Thich Nhat Hanh: Im Hier und Jetzt zuhause sein

Innehalten und den Augenblick wahrnehmen

Wir sollten versuchen, eine neue Kultur zu schaffen, in deren Zentrum das Sein steht. […] Lebendig zu sein. Frieden zu sein, Freude zu sein, zu lieben. Das ist, was die Welt am dringendsten braucht.

Thich Nhat Hanh beschäftigt sich in seinem Buch Im Hier und Jetzt zuhause sein mit der Achtsamkeit dem Augenblick gegenüber. Wir verplanen unser Leben, eilen von Termin zu Termin, hechten Zielen hinterher und verpassen dabei das, was wirkliches Leben ist, das einzige, das wir haben: Das Leben im Hier und Jetzt. Alles, was wir erstreben ist noch nicht da, alles, was uns prägt in unseren Entscheidungen, Meinungen und Gefühlen, liegt bereits in der Vergangenheit und hängt uns nach.

Bevor wir aber lernen, wirklich zu sein, fehlt uns die wirkliche und objektive Grundlage für jegliches Tun, stattdessen tun wir etwas, um überhaupt tätig zu sein.

Und wenn wir die Kunst beherrschen, friedlich zu sein, stabil zu sein, dann haben wir die Grundlage für jedes Handeln geschaffen, denn Grundlage jedes Tuns ist, zu sein.

Innehalten und Achtsamkeit üben helfen, wirklich zu sehen, zu verstehen und zu erkennen – Friede und Glück werden daraus wachsen.

In kurzen aber tiefgründigen Texten lädt Thich Nhat Hanh den Leser ein, dem Leben auf den Grund zu gehen, wirklich hinzusehen, im Augenblick zu leben, ihn achtsam wahrzunehmen. Das Gewahrsein, das Wahrnehmen dessen, was ist, ohne es nach hergebrachten Mustern zu beurteilen und mit über Jahre eingeprägten Gefühlen darauf zu reagieren, lässt uns erst wirklich lebendig sein. Dann sind wir nicht mehr Opfer unserer Gedanken und auch nicht unseren Emotionen ausgeliefert. Auch Leiden gehört zum Leben, lässt es uns doch erst das Glück wirklich spüren.

Lassen wir unser Herz ganz weit werden, damit wir wahrnehmen können, dass die Bedingungen für unser Glücklichsein schon da sind und die Ungerechtigkeit, die Grausamkeit oder Gemeinheit nicht ausreichen werden, um unser Leben zu zerstören.

Fazit
Ein wunderbares, kleines, lehrreiches Buch; eines der Bücher, die man liest und viel für sich mitnimmt. Prädikat: Absolut empfehlenswert.

Thich Nhat Hanh
Thich Nhat Hanh, 1926 in Vietnam geboren, gehört als sozial engagierter buddhistischer Mönch und Zen-Meister zu den bedeutendsten spirituellen Lehrern der Gegenwart. Die schmerzhaften Erfahrungen des Vietnamkriegs haben sein Bewusstsein dafür gestärkt, wie die buddhistische Lehre und insbesondere die Entwicklung von Achtsamkeit dazu beitragen können, Konflikte zu lösen oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Thich Nhat Hanh lebt im Exil, seit ihm anlässlich einer Reise in die Vereinigten Staaten 1966 die Regierung von Südvietnam die Rückkehr in seine Heimat verweigerte. Er ist Autor zahlreicher Bücher und engagiert sich in der Friedensarbeit und Flüchtlingsbetreuung.

Angaben zum Buch:
ThichNhatHanhHierGebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Herder Verlag, 3. Auflage (9. Februar 2010)
ISBN: 978-3451071003
Preis: EUR: 8.90 ; CHF 14.30

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Hier im Dort

Alles schreit
und alles drückt,
alles fällt
und alles stirbt.

Was mal war,
ist längst nicht mehr.
Was mal war,
ist längst passé.

Drum lass uns ziehen,
lass uns geh’n.
Ferne Lande,
weit von hier.

Lass uns sehen
was noch geht,
lass uns fühlen,
was noch ist.

