Aus dem Atelier: Stiller werden

«Alles vei ihnen redet, nichts gerät mehr und kommt zu Ende. Alles gackert, aber wer will noch still auf dem Neste sitzen und Eier brüten?» Friedrich Nietzsche

Ich habe lange überlegt, eine Pause einzulegen hier und in den sozialen Medien. Ich habe mich nun dagegen entschieden (vorerst), trete aber kürzer. Ich möchte nicht im Akkord liefern müssen, sondern mir die Zeit und Ruhe geben und nehmen, meine Kunst weiterzudenken, weiter zu entwickeln. Ich möchte frei und spielerisch die Möglichkeiten erkunden, Formen und Linien entstehen und Farben fliessen lassen.

Der tägliche Gedanke, was ich davon präsentieren und vor allem auch, was ich dazu sagen möchte, kostet Zeit und Energie. Und er übt einen Druck aus, der mich müde macht. Mit dem Titel «Tagesbild» habe ich wohl zusätzlich die Erwartung geweckt, die Bilder kämen auch wirklich täglich. Und wie es meinem Naturell entspricht, enttäusche ich Erwartungen ungern. Dabei war es nie so angedacht. (Darum nun neu: Aus dem Atelier)

Frei nach Nietzsche werde ich also weniger gackern und mehr Eier brüten. Es wird nicht still hier, aber stiller. Ab und zu mache ich auch Ausflüge ins Bücherregal, stöbere in Bildbänden, lasse mich inspirieren, tauche in die Bildwelten grosser Künstler ein. Auch darüber möchte ich ab und zu berichten. Vielleicht finden auch andere darin Inspiration.

Ich wünsche euch einen guten Start in diese kurze Woche.

Tagesbild: Sein in der Welt

«Es gibt kein richtiges Leben im falschen.» Theodor Adorno

Wer bin ich? Wie will ich sein? Wo gehöre ich hin? Was ist mein Platz? Ohne das Wissen darum bleibt das Leben eine ständige Suche.

Habt einen schönen Tag!

(Das Zitat stammt übrigens aus „Minima Moralia“ von Theodor Adorno. Eines der Bücher, das mir als einziges Buch einfallen würde, um es auf eine Insel mitzunehmen)

Tagesbild: Wer bin ich?

*Erkenne dich selbst.» Orakel von Delphi

Das ist wohl eines der bekanntesten philosophischen Zitate und zugleich eine Aufgabe an jeden einzelnen. Die Selbsterkenntnis, so ist man sich sicher, führt zu einem gelingenden, weil selbstbestimmten Leben aus den eigenen Bedürfnissen heraus.

Stimmt das? Sind wir als die, welche wir sind, wirklich so selbstbestimmt? Wie viel Anteil haben wir an uns, wenn wir einfach unbewusst in den Tag hineinleben? Was ist mit Genen, Prägungen, Mustern, sozialen Einflüssen…. ? Sie haben in Tat und Wahrheit einen grossen Einfluss auf uns. Umso mehr also gilt es, in sich zu gehen, zu forschen, herauszufinden, wo denn nun dieses Ich wirklich ist und wie es aussieht, was es will.

Ist das so? Vielleicht wäre es besser, hinzusitzen und sich zu fragen: Wer will ich sein? Und dann daran gehen, sich zu dem zu machen, der man sein will. Wie sagte schon George Bernhard Shaw:

«Life isn’t about finding yourself. Life is about creating yourself.»

Vielleicht sind wir wie ein Klumpen Ton, den wir nun nach unseren Wünschen gestalten können. Vielleicht ist es erfüllender, statt Archäologe auf der Suche nach verschütteten Eigenschaften mehr Schöpfer seines eigenen Ichs zu sein. Ein Versuch ist es wert!

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Leben in meiner Welt

«To create one’s own world takes courage.» Georgia O’Keeffe

Die grosse Welt können wir kaum ändern, aber die kleine um uns herum, da haben wir Möglichkeiten. Nur: Ganz so einfach ist das nicht. Wir bewohnen sie nicht allein, andere leben mit und neben uns. Sie schauen auf uns, haben ihre eigenen Vorstellungen, wie eine Welt auszusehen hätte. Wenn viele die gleiche Sicht teilen, stehen wir, die wir uns in dieser Welt nicht wohl fühlen, alleine da.

