Maria Barankow, Christian Baron: Klasse und Kampf

Zum Inhalt

«ein manifest über die feinen unterschiede, die eine gesellschaft in OBEN und UNTEN teilen»

So lautet die Zielsetzung von Maria Barankow und Christian Baron bei der Herausgabe des Buches mit dem Titel «Klasse und Kampf». 14 Autor*innen haben einen Beitrag dazu geleistet und mit ihren Texten teils sehr persönliche und erzählerische, teils eher sachliche Ansichten des Problems vorgelegt, wie es ist, in einem reichen Land in Armut aufzuwachsen. Das Buch handelt von Privilegien, Scham, Diskriminierung, es behandelt die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von sozialem Aufstieg genauso wie das bleibende Gefühl danach, zwischen zwei Welten zu wohnen.

Gedanken zum Buch

«Heute ist es angesagt, über Themen wie Race und Gender zu sprechen; das weniger coole Thema ist Klasse. Es ist das Thema, bei dem wir alle verkrampfen, nervös werden, nicht sicher sind, wo wir stehen.» bell hooks

Wir leben in einer Zeit, in welcher Missstände angeklagt werden, in welcher die Menschen hinstehen und für Rechte kämpfen. Menschen gehen auf die Strasse, Bücher werden geschrieben, Rassismus und Sexismus werden offen bekämpft – von Betroffenen selbst und von Menschen, die solidarisch gegen diese Missstände und für eine gerechtere Gesellschaft einstehen. Nur der Klassismus wird merkwürdig stiefmütterlich behandelt. Das mag unter anderem damit zusammenhängen, dass viele Betroffenen Scham empfinden über ihre Armut. In einer Leistungsgesellschaft wie der unseren, in welcher die Meinung hochgehalten wird, dass man alles erreichen kann, wenn man sich nur genügend anstrengt, ist es doppelt beschämend, wenn man es eben in den Augen dieser Gesellschaft nicht geschafft hat. Dass Armut mitnichten mit mangelndem Einsatz einhergeht, dass sie in den seltensten Fällen selbstverschuldet ist, wird oft ignoriert.

«Ausbeutung bedeutet nicht, wie häufig angenommen, einen Verstoss gegen kapitalistische Regeln, sondern resultiert notwendig aus der Befolgung dieser Regeln.»

Es ist Zeit, dass dies ändert. Schon Simone de Beauvoir sagte, dass hinter vielen anderen Problemen – auch die Ungleichbehandlung der Frauen – eigentlich Klassismus stehe. Würde man das beheben, fielen auch viele andere Missstände weg.

«Weil dieser Zustand historische gewachsen und strukturell ist, sind Klassenunterschiede auch Herrschaftsverhältnisse, die sich reproduzieren.»

Der Kapitalismus, mehr noch die Industrialisierung haben zu einem System geführt, in welchem eine Gruppe von Menschen eine andere ausbeuten kann für den eigenen Profit. Obwohl auf dem Papier soziale Schichten durchlässig sind, ein Aufstieg möglich sein sollte, sind es wenige Prozent, die diesen Aufstieg wirklich schaffen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits fehlt Kindern aus sozial schwachen Schichten oft der Zugang zu den nötigen Bildungsangeboten, teils, weil sie diese nicht kennen, nicht vermögen oder aber durch das Herkunftsmilieu mit Abwertungen gegen höhere Schichten aufwachsen.

Gelingt der Aufstieg doch, bleibt oft das Gefühl, nirgends dazuzugehören, quasi zwischen den Welten (Klassen) zu sitzen (Pierre Bourdieu beschreibt das ausführlich in seinen Büchern zum Habitus). Für soziale Wesen, wie der Mensch eines ist, kein einfacher Zustand.

Fazit
Ein persönliches, ein informatives, ein bewegendes Buch über ein wichtiges Thema in unserer Gesellschaft, welches zu wenig Aufmerksamkeit erhält.

Herausgeber*innen und Mitwirkende
Christian Baron, geboren 1985 in Kaiserslautern, lebt als freier Autor in Berlin. Nach dem Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Germanistik in Trier arbeitete er mehrere Jahre als Zeitungsredakteur. 2020 erschien bei Claassen sein literarisches Debüt Ein Mann seiner Klasse, wofür er den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Literaturpreis »Aufstieg durch Bildung« der noon-Foundation erhielt.  Die von ihm zusammen mit Maria Barankow herausgegebene Anthologie Klasse und Kampf erschien 2021 bei Claassen.

Maria Barankow, geboren 1987 in Russland, Studium der Romanistik und Anglistik in Köln und London, ist seit 2013 Lektorin und Programmleiterin bei den Ullstein Buchverlagen.

