Hans Rath – Nachgefragt

©Alexander Hörbe
©Alexander Hörbe

Hans Rath studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie in Bonn. Er lebt mit seiner Familie in Berlin, wo er unter anderem als Drehbuchautor tätig ist. Mit der Romantrilogie Man tut, was man kann, Da muss man durch und Was will man mehr hat Rath sich eine große Fangemeinde geschaffen. Zwei der Bücher wurden bereits fürs Kino verfilmt. Sein Roman Und Gott sprach: Wir müssen reden! ist ebenfalls ein Bestseller.

Hans Rath hat sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu beantworten:

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich bin in einer niederrheinischen Kleinstadt aufgewachsen und hätte dort nach dem Abitur eine Banklehre machen sollen. Zum Glück konnte ich mich diesem Plan meines Vaters durch ein Philosophiestudium entziehen. Das hat mich aber auch erst auf Umwegen dazu geführt, es als freier Autor zu versuchen. Heute lebe ich mit meiner Familie in Berlin.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

In der Tat wollte ich schon immer Autor werden. Wie zuvor angedeutet, hat mich aber niemand dazu ermutigt, es zu versuchen. Deshalb brauchte es einige Jahre, bis ich es dann doch riskiert habe.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Das kommt sehr auf den Einzelfall an. Handwerk ist in der Tat nicht ganz unwichtig, und es kann einem viel Zeit ersparen, es zu erlernen, statt es sich durch Ausprobieren anzueignen. Mein Weg war geprägt von dem Prinzip Versuch und Irrtum. Ich habe deshalb sehr viel geschrieben, darunter zwei komplette Romane, bevor mein erstes Buch veröffentlicht wurde. Aber auch diese Routineübung hat etwas für sich.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich recherchiere sehr viel. Leider ergibt sich meistens beim Schreiben, dass ich nichts davon verwenden kann. Ich plane meine Bücher außerdem, allerdings nicht zu detailliert, denn sonst würde ich mich beim Schreiben langweilen. Der Weg ist also vorgezeichnet, aber vieles ergibt sich auch auf der Reise.

Wann und wo schreiben Sie?

Vorzugsweise Zuhause und tagsüber. Wenn ich es vermeiden kann, verzichte ich auf Wochenendschichten. Leider gelingt mir das nicht immer. Nachtschichten mag ich überhaupt nicht. Früher war das anders, aber inzwischen bin ich wahrscheinlich einfach zu alt für solche Anstrengungen – ich merke übrigens, dass das inzwischen auch für Partys und ähnliches gilt.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Das ist nicht ganz einfach. Ich muss mich schon anstrengen, abzuschalten. Meine Frau und mein Sohn helfen mir dabei. Die fordern schlicht Zeit mit mir ein. Ich werde also glücklicherweise zum Entspannen gezwungen.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Ich bin in der glücklichen Lage, mit meinen Traumjob ein gutes Leben zu führen. Manchmal ist das sehr anstrengend, oft lassen sich Dinge nicht so planen, wie man es sich wünscht und hin und wieder ist der Druck, den jeder Job mit sich bringt, auch in einem Traumjob deutlich spürbar. Aber am Ende des Tages möchte ich definitiv mit niemandem tauschen.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist Ihre Sicht der Dinge?

Ich müsste Ihnen jetzt ein Loblied auf den Rowohlt-Verlag im allgemeinen und das Rowohlt-Imprint „Wunderlich“ im besonderen singen, da ich mich dort bestens betreut und aufgehoben fühle. Die Probleme der Branche sehe ich natürlich, dennoch halte ich nicht viel davon, ständig das System für alle möglichen Missstände verantwortlich zu machen. Ich persönlich versuche, meine Energie anders einzusetzen.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Keine Ahnung. Ich habe keine Rituale, um meine inneren Quellen anzuzapfen, falls Sie das meinen. Allerdings gibt es auch fast nichts, was mich nicht interessiert. Vielleicht bringt es mich auf Ideen, wenn ich nicht gezielt nach Ihnen suche.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Hans Rath steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Ich glaube, dass ein Autor alle seine Figuren auf irgendeine Art mögen sollte. Deshalb habe ich Verbindungen zu allen Charakteren und keine spezielle Identifiaktionsfigur. Was den autobiographischen Anteil betrifft, so ist dass einerseits von Buch zu Buch verschieden und andererseits schwierig in Zahlen auszudrücken. Vom Gefühl her würde ich aber sagen, Fiktion und Realität halten sich insgesamt in etwa die Waage.

Ihr letztes Buch handelte von Gott, nun kam mit Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch der Teufel ins Spiel. Was macht diese beiden Figuren spannend?

Gott und der Teufel stehen für den ältesten Konflikt der Menschheitsgeschichte. Und obwohl die Welt täglich komplizierter und undurchschaubarer wird, scheint das simple Prinzip von Gut und Böse sich nicht abzunutzen. Im Gegenteil. Ich stelle fest, das, sich schwierige Strukturen am Ende oft als simpler Dualismus entpuppen.

Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch ist eine moderne Form der Faustsage. Was reizte Sie an dem Stoff?

Ich finde, wenn man den Fernseher einschaltet, wird man schneller von der Existenz des Teufels überzeugt, als von der Gegenwart Gottes. Außerdem scheint auf den entfesselten Märkten nur wenig zu existieren, das nicht käuflich ist. Die Frage nach dem Teufel und der Käuflichkeit der Seele liegt also nahe. Der moderne Mensch hält sich gern für unbestechlich und autark, im Grunde sind aber nur die Methoden der Verführung subtiler geworden.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Nein. Nicht zwangsläufig. Ich glaube, jeder Autor hat eine politische Verantwortung, aber die muss sich nicht darin äußern, dass man sich ständig zum Weltgeschehen meldet. Ich finde es im Gegenteil manchmal schwierig, wenn man den Eindruck gewinnt, dass bei manchen Autoren die politische Haltung zu einem Teil des Marketings geworden ist.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Och, nicht viel. Hinreißende Charaktere, eine grandiose Story, ein perfektes Erzähltempo, stilistische Brillanz und ein fantastischer Humor reichen schon.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Sehr viele, obendrein müsste ich noch eine Menge Filme aufzählen. Allerdings kann ich kein für mich ultimativ wichtigstes Kunstwerk nennen. Ich finde, es sind Momente, die Bücher oder Filme für einen persönlich wichtig machen. Deshalb tue ich mich auch immer schwer mit Hitlisten. Vielleicht soviel: Ich mochte den neuen Don Winslow, „Missing New York“ und halte viel von David Nicholls, weiß aber noch nicht, ob sein neuestes Buch auf meinem Nachtisch landen wird. Und wenn ich demnächst ins Kino gehe, dann wegen Liam Neeson oder wegen Denzel Washington.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Ich gebe angehenden Schriftstellern nur sehr ungern Tipps, weil es dafür Verlage, Agenten oder auch Schreibseminare gibt. Aber soviel: Wenn man schreiben will, dann ist es das Wichtigste, das auch zu tun. Ich kenne nicht wenige Leute, die von ihren Buchideen schwärmen, aber noch nie eine Zeile der betreffenden Story zu Papier gebracht haben. Deshalb ist das meiner Ansicht nach die wichtigste Regel: Wer wirklich schreiben will, der muss schlicht damit anfangen. Alles weitere wird sich dann finden.

Herzlichen Dank für diesen humorvollen, persönlichen und informativen Einblick!

Rolf von Siebenthal – Nachgefragt

Rolf_von_SiebenthalRolf von Siebenthal, Jahrgang 1961, ist ausgebildeter Sprachlehrer. Er arbeitete viele Jahre bei einer Tageszeitung und im Schweizer Verkehrsministerium, heute ist er selbstständiger Journalist und Texter. Er lebt mit seiner Familie in der Nordwestschweiz. Von ihm erschienen sind die beiden Kriminalromane Schachzug (2013) und Höllenfeuer (2014).

Rolf von Siebenthal hat sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu seinem Schreiben und seinen Romanen zu beantworten, worüber ich mich sehr freue.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich habe Jahrgang 61 und bin ausgebildeter Sprachlehrer, arbeitete lange bei einer Tageszeitung und ein paar Jahre im Bundesamt für Verkehr. Heute bin ich selbstständiger Journalist und Texter.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Das Schreiben fällt mir ziemlich leicht, Schriftsteller wollte ich nie werden. Auch heute noch betrachte ich mich eher als Journalist denn als Autor.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

In den 14 Jahren bei einer Tageszeitung habe ich meinen Schreibstil ständig verbessern können. Doch mit dem ersten Krimi tat ich mich schwer. Deswegen habe ich tatsächlich einen einwöchigen Schreibkurs in Norddeutschland besucht. Dort haben mir erfahrene Kursleiter geholfen, meine Stärken und Schwächen zu erkennen. Für mich hat sich das sehr gelohnt.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Bei „Schachzug“ probierte ich vieles aus, änderte, korrigierte, löschte – und fluchte. Bei „Höllenfeuer“ hatte ich von Anfang an einen ziemlich genauen Plot, an den ich mich dann auch hielt. Das ist für mich die bessere Variante.

Wann und wo schreiben Sie?

Früh am Morgen, der Ort spielt keine Rolle.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Ich kann einen Text zur Seite legen und mich mit anderen Dingen beschäftigen. Wenn ich aber am Schreiben bin, kreisen die Gedanken ständig um die Geschichte.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Journalist passt besser zu mir als Schriftsteller. Schreiben ist für mich ein Hobby, keine Berufung. Am Anfang hat mir das Krimischreiben keinen grossen Spass gemacht, meine Texte waren miserabel. Es hat zwei bis drei Jahre gedauert, bis ich meinen Stil gefunden hatte. Doch noch immer betrachte ich mich als Lehrling. Mit der Erfahrung nimmt auch die Freude zu.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Ich habe eine Agentin in Berlin. Für mich ist sie ein Glücksfall, weil sie mir die Suche nach einem Verlag und die anschliessenden Verhandlungen abgenommen hat. Leider kann sie nichts daran ändern, dass sich mit Büchern kaum Geld verdienen lässt.

Sie wohnen in der Schweiz, schreiben meist über Schweizer Schauplätze. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Literaturszene. Wie sehen Sie Ihre Stellung innerhalb des deutschsprachigen Raums? Sehen Sie sich im Nachteil als Schweizer, gibt es Vorteile oder ist das irrelevant?

Mein deutscher Verlag gibt sogenannte „Regionalkrimis“ heraus. Er schätzt es sehr, wenn die Schweiz in meinen Texten klar zum Vorschein kommt. Von deutschen Lesern höre ich das ebenfalls. Ansonsten könnten meine Geschichten aber überall spielen.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Häufig verstecken sich Geschichten in Gemeindeblättern, Vereinsheften, Anzeigern. Ich lese alles, was mir in die Finger kommt. Dann stelle ich mir immer die Frage: Was wäre, wenn? Ein Beispiel: Kürzlich hat der Gemeindepräsident von Wintersingen (BL) bei Grabungen in seinem Garten Knochen gefunden. Später stellte sich heraus, dass sie von einem jungen Mann stammen, der vor über 100 Jahren starb. Aber was wäre, wenn die Knochen nur 10 oder 20 Jahre alt wären?

Am Anfang von „Höllenfeuer“ standen die Serien, die alle Zeitungen in der Sommerflaute bringen. Ein beliebtes Thema sind jeweils „Ungelöste Kriminalfälle“.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Rolf von Siebenthal steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Nein, ich identifizeire mich nicht mit den Figuren. Beim Journalisten Bollag spielt meine Berufserfahrung natürlich eine Rolle. Ich weiss aber nicht in jeder Situation, wie er reagieren würde. Das ist immer eine Annäherung und gilt auch für die anderen Figuren. Froh bin ich über Rückmeldungen von Testlesern, die eine Figur möglicherweise anders einschätzen.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Es ist das, was ich selber gerne lese.

Ihr Krimi Höllenfeuer bewegt sich zwischen politischen und privaten Themen, vereint komplizierte Liebesgeschichten und Geschäftsbeziehungen, verknüpft alte und neue Fälle. Was reizt Sie an der Verbindung dieser verschiedenen Ebenen, am Knüpfen solcher komplexer Netze?

Beschreibungen von Menschen, Landschaften, Mittagessen etc. sind nicht meine Stärke. Meine Krimis leben vom Plot, es muss viel passieren. Deswegen stecke ich viel Zeit in die Planung. Danach fällt mit das Schreiben viel leichter.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Nein. Wenn sich ein Autor äussern will, finde ich es in Ordnung. Aber hört ihm auch jemand zu?

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Tempo, Spannung, interressante Charaktere und eine abwechslungsreiche Geschichte.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Mir gefallen angelsächsische Autoren wie Michael Connelly oder Ian Rankin gut. Die haben Tempo, gute Plots und eine schöne Sprache.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Viel lesen und schreiben, die eigenen Stärken und Schwächen suchen, Texte den Stärken und Schwächen anpassen, Kritik nicht persönlich nehmen. Und nur schreiben, was man selber gerne lesen möchte.

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview!

Schreibübung – 2. Teil

Einfach drauf losschreiben hiess es. So gehe diese Schreibübung. Sie muss es ja wissen schliesslich hat sie schon 18 Romane geschrieben, ich keinen. Was masse ich es mir also an, ihren Rat zu hinterfragen, wie ich ja immer alles hinterfrage und dabei zu hören kriege, ich solle damit aufhören, alles zu hinterfragen, da dies erstens mühsam sei für die anderen und ich mich dabei selber blockiere. Zudem sei das Leben viel einfacher, wenn man sich nicht immer hinterfrage, sondern einfach mal lebe.

Einfach mal leben. Ja, das wäre schön. Doch um einfach mal zu leben, müsste man ja wissen, was es heisst zu leben, wie dieses einfach mal leben aussehen müsste. Erst dann könnte man es ja tun. Aber vermutlich gibt es Menschen, die leben einfach drauf los, wie die besagte Schreiblehrerin meinte, wir sollten drauflos schreiben. Und die, die einfach leben, haben also wohl ein Leben, wie diese Schreiblehrerin einen Roman hat, ich habe keines – und auch keinen Roman. Schreiben scheint wie leben zu sein. Dabei behauptete ich immer, mein Schreiben sei mein Leben. Wie aber kann mein Schreiben mein Leben sein, wenn ich nichts (zumindest nichts langes, sonstiges schreib ich ja ständig) schreibe und auch nicht lebe? Vielleicht ist mein Nichtschreiben mein Nichtleben und schreiben und leben unterliegen mathematischen Grundzügen, so dass Minus plus Minus Plus ergeben und damit die beiden „Nicht“ zu streichen sind und daraus Schreiben = Leben entsteht. Das ganze Leben ist kein Spiel, das ganze Leben ist pure Mathematik. Und das Schreiben auch. Nun ist aber bei der Mathematik auch nicht gleich das Ergebnis da und ich kann auch nicht wahllos und gedankenlos, ohne Plan, Formel und Vorwissen, Zahlen aneinanderreihen, um ein Ergebnis zu kriegen. Wäre dem so, wäre ich ein verkanntes Mathegenie, denn das hätte ich perfekt gekonnt. Wobei ich ja gestehen muss, dass ich Mathe mochte, weil sie so schön logisch war, ich sie verstand und damit klar kam. Viel besser eigentlich als mit dem Leben. Oder dem Schreiben. Wieso also bin ich nicht Mathematiker geworden? Ich hätte meiner Lebtage lang Zahlen aneinander reihen können, nicht wahllos, sondern mit System. Hätte mich mit logischen Abfolgen beschäftigt und nicht mit so undurchdringlichen, abgehobenen, undefinierbaren Dingen wie dem Leben und dem Schreiben. Damit wäre ich klar gekommen. Da hätte mir auch keiner gesagt: Mach einfach mal, lass das Denken sein, schreib einfach, was dir grad in den Sinn kommt. Zwei und zwei darf auch mal fünf ergeben. Kein Ding. Niemand weiss es so genau. Das wäre schön gewesen. Aber nein. Ich habe es nicht gemacht. Wäre ja zu einfach gewesen und ich ging noch nie den einfachen Weg.

Ich merke grad, ich hätte mal einen Absatz machen müssen. Das hätte den Text lesbarer gemacht. Da ich aber – auch das eine Vorgabe der Übung – nicht korrigieren darf lass ich es nun stehen. Ich habe aber die groben Tippfehler, ich gebe es zu, immer wieder verbessert, da es sonst zu peinlich wäre nur schon für meinen inneren Kritiker, geschweige denn vor einem etwaigen Leser – doch wer wollte das überhaupt lesen, ist es doch nur so ein gedankenloses Schreiben einer Schreibtante über ihr Schreiben – oder eben Nichtschreiben – und ihr Leben – oder eben Nichtleben –, die durch zwei „Nicht“ doch wieder „Doch“ werden und sich dadurch als Mathematik entlarven, obwohl sie jeglicher mathematischen Einfachheit und Logik widersprechen – sehr zum Leidwesen der armen Schreiberin, die sich so sehr nach Klarheit, Sicherheit und allem schönen Einfachen sehnte.