«In der sozialen Welt ist es elementar, ob man drinnen ist oder draussen, ob man dazugehört oder nicht.» Ralf Konersmann, Aussenseiter

Wir stehen vor einem Grossen Wir und sind die Anderen. Wir sind die Aussenseiter, die an der Seite und aussen stehen. Da zu sein ist schwer. Mitunter einsam. Und mit dem Wissen gepaart, immer im kritischen Blick zu stehen. Dem Blick, der sagt: Wir wissen, wie die Welt zu sein hat, du passt da nicht rein.

«Die Konstellation ist jedoch asymmetrisch. Denjenigen, die drin sind, fällt mit ebendiesem Drinsein die Position zu, über Drinnen und Draussen zu entscheiden.» Ralf Konersmann, Aussenseiter

Der Mensch möchte dazugehören. Aus dem Grund passt er sich in Welten ein, die ihm nicht passen. Oft führt das zu einer gefühlten Entfremdung – zur Welt und schlussendlich zu sich. Da auszubrechen und sich die eigene, passende Welt zu schaffen, erfordert Mut. Doch ist es wirklich eine Option, es nicht zu tun?

Habt einen schönen Tag!

(Buchtipp zum Thema Aussenseiter: Ralf Konersmann, Aussenseiter, erschienen im Fischer Verlag)

Tagesbild: It’s my life

«Die Belohnung für Anpassung ist, dass jeder dich mag, außer du dich selbst. (Rita Mae Brown)»

Heute Morgen startete ich wie immer in den Tag. Zum Morgenszenario gehört auch ein Tee (der Not gehorchend, er hilft bei einem Problem, das ich sonst hatte). Diese Tees haben immer nette Sprüche beigelegt, eher ein wenig esoterisch angehaucht, aber mitunter doch zum Nachdenken anregend. Heute stand: „Jede Person, der du begegnest, kann Dein Lehrer sein.“

Und da merkte ich, wie viel Wahres daran ist. Gerade auch bei Menschen, von denen ich mich ungerecht, schlecht, falsch behandelt fühlte. Im ersten Moment kam da die Trauer. Dann Wut. Dann wieder Trauer. Im Nachhinein merke ich, dass ich für mich was gelernt habe.

Wie oft bemühte ich mich, dazuzugehören. Mich anzupassen. Erwartungen zu genügen. Andere Bedürfnisse zu befriedigen. Oft gerade bei den Menschen, bei denen ich mich nicht akzeptiert fühlte. Bis ich merkte: Ich habe das gleiche Recht! Ich muss ihnen nicht genügen. Ich muss mir genügen.

Als ich den Spruch auf dem Teebeutel so las, war mein erster Gedanke:

«Das hätte ich schon früher haben können.»

Doch dann dachte ich:

«Besser spät als nie!»

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Im Moment sein

„Jeder Tag ist ein guter Tag.“ (aus Japan)

Oft wachen wir auf und sehen das schlechte Wetter, ärgern uns über bevorstehende Aufgaben, denken über die Probleme vom Vortag nach und verpassen ganz die Chance, den neuen Tag willkommen zu heissen und ihm mit gebührender Zuversicht zu begegnen.

Einfach nur hinsitzen. Da sein. Im Moment. Etwas, das uns in der heutigen Zeit (war es früher wirklich anders?) schwer fällt. Wir pendeln zwischen gestern und morgen und verpassen den einzigen Moment, in dem wir wirklich leben könnten: Jetzt.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Spielen

„Spielen ist Experimentieren mit dem Zufall.“ Novalis

Den Bleistift spazieren führen, so beschrieb Paul Klee das Zeichnen. Die Freiheit, diesen Spaziergang ohne festes Ziel sondern mit spielerischer Neugier zu machen, gibt dem Ganzen einen Hauch von Abenteuer und Lebendigkeit. Der Zufall spielt mit, sich ihm auszusetzen kann befreiend wirken.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: In sich gehen

