Walter Moers: Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr

Keine Frage: SIe führte ein anstrengendes und entbehrungsreiches, aber auch ein aussergewöhnliches und interressantes Leben. „Meine Gedanken sind meine Freunde“, dachte die Prinzessin. „Desegen bin ich niemals allein.“

MoersInsomniaPrinzessin Insomnia leidet unter einer schweren Schlafkrankheit. Teilweise kann sie ganze Wochen nicht schlafen, kein Mittel hilft. Zwar war diese Schlaflosigkeit sehr anstrengend und die Prinzessin litt auch dann und wann darunter, sie brachte aber auch Vorteile mit sich: Ihre Sinne wurden geschärft. So konnte sie nach drei schlaflosen Nächten das Gras wachsen hören, nach vier Musik riechen, nach neun Tagen Farben schmecken – und noch vieles mehr. Sie sah auch Gestalten, die nur für sie sichtbar waren und auch das nur nach einer bestimmten Anzahl schlafloser Nächte. Gerne hätte sie darüber eine wissenschaftliche Arbeit verfasst, nur: Wer sollte ihr glauben?

So geht das Leben der Prinzessin dahin, meist schläft sie nicht und erlebt die märchenhaftesten Dinge, hat die speziellsten Begegnungen, dann wieder schläft und träumt sie und erlebt ebensolches. Als Leser blättert man sich so durch die Seiten und fragt sich, wo eigentlich die Geschichte ist? Prinzessin Insomnia mutet ein wenig an wie die Aneinanderreihung sehr phantasievoller Gegebenheiten und auch wirklich zauberhafter Ideen, aber es fehlt das packende Element, ein Motiv, das zu einem Ziel hinführen würde.

Prinzession Insomnia ist der siebte Zamonienroman. Dabei verzichtet er aber auf alles, was ihn mit den vorhergehenden Bänden verknüpfen würde. Zamonien ist – würde es am Anfang nicht erwähnt – nicht existent, die Geschichte spielt sich mehr oder weniger in Prinzessin Dylias Innern ab. Das hat allerdings den Vorteil, dass man für dieses Buch die sechs Vorgänger nicht kennen muss.

Was an dem Buch bezaubert, sind die schönen Illustrationen von Lydia Rode. Die farbenfrohen, märchenhaften, filigranen und phantasievollen Zeichnungen sind wunderbar.

Fazit:
Eine etwas langweilige, aber durchaus phantasievolle Geschichte, welche wunderbar illustriert ist.

Der Autor und die Illustratorin
Walter Moers ist der Schöpfer vieler erfolgreicher Welten und Charaktere. Von ihm stammen unter anderem die Comicwelten um „Das kleine Arschloch“ und dem „Alten Sack“, „Adolf, die Nazisau“ und die Figur des Käpt`n Blaubär. Seit fast 20 Jahren schreibt er fantastische Romane, die auf dem Kontinent Zamonien spielen. Dazu gehören unter anderem die internationalen Bestseller „Die 13 ½ Leben des Käpt`n Blaubär“, „Die Stadt der Träumenden Bücher“ und zuletzt „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“. „Prinzessin Insomnia“ ist der siebte Zamonienroman.
Lydia Rode lebt, malt und zeichnet in Berlin. Ihre Aquarelle für „Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr“ sind ihre ersten veröffentlichten Illustrationen.

Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 344 Seiten
Verlag: Albrecht Knaus Verlag (28. August 2017)
ISBN-Nr: 978-3813507850
Preis: EUR 24.99 / CHF 36.90
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Von grossen und von kleinen Fischen

Es war einmal ein Fischteich. Neben vielen kleinen Fischen schwamm darin auch ein grosser Hecht. Die kleinen Fische bewunderten ihn, weil er so gross war. Alle buhlten um seine Gunst, jeder dachte, wenn er nur erst im Schlepptau des grossen Hechts sei, wäre er auch etwas Besonderes und nicht bloss ein kleiner Fisch.

Eines Tages schwamm Jakob, ein wunderschöner kleiner blauer Fisch durch den Teich, als der grosse Hecht ihn ansprach. „Jakob, du bist so schön blau, wie bist du so geworden?“ Jakob freut sich über die Aufmerksamkeit und sagt zum grossen Hecht: „Ich habe in einer Teichecke eine blaue Blume gefunden. Immer, wenn ich davon esse, werde ich noch blauer.“ Der grosse Hecht strahlte über alle Backen und fragte Jakob: „Kannst du mir die Blumen zeigen? Ich möchte auch so blau sein. Als Dank dafür nehme ich dich in mein Rudel auf, dann bist du auch einer von den Besonderen.“

Jakob freute sich und nahm den grossen Hecht sogleich mit in die Ecke, wo die blauen Blumen wuchsen. Gierig fing der Hecht zu essen an. Er ass und ass, bis er keinen Bissen mehr runterkriegte. Langsam wechselte seine Farbe ins Blaue. Der Hecht war glücklich und schwamm weg. Jakob rief ihm nach: „Warte auf mich, ich gehöre nun doch zu dir.“ Der Hecht drehte sich um und lachte nur: „Du kleiner Fisch? Wozu würde ich dich jetzt noch brauchen?“