Mit Beiträgen von Christian Baron, Martin Becker, Bov Bjerg, Arno Frank, Lucy Fricke, Kübra Gümüsay, Schorsch Kamerun, Pinar Karabulut, Clemens Meyer, Katja Oskamp, Sharon Dodua Otoo, Francis Seeck, Anke Stelling, Olivia Wenzel.

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ Claassen; 3. Edition (29. März 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 224 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3546100250

bell hooks: Feminismus für alle

Inhalt

«Im Grunde meines Herzens wusste ich, dass es uns nie gelingen würde, eine erfolgreiche feministische Bewegung auf die Beine zu stellen, wenn wir nicht jede und jeden, weiblich wie männlich, Frauen wie Männer, Mädchen wie Jungen, zu ermutigen können, sich dem Feminismus zu nähern.»

Feminismus ist nicht neu – trotzdem wissen wenige, was der Begriff und die dahinterstehende Bewegung wirklich bedeuten. Klischeevorstellungen herrschen in den Köpfen vor und sorgen für Ablehnung. bell hooks möchte damit aufräumen und erklärt in diesem Buch auf leicht verständliche Weise, was Feminismus will und wieso es ihn braucht.

Sie ruft dazu auf, alle ins Boot zu holen, da nachhaltige Veränderungen für alle nur gemeinsam erreicht werden können. Stimmen, die behaupten, Feminismus sei nicht mehr nötig, da alles erreicht wäre, zeigt sie auf, dass es noch immer Gewalt und Ausbeutung an und von Frauen, Sexismus und ungerechte Arbeitsbedingungen gibt. Dem können wir nur mit vereinten Kräften entgegentreten.

Weitere Betrachtungen

«Alles, was wir in unserem Leben tun, hat eine theoretische Grundlage. Ob wir nun bewusst ergründen, warum wir eine bestimmte perspektive haben oder eine bestimmte Handlung ausüben, es gibt immer auch ein zugrundeliegendes System, das unsere Gedanken und Handlungen prägt. »

Es ist wichtig, dass sexistisches Verhalten nicht per se das Verhalten eines einzelnen Menschen, sondern dass er eingebettet in ein System ist. Genauso ist es auch mit anderen Verhaltensweisen und Denkarten. Diesen auf den Grund zu gehen, sie zu analysieren, um sie durchbrechen zu können, ist der erste Schritt zur Besserung.

«Klasse ist viel mehr als Marx’ Definition vom Verhältnis zu den Produktionsmitteln. Klasse umfasst dein Vergalten, deine grundlegenden Einstellungen, welches Verhalten dir beigebracht wird, was du von dir selbst und von anderen erwartest… In der Tat fällt es heute wie früher weitaus mehr Feministinnen leichter, ihre von weisser Vorherrschaft geprägten Ansichten abzulegen als ihren Klassenelitismus.»

In der heutigen Zeit sind die Stimmen, die Rassismus vor den Feminismus stellen, laut. Was aber auch den Vertreterinnen davon meist abgeht, ist der Blick auf die durch Armut benachteiligten Frauen in der Gesellschaft. Gerade die finanziellen Verhältnisse, die soziale Schicht, in der jemand aufwächst, hat einen sehr prägenden Einfluss auf das weitere Leben eines Menschen. Dieses sollte immer im Blick bleiben bei allem, was wir anstreben. Rawls meinte in seiner «Theorie der Gerechtigkeit», dass ein System dann gerechter wird, wenn eine Veränderung auch den am schwächsten Gestellten besser hinstelle.

«Die einzige Hoffnung auf feministische Befreiung liegt in der Vision eines sozialen Wandels, die dem Klassenelitismus den Kampf ansagt.»

Schon Simone de Beauvoir war anfangs der Ansicht, dass die Umsetzung des Sozialismus das Frauenproblem von selber lösen würde. Sie rückte später davon ab. Die Unterdrückung der Frauen fusst auf mehr Kriterien als nur dem Klassenproblem. Trotzdem ist Armut eines der zentralen Frauenprobleme. Das «Handbuch Armut Schweiz», von der Caritas herausgegeben, listet Zahlen auf, nach denen vor allem Frauen (alleinerziehende Mütter, Migrantinnen, alte Frauen) von Armut gefährdet sind. Dieses Problem gilt es anzugehen, nicht statt anderer feministischer Fragen, aber als eine und zwar eine wichtige.

Persönlicher Bezug

«Wir begannen, eine Vision von Schwesterlichkeit zu verbreiten, in der alle unsere Realitäten artikuliert werden konnten.»