„Höhepunkt des Glücks ist es, wenn der Mensch bereit ist, das zu sein, was er ist.“ Erasmus von Rotterdam

In sich gehen und sich fragen: Wer bin ich? Was will ich? Wie will ich leben? Wie will ich sein? Und dann den Mut haben, es zu sein. Und zu tun.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Verwundbarkeit

„Wenn der Verstand leicht verwundbar ist, wenn er alle Unterstützung, alle Erklärungen verloren hat, wenn er nackt ist, dann wird er die Glückseligkeit der Wahrheit erfahren.“ Krishnamurti

Es braucht Mut, aus vorgefertigten Mustern und vorgesehenen Etiketten auszubrechen. Es braucht Mut, offen zu bleiben statt zu versuchen, alles einzuordnen. Es braucht Mut, Vorurteile aufzugeben, um wirklich hinzuschauen – auch und vor allem hinter die Fassaden und Masken (auch die eigenen). Es braucht Mut, sich verwundbar zu zeigen.

Aber: Es lohnt sich.

„Fortes fortuna adiuvat.“ (Lateinisches Sprichwort)

(Den Mutigen hilft das Glück.)

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Sich zeigen

„Geliebt wirst du einzig, wo du dich schwach zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.“ Theodor Adorno

Sich zu zeigen, erfordert Mut. Man macht sich verletzbar. Was, wenn der andere das ausnutzt? Was, wenn die Reaktion auf die eigene Offenheit eine Wunde schlägt? Wie oft verstecken wir uns deswegen hinter Masken und Floskeln, tarnen Schwächen mit Humor oder vordergründiger Stärke. Indem wir das tun, bestätigen wir uns immer wieder selbst, dass Schwächen nicht gezeigt werden dürfen. Wir zementieren die Erwartungshaltung, immer stark sein zu müssen, und hadern mit uns selbst, weil wir es nicht immer sind.

Wie wohltuend, wenn man einen Ort gefunden hat, an dem man sich zeigen darf, einen Ort, an dem man weiss, dass einem nichts passiert, auch wenn man nicht stark ist. Ich vermute aber, dass man diesen nur findet, wenn man sich selbst zugestehen kann, dass die Schwächen ein Teil von einem sind, und man diesen Teil akzeptiert wie alle anderen Teile. Erst alle Teile machen das Ganze aus, machen uns zu dem Menschen, der wir sind.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Blick in die Zukunft

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen…“ Rilke

Als ich kürzlich mein Skizzenbuch durchblätterte – es füllt sich im Sauseschritt, so dass ich heute für eine Nachschubbeschaffung ausziehen muss -, merkte ich, in wie kurzer Zeit ich mich und meine Bildsprache (Motive, Medien, Ausdruck) weiterentwickelt habe. Immer wieder erinnerte ich mich an einzelne Phasen, an damalige Gefühle, Intentionen – und ja: Ab und zu auch das Gefühl:

Das ist es, nun habe ich es.

Immer wieder ging es weiter.

Es sind sicher nicht alle Skizzen und Zeichnungen eine Meisterleistung. Einiges funktionierte schlicht nicht, wie ich mir das ausgedacht hatte, bei anderem sind die Proportionen und andere Stilmittel aus dem Lot. Und doch macht es Freude, jede einzelne Skizze auf dem Weg zum Heute anzuschauen. Ich habe kurz überlegt, die Skizzenbuchpraxis ganz aufzugeben, da ich schlicht zu sehr im Buch und zu wenig auf grösseren und losen Formaten arbeite, doch diese Erfahrung hat das revidiert. Ich bleibe dabei, allerdings wirklich nur noch für die Studien und Versuche, danach geht es raus in die freie Welt – sprich: Papier und Leinwände.