Jakob war traurig. Er war wohl reingelegt worden, weil er zu gutgläubig gewesen war. Wie er so traurig in der Ecke sass, kam sein Freund Klaus angeschwommen. „Was hast du denn, Jakob?“ Jakob erzählte ihm die ganze Geschichte. Klaus schaute ihn an und fing zu lachen an. Jakob wurde böse. „Du willst mein Freund sein? Lachst mich aus, wenn ich leide?“ Klaus hörte sofort auf zu lachen, schaute etwas betreten. Dann sagte er: „Jakob, verstehst du nicht? Du brauchst den grossen Hecht gar nicht, du bist längst etwas Besonderes. Wie wäre er sonst auf dich aufmerksam geworden? Zudem hat der grosse Hecht, seit er so blau ist, keine ruhige Minute mehr, weil alle Fischer hinter ihm her sind.“

Der kleine Schmetterling

Es war einmal ein kleiner Schmetterling. Fröhlich schwirrte er durch die Luft, von einer Blume zur nächsten. Er liebte seine Freiheit, liebte sein Leben. Eines Tages traf er einen Maulwurf. Die beiden kamen ins Gespräch und der Maulwurf nahm ihn mit zu seiner Familie, seinen Freunden – alles Maulwürfe. Sie lebten in Höhlen und konnten sich nicht vorstellen, dass es ein gutes Leben sei, einfach so durch die Lüfte zu schwirren. Sie rieten dem Schmetterling dringend, sein Leben zu ändern, sich ihnen anzupassen. Er solle sich doch eine Höhle suchen, sie würden ihm auch helfen. Nur so könne er ein normales Leben führen.

Der kleine Schmetterling fühlte sich plötzlich alleine. Er sah all die Maulwürfe, sah, wie sie zusammen lebten. Das Schwirren von Blume zu Blume kam ihm plötzlich falsch vor. Das schien man in dieser Welt nicht zu machen, das schien nicht normal zu sein. Normal war, wie die Maulwürfe lebten. Der Schmetterling wurde ganz betrübt. Was sollte er nur machen? Dann fasste er einen Entschluss: „Das kann ich auch! Ich will nun auch ein normales Leben führen.“

Das Glück war auf seiner Seite. Schon bald fand der Schmetterling eine Höhle, krabbelte rein, denn fliegen war nicht mehr möglich, der Eingang war zu eng. Eigentlich war es ganz angenehm, ein wenig kühl vielleicht, was aber in der Sommerhitze sogar willkommen war.

So lebte der Schmetterling in seiner Höhle, wie es die Maulwürfe auch taten. Tag für Tag krabbelte er raus und rein, beachtete die Blumen nicht mehr, verbot sich selber das Fliegen. Endlich gehörte er dazu, endlich führte er ein normales Leben. Trotzdem war er nicht glücklich. Er begriff es nicht: Er müsste doch glücklich sein, was war bloss los mit ihm? Traurig setzte er sich vor seine Höhle und schaute in die Luft. Da kam ein alter Schmetterling geflogen, sah ihn da sitzen. Er kam näher und fragte den kleinen Schmetterling, was er denn hätte. Dieser erzählte ihm die ganze Geschichte.

Der alte Schmetterling schaute ihn an und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Dann sagte er: „Du bist ein Schmetterling, mein Lieber. Es ist deine Natur, durch die Lüfte und von Blume zu Blume zu fliegen. Es gibt auf dieser Welt ganz viele Maulwürfe und für die ist es normal, in Höhlen zu leben. Das wird nie dein Leben sein. Du bist anders.“

Der kleine Schmetterling schaute den weisen Alten an und wusste plötzlich, dass dieser Recht hatte. Er schüttelte seine Flügel aus, die von der langen Zeit ohne einen Flug etwas eingerostet schienen, und fing erst zögerlich, dann immer wilder zu flattern an. Schon bald erhob er sich in die Luft und flog die erste Blume an. Und plötzlich war wieder alles da: Das ganze Glück, die ganze Freude seines Lebens.

Die Mütze des Riesen

Es war einmal ein König, der hatte eine wunderschöne Tochter. Ihr Haar war glänzend wie sein Goldschatz, ihre Haut rosig zart und ihre Augen leuchteten wie zwei klare Bergseen. Auch war sie sehr intelligent und weltgewandt. Doch der König konnte keine Freude an ihr haben, denn er fand keinen Bräutigam für sie, den zu nehmen sie bereit gewesen wäre. Ihre Ansprüche waren nämlich sehr hoch. Der Mann, der ihr Zukünftiger sein wollte, musste zuerst eine schwere Mutprobe bestehen.

In einem Tal, nicht weit weg vom Königsschloss, lebte in einer Höhle ein gewaltiger Riese. Jeden Abend verliess er seine Höhle, um sich Nahrung zu besorgen. Mit seinem riesigen Schatten legte er dabei Finsternis über das ganze Tal und versetzte so die Bewohner desselben in Angst und Schrecken versetzt, ob nicht sie selbst sein nächstes Mahl darstellten. Die Mutprobe bestand nun darin, dem Riesen seine Mütze wegzunehmen und sie der Prinzessin zu bringen. Doch um diese zu bekommen, müsste man ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen, denn erschiessen nützte nichts, der Riese hatte den Ruf, unsterblich zu sein.