Ich merke grad so beim Schreiben, dass meine Sätze doch sehr lang sind. Da ich nicht nur nicht (diese beiden nicht heben sich nicht auf, da sie anderen Umständen zugehören – also sie sind nicht schwanger, aber… ach, egal) korrigieren darf, sondern auch nicht nochmals lesen, was ich geschrieben habe, sind lange Sätze enorm ungünstig, da ich plötzlich nicht mehr sicher bin, ob ich nun wirklich schon ein Prädikat im Satz hatte oder das erst am Schluss bringen wollte, ob ich das Subjekt noch richtig im Kopf habe oder ganz wo anders begonnen habe, als ich nun ende. Nun denn, sei’s drum, wird schon stimmen und wenn nicht hat es vielleicht der eventuell vorhandene Leser auch nicht gemerkt und liest fröhlich (oder schon verzweifelt?) weiter, was denn nun noch so kommt.

Die tägliche Übung soll 20 Minuten betragen. Ich habe mittlerweile… oh, ich habe nun vergessen, ob ich um Viertel nach begonnen habe oder aber später, auf alle Fälle scheine ich so gegen 10 Minuten zu haben. Fehlen also noch 10. Wem es bis hier schon zu viel wurde, der sollte besser zu lesen aufhören, denn ich kann nicht garantieren, dass das noch besser wird, da ich ja nicht vorgängig einen Plot, einen Ablauf schreiben durfte. Das hat mich, als mir das die Schreiblehrerin sagte, sehr erstaunt, habe ich doch viel Zeit darauf verwendet, Schreibprozesse anderer (nicht dass ich einer wäre) Schriftsteller zu analysieren (ich habe ja sogar drüber geschrieben – das aber klar strukturiert, wie ich es mag), und kam immer zu dem Ergebnis: Die planen sehr genau, was sie schreiben. Meistens jedenfalls. Thomas Mann hat Monate, teilweise Jahre damit verbracht, Recherche zu betreiben, Figuren zu entwerfen, Schauplätze, Geschichten zu strukturieren, auszumalen, vorzuzeichnen.

Vorzeichnen müsste man vor dem Ausmalen. Normalerweise würde ich das nun umdrehen, aber ich darf ja nicht. Ich habe mal alle meine Interviews mit Autoren durchgelesen, denen ich ja allen die Frage gestellt habe, wie sie denn schreiben. Meine Schreibautorin, die ich auch interviewt hatte, hat schon im Interview ihre Methode verraten. Ich hätte es wissen müssen. Praktisch alle anderen machen es anders. Ok, nicht ganz alle. Nun könnte ich ja einfach sagen, ach, pfeif drauf, wenn andere recherchieren, dann kann ich auch, sie macht es anders, ich bin anders als sie, ergo: Ich mach, was ich will. Punkt. Nur: Sie hat schon Romane geschrieben, ich nicht. Zudem schreibe ich meinen Blog nach genau dem Prinzip, das sie propagiert. Ich denke nicht nach, ich schreibe. Mir kommt eine Idee, ein Thema in den Sinn und ich schreibe drauf los. Das scheint also durchaus meine Schreibmethode zu sein. Aber damit schreibe ich immer nur kurze Texte, so ein Roman sollte ja irgendwo hin führen. Der sollte auf dem Weg dahin nicht einfach nur im Kreis drehen wie nun auch dieser Text schon wieder.

Über mir ist eine Linie grün unterstrichen. Es scheint also passiert zu sein. Ich möchte nachlesen, was ich falsch gemacht habe, doch ich darf nicht. Ich möchte es korrigieren, aber ich kann nicht, weil ich es nicht nochmals lesen darf, und ich könnte auch nicht, wenn ich es wüsste, weil ich es ja nicht darf.

Wieso bin ich eigentlich so folgsam? Mein Papa meinte doch immer, ich mache eh immer das Gegenteil davon, was man mir rät. Also müsste ich doch nun frisch fröhlich in die Recherche stürzen und ihr eine lange Nase zeigen. Aber nein, ich schreibe seit nunmehr 15 Minuten wohl (noch 5 Minuten wollen geschrieben sein) wild auf meiner Tastatur rum, sehe schwarze Zeichen auf dem weissen Blatt erscheinen, sehe nun eine rote Linie unter einem Wort, was bedeutet, dass ich wohl was falsch geschrieben habe. Vielleicht ist es wieder nur die doofe Autokorrektur, die mein Schweizer ss in ein ß verwandeln will, was ich aber nicht tun will, weil ich ja Schweizerin bin und bleibe, auch wenn meine Korrektur das nicht mag. Das ist wie mit dem Akzent beim Reden. Ich könnte den wohl wegkriegen, aber irgendwie ist mir gar nicht danach. Wozu denn? Damit mich keiner mehr als Schweizer erkennt? Ist das erstrebenswert? Sooo schlimm sind wir ja auch nicht. Gut, diese fast schon penetrant erscheinenden Schweizer Akzente, die man ab und an im Fernsehen bei unseren Politikern hört, die müssen auch nicht sein, da halte ich es mit Paracelsus: Alles mit Massen – wobei ich schon auch masslos sein kann bei Dingen, die ich wirklich will, weil ich sie will, und von denen ich viel will, weil sie so toll und wollenswert sind.

Das Wort wollenswert scheint es nicht zu geben. Es ist rot unterstrichen. Schade eigentlich, es gefällt mir. Ich lasse es stehen – haha, Witz gewesen, ich dürfte es ja gar nicht ändern. Aber ich würde es auch sonst stehen lassen, denn es ist ein wollenswertes Wort, das es ausdrückt, was es darstellt. Das Gewollte ist wert, gewollt zu werden, da es eben so ist, wie es ist und damit wertvoll genug, es zu wollen. Der Wille zu wollen ist damit nicht mehr zu hinterfragen und da ich sonst alles hinterfrage, könnte man sagen, dass alles, was wollenswert ist, eben dem Hinterfragen entkommt, weil es sich durch seine Wollenswertigkeit dem Hinterfragen entzieht.

Da ich also weiss, dass ich schreiben will, da ich das schreiben als wertvoll erachte für mich und mein Leben, das ich als ein schreibendes Leben erachte und will, ist das Schreiben für mich wollenswert und damit könnte ich aufhören, es zu hinterfragen. Mensch, ich habe mich grad selbst ausgetrickst. Worüber schreibe ich denn nun morgen, wenn ich das nun geklärt habe? Ist das der Punkt, an dem das Leben und all seine Fragen geklärt sind und ich wie der Held im Märchen glücklich bis ans Lebensende da sitze und schreibe? Ok, nein, das wird nicht so sein, denn ich weiss nun erst, dass ich schreiben will und das nicht mehr hinterfragen muss (ok, wusste ich auch schon vorher), aber wie weiss ich immer noch nicht. Hat sie nun recht? Oder nicht? Ich merke grad, ich habe zu oft „nun“ geschrieben. Wieso kommt mir das ausgerechnet jetzt in den Sinn?

Ich bin ein schreibender Mensch

Angeregt durch die Schweizer Autorin Milena Moser machte ich heute eine Schreibübung. 45 Minuten schreiben ohne nachzudenken, ohne Korrektur, ohne Plan, Konzept oder anderen leitenden Vorstellungen. Das Resultat war folgendes (immer noch unkorrigiert – die Korrektorin in mir schreit laut -, immer noch unlektoriert – die Lektorin in mir sieht viel Verbesserungswürdiges):

 

Der Wecker, also eigentlich das iPhone, fing zu singen an. Eigentlich war es nicht mal das iPhone, sondern Shirley Bassey, die Suddenly sang. Und genau so suddenly war ich wach, zumindest in der Vorstufe von wach, in der ich mich jeden Morgen fragte, ob ich mich nicht einfach nochmals umdrehen könnte, weiter schlafen. Ich machte mir diese Gedanken täglich und wusste immer schon beim Denken, dass ich beim letzten Wort des Gedankens aufstehen würde und den Tag starten. Im immer selben Morgentrott würde ich ins Bad laufen – wobei laufen noch sehr übertrieben war, schlurfen träfe es besser und mangels wirklich wachem Blick war es wohl sogar eher ein Tasten.

Jeder Tag war gleich. Nach der Badroutine folgte der Gang zur Kaffeemaschine, mit einem Kaffee ginge ich weiter, setzte mich mit Buch, Notizbuch oder Computer (wenigstens da schien eine kleine Variation möglich) hin und fing zu lesen oder schreiben an.

Das klingt nach Klage, ist es aber nicht, ich will es so. Gefragt nach meinem Wunschleben, wäre es genau das: schreiben, lesen, schreiben, lesen. Und doch überkommt mich immer wieder der Zweifel, ob das wirklich alles sein könne. Ich schimpfe mit mir, dass das kein normales Leben sei, man doch etwas Anständiges, etwas Sinnvolles tun müsse, wie Leben retten, in Kriegsgebiete gehen und den armen Kindern helfen. Ich las nicht mal die Zeitung, um zu wissen, was mit diesen armen Kindern passierte. Ich war nicht informiert über den Gang der Welt.

Am Schlimmsten waren die Selbstzweifel, wenn ich gefragt wurde, was ich denn täte. „Schreiben.“ Der Blick darauf war immer derselbe, gefolgt von Schweigen, dann von der Frage: „Kann man davon leben?“ Ich hasse die Frage nach meinen Tun, weil alle daraus ableiten, wer ich bin. Und ich bin niemand, wenn ich nichts tue, wovon denken, dass ich es tun sollte, weil man schliesslich täte, was sie als tunwert erachten.

Letzthin fragte mich wieder jemand, ob ich davon leben könne und ich antwortete nur, dass ich bislang nicht verhungert sei, er mir aber gerne ein Fresspaket schicken könne, wenn er sich sorge. Darauf war Stille. Es kam noch ein halbherziger Versuch seinerseits, man könne ja mal essen gehen, worauf ich keine Lust hatte, was ich aber nicht sagte, nagte doch in mir die nach aussen abgeschmetterte Frage: „Was machst du?“

Dabei interessiert kaum je, was man wirklich tut oder gerne tut, meist nur, womit man Geld verdient und davon bitte viel, da man nur damit jemand ist in dieser Welt. Es gibt zwar immer mehr Gegenbewegungen, die auf Sein statt Haben setzten. Von Revolution und Umdenken ist die Rede. Die Parolen werden in die Welt geschrien, als ob die Lautstärke für mehr Wahrheit stünde.

Vielleicht hatten ja alle recht. Suddenly kam mir diese Eingebung. Ich sollte etwas Richtiges tun, etwas Weltbewegendes. Ich könnte nochmals studieren, dieses Mal etwas sinnvolles, nicht brotlose Kunst, bei der mich jeder fragt, was man damit mal anfangen könnte, was ich denn mal sein möchte, wenn ich denn endlich mal fertig sei mit dem Studium. So ein Studium, das taugt, Juristerei zum Beispiel. Später würde ich als Anwalt all die armen Menschen vertreten, denen Unrecht geschehen ist, wobei die, wenn sie arm sind, nicht zahlen könnten. Wovon sollte ich dann leben? Vermutlich würde mich das dann aber keiner mehr fragen. Zudem wollte ich gar nicht mehr studieren, eigentlich war ich doch einfach nur so unsäglich müde von allem. Müde vom ständigen mich fragen, was ich überhaupt tun soll, damit ich die Fragen beantworten könnte danach, was ich denn täte, ohne ständig zu denken, dass die nun denken, was ich eigentlich täte und mir dabei dächte, dass das gar nicht – so wirklich überhaupt nicht – ginge, was ich tat. Das tat man nicht, schon gar nicht als Beruf.

Die Gedanken waren nicht wirklich dazu gut, wacher zu werden, und ich verfluchte Shirley Bassey, dass sie mich in den Tag gesungen hatte. Ich verfluchte mich, dass ich sie nicht einfach mal ignorieren konnte, und ich verfluchte die Welt, die mir solche Fragen stellte, auf die ich keine Antworten hatte, zumindest keine, die sie hörten wollte, keine, die mich in ihren Augen cool machten, zu einem Gewinner.

Ich war immer noch müde, aber es half nichts, ich musste nun starten als die, die ich war, mit dem, was ich tat, weil es das einzige war, was ich tun konnte. Ich klappte den Computer auf, das weisse Blatte leuchtete mir schon erwartungsvoll entgegen, es schrie förmlich: „Beschreib mich!“ Und ich fing zu schreiben an:

 

[…hier stand ein Text einer Romanidee, die ich wirklich noch verfolge, drum löschte ich die hier nun… man darf gespannt sein, vielleicht gibt es das mal als Buch…who knows 😉]

 

Und ich wollte schreiben? Wenn mir nur solcher Mist in den Sinn kommt? Das ging ja wirklich nicht. Ich sollte doch mal ernsthaft über die Bücher und überlegen, was es sonst noch gäbe. Ich könnte zur Polizei – Freund und Helfer werden. Vielleicht erhielte ich da auch Ideen für einen Krimi. Oder ich ginge nach Afrika und hälfe (was ist eigentlich der Konjunktiv von helfen? Hülfe? Nein, hälfe, wobei das alles fürchterlich klingt, aber es muss wohl nicht schön klingen, es muss nur korrekt sein. Ich war mir immer noch nicht sicher). Vielleicht lernte ich in Afrika auch endlich den Mann meiner Träume kennen und suddenly wäre mein Leben aus den Angeln gehoben und aus der ideenlosen Schreibtante wäre eine Menschenretterin mit Traummann an ihrer Seite geworden. Ich könnte über die Geschichte ein Buch schreiben und es würde verfilmt mit Julia Roberts in der Hauptrolle. Nicht, dass ich so aussehe wie sie, aber wenn ich schon träume….

 

Michael Herzig – Nachgefragt

Michael Herzig

herzigmichaelMichael Herzig wird1965 in Bern geboren. Nach der Matur arbeitet er als Musikjournalist und Schallplattenverkäufer, träumt von einem Leben als Rockstar – ein Traum, der nicht in Erfüllung geht. 1998 bis 2014 arbeitet Michael Herzig im Sozialbereich und leitet u.a. niederschwellige, sozialmedizinische Einrichtungen für Drogen- und Alkoholabhängige, psychisch Kranke, Langzeitarbeitslose und Sexarbeiterinnen. 2007 veröffentlicht Michael Herzig seinen ersten Kriminalroman, danach folgen Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien und Zeitschriften sowie weitere Krimis. Für Töte deinen Nächsten erhält er die mit 10’000 Franken dotierte Zürcher Auszeichnung für herausragende literarische Neuerscheinungen. Im Grafit Verlag Dortmund sind von Michael Herzig bislang vier Romane mit der ebenso eigenwilligen wie leidenschaftlichen Stadtpolizistin Johanna di Napoli erschienen: Saubere Wäsche (2007), Die Stunde der Töchter (2009), Töte deinen Nächsten (2012), Frauen hassen (2014). Michael Herzig lebt in Zürich.

Michael Herzig hat sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu beantworten:

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich bin jemand mit vielen Interessen und arbeite sowohl gerne strukturiert betriebswirtschaftlich als auch kreativ chaotisch. Darum gehe ich diversen Beschäftigungen nach.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Mit Schreiben habe ich als Teenager begonnen. Damals habe ich vor allem amerikanische und französische Autoren der fünfziger bis siebziger Jahre verschlungen, die Beat Generation und die Existentialisten beispielsweise. Zusammen mit Punkrock hat mich das animiert, düstere und gewalttätige Kurzgeschichten zu schreiben. Einige dieser Texte habe ich 20 Jahre später in meine Krimis eingebaut.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

So simpel es klingt: mein Deutschlehrer war eine wichtige Motivationsquelle. Nach der Schule habe ich journalistische Erfahrung gesammelt und später in einer Weiterbildung die PR-Schreibe erlernt. Nur kreatives Schreiben habe ich nie gelernt. Mein Rezept: lesen, lesen, lesen.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich beginne strukturiert und höre chaotisch auf. Am Anfang steht eine Idee, anschliessend folgen in einem iterativen Prozess Recherche, Figuren und Plot. Beim Schreiben kommen mir dann meistens bessere Ideen, weshalb ich dreiviertel der Vorbereitung wieder über den Haufen werfe.

