätte, aber es war die Vorstufe zum schlussendlichen Entschluss: Ein Arzt musste her. Oder sie zu ihm. Sie nahm den Hörer in die Hand… wobei, das ist so nicht ganz korrekt, da sie gar keinen Hörer hatte, sondern nur ihr iPhone. Dieses nahm sie also in die Hand und wählte die Nummer. Am anderen Ende meldete sich eine bislang noch unbekannte Stimme: „Praxis Doktor Frank und Doktor Kurzenegger.“

„Grüezi! Ich hätte gerne einen Termin bei Doktor Frank“, sagte Claudia.

Die Stimme fragte: „Waren Sie schon mal bei ihm?“ Claudia bejahte.

„Was haben Sie denn?“, erkundigte sich die Stimme. Claudia erzählte von ihrem Leiden.

„Doktor Frank hat leider keine Zeit, aber Herr Kurzenegger wäre frei“, antwortete die Stimme unverschämt wenig mitfühlend. Claudia meinte, sie hätte doch lieber Doktor Frank, wurde von der Stimme aber mit vielen Argumente davon überzeugt (oder eher dazu weichgekocht), dass Herr Kurzenegger ein wunderbarer Arzt und überaus kompetent sei. Claudia gab klein bei. Dafür konnte sie gleich in die Praxis.

Dort angekommen, sassen drei Praxisassistentinnen im Vorzimmer. Welche davon die Stimme gewesen war, liess sich nicht mehr eruieren – es gab sich auch keine zu erkennen. Egal. Nach einem kurzen Aufenthalt im Wartezimmer war es soweit: Der hochgelobte Arzt holte sie ab und fragte, im Sprechzimmer angekommen, nach ihren Beschwerden. Claudia erzählte genau, was wie und wann wo genau weh tat, äusserte ihren Verdacht, welcher Muskel betroffen sein könnte. Der Arzt schaute sie erstaunt an: „Sind sie im medizinischen Bereich tätig?“ Claudia antwortete: „Nein, ich bin Yogalehrerin, Anatomie war in dieser und anderen Ausbildungen Teilgebiet.“ Der Arzt war merklich weniger beeindruckt.

In der Folge klopfte er hier, tastete da, liess Claudia hüpfen, sich beugen und – wurde von einem Telefonanruf abgelenkt. Er verschwand aus dem Zimmer, während Claudia sich die Beine in den schmerzenden Rücken stand, der Dinge, die da noch kommen werden, harrend. Fünf Minuten später war Doktor Kurzenegger zurück im Zimmer. Er fragte gleich nochmals nach, welche Seite es denn genau wäre, die schmerze. Das hatte Claudia zwar schon etwa dreimal gesagt, aber der gute Mann wollte wohl auf Nummer Sicher gehen.

Dann sass er da. Hinter seinem Tisch. Hämmerte in seinen Computer, ohne nochmals aufzuschauen. Hielt kurz inne, hämmerte weiter. Claudia war sich nicht ganz sicher, ob er wusste, dass sie noch da sass. Er schien es zu wissen, denn irgendwann schaute er auf. Und er schaute sie an. Und er äusserte Möglichkeiten, die sein könnten, die er zu dem Zeitpunkt aber noch nicht prüfen wollte. Nieren waren ein Thema, den Blutuntersuch schlug er aus, könne man notfalls ein anderes Mal nachholen. Wie vieles anderes auch. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, was es war. Er schlug vor, Claudia könnte ein wenig dehnen. Als Anschauungsunterricht machte er eine Bewegung, die Claudias morgendlichem Aufwärmprogramm nicht im entferntesten nahe kam. Claudia sagte nochmals leise, dass sie Yogalehrerin sei, es kaum an mangelnder Dehnung läge. Ein grosser, irgendwie hilfloser Blick von Herrn Kurzenegger liess sie verstummen.

Doktor Kurzenegger sah die Lösung in der Verschreibung von Schmerzmitteln, die Claudia für 10 Tage einnehmen solle. Nütze es nichts, solle sie… ein neuer Anruf. Wieder verschwand Doktor Kurzenegger für fünf Minuten. Kam wieder zurück und fragte Claudia, wo er stehen geblieben sei. Sie sagte: „Bei den Tabletten.“ Die solle sie also nehmen, befand er. Dann verabschiedete er sie. Sie fragte, ob er ihr nun noch die Tabletten geben könnte. Das hätte er vergessen, mache er aber natürlich sofort.

Claudia ging 14 Tage später dann zu Doktor Frank. Der hatte endlich Zeit. Ob mehr Ahnung? Das ist Gegenstand der nächsten Geschichte.