Simone Scherger, Ruth Abramowski, Irene Dingeldey, Anna Hokema, Andrea Schäfer (Hg.): Geschlechterungleichheiten in Arbeit, Wohlfahrtsstaat und Familie

«Tatsächlich verringern sich jedoch die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in vielen Bereichen nur langsam… Mit diesen Ungleichheiten sind jeweils unterschiedliche soziale Risiken und günstige oder ungünstige Lebenslagen, mithin meist Benachteiligungen von Frauen verknüpft.»

Der Kampf gegen Ungleichheit, die immer einher geht mit Ungerechtigkeit, ist nicht neu. Über die Jahre konnten viele Fortschritte erreicht werden, die Gesetzeslage hat sich mehr und mehr in Richtung Gleichheit verändert und auch im Selbstverständnis vieler Menschen kam es zu einer Entwicklung hin zu einer gleichberechtigteren Sicht auf die Unterschiedlichkeiten der Menschen. Leider sind wir weit davon entfernt, am Ziel zu sein, im Gegenteil, alles Erreichte ist immer in Gefahr, durch Rückschritte zunichte gemacht zu werden (wir sehen es aktuell bei Diskussionen rund um die Abtreibung). Der Kampf um Gleichberechtigung ist ein fortlaufender Prozess gegen Beharrungstendenzen und Rückfälle, die Fortschritte aber zeigen sich nur langsam.

«Sie werden durch das Zusammenspiel verschiedener institutioneller, etwa sozialpolitischer und rechtlicher Strukturen[…], organisatorischer Einflüsse (etwa an Arbeitsplätzen) und normative Leitbilder direkt oder indirekt geprägt, die auch in sich widersprüchliche Arrangements bilden können.»

Ungleichheit und Diskriminierung aufgrund solcher ist nie ein nur individuelles Problem, sondern eines, das in Strukturen stattfindet. Indem es eine Sicht von normal und anders gibt, werden Machtverhältnisse definiert, die fortan das Zusammenleben bestimmen. Dies gilt es, bewusst in den Blick zu nehmen und nach neuen Wegen für ein gleichberechtigtes Miteinander zu suchen, ist auch heute noch wichtig (selbst wenn einige Stimme gerne das Gegenteil behaupten, wohl mehrheitlich aus der Motivation heraus, die eigenen Privilegien zu schützen).

Die im vorliegenden Buch zusammengetragenen Aufsätze diskutieren die geschlechtsbezogenen Ungleichheiten im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse, Wohlfahrtsstaat und Familie. Ziel ist es, durch die Analyse geschlechterbezogener Einstellungen und Verhaltensmuster ein Bewusstsein für die gemachten Fortschritte wie auch die noch offenen Problemfelder und Rückschritte zu schaffen, aufgrund dessen dann Wege für neue Veränderungsprozesse eröffnet werden können.

Die Qualität der Aufsätze ist durchzogen, von sehr fundierten, informativen, weiterführenden über interessante bis hin zu wissenschaftlich fragwürdigen (nicht repräsentative Proben, zu offensichtliche Ergebnisse, etc.) ist alles dabei. Trotzdem ist das Buch sehr empfehlenswert, behandelt es doch ein Thema, das wichtig ist und vor dem wir unsere Augen nicht verschliessen dürfen.

Über die Herausgeberinnen und Autorinnen
Simone Scherger, Prof. Dr., Soziologin und Leiterin der Arbeitsgruppe »Lebenslauforientierte Sozialpolitik« am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen.
Ruth Abramowski, Dr., Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe »Arbeit, Wohlfahrtsstaat und Gender« von Prof. Dr. Karin Gottschall am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen.
Irene Dingeldey, Prof. Dr., Sozialwissenschaftlerin und Direktorin des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen.
Anna Hokema, Ph.D., Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (DIFIS) der Universität Duisburg-Essen und der Universität Bremen.
Andrea Schäfer, Magistra, Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Sonderforschungsbereich 1342 »Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik« an der Universität Bremen

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ Campus Verlag; 1. Edition (13. Oktober 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 484 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3593514413

Thomas Piketty: Eine kurze Geschichte der Gleichheit

Inhalt

«Ungleichheit ist zunächst und vor allem eine soziale, historische und politische Konstruktion.»

Wir leben in einer Welt voller Ungleichheiten. Die Schere zwischen reich und arm klafft weit auseinander, Menschen mit vielen Rechten und Macht stehen anderen gegenüber. Wie ist es dazu gekommen? Ist es ein Problem? Müssen wir es lösen? Können wir es lösen?