Wann und wo schreiben Sie?

Am liebsten unter einem Baum in einem blumigen Garten. Aber es geht auch im Zug oder in einem Wartezimmer.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Wie andere auch: mit Lesen, Musik, gutem Essen, Liebe oder was auch immer.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Für mich ist Autor kein Status, an dem ich hänge. Ich schreibe, weil ich den kreativen Prozess liebe. Das Drum und Dran interessiert mich weniger. Aber stehe ich natürlich vor demselben Berg, wie alle anderen auch.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Ich habe vor allem mit dem Grafit Verlag in Dortmund zu tun, der mir keinen Grund gibt, zu jammern. Aber ich kriege schon mit, wie die Verlage kämpfen. Das Geschäft wird in den nächsten Jahren noch härter werden.

Sie wohnen in der Schweiz, ihre Romane spielen hauptsächlich an Schweizer Schauplätzen (mit Einsätzen im Ausland), die Figuren sind Schweizer. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Literaturszene. Wie sehen Sie Ihre Stellung innerhalb des deutschsprachigen Raums? Sehen Sie sich im Nachteil als Schweizer, gibt es Vorteile oder ist das irrelevant?

Es ist ein kleiner Markt, in dem nur extrem wenige Autorinnen und Autoren vom Schreiben leben können. Darum bin ich froh, dass ich einen deutschen Verlag habe. In der Liga, in der ich spiele, würde ich sonst ausserhalb der Schweiz kaum wahrgenommen, vielleicht nicht einmal ausserhalb Zürichs.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Ich lasse mich von gesellschaftlichen und politischen Themen leiten, z.B. habe ich in „Töte deinen Nächsten“ die schweizerische Deutschenfeindlichkeit in einen Krimiplot gepackt und in der Kurzgeschichte „Tschingg“ die italienische Immigration in die Innerschweiz der Siebzigerjahre. Schreiben ist meine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, bloss für die Galerie mache ich das nicht.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Michael Herzig steckt in ihrer Geschichte? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Es ist immer eine Frage der Selbstreflexion. Aus der Verarbeitung eigener Erfahrungen ist schon manches spannende Buch entstanden. Fehlende Distanz des Autoren oder der Autorin zu sich selbst endet in narzisstischer Selbstdarstellung, was selten interessant ist und häufig bloss peinlich.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Es ist ein soziologisches Interesse: Wenn Verbrechen geschehen, funktionieren die Gesellschaft schlecht. Diese Disfunktionalitäten sind spannend und die kann man mit Krimis wunderbar ausleuchten.

Frauen hassen spielt in der Rockerszene, des weiteren sind sie sehr nah an ihren Figuren dran – diese nehmen einen grossen Platz ein im Buch -, schildern die Atmosphäre im Polizeidienst. Wie recherchieren sie in den einzelnen Umfeldern?

Die Polizei kenne ich aus eigener beruflichen Erfahrung, andere Milieus recherchiere ich vor allem über Videos im Internet und wenn möglich über teilnehmende Beobachtung. Da ich sehr visuell funktioniere, bevorzuge ich Filme als Informationsquelle einem Buch oder Artikel. Nur bei den Rockern war das anders, da war ein wichtiger Teil meiner Recherche die Lektüre eines amerikanischen Ermittlers, der die Hells Angels unterwandert hat.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Jede öffentliche Äusserung ist letztlich politisch. Die Frage ist bloss, wie bewusst ein Autor oder eine Autorin sich dessen ist.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Tempo und Esprit. Wenn die Form überzeugt, finde ich die Geschichte zwar nicht irrelevant, aber doch weniger wichtig.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Ian Rankin, A.L. Kennedy, Sarah Gran, Cormac McCarthy, Charles Bukowski, Friedrich Glauser

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Sorry, da muss ich passen. Ich bin selbst noch viel zu unerfahren, als dass ich anderen Tipps geben kann. Höchstens: Leidenschaft muss der Antrieb sein und Herzblut das Benzin.

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview!

Peter Beck – Nachgefragt

Peter Beck

BeckPeterPeter Beck wurde 1966 geboren und studierte in Bern Psychologie, Wirtschaft und Philosophie, doktorierte in Psychologie und machte einen MBA in Manchester. Er trägt im Judo den schwarzen Gürtel, war Geschäftsleitungsmitglied eines Großunternehmens und in mehreren Verwaltungsräten. Heute ist Peter Beck sein eigener Chef und unterstützt Organisationen bei der Gestaltung der Unternehmenskultur.

Mehr zu Peter Beck unter www.peter-beck.net

Peter Beck hat sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu seinem Schreiben und seinem Roman Söldner des Geldes zu beantworten.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Meine Biographie ist ziemlich langweilig. Auf die Welt gekommen bin ich 1966 in Bern und soweit ich mich erinnern kann, hatte ich eine glückliche Kindheit.

Dann studierte ich Psychologie, Wirtschaft und Philosophie, doktorierte in Psychologie und machte einen MBA in Manchester. Dort lernte ich auch meine Lebenspartnerin kennen. Anschliessend arbeitete ich für ein grosses Unternehmen, war dort in der Geschäftsleitung und in mehreren Verwaltungsräten.

Heute geniesse ich es, mein eigener Chef zu sein. Wir unterstützten Organisationen bei der Gestaltung und Weiterentwicklung ihrer Unternehmenskultur.

Daneben versuche ich regelmässig Sport zu machen und in spannenden Ländern zu reisen. Die meisten Handlungsorte meines ersten Thrillers Söldner des Geldes habe ich selber bereist.

 

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Schreiben tue ich schon seit der Kindheit gerne und es ist mir eigentlich immer leicht gefallen. Söldner des Geldes war ein persönliches Projekt, das ich zwischen meiner Anstellung und meiner Selbständigkeit umsetzen konnte. Solche Gelegenheiten muss man packen.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Ich hatte immer gute Lehrer, aber zu einem Schreibkurs bin ich bis jetzt nicht gekommen. Für mich ist Schreiben tatsächlich vor allem Handwerk. Mit jedem Satz schlägt man einen Nagel ein. Anfangs hat man einen rohen Entwurf, überarbeitet diesen immer wieder und macht den Satz, den Text mit jedem Schritt ein bisschen besser. Hoffentlich!

 

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Der Weg beim Schreiben ist bei mir sicher nicht linear, sondern ziemlich verschlungen. Der Geist ist schliesslich frei.

Für Söldner des Geldes hatte ich die grobe Idee und einige Schlüsselszenen im Kopf. Dann habe ich angefangen die Geschichte abzuarbeiten, hier ein wenig ausgeschmückt, dort eine falsche Spur gelegt, schweren Herzen ein paar Kapitel gestrichen.

Die knapp 500 Seiten des Thrillers habe ich dann mehrmals vollständig durchgeknetet. Am schwierigsten war das Streichen liebgewordener aber unnötiger Stellen. Mein oberstes Gebot war und ist die Spannung für den Leser hoch zu halten, schliesslich bezahlt er für die Lektüre.

 

Wann und wo schreiben Sie?

Am besten schreibt es sich für mich am Morgen an meinem Pult. Dann ist es ruhig, der Kopf noch frei, und ich kann der Fantasie freien Lauf lassen.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Abschalten tue ich am besten beim Sport oder in der Badewanne. Aber natürlich halte ich die Augen und Ohren immer offen und sammle Eindrücke, Ideen, Satzfetzen. So tauchen einige meiner Erfahrungen in Söldner des Geldes wieder auf. Für einen Thrillerautor liegen die Nuggets praktisch auf der Strasse, man muss nur hinschauen.

 

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Es ist einfach ein schönes Gefühl, Söldner des Geldes in so vielen Buchhandlungen und Bibliotheken zu sehen. Zum Glück bin ich nicht nur Thrillerautor, sondern auch Partner, Sohn, Sportler, Firmeninhaber, Reisender, etc. Ich darf zum Glück ganz verschiedene Projekte machen. Der Autor in mir hätte gerne mehr Zeit, muss sich aber öfters gedulden.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritische und anklagende Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Der etablierte Emons-Verlag in Köln, der meinen Thriller verlegt hat, arbeitet sehr professionell, ist aber auch ein sehr persönlicher Verlag. So bekomme ich zum Beispiel auf Fragen per e-Mail innert Kürze eine Antwort. Und bei den Diskussionen um die Titelei (Cover, Titel, Rückseite) wurde ich immer mit einbezogen. Ich bin Emons jedenfalls sehr dankbar für die Unterstützung.

 

Sie wohnen in der Schweiz, schreiben in Ihrem Roman Söldner des Geldes über Schweizer Schauplätze. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Literaturszene. Wie sehen Sie Ihre Stellung innerhalb des deutschsprachigen Raums? Sehen Sie sich im Nachteil als Schweizer, gibt es Vorteile oder ist das irrelevant?

Söldner des Geldes ist in erster Linie ein internationaler Thriller und spielt – neben den Schauplätzen in der Schweiz – auch in Ägypten, Norwegen und Amerika. Persönlich bin ich glücklich Schweizer zu sein. Aber als frischer, deutschsprachiger Autor spielt die Nationalität keine grosse Rolle. Meine Verkaufszahlen zeigen, dass sich Söldner des Geldes auch in Deutschland und Österreich verkauft. Und ich hoffe, dass es bald auch eine Englische und Französische Übersetzung gibt. Auch bin ich Mitglied der Amerikanischen ITW (International Thriller Writer Association) und des Syndikates, der Vereinigung deutschsprachiger Krimiautoren. So lese ich Ende Mai in Nürnberg an der Criminale, dem grössten Krimifestival Europas, aus Söldner des Geldes.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Exzellente Frage, aber unmöglich zu beantworten, denn ich weiss nicht, wo meine Ideen letztendlich her kommen. Ich versuche mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und schnappe überall Sachen auf. Es ist wie ein grosses Puzzle, das sich in meinem Kopf zusammensetzt.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Peter Beck steckt in ihrer Geschichte? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Auch das weiss ich nicht genau. Sicher sind meine Erfahrungen in Söldner des Geldes eingeflossen: Orte, an denen ich war. Bei den Kampfszenen habe ich von meinen Erfahrungen als Judoka gezehrt. Und wahrscheinlich steckt in allen Figuren auch ein bisschen von mir. Aber ich gestalte meine Charaktere in erste Linie nach dramaturgischen Gesichtspunkten. Bestenfalls lehne ich mich an real existierende Personen an, mische diese miteinander, bis es für die Geschichte stimmt.

 

Wieso schreiben Sie Thriller? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Tatsächlich schreibe ich, was ich gerne selber lese: Rasante und intelligente Unterhaltung zum Abschalten in der Badewanne oder am Strand. Es ging mir beim Schreiben von Söldner des Geldes nie darum, irgend etwas auszuleben. Ich will einfach spannende Thriller schreiben und meine Leser damit so gut wie möglich unterhalten.

 

Ihr Thriller bewegt sich in der Wirtschaftswelt, thematisiert das Bankenwesen, Datenspionage und internationale Intrigen. Was reizt Sie an dieser Thematik?

Tom Winter, der Held von Söldner des Geldes ist Sicherheitschef einer Schweizer Privatbank. Ich wollte eine unverbrauchte Hauptfigur, nicht irgendeinen schlapphütigen Inspektor oder einen versoffenen Privatdetektiv.

Winters Bank hat Kunden auf der ganzen Welt. Als Autor kann ich ihn deshalb überall hin schicken. Das macht Spass. Da ist Tom Winter fast so frei wie Jack Reacher, der Held von Lee Child. Die Themen „Geld“, „NSA“, etc. leiteten sich dann fast automatisch daraus ab. Und praktischerweise gibt es in der Finanzwelt ja viele Bösewichte.

 

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Jeder Mensch hat eine politische Verantwortung. Wir stimmen nicht nur an der Urne, sondern täglich zum Beispiel bei der Wahl der eingekauften Produkte oder unseres Verkehrsmittels ab. Davon sind Autoren natürlich nicht ausgenommen.

 

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Eine spannende Geschichte und faszinierende Figuren. Ein gutes Buch muss mich packen und schwingt auch nach dem Fertiglesen noch nach. Aber zum Glück gibt es dafür keine Formel.

 

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Ich kann mich an die „Rote Zora“ und die Serie „Drei Fragezeichen“ erinnern. In der Primarschule hatte ich eine tolle Bibliothekarin, Frau Zürcher, die mich mit Stoff versorgte.

Als Jugendlicher habe ich dann alle Maigrets von Simenon verschlungen. Bei den Thrillern ist le Carré mein Lieblingsautor. Der lebte übrigens selber einmal in Bern und hat einige Szenen hier angesiedelt.

Dann habe ich natürlich all die üblichen Verdächtigen gelesen: Lee Child, John Grisham, Ian Rankin, Denise Mina oder Mark Gimenez und Stuart MacBride. Aber auch die Nordländer inspirieren mich: Mankell, Stieg Larsson, Adler Olsen und Jo Nesbo. Ich lese viel auf Englisch aber mit Söldner des Geldes kann man einmal einen Schweizer Thriller im Original lesen.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Ich bin kein Fan von Listen oder Ratgebern, denn jeder muss seinen eigenen Weg finden. Aber ich kann sagen, was mir geholfen hat:

Erstens: Just do it! Die Idee, das Bild, der Dialog nützt im Kopf wenig und muss aufs Papier. Am Anfang ist es nie perfekt, aber es ist ein Anfang.

Zweitens: Nicht aufgeben! Ein Buch zu schreiben ist – ausser man ist ein Genie – zu 99% Schweiss, harte Arbeit und nur zu 1% Inspiration.

Drittens: Gut zuhören! Ich habe Söldner des Geldes vielen Testlesern gegeben und sie um ehrliches und hartes Feedback gebeten. Das war nicht immer leicht, aber hat mir geholfen, den Thriller besser, dichter, rasanter zu machen.

Viertens: Habe Spass! Ein schöner Satz, ein cooler Spruch, ein gelungener Cliffhanger macht Spass und erfüllt mich mit Stolz – und motiviert mich dran zu bleiben (siehe oben…;-)

Fünftes: Vertraue auf Dein Glück! Es gibt tausende von Autoren und letztendlich braucht es immer eine rechte Portion Glück. Es gibt einen abgewandelten Bibelspruch, der einen wahren Kern hat: „Gott gib mir Kaffee, um die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und Wein, um das zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann…“

Ich möchte mich bei Peter Beck für diese ausführlichen und interessanten Antworten bedanken, die einen  tollen Einblick in sein Schreiben sowie in sein Leben gewähren!

Ludwig Uhland (26.4.1787 – 13.11.1862)

Am 26. April 1787 wird Johann Ludwig „Louis“ Uhland in Tübingen in eine alte Gelehrtenfamilie hinein geboren. Sein Geburtshaus an der Neckarhalde 24, das er wenige Monate nach seiner Geburt verlässt, ist denkmalgeschützt und so heute noch in seiner ursprünglichen Form erhalten. Den grossen Teil seiner Kindheit und Jugend verbringt Uhland mit seiner Familie im Haus seines Grossvaters väterlicherseits in Tübingen.

Ludwig Uhland besucht von 1793 bis 1801 die Schola Antolica, die Tübinger Lateinschule, und glänzt da vor allem in den sprachlichen Fächern, Mathematik ist ihm zeitlebens ein Gräuel. 1801 erhält Ludwig Uhland ein Stipendium für das Tübinger Stift, wendet sich da zuerst vornehmlich philologischen Themen zu, um dann 1805 mit dem Studium der Rechtswissenschaften zu beginnen. Er ist ein eifriger, ordentlicher, disziplinierter  und auch schweigsamer, zurückhaltender Student. Er freundet sich mit dem Medizinstudenten Justinus Kerner an und unternimmt zusammen mit diesem und anderen Kameraden ausgedehnte Wanderungen, welche Inspiration für viele Gedichte Uhlands aus dieser Zeit sind. Ebenfalls bewegte er sich im Schwäbischen Dichterkreis, zu deren Mitgliedern er einen lebenslangen Kontakt bewahrte, wovon zahlreiche Briefe zeugen.

1810 erfolgt die Promovierung Uhlands zum Doktor der Rechtswissenschaften, er geht danach auf eine Bildungsreise nach Paris, wo er sich altdeutschen und französischen Schriften widmet und nicht, wie sein Vater annimmt, dem romanischen Rechtskreis. 1811 kehrt Uhland nach Tübingen zurück und eröffnet seine Anwaltskanzlei, befasst sich daneben aber intensiv mit der Auswertung seiner Forschungsergebnisse aus Frankreich. Aus dieser Zeit stammt auch Uhlands wohl bekanntestes Gedicht Frühlingsglaube. Obwohl das Gedicht vom Charakter wie auch von der Wahl des Themas sehr romantisch anmutet, zeigt sich Uhlands wortkarge und nüchterne Natur deutlich, so dass seine Lyrik nicht überladen mit Schwärmerei, Gefühl und blumigen Ausschmückungen punktet, sondern auf prägnanten, anschaulichen Darstellungen des Beschriebenen beruht.

