Rezension: Zoë Beck – Schwarzblende

Das Fremde in unseren Städten

Niemand lief mit einer Machete durch London. Abgesehen von den beiden Männern, die gerade an ihm vorbeigingen. Niall lehnte an der Brückenbrüstung […] Der Blick des Mannes blieb eine Sekunde zu lang an ihm hängen.

Zwei junge Männer ziehen mit Macheten durch London, vorbei am Kameramann Niall Stuart, der gerade für eine Dokumentation recherchiert. Ein kurzer Blickaustausch lässt Niall unruhig werden. Soll er die Polizei anrufen? Ist alles nur Karneval? Er folgt den beiden bis in einen Park, wo sie stehen bleiben, sich entspannt unterhalten. Niall ist froh, nicht gleich Alarm geschlagen zu haben, dreht sich um, geht weg – und hört Schreie. Als er wieder zurückkehrt, sieht er die beiden Männer, wie sie auf einen dritten jungen Mann losgehen, mit den Macheten auf ihn einschlagen, ihm schliesslich den Kopf abschlagen. Niall filmt alles mit. Danach hissen die beiden die Fahne des Islamischen Staates. Sie fordern Niall auf, weiter zu filmen, geben ihm ein Interview.

Die Polizei kommt, einer der Täter wird dabei lebensbedrohlich verletzt, Niall verhaftet und sehr unsanft behandelt. Er landet im Gefängnis, Verdacht auf Mithilfe bei einem Terrorakt. Der Irrtum klärt sich zum Glück auf. Niall macht sich auf die Suche nach den Hintergründen dieses Attentats, auf die Suche nach den Hintergründen solcher Taten überhaupt. Er will den Terror verstehen, will herausfinden, wem diese Taten wirklich nützen, wer dahinter stecken kann.

Zoë Beck greift – wie schon in früheren Romanen – ein brennendes Thema auf: der IS und seine Gewalt, seine Bedrohung. Sie lässt Niall den Vorfall und seine Motive erforschen und präsentiert dem Leser auf diese Weise Verstrickungen, politische Muster und Vorgänge. Der Ursprungsfall selber hat eine reale Vorlage im Mord am jungen Soldaten Lee Rigby aus dem Jahr 2013. Die Erklärungen und der erarbeitete Kontext, die Zusammenhänge mit dem Nahen Osten sowie die Thematik der Immigration mit ihren Problemen von Ehre, Macht und Sinnsuche im neuen Land fallen teilweise etwas klischeehaft aus, erscheinen ab und an etwas gesucht verstrickt. Da wir es hier aber mit einem Roman und nicht mit einem Geschichtsbuch zu tun haben, kann man das als literarische Freiheit erachten, zudem stört es den Lesefluss nicht, im Gegenteil, das Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite.

Niall bleibt als Hauptfigur seltsam kühl und wenig emotional involviert in die ganze Geschichte, er nimmt hin, was auf ihn kommt, und macht, wohin der Plot ihn führt. Zudem stimmen ein paar Details in Bezug auf die beiden Täter nicht. Dies alles sind aber Kleinigkeiten, Zoë Becks Roman hat eine spannende Geschichte, der Plot ist stimmig und packend aufgebaut, die Sprache ist flüssig und lesbar, die Schauplätze plastisch und realistisch. Ein Krimi, wie man ihn sich wünscht!

Fazit:

Schwarzblende – ein Krimi, bei dem der Autor sein Handwerk beherrschte, Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. Absolut empfehlenswert.

 

Zum Autor
Zoë Beck
Zoë Beck, geboren 1975, wuchs zweisprachig auf und pendelt zwischen Großbritannien und Deutschland. Ihre grosse Liebe neben der Literatur ist die Musik: Mit drei Jahren begann sie, Klavier zu spielen, gewann bald darauf diverse Wettbewerbe und gab zahlreiche Konzerte. Heute arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Übersetzerin. 2010 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte „Bester Kurzkrimi“. Von ihr erschienen sind unter anderem Das zerbrochene Fenster (2012), Der frühe Tod (2011), Das alte Kind (2010), Brixton Hill (2013)..

