Wie die Mücke zum Elefanten wurde: Handshake

In der Schweiz kocht es mal wieder: Zwei Pubertierende wollen der Lehrerin die Hand nicht geben. Sie kamen damit durch. Die Pubertierenden waren Muslime, argumentiert wurde religiös.

Die Stimmen werden laut:

Unsere Kultur verlangt das Händeschütteln zur Begrüssung. Das geht gar nicht, dass das verweigert wird.

oder:

 Der Koran verbietet das gar nicht, das ist überzogen. Wie kann man nur, was geht da ab?

Ich musste als Kind nie einer Lehrerin die Hand geben. Einem Lehrer übrigens auch nicht (zum Glück, ich gebe nicht jedem gerne die Hand…man weiss nie, was der mit seiner vorher tat 😉 ). Ich weiss nicht, wann das eingeführt wurde und was der Zweck dafür sein soll. Wohl Beziehungsbindung, die man dann mit Einträgen für jedes noch so kleine Vergehen wieder kaputt macht (kannten wir in dem Stil auch nicht).

Was mich in der ganzen Sache etwas nervt ist folgendes: Da wird zwei Teenagern, die grad mit ihren Hirnzellen kämpfen wegen pubertär verursachten Umstrukturierungen ihres Hirns, eine Plattform geboten, die schlicht lächerlich ist. Das Ganze wird dann instrumentalisiert, um generell gegen Ausländer, Muslime im Speziellen, zu stänkern.

Wer nun findet, man müsse früh eingreifen, denn das gehe auf Kosten der Frau, welcher zu wenig Respekt gezollt wird, den möchte ich nur das fragen:

 Fördert ein erzwungener Handschlag den Respekt wirklich?

Andere Kulturen mögen andere Frauenbilder haben. Die gefallen mir nicht, die scheint man (nach aussen – es gibt sie ja auch bei uns, man beachte nur unsere Werbung und mehr….) hier abzulehnen. Diese Frauenbilder werden nicht ändern, weil man Pubertierende massregelt – oder eben durchmarschieren lässt. Die Frauen hierzulande haben es in der Hand, welchen Mann sie wählen, die Männer, welcher Frau sie gefallen wollen. Schlussendlich fängt Respekt im Hirn an, nicht bei der Hand, die eine andere berührt – Wirklicher Respekt kann nie erzwungen werden.

Neue Runde bei der Beschneidungsdebatte

Die Beschneidungsdebatte, welche ursprünglich durch das Urteil des Landesgerichts in Köln losgetreten wurde, hat sich über die grenzen Deutschlands nach Österreich ausgeweitet. Heise berichtet über den österreichischen Religionskritiker Niko Alm, welcher mit einer Initiative gegen Kirchenprivilegien die Diskussion in die Alpenrepublik gebracht hat. In einer Pressekonferenz liess er fünf Beschneidungsgegner zu Wort kommen, darunter auch den Grafiker Kahid Kaya, Mitglied des Zentralrats der Ex-Muslime, welcher seine eigene Beschneidung als traumatisch empfand und deswegen eine Klage gegen den Staat Österreich prüft.

Die Frage nach der Rechtmässigkeit der rituellen Beschneidung spaltet die Geister. Die Religionsfreiheit, welche vor dem Hintergrund verschiedener Unruhen und Kriege aufgrund von Unterdrückung von anderen Religionen hoch gehalten wird tritt in Konflikt mit dem Menschenrecht auf Unversehrtheit. Und bei diesem Menschenrecht endet auch die elterliche Handlungsgewalt. Eltern haben zwar die Befugnis, für ihre Kinder zu entscheiden, nicht aber über deren Unversehrtheit hinaus. Was passiert also, wenn zwei Grundrechte in Konflikt geraten? Welchem gibt man Vorrang?

Bislang war die Beschneidung von Jungen kein Massen bewegendes Thema. Anders als bei der Beschneidung von Mädchen und Frauen sah man sie offenbar nicht so problematisch. Selbst wenn sie ab und an mal thematisiert wurde, warf sie doch keine so hohen Wellen wie die Prozedur beim weiblichen Geschlecht oder wie sie das nun tut.  Das und wohl auch der Umstand, dass es ab und an die medizinische Notwendigkeit der Beschneidung gibt,  liess wohl allgemein annehmen, dass es sich dabei um etwas nicht wirklich Schlimmes handle. Es war einem vielleicht fremd, aber mehr nicht, wie es scheint. Und plötzlich erscheint dieses Ritual im Zusammenhang mit dem Wort Träume, Körperverletzung. Eine ganz neue Dimension.

Das eröffnet verschiedene Fragen:

Wieso wird sich der klagewillige Österreicher just jetzt bewusst, dass er traumatisiert ist und klagen könnte? Der Zeitpunkt der Klage gibt der Geschichte einen komischen Nachgeschmack. Es hat ein wenig den Anschein, als ob jemand auf einen fahrenden Zug aufspringen möchte. Aber vielleicht wurde ihm auch erst jetzt bewusst, was ihm wirklich widerfuhr? Dass er vielleicht eine Chance hätte auf Klage? Wie soll die Wiedergutmachung aussehen? Was erhofft er sich?

Die nächste Frage, die sich mir stellt ist, wieso man medizinisch eine Operation durchführt, die traumatisierend ist. Klar liegen medizinische Probleme vor bei einer Vorhautverengung, aber die könnten dann sicher anders gelöst werden, wenn die Beschneidung dermassen traumatisch ist. Es ist ja wohl kaum anzunehmen, dass man nur traumatisiert ist, wenn es rituell motiviert war, nicht aber, wenn es medizinisch motiviert war.

Zu guter letzt stellt sich die Frage: Hängt der Glaube und die Religionsfreiheit wirklich an diesem einen Ritual, das die körperliche Integrität beeinträchtigt, wie die Kritiker anbringen? Ist ein Muslim und ein Jude wirklich weniger gläubig und weniger in seiner Religion verwurzelt, wenn er nicht als kleiner Junge beschnitten würde? Es sagt ja niemand, dass die Beschneidung verboten werden soll, nur könnte man sie auf einen Zeitpunkt legen, an welchem der zu Beschneidende selber urteilsfähig ist. Und damit über seine eigene Integrität entscheiden kann. Damit würde man die Diskussion auflösen, die Religion wäre frei gelebt und kein Körper gegen seinen eventuellen Willen verletzt.

Prallen bei dieser Diskussion nur zwei sture Meinungen aufeinander oder geht es tiefer? Wo liegt die Wahrheit? Was ist legitim? Und wenn zwei sich streiten, wer freut sich dann hier?

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