1812 schliesst Uhland seine Kanzlei und zieht nach Stuttgart, wo er eine unbezahlte Stelle als zweiter Sekretär des württembergischen Justizministers erhält, die er 1814 verlässt. In diesem Jahr findet sich auch die erste Erwähnung von Emilie Vischer aus Calw, die er später heiratet. In eben diesem Jahr entsteht auch eine von Uhlands bekanntesten Balladen Schwäbische Kunde.

Uhland begibt sich1815  in die Politik, setzt sich als führender Sprecher der Landstände für das alte Recht ein, das von Friedrich I. durch eine neue Verfassung in Gefahr ist. In dieser Zeit entsteht eine Reihe von Gedichten, die sich mit den Grundsätzen der Verfassung auseinandersetzen und die bei Versammlungen vorgetragen werden. 1819 wird mit der Verkündung des neuen Grundgesetzes Uhlands Drama Ernst Herzog von Schwaben in Stuttgart aufgeführt. Wegen mangelnder Bezahlung quittiert Uhland schon 1817 seine Stellung in Stuttgart und arbeitet wieder als freier Anwalt – allerdings auch nicht finanziell erfolgreich. Geldnot ist sein ständiger Begleiter. Dass er ohne eigenes Zutun 1819 in den Landtag gewählt wird, erscheint als Rettung.

1820 heiratet Uhland Emilie Auguste Vischer, die Hochzeitsreise führt in die Schweiz, wo er sich mit mittelalterlichen Handschriften beschäftigt. 1826 zieht er sich aus der Politik zurück und wendet sich ganz seinen wissenschaftlichen Studien zu. 1829 wird dieser Einsatz mit Erfolg gekrönt, er wird Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität in Tübingen, so dass das Paar 1830 in Uhlands Geburtsstadt zieht. Uhland vermag die Studenten mit seiner Begeisterung für die vorgetragenen Inhalte zu fesseln.

Trotz allem lässt sich Uhland 1832 dazu überreden, nochmals für den Landtag zu kandidieren, was ihn bald vor die Entscheidung Professur oder Politik führt. Er entscheidet sich für die Politik, was den Verlust seiner Professur zur Folge hat. 1838 scheidet er wieder aus der Politik aus und arbeitet danach als Privatlehrer. 1848 erfolgt ein neuer Versuch in der Politik, welcher 1849 endet und Uhland wieder zum Privatgelehrten werden lässt. Er reist in dieser Zeit viel und betreibt Sagenkunde.

Als Uhland am 26. April 1862 seinen 75. Geburtstag feiert, feiert das deutsche Volk mit ihm. Er hat es in diesem Land zu Bekanntheit gebracht, er wird als Ideal nationaler Einheit und Freiheit verehrt. Allerdings ist Uhland schon da geschwächt von einer Erkältung, die er seit dem Februar desselben Jahres mitträgt. Am 13. November 1862 stirbt Ludwig Uhland. Er ist auf dem Tübinger Stadtfriedhof beigesetzt.

 

Werk und Wirkung

Ins Jahr 1806 fallen die ersten Veröffentlichungen seiner Gedichte in verschiedenen Medien.  1809 verlegt Uhland sein Schaffen mehrheitlich auf Balladen. Sein Themenschwerpunkt liegt dabei auf der Natur- und Liebeslyrik, immer fällt aber Uhlands kurzer und knapper Stil auf, welcher ihn von den sonst oft schwülstigen Gedichten anderer Autoren unterscheidet. Uhland zeichnet eine weitgehend domestizierte Natur, die sich dem gutgesinnten Menschen gütlich zeigt. Es herrscht ein heiterer Unterton, religiöse Grundsymbolik  und der Verweis auf den Tod, welcher nicht als drohender Dämon, sondern als natürlicher Lauf des Lebens auftritt, sind weitere Merkmale der Uhlandschen Lyrik.

 

Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich der Leichenchor,
Stiller sind die frohen Lieder,
Und der Knabe lauscht empor.
Droben bringt man sie zu Grabe,
Die sich freuten in dem Tal,
Hirtenknabe, Hirtenknabe,

Dir auch singt man dort einmal.

Uhland versteht es, die vorherrschenden gesellschaftlichen Themen in eine Naturmetaphorik zu übertragen und durch diese darzustellen.  So deutet er zum Beispiel schon in seinem frühen Gedicht Naturfreiheit seine Ideale von Freiheit und bürgerlicher Gleichheit an:

Mit den Lüften will ich streiten,
Rauschend durch den grünen Hain;
Mit den Strömen will ich schweifen,
Schwimmend in des Himmels Schein;
In der Vögel Morgenlieder
Stimm ich frei und freudig ein
Alle Wesen sollen Brüder,
Du, Natur, uns Mutter sein.

Durch die politischen Zustände 1809 inspiriert entsteht Uhlands Gedicht Der gute Kamerad, welches mit einer Melodie von Friedrich Silcher vertont in späteren Jahren oft umgedeutet und im Sinne patriotischen Aufbruchs und Kriegsverherrlichung verwendet wird – was nicht im Sinne des Dichters ist, dem es ausschliesslich um eine Darstellung von Freundschaft in Zeiten des Krieges geht.

Uhlands 1815 erstmals erschienene Sammlung seiner Gedichte wurde in diverse Sprachen übersetzt und trägt massgeblich zu seinem Rang als Dichter bei. Er inspirierte mit seinem Schaffen Dichter wie Grillparter oder Hebbel, die ihn hoch lobten:

Der letzte deutsche Dichter. (Grillparzer)

Der einzige Dichter, von dem ich ganz gewiss weiss, dass er auf die Nachwelt kommt. (Hebbel)

Vor allem nach 1830 war Uhland mit seinem spätromantisch-biedermeierlichen Werk ein Autor, der über die deutschen Grenzen hinaus bekannt war. Heute gehört er zu den vergessenen Lyrikern des 19. Jahrhunderts, es gibt nur wenige Ausnahmen, welche im Bildungskanon deutscher Schulen noch bekannt sind, so zum Beispiel das Gedicht Der gute Kamerad oder die Ballade Des Sängers Fluch.

 Uhlands lyrische Schaffenszeit umfasst die Zeit zwischen 1805 und 1816, danach verstummte er bis 1829 ziemlich. Erst 1829 hört man wieder von ihm, jetzt setzt auch der eigentliche Erfolg ein, seine Gedichtesammlung aus dem Jahr 1815 erreicht bis 1862 43 Auflagen. Heinrich Heine schreibt im Jahrbuch für Literatur 1839 über diesen Sammelband:

Uhlands Gedichtesammlung ist als das einzige überlebende lyrische Denkmal jender Töne der romantischen Schule zu betrachten.

 

Werke Uhlands

Gedichte
Die Kapelle
Der Wirtin Töchterlein
Frühlingsglaube
Der gute Kamerad (heute noch fester Bestandteil militärischer Beisetzungen)
Einkehr
Freie Kunst
Schäfers Sonntagslied
Ulmenbaum (1829)

Balladen:
Des Sängers Fluch (vertont von Robert Schumann)
Der Schenk von Limpurg
Schwäbische Kunde
Das Schloß am Meere
Das Glück von Edenhall

Dramen:
Ernst, Herzog von Schwaben (Trauerspiel in fünf Aufzügen; 1817)
Ludwig der Baier (Schauspiel in 5 Aufzügen; 1819)

Wissenschaftliche Arbeiten:
Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter (Monografie, 1822)
Der Mythos von Thôr nach nordischen Quellen (Studien zur nordischen Mythologie, 1836)
Sagenforschungen (1836)

 

Philipp Probst – Nachgefragt

PProbstPhilipp Probst
Philipp Probst ist ein Schweizer Schriftsteller, Buschauffeur, Journalist, LKW-Fahrer – und noch einiges mehr. Bereits früh begann er zu schreiben, die ersten Geschichten entstanden während des Schulunterrichts. Im Alter von 16 und 17 Jahren schrieb er zwei Drehbücher, welcher auf Super-8 gleich selber verfilmte: Den Krimi Der Lebensretter und den Teenagerfilm Hoffnung, welcher zugleich Abschlussarbeit der Rudolf-Steiner-Schule war. Mit diesem Film gewann er in den 80er Jahren den zweiten Preis der Schweizer Jugendfilmtage. Nach einem kurzen Abstecher in den Buchhandel landete Philipp Probst im Journalismus, arbeitete für diverse Redaktionen und Medien und schrieb schliesslich 1994 sein erstes Buch Ich, der Millionenbetrüger Dr. Alder, welches 2009 unter dem Titel Der Fürsorger verfilmt wurde.  Von ihm erschienen sind daneben unter anderem Der Storykiller, Die Boulevard-Ratten und diverse Kurzkrimis .

 
Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich bin ein kreativer und tüchtiger Mensch mit Ecken und Kanten – und vielen Schwächen. Die Biographie würde ich als unterhaltenden Roman erzählen, gäbe eine nette Ferienlektüre.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich schreibe wegen dem Basler Autor Hans-Peter Hammel, alias –minu. Seine Geschichten in der Zeitung fand ich toll. Zuerst wurde ich allerdings Journalist und Lastwagenfahrer. Auf dem LKW habe ich dann angefangen, meinen ersten Roman zu schreiben. Die langen Fahrten auf der Autobahn haben mich inspiriert.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Schreiben zu lernen ist eine harte Ausbildung. Wichtig ist, einen guten Mentor oder Textchef zu haben. Dann ist es learning by doing. Und aus Fehlern lernen. Kritisch sein. Mutig. Grundsätzlich kann man Schreiben lernen. Talent hilft natürlich, doch das Wichtigste ist die Disziplin.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich schreibe einfach drauf los und versuche, so wenig wie möglich korrigieren zu müssen. Die Phantasie soll arbeiten!

Wann und wo schreiben Sie?

Meistens zu Hause am Esstisch. Aber unterwegs geht auch. Eigentlich völlig egal wo, es geht sogar auf dem Smartphone.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Wenn ich schlafe.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Die Freude ist, den Leserinnen und Lesern Freude zu bereiten. Als Autor zähle ich mich zur Unterhaltungsbranche. Ich stehe also nicht nur im Wettbewerb mit anderen Autoren, sondern auch mit Kino, TV, Internet und Games. Ein Buch zu schreiben macht Spass, es zu verkaufen ist pickelharte Arbeit.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Da die Spielregeln der freien Marktwirtschaft gelten, gibt es wenig zu jammern. Ein Buch ist ein Produkt, das es zu vermarkten gilt. Ende.

Sie wohnen in der Schweiz, schreiben meist über Schweizer Schauplätze. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Literaturszene. Wie sehen Sie Ihre Stellung innerhalb des deutschsprachigen Raums? Sehen Sie sich im Nachteil als Schweizer, gibt es Vorteile oder ist das irrelevant?

Kommt darauf an, ob man sich als Autor im Buchmarkt oder in der Literaturszene bewegt. Die Literaturszene hat etwas Elitäres und zählt auf staatliche Förderung. Wer da rein kommt, darf sich „von“ nennen, wird eingeladen und kann sich in den anderen subventionierten Literaturszenen des deutschsprachigen Raums bewegen. Alle anderen Schriftsteller kämpfen im Buchmarkt, also in der freien Marktwirtschaft.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Die Geschichte entsteht beim Schreiben. Am Anfang ist einfach eine Idee, die man im Leben aufschnappt. Ich lasse meinen Figuren und deren Handlungen grossen Freiraum: Manchmal machen sie das, was ich von ihnen erwarte, ab und zu überlisten sie mich aber auch. Dazu kommen plötzlich ganz neue Ideen, dann kommt die Geschichte halt anders heraus. Das ist aber egal, Hauptsache sie ist spannend und unterhaltend.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Philipp Probst steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Natürlich bestehen meine Figuren aus mir. Aber nicht nur. Da werden noch andere Menschen drin verpackt. Da die Geschichten für mich realistisch sein müssen, könnte ich sie selbst auch erleben. Viele Szenen in meinen Büchern habe ich auch erlebt. Allerdings ist das kein Verarbeitungsprozess, sondern die Möglichkeit, etwas hautnah zu erzählen. Da werde ich dann wieder zum Reporter.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Ich fühle mich wohler mit dem Ausdruck Thriller. Nein, es geht nicht darum, das „Böse in mir“ auszuleben. Es geht nur darum, dass in einer Geschichte ja irgendetwas passieren muss. Sonst ist es keine Geschichte oder eben eine langweilige. Wenn ich lese, will ich eine Geschichte erleben. Das gilt auch beim Schreiben. Toll finde ich aber auch Liebesromane.

Ruhm, Ehre, Moral, ethische Prinzipien – deswegen wird in Ihren Krimis gemordet. Strebt (heute?) nicht jeder danach? Steckt in jedem Menschen ein Mörder, der über Leichen ginge, um das ihm höchste Ziel zu erreichen?

Nein. Viele Menschen sind zufrieden, sich im Mittelmass der Gesellschaft zu bewegen. Das bewundere ich.

Sie haben verschiedene interaktive Kurzkrimis realisiert, kürzlich haben Sie einen Fortsetzungskrimi für das Onlinemagazin buchmagazin.ch nach 35 Folgen beendet, bei welchem Sie Inputs von Lesern annehmen und damit die Geschichte weiter gesponnen haben. Was reizt Sie an diesem Vorgehen? Wie kamen Sie auf die Idee, solche Projekte in Angriff zu nehmen?

Das sind äusserst sportliche Projekte, die viel Phantasie und Disziplin abverlangen. Das Tolle daran ist, dass mit den neuen Medien viele neue Möglichkeiten entstanden sind, die im Buchmarkt und noch mehr in der Literaturszene überhaupt keine Anwendung finden. Heute kann man als Kunde beinahe jedes Produkt online mitgestalten – warum sollte man da nicht auch auf seine Lektüre Einfluss nehmen dürfen? Zudem sind solche Projekte Werbung für mich als Autor und meine Bücher. Eines meiner besten Projekte war ein SMS-Roman für eine Freundin. Brutal hart. Aber einfach toll. Hätte ich genügend Interessenten – ich würde einen Roman per SMS/WhatsApp liefern. Jeden Tag ein Stück …

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Nein. Aber er kann und darf und soll seine Meinung äussern. Da er aber heute praktisch gar nicht mehr nach seiner Meinung gefragt wird, muss er sich auch nicht damit beschäftigen. Da Medien ebenfalls nach den Regeln der freien Marktwirtschaft funktionieren, werden Prominente zu allem Möglichen befragt werden. Und falls es ein Schriftsteller zum Bestsellerautor schafft, trifft es automatisch auch ihn. Meistens allerdings zu Themen wie: „Kaufen Sie lieber im Coop oder in der Migros ein?“

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Es muss spannend sein. Jeder Schriftsteller bekommt bei mir die Chance von 50 Seiten. Falls ich dann nicht mitfiebere, bin ich weg!

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Ja, aber das sind so viele … Immerhin war ich mal Buchhändlerlehrling.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

  • Schreibe mal 100 000 Zeichen, die einen Sinn ergeben, innert weniger Tage. Falls du dich schwer tust damit, mache was anderes in deiner Freizeit.
  • Schreibe einem Freund oder einer Freundin einen Monat lang einen Fortsetzungsroman per SMS. Damit testest du deine Phantasie.
  • Treibe Sport oder schaff dir einen Hund an. So lernst du Disziplin.
  • Betrachte die Schreiberei als Hobby. Auch eine Modelleisenbahn ist toll!
  • Werde auf irgendeine Weise TV-Promi. Denn nur wer dich kennt, wird dein Buch kaufen.

Ich bedanke mich herzlich für diese Antworten!

Zoë Beck – Nachgefragt

©Victoria Tomaschko
©Victoria Tomaschko

Zoë Beck
Schon mit 3 Jahren begann die 1975 geborene Zoë Beck Klavier zu spielen, hatte mit ihrem Spiel Auftritte und gewann Auszeichnungen bei Wettbewerben. Nach dem Abitur folgte das Studium der deutschen und englischen Literaturwissenschaft, welches mit einer Magisterarbeit zu Elisabeth George abgeschlossen wurde. Nach dem Studium arbeitete Zoë Beck als Lektorin, TV-Producerin, Dramaturgin und Autorin in verschiedenen Bereichen. Zoë Beck lebt als freie Autorin, Übersetzerin und Redakteurin in Berlin. Von Zoë Beck erschienen ist unter anderem Wenn es dämmert (2008), Das alte Kind (2010), Der frühe Tod (2011), Das zerbrochene Fenster (2012).