Mehr zu Zoë Beck und ihrem Schreiben unter Zoë Beck – Nachgefragt.

 

Angaben zum Buch:
BeckSchwarzblendeTaschenbuch: 416 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (9. März 2015)
ISBN-Nr.: 978-3453410435
Preis: EUR 9.99 / CHF 15.90
Zu kaufen in Ihrer Buchhandlung vor Ort oder online u.a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH

Rezension: Zoë Beck – Brixton Hill

Wem kann man trauen?

Es ist nicht der Aufprall, an den man sich später erinnert. Was man immer wieder vor sich sehen wird, ist der Moment des freien Falls.
Und man wird die Stille dieses Moments hören. Denn die Welt hört auf, sich zu drehen. Alles ist ruhig. Nur der Körper fällt, schwebend, lautlos.

Zuerst streikt nur das Internet, dann setzt hier und da die Technik kurz aus, bis schliesslich nichts mehr geht. Rauch zieht durch die Gänge des Limeharbour Towers, eines dieser modernen neuen Geschäftstowers, in denen auch Kimmy Rasmussen ihr Büro hat. Emma Vine, ihre Geschäftspartnerin und Freundin kann ihr nicht helfen, als sie sich in Panik aus dem Fenster des fünfzenhnten Stock stürzt. Als ob das nicht schlimm genug wäre, wird sie kurz darauf von der Polizei abgeführt wegen des Verdachts, diesen Terroranschlag verübt zu haben.

Hinter all dem – da ist sich Emma Vine sicher – kann nur Alan stecken, der Mann, der sie seit Wochen stalkt, sie mit Twitternachrichten und anderem verfolgt. Sie macht sich auf die Suche nach ihm, seine Reaktion bestätigt ihre Ahnung, leider will ihr niemand glauben. Kurz darauf ist auch Alan tot und Emma steht unter Mordverdacht. Von diesem Moment an ist Emma auf der Flucht. Sie ahnt noch nicht, wie gross die Kreise wirklich sind, die sich hinter allem verbergen. Was sie aber ahnt ist, dass sie die Nächste sein soll.

 

Mit Brixton Hill ist Zoë Beck ein rundum gelungener Thriller gelungen. Die Figuren sind plastisch gezeichnet, haben Geschichte, sind abgerundete Charaktere. Die Schauplätze wirken realistisch und bildhaft und der Plot ist stimmig, spannend aufgebaut mit den nötigen Cliffhangern, Wendungen und dem doch erwünschten Ablauf des Geschehens. Zoë Beck zeigt einmal mehr, dass sie ihr Handwerk versteht.

Würde man einen Negativpunkt nennen wollen, dann wohl den, dass es am Schluss plötzlich schnell geht mit der Aufklärung, Dinge nicht mehr gezeigt werden, sondern beschrieben, ohne sie in eine Handlung einzubetten. Trotzdem tut dies dem Lesegenuss keinen Abbruch, die Spannung bleibt von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit:
Brixton Hill packt einen von der ersten Seite und lässt einen nicht mehr los. Pures Lesevergnügen. Absolut empfehlenswert.

Zum Autor
Zoë Beck
Zoë Beck, geboren 1975, wuchs zweisprachig auf und pendelt zwischen Großbritannien und Deutschland. Ihre grosse Liebe neben der Literatur ist die Musik: Mit drei Jahren begann sie, Klavier zu spielen, gewann bald darauf diverse Wettbewerbe und gab zahlreiche Konzerte. Heute arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Übersetzerin. 2010 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte „Bester Kurzkrimi“. Von ihr erschienen sind unter anderem Das zerbrochene Fenster (2012), Der frühe Tod (2011), Das alte Kind (2010).

Mehr zu Zoë Beck und ihrem Schreiben unter Zoë Beck – Nachgefragt.