Schon mancher junge Mann war in das Tal geritten, doch alle waren sie wieder umgekehrt, als sie den gewaltigen Schatten sahen.

Eines schönen Tages ritt ein junger Bauernsohn auf seinem Maulesel zum Schloss. Er hatte von der Schönheit der Prinzessin gehört und konnte seither nicht mehr schlafen, entbrannt vor Liebe zu ihr. Als er vor den König gelassen wurde, sagte er: „Ihre Majestät, ich werde den Riesen besiegen und ihrer Majestät, der Prinzessin, die Kappe besorgen. Bereitet schon alles zur Hochzeit vor!“

Und so ritt er am folgenden Tag auf seinem Maulesel in das Tal hinein. Dort besuchte er die Dorfälteste und wollte etwas über den Riesen von ihr wissen. Auch hatte er gehört, sie hätte magische Kräfte.

Die Alte sprach zu ihm: „Mein Sohn, glaubst du wirklich, dir wird gelingen, was so viele vor dir vergeblich versuchten? Fühlst du dich mutig genug, wenn der Schatten über das Tal gleitet, nicht einfach wegzurennen, sondern dich dem Riesen zu stellen?“ Der junge Bauernsohn antwortete: „Ja, ich werde es schaffen, denn ohne die schöne Prinzessin ist mein Leben nichts mehr wert.“

Da sprach die Alte: „Nun gut, du scheinst die Fähigkeiten zu haben, um die Mütze zu erhalten. Ich will dir helfen.“ Und sie gab ihm einen Kranz aus Rosen, den er nur aufzusetzen brauchte und schon wäre er unsichtbar.

So setzte sich der Jüngling unter einen Baum und wartete dort, bis die Sonne genug tief stand, damit der Riese seine Höhle verliess. Schon bald war es soweit. Eine Finsternis, wie man sie in der dunkelsten Nacht nicht kennt, legte sich über das Tal. Eine Gänsehaut lief dem Jungen über den Rücken. Noch zögerte er, ob er es wirklich wagen sollte. Doch dann dachte er an die schöne Prinzessin, und mutig wagte er den Aufstieg zur Höhle. Als er oben war, legte er sich den Rosenkranz auf den Kopf und wartete in der Höhle auf die Heimkehr des Riesen. Inzwischen war es Nacht geworden. Doch der Riese kam nicht.

Plötzlich kam ein kleines Zwerglein auf die Höhle zu, in einem Körbchen trug es Beeren. Als es in die Höhle herein kam, nahm der Jüngling den Rosenkranz vom Kopf, so dass er wieder sichtbar wurde. Wie der Zwerg ihn sah, zuckte er zusammen und fing an zu zittern.

Da sagte der Jüngling zu ihm: „Hab keine Angst, ich tu dir nichts. Aber sag, wie kommt es, lieber Zwerg, dass du mich fürchtest, jedoch den Riesen nicht, der hier haust?“ Der Zwerg antwortete ihm: „Hier wohnt gar kein Riese, das alles ist ein Irrtum. Ich will es dir erklären. Früher lebte ich im Tal bei den Menschen. Doch weil ich so klein bin, haben sie mich immer gequält. Da habe ich Angst bekommen und bin in diese Höhle geflüchtet. Aber von irgendwas muss ich leben und so gehe ich abends, wenn niemand mehr hier heraufkommt, Beeren sammeln. Da die Sonne um diese Zeit sehr tief steht, wird mein Schatten aber so gross, dass er das ganze Tal bedeckt und die Menschen in Angst versetzt. Das tut mir leid, denn ich möchte sie nicht erschrecken, doch ich kann es nicht ändern, denn ich fürchte mich vor ihnen. Wenn ich am Tag meine Höhle verliesse, würde ich vielleicht einen treffen.“

Das verstand der Bauernsohn und er sagte zum Zwergen: „Hör zu, ich brauche unbedingt deine Mütze, um sie der Prinzessin zu bringen. Aber ich will dir auch helfen. Wie du siehst, tue ich dir nichts. Vor mir brauchst du dich nicht zu fürchten. Komm mit mir ins Schloss. Ich ernenne dich zu meinem Schatzmeister. Dort wird dir auch bestimmt niemand anders etwas tun.“

Der Zwerg war einverstanden, und so zogen die beiden los. Beim Schloss angekommen erklärte er dem König und der Prinzessin alles. Gleich am nächsten Tag wurde Hochzeit gefeiert und alle waren glücklich. Der junge Bauernsohn, der nun König war, liess die Alte, die ihm den Rosenkranz gegeben hatte, zum Schloss rufen. Sie hatte gewusst, dass hinter dem vermeintlichen Riesen nur ein Zwerg steckte. Zum Dank für ihre Hilfe durfte auch sie am Schlosshof bleiben, als Beraterin des Königs. Und so lebten sie noch viele Jahre glücklich und zufrieden.