Zoë Beck gewährt mit ihren Antworten einen spontanen und sehr authentischen Einblick in ihren Schreiballtag und die (Hinter-)Gründe, wieso sie tut, was sie tut.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich heiße Zoë Beck und wurde 1975 irgendwo in Mittelhessen geboren. Damals kannte man mich noch unter einem anderen Namen. Mit drei warf ich mich ans Klavier, mit fünf wäre ich am liebsten ausgewandert, und irgendwann bin ich dort auch weg, allerdings im Zickzack und ohne festes Ziel. Ich habe Literatur studiert, am Theater, beim Film, in Verlagen, beim Radio und für Zeitungen gearbeitet, und jetzt schreibe ich Bücher.

Ist Zoë Beck Ihr Pseudonym? Wenn ja, was hat sie dazu bewegt, eines anzunehmen?

Das ist mein Name. Ich habe noch ein geschlossenes Pseudonym, zu eben diesem Zweck – dass es geschlossen bleibt und niemand weiß, wer dahintersteckt. Aber Zoë, das bin ich. Ich habe damals einen anderen Namen angenommen, weil ich beispielsweise den ursprünglichen noch nie wirklich mochte und mich irgendwie auch mit diesem Namen in einem Kontext sah, in dem künstlerisches Schaffen weder gewünscht noch gewürdigt wurde. Außerdem wollte ich etwas anderes als zuvor schreiben, da brauchte ich einen Neustart. Auf vielen Gebieten. Hinzu kam, dass die Entscheidung in einen Zeitraum fiel, in dem ich sehr krank war und nicht wusste, wie es weitergehen würde. Zoë heißt übrigens Leben. Das passte dann irgendwie alles.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Nein, ich wollte nicht Schriftstellerin werden. Pianistin, ja, aber sonst wäre mir nicht so viel eingefallen. Es war eher Zufall. Eine Freundin arbeitete für eine Literaturagentur und fragte mich, ob ich nicht mal ein Buch schreiben wollte. Ich hatte zu der Zeit viel Erfahrung im Bereich Stoffentwicklung, Dramaturgie, Drehbuch und hätte nie gedacht, dass es funktioniert. Aber ein paar Wochen später war meine Leseprobe fertig, und ich bekam einen Vertrag über drei Bücher.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Ich lerne immer noch. Es ist vor allem Handwerk. Wie beim Klavierspielen. Wie bei den meisten anderen Berufen. Es heißt ja immer: Bis zu einem gewissen Grad kann man alles lernen, der Rest ist Begabung oder Talent. Die einen lernen es nie, die anderen sehr schnell. An der Uni hatte ich Creative Writing-Kurse, aber weniger, weil ich damals schon vorgehabt hätte zu schreiben, sondern wirklich einfach so. Klang gut, fand ich, und der Kurs lag zu einer bequemen Zeit, außerdem war die Frau, die es unterrichtete, nett. Als ich beim Film war, habe ich oft Drehbuchkurse belegt, aber auch das nicht, weil ich Schreiben lernen wollte, sondern um mich zu informieren, schließlich sollte ich Stoffe entwickeln und Drehbücher bearbeiten. Ich fand, da sollte ich auch ein wenig mehr darüber wissen, wie ein Drehbuch überhaupt geschrieben wird. Ich glaube, durch die praktische Arbeit an Filmstoffen, durch die Arbeit am Theater, durch viel Lesen habe ich eine Menge gelernt, und ich lerne wie gesagt immer noch.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Vorbereitung ist sehr wichtig. Recherche, Notizen, eine Outline schreiben – sehr, sehr wichtig. Natürlich ändert sich dann beim Schreiben immer noch etwas, manchmal sogar die ganze Geschichte. Aber ich muss wissen, was ich erzählen will. Wessen Geschichte ist es, und warum soll ich sie erzählen?

Wann und wo schreiben Sie?

Ich schreibe meist zu Hause, wobei das „zu Hause“ nicht mein eingetragener Wohnsitz sein muss. Manchmal miete ich mich für ein paar Wochen oder Monate wo ein. Im Café oder so kann ich nicht schreiben. Ich bin Nachtarbeiterin. Da kann ich am besten denken. Und ich muss allein sein.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Nein, Feierabend, Ferien, nein. Phasen, in denen ich was anderes mache, ja. Aber abschalten? Wovon denn?

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Oh, das ist aber eine schwierige Frage. Autorin sein ist eine Freude und ein Kampf und Glückssache und vor allem ein Knochenjob. Das will natürlich jetzt wieder keiner hören. Ist aber so, jedenfalls, wenn man es ernst nimmt. Sich ständig selbst hinterfragen, ständig am Stil arbeiten, ständig bewusstmachen, in welchem – auch und besonders gesellschaftlichen – Bezugssystem man steht, was man ausdrücken will. Ich schreibe ja nicht aus dem luftleeren Raum oder für ein ideelles Vakuum. Kämpfen muss ich jeden Tag an allen Fronten: gegen die eigene Nachlässigkeit oder Faulheit, gegen alles, was mich runterzieht und dazu bringen könnte zu sagen: ich schmeiß den Kram einfach hin, gegen Gemecker von Leuten, die es lieber hätten, dass ich mehr/weniger Blut/Sex/Gewalt/Leichen reinschreibe, gegen Vorwürfe, ich sei zu politisch/zu feministisch/zu lakonisch oder von allem einfach zu wenig. Der größte Kampf ist es, auf meinem Weg zu bleiben. (Oder ihn zu finden?) Die Freude, damit das nicht vergessen geht: die Freiheit, das zu tun, was mir Spaß macht.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

„Plötzlich“ entsteht eine Geschichte wohl nicht, auch wenn es manchmal den Anschein hat. Aber dann hat es vorher schon lange in einem gearbeitet … Drei Dinge finde ich wichtig: Welche Figur will ich erzählen, welches Thema hat sie, und wo geschieht es? Von dort ausgehend entwickle ich die Geschichte. Was sich manchmal in der Tat „plötzlich“ ergibt ist, dass man weiß: Dies ist der richtige Ort, an dem die Geschichte stattfindet. Oder: Jetzt weiß ich endlich mehr über meine Figur. Nur so als Beispiele.

Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Da kann jede nur für sich selbst sprechen. Ich persönlich schätze die Zusammenarbeit mit einem Verlag/einem Team sehr. Aber warum soll nicht jemand sagen: Ich hab meine eigene Lektorin, jemanden fürs Cover, etc. etc., also probiere ich es jetzt selbst. Der Publikationsweg sagt nicht zwingend aus, ob eine Geschichte gut oder nicht gut ist. Es gibt in beiden Bereichen entsetzlich schlechte Geschichten. Und richtig gute. Da müsste man eher mal definieren, was nun eine gute Geschichte ausmacht. Ich muss allerdings sagen, dass für mich ein ordentliches Lektorat und Korrektorat dazugehört. Korrekte Rechtschreibung und Grammatik finde ich den LeserInnen gegenüber zumindest höflich. Eine funktionierende Dramaturgie tut jeder Geschichte gut. Am Stil zu arbeiten ist auch nicht verkehrt. Für vieles davon kann ein Verlag sorgen. Oder man sucht sich Menschen, die einem dabei helfen, die nicht verlagsgebunden sind.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel von Ihnen steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Ja, viele Figuren haben irgendeinen Teil von mir oder von Menschen, die ich kenne.

Sie haben 2012 den von der Autorenvereinigung DeLiA zum besten Liebesroman gekürten Roman Für immer und ledig geschrieben, hauptsächlich liest man von Ihnen aber Krimis. Wieso Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Nein, das ist wahrscheinlich auch so ein Klischee wie der Gedanke, dass alles irgendwie autobiographisch und damit sozusagen selbst erlebt sein muss. Ich schreibe schon über Themen, die mich beschäftigen, und bringe sie in Geschichtenform. Was das „Böse“ angeht, gibt es doch im wahren Leben um einen herum genug „Böses“, das eben nicht unterdrückt wird, so dass man es im Roman oder in einer Kurzgeschichte verarbeiten kann. Man müsste auch erst einmal das „Böse“ definieren. Da denke ich immer an Stephen King und so, und der schreibt ja keine Krimis. Oder ist damit das „Böse“ gemeint, das den Serienkiller dazu bringt, ein Serienkiller zu sein? Das wäre dann ein psychologischer Ansatz … Hm. Für meine Geschichten eignen sich da eher gesellschaftliche Schieflagen, Ungerechtigkeiten, Ungeheuerlichkeiten, Missstände. Die sind mir böse genug.

Sie spielen Klavier (sogar mit Auszeichnungen), haben studiert (als Stipendiatin), schreiben Drehbücher, sind als Filmproduzentin tätig, übersetzen, schreiben selber Kurzgeschichten, Krimis, Thriller – gibt es etwas, das sie nicht können oder gelingt einfach alles, was sie anpacken? Wie bringen Sie alles unter einen Hut?

Mir gelingt eine ganze Menge nicht. Deshalb konzentriere ich mich lieber ausführlich auf das, was halbwegs klappt J Ich langweile mich nicht gerne, und ich habe keine zeitaufwändigen Hobbys. Ich mache einfach den ganzen Tag das, was ich gerne mache.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Es muss gut geschrieben sein.

Sie haben Ihre Magisterarbeit über Elisabeth George geschrieben. War es schwierig, die Professoren von einer Krimiautorin zu überzeugen? Wieso gerade Elisabeth George?

Der Professor hatte Kriminalliteratur als Forschungsgebiet, von daher war es eher umgekehrt – er hat mich an das Thema herangeführt. Elizabeth George bot sich damals an, sie stand durch ihre Verbindung von Krimi einerseits und Adeligensoap andererseits in einer bestimmten Tradition, die sie weiterentwickelt hat. Sich diesen Weg anzusehen, fand ich interessant: Was hat sich getan auf dem Weg vom einsamen Detektiv hin zum Ermittlerteam mit den ganzen privaten Problemen? Das war das Thema meiner Arbeit. Klingt heute schon wieder schrecklich überholt.

Gibt es sonst Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Elizabeth George lese ich gar nicht mehr. J Irgendwo gibt es Listen von mir, für die ich meine fünf, sieben, zehn Lieblingsirgendwas nennen sollte. Aber das ändert sich ja über die Jahre. Was gut ist. Sonst würde man ja irgendwo stehenbleiben.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Lesen, lesen, lesen.

Lesen. Aber auf keinen Fall Bücher, bei denen man denkt: Das kann ich aber auch. Sondern nur Bücher, bei denen man denkt: Verdammt, das schaff ich nie, so gut zu schreiben.

Immer misstrauisch sich selbst gegenüber bleiben. Nicht alles, was man formuliert und erdacht hat, ist es wert, veröffentlicht zu werden. Es gibt Mülleimer. Die sollte man nutzen.

Am Stil arbeiten. Und zwar am eigenen. Es dauert eine Weile, ihn zu finden. Er versteckt sich gern hinter dem, was viele Menschen irrigerweise für guten Stil halten. (Elmore Leonard hatte ein paar gute Tipps, übrigens.)

Jeden Tag üben.

Ich bedanke mich für dieses Interview!

Marie Matisek – Nachgefragt

MatisekMarieMarie Matisek führt einen chaotischen Haushalt mit Mann, Kindern und Tieren im idyllischen Umland von  München. Neben dem Muttersein und dem Schreiben pflegt sie ihre Hobbys: kochen, ihren Acker umgraben und Kröten über die Straße helfen. Ihre große Leidenschaft allerdings gehört der schönsten aller Inseln: Heisterhoog (die in Wirklichkeit ganz anders heißt, aber das ist geheim). Von ihr erschienen sind Mutter bei die Fische (2013) und Nackt unter Krabben (2013).

Marie Matisek hat mir einige Fragen zu ihrem Werdegang und ihrem heutigen Leben und Schreiben beantwortet. Sie hat das auf eine sehr authentische, frische und natürliche Weise getan, so dass sich beim Lesen ab und an ein Lächeln einschleicht.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich bin eine Frau, Mitte vierzig, verheiratet, zwei Kinder. Obwohl ich schon einige andere Sachen beruflich gemacht habe, würde ich rückblickend sagen, dass ich mich all die Jahre auf das Schreiben vorbereitet habe. Ich war am Theater und habe viele Jahre fürs Fernsehen geschrieben – so gesehen eine solide Ausbildung für die Schriftstellerei.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich habe immer schon gerne Geschichten erfunden, aber auch gelesen. Die Zeit am Theater war in dieser Hinsicht ein Traum: mit der  Beschäftigung mit Figuren und Stücken habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Als ich dann zum Fernsehen wechselte, habe ich gelernt, meine Phantasien und Geschichten nicht nur zu Papier zu bringen, sondern sie auch so aufzuschreiben, dass sie ein größeres Publikum interessieren. Aber ich hätte mich NIEMALS an ein Buch getraut! Erst als die Agentin meines Mannes mich ansprach, habe ich mich an ein Exposé gewagt.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Wie oben schon erwähnt: Meine Grundlage war die Beschäftigung mit Dramen. Ich bin Dramaturgin und erkenne (bei anderen :-)) schnell, ob ein Spannungsbogen stimmt, wo ein Wendepunkt sein müsste, wie man am höchsten Punkt aus einer Szene geht etc. Das ist Handwerk und wie jedes Handwerk in vielen Jahren gereift, erprobt und professionalisiert. Dennoch glaube ich, dass man mehr braucht, um schreiben zu können. Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition… Und Durchhaltevermögen! Vor allem dann, wenn einen gerade alles verlassen hat: Handwerk, Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition…

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich habe eine Geschichte und die Figuren im Kopf. Dazu gibt es meistens eine drei bis fünf Seiten lange Skizze. Dann schreibe ich drauflos, völlig planlos und bekomme spätestens in der Mitte totale Panik, ob und wie ich das Buch fertig bringe. Und nehme mir fest vor, das nächste Mal wirklich einen genauen Plan zu machen. Aber dann… s.o.

Wann und wo schreiben Sie?

Wenn die Kinder zur Schule gehen, gehe ich mit dem Hund eine Stunde Gassi. Das ist eigentlich der Arbeitsbeginn. Ohne diese mentale Vorbereitung kann ich nur sehr schlecht schreiben. Sobald ich nach Hause komme, gibt es eine Kanne Kaffee, Obst und Schokolade. Das brauche ich zum Schreiben. Ebenso einen Strauß Blumen und eine Kerze. Das steht dann alles auf dem Esstisch, um mein Laptop drapiert. Ich gucke beim Schreiben in den Garten, höre das Schnarchen von Hund und Katze, dann geht es los. Es ist immer das gleiche Ritual, jeden Tag zur gleichen Zeit, außer am Wochenende. Ich brauche diese Gleichförmigkeit. Am Nachmittag, Abend oder Wochenende arbeite ich auch, aber nicht kreative Schreibarbeit. Dann werden E-Mails geschrieben, die Facebook-Seite gepflegt, recherchiert, redigiert, Fragebögen ausgefüllt…

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Ich trage immer Figuren und Geschichten mit mir herum. Ich höre aufmerksam zu, bekomme die Inspiration für meine Geschichten eigentlich von überall. Also arbeite ich genaugenommen zu jeder Zeit. Das Bedürfnis, abzuschalten habe ich eigentlich nicht. Entspannen kann ich aber durchaus! Geben Sie mir ein Sofa und ich schlafe ein.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Es ist für mich die Erfüllung schlechthin. Ich schreibe seit knapp vier Jahren. Seit einem Jahr ausschließlich, d.h. ohne mit etwas anderem Geld zu verdienen. Das ist nicht einfach, der Buchmarkt ist sehr schnelllebig geworden, die Halbwertzeit eines Buches ist leider kurz. Es gibt so viele Titel, man geht schnell unter. Das finde ich schwierig. Die äußeren Umstände – Vertrieb, Marketing, Anforderungen des Verlags – sind alle nicht einfach. Dafür habe ich beim Schreiben die größte Freiheit – und das lässt mich auch die Unannehmlichkeiten aushalten.