Angaben zum Buch:
BeckZoeBrixtonTaschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (9. Dezember 2013)
ISBN-Nr.: 978-3453410428
Preis: EUR 8.99 / CHF 14.90

 

Zu kaufen in Ihrer Buchhandlung vor Ort oder online u.a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH

Zoë Beck – Nachgefragt

©Victoria Tomaschko
©Victoria Tomaschko

Zoë Beck
Schon mit 3 Jahren begann die 1975 geborene Zoë Beck Klavier zu spielen, hatte mit ihrem Spiel Auftritte und gewann Auszeichnungen bei Wettbewerben. Nach dem Abitur folgte das Studium der deutschen und englischen Literaturwissenschaft, welches mit einer Magisterarbeit zu Elisabeth George abgeschlossen wurde. Nach dem Studium arbeitete Zoë Beck als Lektorin, TV-Producerin, Dramaturgin und Autorin in verschiedenen Bereichen. Zoë Beck lebt als freie Autorin, Übersetzerin und Redakteurin in Berlin. Von Zoë Beck erschienen ist unter anderem Wenn es dämmert (2008), Das alte Kind (2010), Der frühe Tod (2011), Das zerbrochene Fenster (2012).

Zoë Beck gewährt mit ihren Antworten einen spontanen und sehr authentischen Einblick in ihren Schreiballtag und die (Hinter-)Gründe, wieso sie tut, was sie tut.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich heiße Zoë Beck und wurde 1975 irgendwo in Mittelhessen geboren. Damals kannte man mich noch unter einem anderen Namen. Mit drei warf ich mich ans Klavier, mit fünf wäre ich am liebsten ausgewandert, und irgendwann bin ich dort auch weg, allerdings im Zickzack und ohne festes Ziel. Ich habe Literatur studiert, am Theater, beim Film, in Verlagen, beim Radio und für Zeitungen gearbeitet, und jetzt schreibe ich Bücher.

Ist Zoë Beck Ihr Pseudonym? Wenn ja, was hat sie dazu bewegt, eines anzunehmen?

Das ist mein Name. Ich habe noch ein geschlossenes Pseudonym, zu eben diesem Zweck – dass es geschlossen bleibt und niemand weiß, wer dahintersteckt. Aber Zoë, das bin ich. Ich habe damals einen anderen Namen angenommen, weil ich beispielsweise den ursprünglichen noch nie wirklich mochte und mich irgendwie auch mit diesem Namen in einem Kontext sah, in dem künstlerisches Schaffen weder gewünscht noch gewürdigt wurde. Außerdem wollte ich etwas anderes als zuvor schreiben, da brauchte ich einen Neustart. Auf vielen Gebieten. Hinzu kam, dass die Entscheidung in einen Zeitraum fiel, in dem ich sehr krank war und nicht wusste, wie es weitergehen würde. Zoë heißt übrigens Leben. Das passte dann irgendwie alles.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Nein, ich wollte nicht Schriftstellerin werden. Pianistin, ja, aber sonst wäre mir nicht so viel eingefallen. Es war eher Zufall. Eine Freundin arbeitete für eine Literaturagentur und fragte mich, ob ich nicht mal ein Buch schreiben wollte. Ich hatte zu der Zeit viel Erfahrung im Bereich Stoffentwicklung, Dramaturgie, Drehbuch und hätte nie gedacht, dass es funktioniert. Aber ein paar Wochen später war meine Leseprobe fertig, und ich bekam einen Vertrag über drei Bücher.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Ich lerne immer noch. Es ist vor allem Handwerk. Wie beim Klavierspielen. Wie bei den meisten anderen Berufen. Es heißt ja immer: Bis zu einem gewissen Grad kann man alles lernen, der Rest ist Begabung oder Talent. Die einen lernen es nie, die anderen sehr schnell. An der Uni hatte ich Creative Writing-Kurse, aber weniger, weil ich damals schon vorgehabt hätte zu schreiben, sondern wirklich einfach so. Klang gut, fand ich, und der Kurs lag zu einer bequemen Zeit, außerdem war die Frau, die es unterrichtete, nett. Als ich beim Film war, habe ich oft Drehbuchkurse belegt, aber auch das nicht, weil ich Schreiben lernen wollte, sondern um mich zu informieren, schließlich sollte ich Stoffe entwickeln und Drehbücher bearbeiten. Ich fand, da sollte ich auch ein wenig mehr darüber wissen, wie ein Drehbuch überhaupt geschrieben wird. Ich glaube, durch die praktische Arbeit an Filmstoffen, durch die Arbeit am Theater, durch viel Lesen habe ich eine Menge gelernt, und ich lerne wie gesagt immer noch.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Vorbereitung ist sehr wichtig. Recherche, Notizen, eine Outline schreiben – sehr, sehr wichtig. Natürlich ändert sich dann beim Schreiben immer noch etwas, manchmal sogar die ganze Geschichte. Aber ich muss wissen, was ich erzählen will. Wessen Geschichte ist es, und warum soll ich sie erzählen?