Ich bin heute an einem ganz anderen Ort als damals, als ich dieses Porträt zeichnete. Trotzdem mag ich es nach wie vor noch sehr und kann mir gut vorstellen, auch wieder solche zu machen – am liebsten vor Ort in einem Café oder anderen Orten mit vielen Menschen. Manchmal, wenn mir vor Ort die Möglichkeit fehlt, mache ich ein Foto und zeichne dann zu Hause. Nicht ganz dasselbe, aber immer noch viel Spass, da durch das Zeichnen die Erinnerung an den Moment auch wieder wach wird.

Fast scheint mir, er blickt in die Zukunft. Was er wohl da sieht?

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Morgenritual

„Der Rhythmus des Körpers, die Melodie des Geistes und die Harmonie der Seele schaffen die Symphonie des Lebens.“ B.K.S. Iyengar

Wenn ich abends ins Bett gehe, freue ich mich immer schon aufs Aufstehen. Ich mag Nächte nicht, am liebsten würde ich sie schon früh wieder beenden, halte dann aber doch bis vier bis halb fünf im Bett aus. Der Vernunft gehorchend. Doch dann, dann fängt mein Tag an und er tut es immer gleich: Mit mir selbst. Ich trinke meinen Kaffee, mache mir Gedanken, mache erste Fingerübungen auf der Gitarre, zeichne und gehe dann auf die Yogamatte. Sie ist mein Erdungspunkt, mein Ort, an dem sich oft Schleier lüften, die vorher über den Dingen lagen. Während ich im Fluss meines Atems durch meine Asanas gehe, klärt sich mein Geist und lässt mich plötzlich Dinge sehen, die vorher verborgen waren. Dann kommen mir neue Ideen, Lösungen für Probleme, Einsichten zum meinem Sein und Tun. Bei den Balanceübungen merke ich auch, ob ich wirklich ruhig bin oder eher aus dem Lot. Ich bin sehr dankbar für diese Praxis, die ich nun doch schon bald 20 Jahre regelmässig in meinem Leben habe.

Habt ihr auch Rituale, die euch wichtig sind?

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Raus aus der Gefallensfalle

Rousseau sagte einst, der Mensch sei frei geboren, doch er liege in Ketten. Er sah den Staat als Gefängnis, ich denke, oft sind wir selbst der Wärter desselben. Wir streben nach Anerkennung und wollen gefallen. Dafür opfern wir oft viel, manchmal wohl zu viel. Wir passen uns an, unterdrücken Eigenheiten, verbiegen uns in verschiedenste Richtungen und verlieren uns dabei mehr und mehr selbst aus dem Blick. In uns ist eine Stimme, die uns ständig sagt, was wir tun und was besser unterlassen sollten. Sie kommt aus dem Inneren, doch ist sie im Ursprung nicht unsere, sondern die derer, welche die ungeschriebenen Gesetze dessen, was richtig und was falsch ist, will man gefallen, geschrieben haben.

Der Mensch ist frei geboren. Wir schreiben diese Freiheit auf unsere Fahnen, fordern sie vom Staat, kämpfen gegen Unterdrückung, nur um uns dann selbst in die Schranken zu weisen. Wir verhüllen unsere wahre Natur, halten uns zurück, bleiben in den gesetzten Mauern und blicken nur ab und zu sehnsüchtig durch einen Spalt hinaus.

Was, wenn wir einfach mutig wären? Wenn wir die Schleier fallen liessen, uns zeigten? Was, wenn wir wirklich frei wären?

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Strandnixe

Eine Stunde wurde uns geklaut, dafür die ersten Anklänge des Sommers geschenkt. In den letzten Tagen sind die Temperaturen merklich gestiegen hier in Spanien, so dass sich schon die ersten Badefreudigen am Strand einfinden (sicher keine Warmduscher, denn so warm ist es doch noch nicht im Wasser – stelle ich mir zumindest vor, denn ich mag Wasser ja nicht und bin, wenn es sich nicht vermeiden lässt, nie drin anzutreffen).

Möge es so weitergehen, denn vom Winter und seinem mehrheitlichen Grau in unseren Breitengraden habe ich seit seinem Anfang schon genug. Ein Hoch auf Farbe, Licht und Wärme.

Habt einen schönen Tag!