Autor sein bedeutet für mich: ganz bei sich sein. Es ist mein Traumberuf, ich möchte nichts anderes mehr machen bis ich eines Tages in Grab falle – an meine Tastatur gekrallt.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Alles! Alles! Alles! Es ist Selbsterlebtes, Gelesenes, Gehörtes, Gesehenes. Ich habe keine Notizbücher, schreibe nichts auf. Weil ich glaube, dass die Geschichten oder Figuren, Namen und Orte, die bei mir hängen bleiben, irgendwann den Weg in ein Buch finden. Manchmal gibt es nur einen Namen, manchmal eine Figur, die man im Kopf hat. Jahre später kommt eine andere Figur hinzu, eine Geschichte setzt sich zusammen. Es muss in mir lebendig werden, nur dann kann ich ein Buch daraus machen. Ich verbringe schließlich viel Zeit damit, da muss es stimmig sein.

Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich kann gut verstehen, dass jemand, der entweder keinen Verlag gefunden hat oder mit seinem Ärger hatte, den Weg des Selfpublishing geht. Das ist richtig und es ist auch wichtig, dass es heute mit finanziell geringerem Aufwand möglich ist, als früher mit Books on Demand o.ä. Trotzdem wäre das für mich kein Weg. Der Verlag hält mir den Rücken frei und macht all die Sachen für mich, die ich nicht tun möchte. Ich muss mich (fast) nur mit dem Schreiben beschäftigen. Alles andere belastet mich und lähmt den kreativen Prozess. Die Vorstellung, dass ich ein Buch selbst vertreiben und bewerben müsste, wäre ein Horror für mich und würde Energien verbrauchen, die ich lieber ins Schreiben investiere. Außerdem bin ich existenziell auf die Vorschüsse der Verlage angewiesen – mein Mann ist ebenfalls Autor und wir müssen davon eine vierköpfige Familie durchbringen. Ein Buch komplett zu schreiben ohne dafür bezahlt zu werden, könnte ich mir gar nicht leisten. Insofern finde ich den Selfpublishing Markt auch etwas bedrohlich.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Marie Matisek steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Keine meiner Figuren ist autobiografisch, aber in jeder steckt Marie Matisek. Ich muss in die Rollen schlüpfen, um die Figuren schreiben zu können. Ich liebe sie alle! Auch die vermeintlich „Bösen“ wie Hubsi von Boistern.

Ihre letzten beiden Romane, Nackt unter Krabben und Mutter bei die Fische, handeln vom Leben auf einer Nordseeinsel, von Familienschwierigkeiten und Liebesdramen, alles aber immer mit viel Humor beschrieben. Ist Humor, wenn man trotzdem lacht oder was bewegt sie zu dieser kunterbunten Mischung?

Ich versuche auch im Leben, jeder Situation etwas Komisches abzugewinnen – ohne etwas lächerlich machen zu wollen. Brachialkomik kann und will ich nicht schreiben, Drama schon eher. Aber kaum habe ich eine zu Herzen gehende Szene geschrieben, schleicht sich schon wieder etwas Komisches ein, da kann ich gar nichts gegen machen.

Wieso schreiben Sie über die Nordsee, wieso erbte Falk einen Strandkorbverleih und keinen Münchner Biergarten?

Weil mein Mann und ich die Idee zu dem Buch bei einem Nordseeurlaub hatten. Im Strandkorb.

Gibt es neue Projekte? Bleiben Sie Ihrem Genre treu oder finden wir uns bald in einem Krimi von Marie Matisek wieder?

Marie Matisek ist nicht nur ein Name und eine Autorin, sondern auch eine Marke. Und die steht für Nordseegeschichten. Ich habe natürlich auch ganz andere Geschichten auf Lager, aber ein Genrewechsel ist für Autoren sehr, sehr schwer und wird von den Verlagen nicht gerne gesehen. Das wird dann unter anderem Namen sein müssen.

Im Moment habe ich den dritten Nordseeroman abgeschlossen, im nächsten Jahr schreibe ich Nummer vier. Was danach kommt – mal sehen.

Nackt unter Krabben spricht nebenbei die Lokalpolitik der Insel Heisterhoog an, wenn auch immer mit einem Augenzwinkern. Wollten Sie eine politische Botschaft vermitteln? Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich (nicht nur in ihrer Literatur) politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

 Nackt unter Krabben ist natürlich zuallererst Unterhaltung. Ich wollte damit keine politische Botschaft vermitteln, aber meine Haltung vermittelt sich indirekt. Ich habe sehr großen Respekt vor Autoren, die radikal gesellschaftspolitisch schreiben, man macht sich dadurch ja auch immer angreifbar. Und man darf die Kraft des Wortes nicht unterschätzen – wie viele Schriftsteller wurden und werden wegen ihrer Werke verfolgt! Tatsächlich sind aber oft gerade radikal persönliche Werke, in denen gesellschaftliche Realitäten einfach nur geschildert und nicht bewertet werden, sehr politisch. Ich glaube kaum, dass es einem Schriftsteller gelingt, seine Meinung vollkommen zu verbergen. Warum auch?

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Wumms.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Ich hatte immer Phasen, in denen ich alles verschlungen habe, was ein Autor geschrieben hat. Das fing mit Agatha Christie an, ging über Dostojewski zu Siegfried Lenz und Paul Auster bis zu Arne Dahl. Sie sehen schon: alles dabei!

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Nein, das kann ich nicht. Schriftstellerei ist etwas zutiefst Persönliches, es gibt so viele Werdegänge die dorthin führen, die unterschiedlichsten Biografien… Ich glaube, wer schreiben will, wird seinen Weg finden, so oder so.

Herzlichen Dank für dieses Interview!

Andreas P. Pittler – Nachgefragt

PittlerAndreasAndreas P. Pittler wurde 1964 in Wien geboren, hat ebenda  Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft studiert. Schon früh bewegte er sich im Journalismus, veröffentlichte ab 1985 Sachbücher zu diversen Themen und über die verschiedensten Menschen, fungierte als Kritiker, verfasste eine satirische Geschichte Österreichs und gab einen Reiseführer über Europas Kurbäder heraus. 1990 kam der Sprung in die Belletristik, er publizierte in zahlreichen Literaturzeitschriften und Anthologien und liess 2000 seinen ersten Roman folgen. Neben seinem literarischen Schaffen betreut Pittler eine literarische Radiosendung, lehrt an der Donau-Universität Krems und gehört der Jury des Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien an. Andreas P. Pittler ist verheiratet und wohnt – man ist geneigt zu sagen „wo sonst?“ – in Wien. Von ihm erschienen sind unter anderem Bruno Kreisky (1996), Rowan Atkinson, „Mr. Bean“ (1998), Tod im Schnee (2002), Samuel Beckett (2006), Tacheles (2008), Ezzes (2009), Tinnef (2011), Zores (2012), Der Fluch der Sirte (2013).

Andreas P. Pittler hat mir ein paar Fragen zu sich und seinem Schreiben beantwortet. Er tat das auf eine tiefgründige, sich und das Schreiben hinterfragende Weise, er legte dabei vieles offen und bot Einblicke – persönliche, sachliche, überlegte, anregende.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Die Frage „wer sind Sie?“ verleitet dazu, sich in Ausflüchten zu stürzen (also wenn man sie philosophisch auffasst und nicht damit beginnt, einfach einen Lebenslauf darzulegen). Mir fielen sofort zwei, drei Zitate ein, hinter denen ich mich verstecken könnte. „Wer bin ich?“ ist aber wohl die zentrale Frage menschlicher Existenz und das „Erkenne dich selbst“ vielleicht die spannendste Aufgabe im eigenen Sein. In der Tat glaube ich, mich durch mein Schreiben beständig ein bisschen mehr zu erkennen. Aber das ist wohl zeitlebens ein „Work in progress“.

Auch die Frage nach der Biographie ist keinesfalls einfach zu beantworten, denn diese setzt sich naturgemäß aus vielen kleinen Einzelteilen zusammen, von denen immer nur einige für eine gewisse Gruppe interessant sind. Würde ich mich etwa um eine Stelle bewerben, so würde es wohl kein Fehler sein, auf meine universitäre Laufbahn zu verweisen. Für meine LeserInnen ist diese jedoch vollkommen irrelevant.Wäre es mir hingegen darum zu tun, einem Mitmenschen aus meinem Leben zu berichten, so verwiese ich wahrscheinlich auf die Jugenderfahrungen, die dazu führten, dass ich jenen Weg einschlug, der mich eben ins Heute führte. Und vielleicht wäre „Er ging oft fehl, aber er kam ans Ziel“ ein schöner Spruch für meinen Grabstein.

Wofür steht das „P“ nach Andreas? Wieso steht es immer und wieso nie ausgeschrieben?

„P“ steht für Paul. Dies war der Vorname meines Großvaters. In der Schule, wo dieses zweite „P“ noch keine Rolle spielte, wurde ich gemeinhin „A.P.“ gerufen, woraus sich recht bald „APE“ und, daraus folgend, „Affe“ entwickelte (also „ape“ auf Englisch ausgesprochen). Nun finde ich heute die meisten Affen wirklich nett, aber als Pubertierender hat man doch seine Probleme mit einem solchen Attribut. Daher fügte ich das „P“ in meinen Namen ein und wurde zu „Apepe“, was sich (zumindest aus damaliger Sicht) schon besser anhörte. Und wie so vieles im Leben ist es mir bis heute geblieben, obwohl ich selbst es eigentlich gar nicht mehr verwende.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Als ich einmal im Rahmen eines Fragebogens diese Frage gestellt bekam, schrieb ich in jugendlicher Pose „Ich schreibe, weil ich nichts zu sagen habe“, was sich damals auf die Ohnmacht des Einzelnen in unserer Gesellschaft bezog, die einem keine Möglichkeit der (effizienten) politischen Partizipation lässt. Allerdings wäre es ein klein wenig unehrlich, meine Schreiblust allein auf diesen politischen Missstand zurückzuführen. Vielmehr war es wohl so, dass ich schon als kleiner Junge, als ich die Welt der Bücher entdeckte, so beeindruckt war, dass ich mir dachte, solche Werke will ich auch einmal schaffen. Und eines Tages war ich dann mutig genug, meine verbale Fabulierlust in Lettern zu gießen. Ein Prozess, der mit einem eigenen Tagebuch 1976 begann, sich mit Kurzgeschichten für die Schülerzeitung und pubertären Gedichten fortsetzte und seitdem ungebrochen anhält.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Ich denke, das Wichtigste ist, dass man seinen eigenen Stil findet. Man kann sich sehr viel von anderen AutorInnen, zumal von den Großen, abschauen, aber man wird nie selbst ein großer Autor, wenn man im Epigonenhaften stehenbleibt. Der Schlüssel zum guten Text scheint mir die Authentizität zu sein. Und vor allem muss man wissen, WAS man schreiben will. Für meine Krimis ist es mir z.B. von großer Wichtigkeit, in der Darstellung so realistisch und wirklichkeitsnah wie möglich zu sein. In anderen Genres wird es wiederum auf andere Besonderheiten ankommen.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Prinzipiell schreibe ich einfach darauf los. Ein Buch von ca. 300-400 Seiten schreibe ich in ca. zwei Monaten. Allerdings ist es bei mir so, dass ich quasi mein Leben lang recherchiere, da ich praktisch pausenlos lese. Dabei stosse ich immer wieder auf anregende Passagen, interessante Geschichten und faszinierende Details, ja selbst auf gelungene Formulierungen. Diese Dinge speichere ich, um bei Bedarf auf sie zurückgreifen zu können. Und es kommt natürlich auch vor, dass mir, wenn ich gerade nicht in der Nähe eines Schreibgeräts bin, ein schöner Gedanke kommt, dann halte ich den wie im vorigen Jahrhundert mit Kugelschreiber auf einem Notizzettel fest, um ihn später einbauen zu können. Bemerkenswert erscheint mir auch der Umstand zu sein, dass ich zu Beginn meiner Krimis selbst nicht weiß, wer der Täter/die Täterin ist. Ich schreibe mit offenem Endergebnis los, und wer sich im Laufe der Geschichte als wahrscheinlichster Täter herauskristallisiert, der wird es dann (meistens) auch. Außerdem macht es mir großen Spaß, in meine Geschichten kleine „Palimpseste“ zu verweben, Anspielungen auf große Werke der Weltliteratur, vielleicht sogar direkte Zitate, die ich unerkannt einer Figur unterschiebe. Hiezu hat mich quasi Umberto Eco angestiftet, der diese Vorgehensweise bei „Der Name der Rose“ erstmals in großem Stil anwendete. Ich habe bspw. in einem meiner Romane eine Seite, die ausnahmslos aus Anfangssätzen deutscher Romane aus der Zeit zwischen 1950 und 1980 besteht. Ich bin dann immer gespannt, ob das jemand merkt, ob jemand reagiert. Natürlich dürfen solche literarische „Manierismen“ den Lesefluss nicht stören. Es ist quasi ein Extra für den Insider, ohne den Rest damit zu irritieren.

Wann und wo schreiben Sie?

Da ich auch (noch) einen Brotberuf ausübe, nachts und an den Wochenenden. Als beste Zeit hat sich dabei für mich jene zwischen 22 Uhr und Mitternacht entwickelt, weil da schon allgemeine Ruhe herrscht, niemand mehr anruft oder sonstwie Kontakt aufnimmt und man daher ungestört arbeiten kann.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Wenn ich einen Roman abgeschlossen habe (wie jetzt gerade den sechsten „Bronstein“), dann lehne ich mich zurück und befinde mich für mich selbst im Urlaub. Allerdings bedeutet das nicht, dass ich nicht sofort an den Schreibtisch zurückkehre, wenn ich eine Idee habe, die nach Umsetzung schreit.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Autor zu sein empfinde ich als meine ureigene Berufung. Gerne wäre ich ausschließlich Autor, doch das ist in unserem System ökonomisch schwierig. Immerhin aber gibt mir die Schriftstellerei das Gefühl, etwas Sinnvolles zu machen, das mir zudem auch noch Freude bereitet (was ich von meinem Brotberuf in doppelter Hinsicht verneinen muss). Frustrierend sind für mich jene Momente, in denen ich erkennen muss, dass ich mich in einer Szene verrannt habe, so dass ich einen längeren Abschnitt einfach kübeln muss. Aber diese Emotion wiegt niemals die Freude auf, die ich empfinde, wenn ich einen neuen Roman fertiggeschrieben und dabei das Gefühl habe, eine Geschichte so gut wie mir möglich erzählt zu haben.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Ich habe das Gefühl, ich bin von Ideen nahezu umzingelt. Jedesmal, wenn ich die Zeitung öffne, springen mich drei, vier Themen an, aus denen man einen Roman machen könnte. Im Vorjahr las ich plötzlich eine kleine Notiz über einen libyschen Politiker, der tot aus der Donau gezogen worden war. Sofort und wie von selbst entstand in meinem Kopf eine Story rund um Verschwörung, Korruption, Unterschlagung und Mord. Die brauchte ich dann nur noch nach dem Diktat meiner Ganglien aufzuschreiben (mein aktueller Roman „Der Fluch der Sirte“). Ich kann das nicht wirklich begründen, aber in solchen Momenten sehe ich die handelnden Personen regelrecht vor mir und kann dabei auch hören, was sie sagen und wie sie es sagen.

Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Persönlich habe ich überhaupts nicht gegen Selfpublishing einzuwenden. Ich würde nur (derzeit) jeder/jedem davon abraten, weil die Branche an dieser Stelle immer noch die Nase rümpft, sich der erhoffte Erfolg also nur allzu selten einstellt. Mit den E-Books tu ich mich persönlich auch nicht so leicht, weil ich in der Ära der Stand-PCs großgeworden bin, die für mich immer noch primär eine bessere Schreibmaschine sind. Ich will blättern, riechen und im Wortsinne be-greifen. Aber ich bin natürlich nicht unglücklich, dass es meine Romane auch als E-Book gibt, denn eine neue Generation hat ihre eigenen Medien und so mögen die Jungen eben scrollen, wo ich blättere.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel von Andreas P. Pittler steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Als ich vor über fünf Jahren meinen Ermittler David Bronstein erfand, ging ich davon aus, dass ich hier jemanden porträtiere, der rein gar nichts mit mir zu tun hat. Eine bewusste Antithese sozusagen. Und dann stellte ich im Laufe der einzelnen Bände mehr und mehr fest, wie dieser Bronstein Zug um Zug von mir annahm. Mittlerweile könnte ich mich schon fast mit ihm identifizieren. Allerdings bietet das Schreiben auch die perfekte Gelegenheit, sich gefahr- und folgenlos ein Alterego auszudenken, dass tun und lassen darf, was immer es will, womit man auch ein klein wenig die eigene Phantasie ausleben kann, indem diese Figur Dinge tut, die man selbst vielleicht gerne einmal ausprobiert hätte, die man sich selbst aus welchen Gründen auch immer versagt.