Wann und wo schreiben Sie?

Ich schreibe meist zu Hause, wobei das „zu Hause“ nicht mein eingetragener Wohnsitz sein muss. Manchmal miete ich mich für ein paar Wochen oder Monate wo ein. Im Café oder so kann ich nicht schreiben. Ich bin Nachtarbeiterin. Da kann ich am besten denken. Und ich muss allein sein.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Nein, Feierabend, Ferien, nein. Phasen, in denen ich was anderes mache, ja. Aber abschalten? Wovon denn?

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Oh, das ist aber eine schwierige Frage. Autorin sein ist eine Freude und ein Kampf und Glückssache und vor allem ein Knochenjob. Das will natürlich jetzt wieder keiner hören. Ist aber so, jedenfalls, wenn man es ernst nimmt. Sich ständig selbst hinterfragen, ständig am Stil arbeiten, ständig bewusstmachen, in welchem – auch und besonders gesellschaftlichen – Bezugssystem man steht, was man ausdrücken will. Ich schreibe ja nicht aus dem luftleeren Raum oder für ein ideelles Vakuum. Kämpfen muss ich jeden Tag an allen Fronten: gegen die eigene Nachlässigkeit oder Faulheit, gegen alles, was mich runterzieht und dazu bringen könnte zu sagen: ich schmeiß den Kram einfach hin, gegen Gemecker von Leuten, die es lieber hätten, dass ich mehr/weniger Blut/Sex/Gewalt/Leichen reinschreibe, gegen Vorwürfe, ich sei zu politisch/zu feministisch/zu lakonisch oder von allem einfach zu wenig. Der größte Kampf ist es, auf meinem Weg zu bleiben. (Oder ihn zu finden?) Die Freude, damit das nicht vergessen geht: die Freiheit, das zu tun, was mir Spaß macht.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

„Plötzlich“ entsteht eine Geschichte wohl nicht, auch wenn es manchmal den Anschein hat. Aber dann hat es vorher schon lange in einem gearbeitet … Drei Dinge finde ich wichtig: Welche Figur will ich erzählen, welches Thema hat sie, und wo geschieht es? Von dort ausgehend entwickle ich die Geschichte. Was sich manchmal in der Tat „plötzlich“ ergibt ist, dass man weiß: Dies ist der richtige Ort, an dem die Geschichte stattfindet. Oder: Jetzt weiß ich endlich mehr über meine Figur. Nur so als Beispiele.

Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Da kann jede nur für sich selbst sprechen. Ich persönlich schätze die Zusammenarbeit mit einem Verlag/einem Team sehr. Aber warum soll nicht jemand sagen: Ich hab meine eigene Lektorin, jemanden fürs Cover, etc. etc., also probiere ich es jetzt selbst. Der Publikationsweg sagt nicht zwingend aus, ob eine Geschichte gut oder nicht gut ist. Es gibt in beiden Bereichen entsetzlich schlechte Geschichten. Und richtig gute. Da müsste man eher mal definieren, was nun eine gute Geschichte ausmacht. Ich muss allerdings sagen, dass für mich ein ordentliches Lektorat und Korrektorat dazugehört. Korrekte Rechtschreibung und Grammatik finde ich den LeserInnen gegenüber zumindest höflich. Eine funktionierende Dramaturgie tut jeder Geschichte gut. Am Stil zu arbeiten ist auch nicht verkehrt. Für vieles davon kann ein Verlag sorgen. Oder man sucht sich Menschen, die einem dabei helfen, die nicht verlagsgebunden sind.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel von Ihnen steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Ja, viele Figuren haben irgendeinen Teil von mir oder von Menschen, die ich kenne.