Wenn das Ende
ist gekommen,
gibt es nur
den Neuanfang.

Lass ihn packen,
lass uns träumen,
lass den Zauber
wirken nun.

Und so ziehen wir
wir brechen auf,
um im Dort
im Hier zu sein.

Die Liebe

Die Liebe
lässt sich nicht erfassen.
Sie ist da.
Einfach so.
Ich suche,
zu ergründen.
Such’ nach Argumenten,
Gründen.
Finde viel
und liste auf.
Und hab’ doch nie,
den Grund erfasst.

Die Liebe
ist einfach da.
Wie aus dem Nichts,
nicht festmachbar,
Ich will erklären,
will verstehen,
halte fest
und teile mit
– ich stecke fest.

Die Liebe
steht über dem Wort
und dem Verstand,
kennt keinen Grund
und kein Objekt.
Sie ist nur ein Sein
im Hier
und Jetzt.

Gestern, morgen, nur nicht heute

Das Gestern ist nicht mehr, das Morgen noch nicht hier. Alles, was du hast, ist das Heute.

So oder so ähnlich lernt man es in der östlichen Philosophie. Wie manche Yogastunde habe ich eingeleitet mit dem Spruch. Wie viele Meditationen drehten sich um das Hier und Jetzt als einzig lebbare Zeit. Der Sinn ist klar, seine Wahrheit offensichtlich. Ich kann nicht widerrufen, was war, ich kann es auch nicht nochmals leben. Ich kann nicht vorwegnehmen, was noch nicht ist, ich kann es nicht mal wirklich wissen, nur ahnen, spekulieren. Alles, was ich habe, ist das Heute. Nur im Hier und Jetzt kann ich wirklich etwas tun. Klar hat dieses Hier und Jetzt Folgen, die in die Zukunft reichen und sollte drum bedacht sein. Klar erwächst es aus etwas, das mal war, fusst also auf der Vergangenheit. Aber jetzt ist immer nur jetzt, es ist alles, was ich habe.

Gehe ich dann weg von der Yogamatte und hinein ins Leben, sind da plötzlich all die Ziele, all die Wünsche, all die Hoffnungen und all die Prognosen. Ich ertappe mich dabei, zu denken, dass ich glücklich bin, wenn nur erst die Woche um ist. Ich male mir den Freitag Abend, das Wochenende aus. Ich denke, dass alles einfacher wird, wenn nur erst mal etwas nicht mehr ist oder etwas anderes erreicht. In den buntesten Farben erscheint mir das angestrebte Ziel. Der Mensch in unglücklicher Beziehung sehnt sich deren Ende herbei und sieht dann die Zeit für Glück und Freiheit, der einsame Single sieht sich am Ziel seiner Träume, wenn er endlich das passende Gegenüber hat, welches natürlich immer perfekt  und in allen Belangen ideal ausgemalt wird. Bis es soweit ist, darbt man dahin, suhlt sich im Unglück, weil noch nicht ist, was sein sollte. Man macht alles davon abhängig und vergisst das Heute, welches man als Wartegleis definiert. Warten auf bessere Zeiten.

Was, wenn die besseren Zeiten nie kommen? Man hätte das Heute vergebens geopfert. Man hätte all das Gute und Schöne verachtet, weil man nur auf das Eine, das noch nicht ist, ausgerichtet war. Man war so versteift auf diese eine ausschlaggebende Veränderung, die einem ganz spezifischen Bedürfnis erwuchs, dass man alles andere ignorierte und das Bedürfnis selber und dessen Glückstauglichkeit gar nicht in Frage stellte.

Was, wenn es käme und man wäre noch immer nicht glücklich? Was, wenn das Glück beim Erreichen des Gewollten zwar da wäre, aber schnell auch wieder weg? Das Leben auf der Wartebank. Warten auf Godot, welcher hier  synonym für Glück verwendet wird. Es wird nie kommen, wenn man es nicht einfach jetzt packt.

Morgen, morgen, nur nicht heute…

Ein alter Spruch und doch so aktuell. Man bedenkt dabei nie, dass es morgen zu spät sein könnte.