Ihr Weg führte vom Journalismus über Sachbücher hin zur Belletristik. Was hat sie immer weiter bewegt? Sind sie nun angekommen? Was zeichnet die Belletristik im Gegensatz zum Sachbuch aus? Gibt es etwas, das ihnen fehlt aus den Bereichen Journalismus und Sachbuch?

Also eigentlich gäbe es ohne meine Ausbildung zum Historiker die „Bronstein“-Reihe gar nicht. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass meine Geschichtsbücher stets nur jene Leser fanden, die ohnehin schon Bescheid wussten. Wollte man also gewisse gesellschaftspolitische Fragen einem größeren Publikum bewusst machen, so schien es angezeigt, dies in einem Format zu tun, das dem Publikum geläufiger ist und zu dem es einen Zugang hat. Ich glaube, ich habe mit meinen Romanen als Historiker mehr bewegt als zuvor mit meinen Sachbüchern, die außerhalb der Fachkreise weitgehend unbeachtet blieben.

Sie sind Österreicher, genauer Wiener. Beeinflusst ihre Herkunft ihren Stand auf dem deutschsprachigen Markt?

Unbedingt. In meinem Fall sogar noch mehr als sonst, da ich recht umfangreich vom Wortschatz des Wiener Dialekts Gebrauch mache, den man nördlich von Nürnberg wohl kaum mehr versteht. Das ist vergleichbar mit Krimis, in denen sich die Menschen des „Züri-Dütsch“ bedienen, womit man in Hamburg oder Flensburg auch eher auf Unverständnis stoßen wird. Gleichzeitig habe ich aber die angenehme Erfahrung gemacht, dass die „eigenen“ Leute es sehr zu schätzen wissen, wenn man in ihrer Sprache schreibt, denn hier in Wien sind meine Romane konstant geschätzt, wie sich an den jeweiligen Verkaufszahlen ablesen lässt.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

An dieser Stelle sind wir jetzt wieder bei den Sachbüchern und bei meinem erlernten Beruf als Historiker. Ich habe einfach festgestellt, dass ich mit meinem historischen Abhandlungen stets nur jene Menschen erreichte, die ohnehin schon um geschichtliche Zusammenhänge wussten. Daher nahm ich mir einen Satz von Dashiell Hammett zu Herzen, der einmal sagte, dass ein guter Krimi mehr bewirkt als dutzende politische Pamphlete. Tatsächlich ist es so, dass mich die politische Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte persönlich sehr beunruhigt und ich als Historiker erschreckende Parallelen zu den späten 20er und frühen 30er Jahren sehe. Daher will ich mit meinen Geschichten nicht nur unterhalten, sondern auch vor den Folgen warnen, die einer Gesellschaft drohen, wenn sie zu lange der Willkür einzelner tatenlos zusieht.

Ihre Krimis spielen in der Zwischenkriegszeit. Wieso haben Sie sich auf diese Zeit konzentriert? Was gefällt ihnen oder packt sie an der Zeit?

Viele gehen davon aus, dass diese Zeit abgeschlossene Vergangenheit ist. Doch nimmt man sie genauer unter die Lupe, so stellt man mit Schrecken fest, wie viele Ähnlichkeiten die Jahre 1927 bis 1933 mit unseren Tagen aufweisen: Bankenkrach, Massenarbeitslosigkeit, untätige Politiker, Demagogen, Perspektivlosigkeit der Jugend, all das gab es schon einmal und wir wissen, wohin das nach 1933 geführt hat. Persönlich denke ich, dass der Schock der Jahre 1933 bis 1945 eineinhalb Generationen lang wirklich tief saß und alle, wo immer sie auch politisch standen, sich dahingehend einig waren, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe. Seit etwa 1990 ist aber eine neue Generation herangewachsen, der die Ereignisse des Nationalsozialismus so fremd sind wie die Christenverfolgung der Antike und die Hexenprozesse des Mittelalters. Daher erscheint es mir geboten, der heutigen Sorglosigkeit gegenüber historischen Zusammenhängen etwas Bewusstsein entgegenzustellen – und die charmanteste Weise, in der man das tun kann, scheint mir im Rahmen einer spannenden Geschichte zu sein.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Es ist jedenfalls keinen Nachteil, wenn er einen hat. Es ist allerdings kein Muss. Viele hervorragende Schriftsteller haben sich ausnahmslos mit Themen wie Liebe oder Spiritualität befasst, und ihre Werke sind dennoch großartig. Auch kann politischer Auftrag nicht heißen, Moralkeulen zu schwingen oder mit erhobenem Zeigefinger zu arbeiten. Der „Auftrag“ erfüllt sich, wenn die Leserschaft von sich aus zu dem Schluss kommt, dass eine Änderung beschriebener Missstände wünschenswert ist.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Es muss spannend und intelligent geschrieben sein. Es muss Dinge beinhalten, die mich selbst zu eigenen Gedanken anregen. Es muss meinen Horizont erweitern. Manchmal genügt es aber auch voll und ganz, dass es mich gut unterhält oder mich einfach nur köstlich amüsiert. Letztlich ist es auch stimmungsabhängig, welches Buch mich wann wie anspricht. Nach einem harten Tag kann auch „Hägar der Schreckliche“ die richtige Lektüre sein. Andererseits ist es eine sportliche Herausforderung, wieviele historisch-philosophisch-theologische Anspielungen man in Joyces „Ulysses“ findet.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Die gibt es nicht nur, sie werden laufend mehr. Die Palette reicht hier von Samuel Beckett und James Joyce über den frühen Christoph Hein und Thomas Bernhard bis zu den großen Russen wie Puschkin, Gorki oder Majakowski. Es ist auch schön, immer wieder Neues zu entdecken, wo man dann quasi den Werdegang eines Autors/einer Autorin von Werk zu Werk mitverfolgen kann. Das ging mir bspw. bei Thomas Brussig so, aber auch bei Tanja Dückers oder Juli Zeh. Als Krimiautor beeindrucken mich natürlich die Großen des Genres von Hammett, Chandler und Glauser bis hin zu Vazquez-Montalban, Camilleri, Marklund und Markaris. Und natürlich eine ganze Menge deutschsprachiger Krimi-AutorInnen, die ich hier aber nicht nenne, um mir nicht den Unmut jener zuzuziehen, die ich vielleicht zu nennen vergessen habe.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

* Finde heraus, was Du schreiben/erzählen willst. * Schiele nicht auf Marktauglichkeit oder auf Vorgaben, die vermeintlich schnelleren Erfolg versprechen. * Übernimm von anderen Schriftstellern, was dir gut erscheint, kopiere sie aber nicht. * Lasse dich von Rückschlägen nicht entmutigen. * Bleibe dir unbedingt treu – besser, der Text bleibt (vorläufig) unveröffentlicht, als es erscheint ein Buch unter deinem Namen, das nicht (mehr) dein Buch ist.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Andreas P. Pittler für diese Antworten.

Sunil Mann – Nachgefragt

©Eke Miedaner
©Eke Miedaner

 Sunil Mann wird am 21. Juni 1972 im Berner Oberland/Schweiz als Sohn indischer Einwanderer geboren. Er verbringt seine Jugend bei Pflegeeltern in Spiez und besucht in Interlaken das Gymnasium. Nach einem erfolgreichen Studienabbruch in den Fächern Psychologie und Germanistik (in Zürich) versucht er sich im Gastgewerbe mit einem halbherzigen Besuch der Hotelfachschule Belvoirpark. Seine heutige Arbeit als Flugbegleiter, welche oft unterbrochen wird durch zum Teil mehrmonatige Aufenthalte in Israel, Ägypten, Japan, Indien, Paris, Madrid und Berlin, lässt ihm genügend Zeit zum schreiben, was er produktiv macht und auch verschiedentlich dafür ausgezeichnet wird und wurde. Sunil Mann lebt in Zürich. Von ihm erschienen sind unter anderem Fangschuss (2010), Lichterfest (2011), Uferwechsel (2012) und Familienpoker (2013).

Sunil Mann hat sich bereit erklärt, mir einige Fragen zu beantworten. Herausgekommen ist ein Interview, das – obwohl er nicht zuviel Privates an die Öffentlichkeit geben möchte mit seiner Selbstbeschreibung –  tiefe Einblicke in sein Schreiben gewährt und den Menschen und Autoren Sunil Mann authentisch und sympathisch erscheinen lässt, so dass man gerne der wäre, der das eine oder andere Bier mit ihm trinkt.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Mit der ersten Frage beschäftigte ich mich schon seit ein paar Jahrzehnten, ohne dass ich dabei eine endgültige und allumfassende Antwort gefunden hätte. Ein Mensch, der sich nach längerer Suche eine mehrheitlich glücklichmachende Beschäftigung und eine ebensolche Lebenssituation geschaffen hat, würde es wohl am ehesten treffen.

Meine Biografie würde ich dennoch nie erzählen wollen, soviel Privates mit der Öffentlichkeit zu teilen ist nicht mein Ding  – ausser natürlich das Angebot wäre wirklich sehr, sehr lukrativ und es bestünde die reelle Chance, dass das Buch von David Fincher verfilmt würde.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich schreibe, weil sonst mein Leben arm an Inhalt und Freude wäre. Weil ich meinen Lebensunterhalt damit verdiene und weil ich es gut kann (glaube zumindest ich).

Entgegen der hin und wieder geäusserten Meinung Aussenstehender, ich hätte doch „ein hübsches Hobby“, ist Schreiben viel essenzieller für mich als beispielsweise Kanarienvögel zu züchten oder eine Tomatenplantage auf dem Balkon anzulegen. Halten mich äussere Umstände ein paar Tage davon ab, werde ich ziemlich unleidlich, auf der anderen Seite erfüllt mich ein gelungener Text mit unbeschreiblichen Glücksgefühlen. Und ja, ich wollte das schon immer, genau das und nichts anderes. Bereits mit sechs habe ich meinen Eltern zu Weihnachten selbstgebastelte Bücher mit Text und Zeichnungen geschenkt.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Prinzipiell glaube ich, dass alles lernbar ist. Allerdings braucht es dazu je nach Veranlagung viel Durchhaltewillen und Ehrgeiz. Und ein Funke Talent schadet sicher auch nicht.

Ich persönlich habe einfach einen Text nach dem anderen geschrieben, bis ich das Gefühl hatte, das Schreiben eingermassen im Griff zu haben. Wahrscheinlich eignet man sich jede andere Fertigkeit genauso an.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich entwickle erst einen Plot, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Der kann durchaus vage sein, der Verlauf einer Geschichte verändert sich nach meiner Erfahrung während des Schreibprozesses ohnehin, manchmal sogar mehrmals.
Mit der Recherche beginne ich erst kurz vor Beginn der Schreibarbeit, wenn ich weiss, was ich genau brauche. Auch später tauchen immer wieder Fragen auf, sodass ich oft parallel zum Schreiben recherchiere. Dank Internet ist das aber meist keine grosse Sache mehr.

Wann und wo schreiben Sie?

Zuhause, an meinem wunderschönen Sumpfeichentisch im Esszimmer. Normalerweise zu gängigen Bürostunden, nur manchmal erlaube ich mir gleitende Arbeitszeit oder sogar unbezahlten Urlaub.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Nein. Feierabend ist der Zeitpunkt, wo die Denkarbeit einsetzt. Irgendein Teil des Gehirns ist immer am Text, an dem man gerade arbeitet, festgezurrt und manchmal kommen mir die besten Ideen erst, wenn ich den Arbeitsplatz verlassen habe. Ferien im herkömmlichen Sinn gibt es nicht, denn die Aufnahmetaste ist immer gedrückt. Alles um mich herum ist bereichernd und spannend, möglicherweise sogar potenzielles Material für einen Roman oder eine Kurzgeschichte.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Autor zu sein, bedeutet für mich zu tun, was ich am liebsten tue und am besten kann. Man kämpft dabei vor allem mit finanziellen Engpässen, zeitweise mit Akzeptanz (>Ach so, „nur“ Krimiautor< oder die oben erwähnte Hobbyfrage), andererseits ist das gute Gelingen einer Textpassage oder eines Dialogs pures Endorphin. Und wenn man später vor Publikum liest und die Leute genau an den richtigen Stellen lachen oder einem wissen lassen, dass das Buch sie berührt, amüsiert oder gut unterhalten hat, dann hat man das Gefühl, doch etwas richtig gemacht zu haben.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Ich kann mich in der Hinsicht nicht beklagen. Man lässt mich grundsätzlich schreiben, was ich möchte und mir wichtig ist, bezahlt mich anständig und pünktlich und sorgt dafür, dass sich meine Bücher verkaufen. Und kurz vor Weihnachten gibt es ein Essen mit den Verlagsmitarbeitern und allen anderen Autoren, was eigentlich immer feuchtfröhlich endet.

Sie wohnen in der Schweiz, schreiben meist über Schweizer Schauplätze. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Literaturszene. Wie sehen Sie Ihre Stellung innerhalb des deutschsprachigen Raums? Sehen Sie sich im Nachteil als Schweizer, gibt es Vorteile oder ist das irrelevant?

Ich glaube, Deutschland und Österreich warten nicht unbedingt auf Schweizer Krimiautoren, dazu haben beide Länder eine zu lebendige und vielfältige Szene. Allerdings kann man sich über Jahre hinweg durchaus eine Fangemeinde im deutschsprachigen Ausland aufbauen, unter anderem auch mit Themen, die nicht nur lokal verankert sind, sondern in Berlin, Köln oder Wien genauso gut funktionieren wie in Zürich.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Ich lese täglich mindestens eine Zeitung. Gerade die kleinen Meldungen sind es oft, die mich inspirieren. Dazu kommen Gespräche, auch belauschte (z.B. Handybenutzer im Tram), (Dokumentar-)Filme, Bücher … die Liste liesse sich beliebig verlängern. Am Ende steckt in allem eine mögliche Story. Meine Arbeit ist es, diese herauszufiltern, mit anderen Elementen zu verbinden und mit meinen eigenen Worten zu erzählen.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Sunil Mann steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Natürlich steckt eine gute Portion Sunil Mann in Vijay Kumar, der nicht rein zufällig ebenfalls indischstämmiger Schweizer ist. Auch wenn er mir sehr nah steht, ist die Figur aber keineswegs autobiografisch angelegt, seine Erlebnisse sind nur ganz selten auch meine.

Allerdings muss ich mich in alle meine Figuren hineinfühlen, was sie denken und fühlen, wie sie agieren – das stammt alles von mir. Von dem her findet man in jedem Buch eine ganze Menge von mir, meist ist es aber gut versteckt.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Krimis sind eine beinahe alles umspannende Literaturgattung. Da finden sich Liebesgeschichten, Sozialdramen, Frauen- und/oder Männerthemen, manchmal werden sogar Katzen oder Schafe eingesetzt, es gibt Krimis für Kinder- und Jugendliche und so weiter. Das reizt mich an dem Genre. Dass es nicht allein um die Aufklärung eines Verbrechens geht, sondern man noch viel mehr reinpacken kann. In meinen Romane sind das unter anderem eine Einwanderergeschichte und eine Love Story, die neben der jeweiligen Krimihandlung über mehrere Bücher hinweg erzählt werden.

Natürlich macht es Spass, auch mal in die Rolle eines Bösewichts zu schlüpfen und sich vorzustellen, wie das sein könnte, wie so jemand denkt. Aber etwas ausleben, was ich mir im realen Leben versage, tue ich damit nicht.

Was meine Lektüre betrifft: Ich lese alles, querfeldein, Hauptsache, es fesselt mich.

Ihre Krimis bewegen sich zwischen kleinen familiären Themen wie einer verschwundenen Katze oder Putzfrau und politschen Schauplätzen wie einem ermordeten Politiker oder dem Bankenwesen. Was reizt Sie an der Verbindung dieser verschiedenen Ebenen?