Thomas Pickety zeichnet das historische Bild über die Entstehung der Ungleichheiten in unserer Gesellschaft und verweist darauf, dass diese nicht als Naturgewalt über uns kamen, sondern mehrheitlich von uns Menschen selbst konstruiert wurde durch unser Naturell und die Art und Weise unseres Zusammenlebens in Gesellschaften und Staaten. Er bleibt dabei nicht bei der Beschreibung stehen, sondern hat auch einen Lösungsansatz zur Hand, von dem er aber selbst sagt, dass ein solcher nie für immer in Stein gemeisselt ist, sondern einen andauernden Prozess darstellt.

«Der Sozialstaat und die Steuerprogression sind wirkungsvolle Instrumente einer Transformation des Kapitalismus.»

Gedanken zum Buch

«Menschliche Gesellschaften erfinden unablässig Regeln und Institutionen, um sich zu organisieren, um Reichtum und Macht zu verteilen. Aber stets treffen sie dabei politische und reversible Entscheidungen.»

Was vom Menschen gemacht ist, kann der Mensch auch ändern. Der Satz klingt einfach, man könnte hinterherschieben, dass er es nur wollen müsse. Das Hauptproblem dabei ist aber wohl, dass es «den Menschen» nicht gibt, nur «die Menschen», und die wollen selten alle dasselbe. Es wollen die umso weniger eine Änderung, die von der aktuellen Situation profitieren, und mehrheitlich sind die auch in Positionen, dies zu bestimmen.

«So leicht es ist, den inegalitären oder repressiven Charakter bestehender Institutionen und Regierungen anzuprangern, so schwierig ist es, sich auf alternative Institutionen zu verständigen, die wirklich mehr soziale, wirtschaftliche und politische Gleichheit schaffen und zugleich individuelle Rechte und das Recht jeder und jedes Einzelnen auf Andersartigkeit zu respektieren.»

Zentral für eine Änderung der vorhandenen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft ist einerseits der klare Blick auf dieselben, das Aufdecken der Missstände. Andererseits bedarf es eines Dialogs, um mögliche Lösungsansätze gegeneinander abzuwägen und eine möglichst grosse Einigung auf die geeignetsten Massnahmen zu gewinnen.

«Dazu braucht es eine ehrgeizige, konsequente und überprüfbare Antidiskriminierungspolitik, ohne darum die Identitäten, die stets vielfältig und vielschichtig sind, zu verhärten.»

Was sich auf dem Papier leicht schreibt, stellt sich in Tat und Wahrheit schwierig an, sind es doch festgefahrene, da über Jahrzehnte, Jahrhunderte gar, gewachsene Strukturen, an denen wir rütteln wollen. Wir müssen wegkommen von einer Politik, welche die bevorteilt, die sowieso schon viel haben, auf Kosten derer, die am anderen Ende der Messlatte sitzen. Wir müssen hinkommen zu einer Form des Zusammenlebens, die Menschen als Menschen sieht, ohne sie nach äusseren Kriterien zu unterscheiden und zu diskriminieren. Wir müssen hinkommen zu einem System, das sozialer ist und auf eine Umverteilung setzt, die es allen ermöglicht, ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Thomas Piketty gelingt in diesem für ihn verhältnismässig schmalen Buch eine konzise historische Analyse der gewachsenen Ungleichheiten in unseren Gesellschaften, und liefert einen gezielten Lösungsansatz, den er zur Diskussion stellt. Es ist zu wünschen, dass dieser aufgegriffen wird und zur Umsetzung gelangt. Ich bin überzeugt, dass sich viele andere Probleme auch lösen würden, wären gravierende Ungleichheiten nicht mehr ausschlaggebend, wenn es darum geht, ein würdiges Leben zu führen.

Fazit
Tiefgründig, kompetent, analytisch und konkret – ein gut lesbares, zum Nachdenken anregendes Buch über die Ungleichheiten dieser Welt und wie wir sie beheben können.

Zum Autor
Thomas Piketty lehrt an der École d’Économie de Paris und an der renommierten École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris. Bei C.H.Beck sind von ihm erschienen „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (2020), „Ökonomie der Ungleichheit“ (2020), „Kapital und Ideologie“ (2020), „Der Sozialismus der Zukunft“ (2021) und zuletzt „Rassismus messen, Diskriminierung bekämpfen“ (2022).

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ C.H.Beck; 2. Edition (29. September 2022)
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 264 Seiten
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung‏ : ‎ Stefan Lorenzer
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3406790980