Sie haben 2012 den von der Autorenvereinigung DeLiA zum besten Liebesroman gekürten Roman Für immer und ledig geschrieben, hauptsächlich liest man von Ihnen aber Krimis. Wieso Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Nein, das ist wahrscheinlich auch so ein Klischee wie der Gedanke, dass alles irgendwie autobiographisch und damit sozusagen selbst erlebt sein muss. Ich schreibe schon über Themen, die mich beschäftigen, und bringe sie in Geschichtenform. Was das „Böse“ angeht, gibt es doch im wahren Leben um einen herum genug „Böses“, das eben nicht unterdrückt wird, so dass man es im Roman oder in einer Kurzgeschichte verarbeiten kann. Man müsste auch erst einmal das „Böse“ definieren. Da denke ich immer an Stephen King und so, und der schreibt ja keine Krimis. Oder ist damit das „Böse“ gemeint, das den Serienkiller dazu bringt, ein Serienkiller zu sein? Das wäre dann ein psychologischer Ansatz … Hm. Für meine Geschichten eignen sich da eher gesellschaftliche Schieflagen, Ungerechtigkeiten, Ungeheuerlichkeiten, Missstände. Die sind mir böse genug.

Sie spielen Klavier (sogar mit Auszeichnungen), haben studiert (als Stipendiatin), schreiben Drehbücher, sind als Filmproduzentin tätig, übersetzen, schreiben selber Kurzgeschichten, Krimis, Thriller – gibt es etwas, das sie nicht können oder gelingt einfach alles, was sie anpacken? Wie bringen Sie alles unter einen Hut?

Mir gelingt eine ganze Menge nicht. Deshalb konzentriere ich mich lieber ausführlich auf das, was halbwegs klappt J Ich langweile mich nicht gerne, und ich habe keine zeitaufwändigen Hobbys. Ich mache einfach den ganzen Tag das, was ich gerne mache.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Es muss gut geschrieben sein.

Sie haben Ihre Magisterarbeit über Elisabeth George geschrieben. War es schwierig, die Professoren von einer Krimiautorin zu überzeugen? Wieso gerade Elisabeth George?

Der Professor hatte Kriminalliteratur als Forschungsgebiet, von daher war es eher umgekehrt – er hat mich an das Thema herangeführt. Elizabeth George bot sich damals an, sie stand durch ihre Verbindung von Krimi einerseits und Adeligensoap andererseits in einer bestimmten Tradition, die sie weiterentwickelt hat. Sich diesen Weg anzusehen, fand ich interessant: Was hat sich getan auf dem Weg vom einsamen Detektiv hin zum Ermittlerteam mit den ganzen privaten Problemen? Das war das Thema meiner Arbeit. Klingt heute schon wieder schrecklich überholt.

Gibt es sonst Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Elizabeth George lese ich gar nicht mehr. J Irgendwo gibt es Listen von mir, für die ich meine fünf, sieben, zehn Lieblingsirgendwas nennen sollte. Aber das ändert sich ja über die Jahre. Was gut ist. Sonst würde man ja irgendwo stehenbleiben.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Lesen, lesen, lesen.

Lesen. Aber auf keinen Fall Bücher, bei denen man denkt: Das kann ich aber auch. Sondern nur Bücher, bei denen man denkt: Verdammt, das schaff ich nie, so gut zu schreiben.

Immer misstrauisch sich selbst gegenüber bleiben. Nicht alles, was man formuliert und erdacht hat, ist es wert, veröffentlicht zu werden. Es gibt Mülleimer. Die sollte man nutzen.

Am Stil arbeiten. Und zwar am eigenen. Es dauert eine Weile, ihn zu finden. Er versteckt sich gern hinter dem, was viele Menschen irrigerweise für guten Stil halten. (Elmore Leonard hatte ein paar gute Tipps, übrigens.)

Jeden Tag üben.

Ich bedanke mich für dieses Interview!