 Mich reizt es zu zeigen, dass Menschen sich grundsätzlich immer gleich verhalten, unabhängig von ihrem sozialen und beruflichen Status. Auch wenn das Umfeld variiert, die Beweggründe für ein Verbrechen bleiben immer dieselben. Zudem finden sich die Ursachen für grosse Skandale und Untaten oft im Kleinen, im Privaten.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Von einem Auftrag würde ich nicht sprechen. Aber es schadet sicher nicht, wenn ein Autor eine politische Meinung hat und diese öffentlich vertritt. Als Autor ist man in der Hinsicht wesentlich freier als ein Politiker und kann sich durchaus auch mal selbstironisch oder sarkastisch äussern. Dies ist auch ein Grund dafür, dass ich in meinen Krimis immer wieder meine persönlichen politischen Ansichten einfliessen lasse, oftmals aber mit einem Augenzwinkern.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Einen ansprechenden Schreibstil, interessante Figuren und eine Geschichte, die mich zwingt, weiterzulesen.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Unzählige. Ich kann an dieser Stelle nur einige nennen: Stephen King, Alice Munro, Ralf Rothmann, Raymond Chandler, Richard Yates, Gabriel Garcia Marquéz, Friedrich Dürrenmatt, Jakob Arjouni, Jan Costin Wagner, Tana French …

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

  • Als Erstes eine hohe Frusttoleranz entwickeln. Der Weg eines Autoren ist ein steiniger und deine Meinung, dass du mit deinem ersten Roman einen garantierten Weltbestseller geschrieben hast, teilen in den meisten Fällen nicht einmal deine besten Freunde.
  • Weiterschreiben, egal, was geschieht. Denn nur Übung macht den Meister. Dabei sollte aber immer die Geschichte im Vordergrund stehen, keinesfalls du.
  • Lesen! Andere haben Weltbestseller geschrieben und genauso mit einer leeren Seite angefangen wie du.
  • Das Privatleben nicht vernachlässigen, denn wenn es mal nicht so gut läuft, brauchst du unbedingt Leute, die mit dir ein Bier trinken gehen. Oder auch zwei.
  • Sich nicht so wichtig nehmen. Die Erde dreht sich auch in ein paar Millionen Jahren noch, aber ganz sicher nicht um dich.

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview!

Horst Eckert – Nachgefragt

EckertHorstHorst Eckert
Horst Eckert wurde am 7. Mai 1959 in Weiden/Oberpfalz geboren und wuchs in Pressrath auf. Er studierte in Erlangen und Berlin Soziologie und Politische Wissenschaften, jobte als Bierschlepper und Fahrstuhlführer, später als Hospitant im Berliner ZDF-Studio. Nach einem Umzug nach Düsseldorf 1987, die Liebe war Schuld, arbeitete er 15 Jahre lang als Fernsehreporter, seitdem ist er hauptberuflich als freier Schriftsteller tätig. Von ihm erschienen sind unter anderem Annas Erbe (1995), Finstere Seelen (1999), Ausgezählt (2002),Der Abrsprung (2006), Sprengkraft (2009), Schwarzer Schwan (2011), Schwarzlicht (kommt im September 2013).

Ich freue mich, dass mir Horst Eckert Einblicke in sein Schreiben gewährt hat und sich Zeit nahm, mir einige Fragen zu beantworten. Herausgekommen ist ein sehr informatives und authentisches Interview.

 Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

 Aufgewachsen in der nordostbayerischen Provinz, Studium in Erlangen und Berlin, Fernsehjournalist, dann freier Schriftsteller. Wohne in Düsseldorf, bin verheiratet.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

 Mich interessieren die Tragödien, in die sich Menschen aus niederen Beweggründen oder hohen Idealen verstricken. Was Menschen einander antun. Wie sie ticken. So kam ich zur Kriminalliteratur, und als ich zu viele mittelmäßige Bücher gelesen hatte, nahm ich mir in meiner Hybris vor, es besser zu machen. Dabei habe ich Blut geleckt.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

 Am meisten habe ich von zweitklassigen Büchern gelernt, denn sie haben mir gezeigt, wie man nicht schreiben sollte. Meine Erfahrung als Journalist hat mir vielleicht geholfen. Schreibkurse helfen, denn es fallen keine Genies vom Himmel. Am wichtigsten ist: lesen, lesen, lesen.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

 Ich plane meine Figuren und den Plot, dann schreibe ich. Um die Geschichte authentischer erzählen zu können, recherchiere ich parallel.

Wann und wo schreiben Sie?

 Tagsüber an meinem Schreibtisch.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

 Ich muss nicht abschalten. Für einen Schriftsteller ist eine gute Idee die Krönung des Tags, egal zu welcher Zeit.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

 Es ist die schönste Arbeit, die ich mir vorstellen kann, aber ich muss auch kämpfen: jedes Mal, wenn ich einen neuen Roman beginne, um eine Geschichte, die mich wirklich bewegt.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

 Der Verlag ist der erste und wichtigste Partner, um die Leser zu erreichen. Ohne Lektorat, Titelgestaltung, Marketing und Pressearbeit gibt es kein erfolgreiches Buch, auch in Zeiten des Kindle-Selfpublishing. Natürlich denkt jeder Autor, sein Verlag könnte noch mehr für ihn trommeln. Aber Bestseller werden ohnehin von den Lesern gemacht, nicht von den Verlagen.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

 Die Wirklichkeit. Ein bisschen eigene Erfahrung und vor allem das, was Mitmenschen oder die Medien vermitteln. Und meine Fantasie macht eine Geschichte daraus.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Horst Eckert steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

 Es gibt kein Alter Ego in meinen Romanen und ich identifiziere mich mit keiner Figur. Aber beim Erzählen überlege ich ständig: Wie würde ich mich in dieser Situation verhalten? Insofern steckt Horst Eckert in jeder meiner Figuren, auch in den finstersten.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

 Krimis erzählen am treffendsten und unterhaltsamsten davon, was in uns oder zwischen uns nicht in Ordnung ist – kein anderes Thema bewegt uns so wie die menschlichen Abgründe. Der Krimi ist deshalb der Gesellschaftsroman von heute, wenn er gut ist. Warum sollte ich etwas anderes schreiben?

Ihre Krimis greifen oft Themen aus der Wirtschaft und der Politik auf. Wollen Sie damit eine Botschaft transportieren oder interessieren Sie die Bereiche einfach am meisten?

 Politik und Wirtschaft betreffen uns tagtäglich, ob wir wollen oder nicht. Ich will einladen, darüber nachzudenken, aber ich habe keine Botschaft und möchte niemanden belehren. Letztlich schreibe ich über die gleichen menschlichen Abgründe wie die Schriftsteller vergangener Jahrhunderte. Ich gebe der Geschichte nur ein aktuelles Gewand.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

 Natürlich habe ich ein ganzes Bündel an Meinungen, aber als Autor ist es nicht mein Job, die Leser damit zu behelligen. Mein einziger Auftrag lautet: Niemals zu langweilen.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

 Glaubwürdige Figuren, komplexe Handlung, gute Sprache, ein aktuelles Setting und vor allem: Spannung.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

 James Ellroy hat mich zum Krimifan gemacht, aktuell schätze ich Don Winslow, Dominique Manotti und viele andere. Aber beim Schreiben muss ich letztlich meiner eigenen Fantasie und meinem Gefühl für Menschen und Sprache vertrauen.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Erzähl eine Geschichte, nicht ein Thema. Achte auf die Glaubwürdigkeit im Handeln jeder deiner Figuren und nimm die Einwände deiner Testleser ernst. Denk nicht über einen eigenen Sprachstil nach, sondern formuliere zweckmäßig. Schiele nicht auf den Markt, sondern vertraue der Geschichte, für die du brennst. Und überarbeite dein Manuskript, bis du an keinem Detail mehr zweifelst. Viel Spaß und Erfolg!

Ich bedanke mich herzlich bei Horst Eckert für dieses Interview!

Alex Capus – Nachgefragt

(c) Peter Hassiepen
(c) Peter Hassiepen

Alex Capus
Alex Capus wird am 23. Juli 1961 in der Normandie als Sohn eines Franzosen und einer Schweizerin geboren. Die ersten fünf Lebensjahre lebt er mit seiner Familie in der Wohnung des Grossvaters in Paris, zieht nach der Trennung seiner Eltern mit seiner Mutter nach Olten in die Schweiz.  Neben seinem Studium der Geschichte, Philosophie und Ethnologie an der Universität Basel arbeitet er bei diversen Tageszeitungen als Journalist und ist während vier Jahren als Inlandredaktor einer  bei einer Schweizerischen Depeschenagentur in Bern beschäftigt. Zwischen 2009 und 2012 fungiert er als Präsident der Sozialdemokratischen Partei Oltens. Alex Capus lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in Olten. Von ihm erschienen sind unter anderem Munzinger Pascha (1997), Der König von Olten (2009),  Léon und Louise (2011), Skidoo (2012), Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer (2013).

Alex Capus hat sich bereit erklärt, mir einige Fragen zu seiner Person und seinem Schreiben zu beantworten. Ich freue mich sehr über seine Antworten, die teilweise kurz und knapp, oft mit einem fast sichtbaren Schmunzeln gegeben sind.

 Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

1961 in Frankreich geboren als Kind viel zu junger Eltern. Scheidung der Eltern, Umzug mit Mutter und Bruder nach Olten. Erste Kurzgeschichten im Alter von sieben Jahren als Selbstvergewisserung. Eine Jugend im Gefühl, der einzige Erwachsene im Haus zu sein. Als junger Erwachsener die Suche nach dem echten, wahren, intensiven Leben. Deshalb ein eigensinniger Student, akademisch nicht zu gebrauchen. Weitere Kurzgeschichten. Journalismus aus Liebe zu den Menschen und Freude an der Form. Erstes Kind, erster Roman. Heirat mit meiner Gefährtin Nadja. Zweiter Roman. Zweites Kind. Dritter Roman. Drittes Kind. Vierter Roman. Viertes Kind. Bis dato fünf Kinder und fünfzehn Bücher.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich kann das ziemlich gut und mache das ziemlich gern. Darüber hinaus bestärkt mich erzählendes Schreiben im Glauben, dass alles in der Welt miteinander zusammenhängt und das Leben also einen Sinn hat.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Alles Quatsch. Schreiben ist wie alle Kunst letztlich ein Ausdruck von Gefühl. Wer’s hat, hat’s. Wer nicht, nicht.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen? Wann und wo schreiben Sie?

Ich recherchiere und mache mich kundig zum Thema meiner Betrachtung, bis ich satt und überzeugt bin, dass kein Mensch auf der Welt besser als ich Bescheid weiss darüber. Dann trage ich das ganze schwanger, bis sich die richtige Form herauskristallisiert. Das kann Monate oder Jahre dauern. Und dann setze ich mich hin und schreibe. From nine to five, sehr ordentlich.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Feierabend, Ferien? Niemals. Abschalten? Warum sollte ich das wollen?

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Als Autor singe ich mein Lied und tanze meinen Tanz. Jeder Mensch sollte das tun, die Zeit ist knapp. Und ich verdiene mein Geld damit, das ist ein grosses Glück.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Autoren sollten nicht so viel jammern. Als Profi sucht man sich die richtigen Leute aus, mit denen man arbeiten will, dann ist man loyal zu ihnen und vertraut ihnen auch. Das ist im Fussballgeschäft nicht anders als im Waffenhandel, im Ölbusiness oder in der schönen Literatur.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Tja, Ideen. Die flüstert mir mein kleiner Finger ins Ohr.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Alex Capus steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Natürlich hat der olle Goethe recht. Ich bin alle meine Figuren.

Ihre Geschichten handeln oft von tatsächlichen Figuren aus der Vergangenheit, so auch Ihr neuster Roman Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer. Wie stossen Sie auf diese Figuren, was muss eine Figur haben, dass sie daraus eine Geschichte machen wollen?

Ich muss sie mögen.

Wo hört bei ihren Geschichten die tatsächliche Vergangenheit auf, wo beginnt die Fiktion?

Alles, was ich erzähle, ist immer wahr – wenn ich es doch sage!

 Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht? Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen?

Heute Abend lese ich gerade wieder mal Rock Springs von Richard Ford. Grossartig. Schönheit und Wahrhaftigkeit, darauf kommt’s an.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Erstens: Viel lesen.

Zweitens: Viel schreiben.

Drittens: Niemals zu früh mit sich zufrieden sein.

Viertens: Die ersten fünf Entwürfe immer wegschmeissen,

Fünftens: Niemals auf olle Ratschläge hören. Stay true to the idea, wie David Linch sagt.

Herzlichen Dank, Alex Capus, für dieses Interview!

Martin Felder: Meine Nachbarin, der Künstler, die Blumen und der Revolutionär

Autoren und andere Ungereimtheiten

Ein Autor, der einzelne Sätze schreibt, eine Nachbarin mit schönen Blumen, ein Künstler, der die Sätze des Autoren liest und ein Revolutionär, der gegen das System kämpft. Dann zieht die Nachbarin weg, der Autor will  sie suchen und fährt dabei über Hamburg und Berlin bis nach Paris.

Das als Roman ausgewiesene Werk von Martin Felder, Meine Nachbarin, der Künstler, die Blumen und der Revolutionär handelt von wenig anderem als schon im Titel ersichtlich ist. Versteht man unter einem Roman eine längere, zusammenhängende Erzählung um einen oder mehrere Protagonisten, die im Laufe dieser Erzählung eine Entwicklung durchmachen, so fehlt es dem vorliegenden Buch sowohl an der Länge wie auch an der Entwicklung. Der Künstler, dessen Kunst darin zu bestehen scheint, dass er seine gewollte Kunst, nämlich Romane zu schreiben, nicht ausüben kann, steht am Schluss der Geschichte noch am selben Ort wie davor. Er schreibt noch immer Einzelsätze, hat noch immer nicht gefunden, was er wirklich will und sucht – suchen tut er wohl am ehesten einen Inhalt für sein Leben.

Es scheint, als ob es Felder genauso geht wie seinem Protagonisten. Der Leser ist konfrontiert mit Einzelsätzen, die von Menschen und Situationen handeln, die den Alltag in der Stadt zeichnen. Man sieht Menschen Blumen giessen, sieht Rollläden hoch und runter fahren, Kaffee wird getrunken, nachbarschaftliche Gespräche geführt. Ad hoch-Poesie des Alltags quasi, die als Roman verkauft wird. Das Buch geht inhaltlich nicht über das hinaus, was schon im Titel versprochen wird. So gesehen ist der gut gewählt, lässt aber wenig Platz für Überraschungen.

Felders Figuren, der Autor, der Künstler, der Revolutionär und die Nachbarin, bleiben seltsam farblos. Sie haben weder Namen noch Aussehen, man erfährt nur durch die kurzen Sätze, was sie sagen oder tun. Es sind Sätze, die teilweise Hintergrund und Wiedererkennungswert aus dem eigenen Alltag haben, schliesslich trinkt jeder mal Kaffee, redet mit Bekannten oder macht sich Gedanken über die rauf und runter gehenden Rollläden und was sich wohl dahinter abspielt. Felder zeigt sich dabei feinfühlig und mit Blick auf die kleinen Details des alltäglichen Lebens, verpackt diese ab und an auch in subtilen Humor.

Wieso Friseursalons nicht Friseursalons, sondern Schnittstelle oder Rasenmäher hießen, frage ich die Frau mit der Schere und den Haaren unter der Achsel.

Die Alltagsbeobachtungen werden durchsetzt mit Sätzen, die teilweise zusammenhangs- und sinnlos erscheinen

Das Walross watschelt bergauf. Der Seehund humpelt bergab.

oder den Schreibprozess des Autors darstellen:

Einen Satz ohne Satzzeichen wünsche ich mir und erfülle mir den Wunsch gleich selbst

 Als Leser sieht man sich so dem Alltag des Autors ausgesetzt, welcher nicht erzählt, sondern nur beschrieben wird. Man bleibt an der Oberfläche eines staccatohaft dargestellten Daseins. Als Folge dieses Sprachstils, der an die moderne Kommunikation aus Social Media Plattformen erinnert, bleibt das Buch mit seinen Protagonisten gesichts- und konturlos. Auch darin erinnert es an die anonyme Welt des Internets. Es liegt am Leser, diese Welt zu entschlüsseln und einen Sinn darin zu erkennen.

Fazit:
Eine neuartige Form von Literatur, sprachlich gekonnt umgesetzt. Wer neue literarische Wege erkunden will, ist bei diesem Buch sicher an der richtigen Adresse, wer allerdings einen Roman im herkömmlichen Sinne und Figuren mit Wiedererkennungswert und Identifikationspotential erhofft, wird enttäuscht werden.

Zum Autor
Martin Felder
Martin Felder wurde 1974 in Rheinfelden geboren, studierte in Genf Philosophie, Spanisch und Deutsch und absolvierte die Drehbuchwerkstatt der HEF München. Er ist Mitglied der Autorengruppe index, Zürich und des Forums Hamburger Autoren und lebt in Luzern. Wichtigste Auszeichnungen sind der Werkbeitrag für Literatur von Stadt und Kanton Luzern, Prix Jeanne Hersch en Ethique ou Philosophie Morale sowie ein Stipendium der Österreichischen Nationalbank anlässlich der „Tage deutschsprachiger Literatur, Klagenfurt.

FelderNachbarinAngaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 263 Seiten
Verlag: Salis Verlag AG (4. März 2013)
ISBN-Nr.: 978-3905801842
Preis: EUR  24.95 / CHF 38.90

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