Betrachte ich die Geschichte des Feminismus, zeigen sich drei Wellen. Nach jeder fing man von vorne an. Erreichtes der letzten Kämpferinnen ging verloren, vergessen oder wurde mit Füssen getreten. Heute zeigt sich uns ein Bild, in welchem junge Feministinnen die «Altfeministinnen» angreifen, schwarze gegen weisse schiessen, die einen sich mehr als Opfer verstanden haben wollen als andere – Fronten, wohin man schaut, anstatt das man hingeht im Sinn der Sache und gemeinsam den Dialog führt und Wege sucht, miteinander zum Ziel zu kommen.

Immer wieder kommt die Frage auf, wie es sein könne, dass Frauen, die doch die Hälfte der Menschheit ausmachen, von der anderen Hälfte unterdrückt werden: Vermutlich genau drum: Sie treten nicht vereint als Hälfte auf, sondern schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, so dass am Schluss lauter kleine Grüppchen in die Welt rufen und damit weniger gehört werden, als möglich wäre.

Fazit
Eine leicht lesbare, sehr fundierte, tiefgründige und aufschlussreiche Einführung in den Feminismus, in seine Ziele und was es braucht, diese zu erreichen. Sehr empfehlenswert.

Autorin
hooks, bellbell hooks, geboren 1952 und gestorben 2021 in Kentucky, war Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Aktivistin. Schon als junge Studentin schloss sie sich der feministischen Bewegung an und machte sich 1981 gleich mit ihrem ersten Buch „Ain’t I a Woman: Black Women and Feminism“ einen Namen. In den nachfolgenden Jahrzehnten hat sie unzählige Werke veröffentlicht, in denen sie sich mit Rassismus, Sexismus und Klassismus beschäftigt, und ist dafür mehrfach ausgezeichnet worden. Auf Deutsch erschien zuletzt 2020 „Die Bedeutung von Klasse“ im Unrast Verlag.

Angaben zum Buch
Herausgeber: ‎ Unrast; New Edition (5. Oktober 2021)
Taschenbuch: 148 Seiten
ISBN-Nr.: 978-3897713376

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Offene Beziehung

Immer wieder lese ich, dass Leute in einer offenen Beziehung sind. Ich frage mich jedes Mal, was das wohl sei, wie ich mir das vorstellen kann. Ist das ein Jekami, alle mit allen, keiner geht leer aus? Was genau ist dann eine geschlossene Beziehung? So etwas wie eine geschlossene Gesellschaft? Nur die Auserwählten können rein, der Rest ist aussen vor. Ob das nicht furchtbar eng wird? Nur der erlauchte Kreis, der in hiesigen Gefielden – soviel weiss ich ja auch – aus zwei Personen zu bestehen hat.

Natürlich ist es nicht eng. Es sind ja noch andere Menschen da. Die sind auch irgendwie drin, nur einfach nicht ganz. Gewisse Teile sind ihnen vorbehalten, die gehören dann dem erlauchten Kreis. Quasi Klassengesellschaft in Beziehungsdingen. Die Menschen erster Klasse kriegen noch etwas oben drauf auf die Beziehung. Das Sahnehäubchen quasi. Der Rest fährt zweite Klasse, die Holzklasse gibt es wohl auch, teilweise schafft man sie aus Zeit- und Nutzensgründen ab.

Was ist denn nun also die offene Beziehung? Kriegen da alle das Sahnehäubchen? Oder nur die zweite Klasse? Geht auch hier das Holz leer aus? Dann wäre sie ja nicht offen, sondern nur teilweise geöffnet? Eigentlich wäre sie genauso zu. Geschlossen für die, welche aussen vor sind.

Was ist denn nun das Sahnehäubchen? Sex. Die, die ran dürfen, kriegen es, die, welche nicht, sind in der Holzklasse. Bei geschlossenen Beziehungen darf nur einer ran – offiziell, meist sind es doch mehrere. Bei offenen dürfen mehrere ran, so ganz offiziell. Das ist wichtig, man zeigt es nach aussen. Ich bin offen, nicht so ein verschlossener Zeitgenosse. Ich klopf auf Holz. Man krebst zurück.

Offen ist in, ist frei, ist modern, geschlossen ist out, ist alt, ist langweilig. Schlussendlich ist es dasselbe. Die Grenzen sind nur verschoben. Es sagt etwas aus, drum will man es melden. Man präsentiert sich mit dem Kriterium und hat eine Botschaft. Wie lautet sie? Ich bin gut, ich habe wen, doch ich habe noch Kapazität? Ich habe den Traditionen abgeschworen, die andern hinken hinter her?

Oder liege ich ganz daneben? Ich bitte um Aufklärung, wer hilft?