Deine Küsse dunkeln, auf meinem Mund.
Du hast mich nicht mehr lieb.
Und wie du kamst -!
Blau vor Paradies;
Um deinen süsesten Brunnen
Gaukelte mein Herz.
Nun will ich es schminken,
Wie die Freudenmädchen
Die welke Rose ihrer Lende röten.
Unsere Augen sind halb geschlossen,
Wie sterbende Himmel –
Alt ist der Mond geworden.
Die Nacht wird nicht mehr wach.
Du erinnerst dich meiner kaum.
Wo soll ich mit meinem Herzen hin?
Eine Liebe ist zu Ende, die noch vor kurzem ausgetauschten Küsse sind schon nur noch in dunkler Erinnerung. Es gab mal andere Zeiten, paradiesische, süsse, herzerwärmende, sie sind vorbei. Das lyrische Ich muss den Schein aufrechterhalten, das Herz rot anmalen, da die Liebe es nicht mehr rot färbt. Das Leben ist halb gewichen, es fühlt sich an, als wären sie beide halb tot. Selbst der Mond, der die Nacht beschienen hat, ist alt geworden und damit schwach, er vermag seine Arbeit nicht mehr zu tun, die Nacht liegt dunkel. Während das lyrische Ich hadert, trauert, sich erinnert, fühlt es sich selber vergessen und weiss nicht mehr, wohin mit dem eigenen Herzen, da der, dem dieses so zugewandt war, weg ist.
Wieder ein Gedicht einer unglücklich liebenden, ein Thema, das sich wie ein Leitfaden durch Else Lasker-Schülers Werk zieht. Kein Wunder, war sie doch selber zeitlebens auf der Suche nach Liebe und dies nie wirklich auf Dauer glücklich. Es wollte ihr nicht gelingen, eine Lebensliebe zu finden, wozu sie durchaus auch einen Beitrag leistete, war sie in ihrer doch sehr eigenwilligen Art wohl nicht ganz einfach und auch als Mensch schwer fassbar.
„Spielen ist alles.“
Man könnte sagen, sie bog sich ihre Welt zurecht, wie sie sie wollte, sie selber sah es wohl ihrer Devise gemäss als ein Spiel, das Erdichten eines eigenen Leben, so dass dieses Leben selbst schon dichterisches Kunstwerk zu sein schien. Das fing mit dem Geburtstag an, ging mit dem Geburtsort und der Herkunft generell weiter, hin zu Rollenspielen und Übernamen (so zog sie in bunten Gewändern als Prinz Jussuf Flöte spielend durch die Strassen), wo es wohl noch lange nicht endete. Sicher keine einfache Ausgangslage für eine Liebe.
Als Leser sieht man sich einer Trauer ausgesetzt, die kaum einen Ausweg sieht. Das lyrische Ich ist in dieser Trauer gefangen und es hat keine Ahnung, wie es aus dieser wieder rauskommen soll. Wie oft fühlt man sich in einer solchen Trauer allein, gerade weil der, welcher eigentlich da sein sollte, weg ist, gerade durch diesen Verlust. Als Lesender, wenn man selber in einer solchen Situation steckt, kann das tröstlich sein. Man sieht, dass man zumindest mit diesem Gefühl des Alleinseins, mit dieser Trauer um eine verlorene Liebe nicht alleine ist. Da war jemand, der diese Gefühle so gut kannte und der es geschafft hat, diese in ein wunderbares Gedicht zu verweben.
Zur Autorin
Else Lasker-Schüler wurde am 11. Februar 1869 in ELbertfeld geboren. Schon früh konnte sie lesen und schreiben, es scheint ihr wurde das Talent in die Wiege gelegt. 1899 veröffentlichte sie erste Gedicht mit Styx folgte 1901 ihr erster Gedichtband.
Wie viele andere Juden war auch Else Lasker-Schüler eine Vertriebene des Nationalsozialismus. Um ihr Leben fürchtend, ging ihr Weg zuerst nach Zürich, später nach dem von ihr sehr geliebten Jerusalem. Geblieben ist sie dort allerdings nicht aus freien Stücken, ihr wurde die Rückreise verwehrt. Aus dem einst geliebten Land wurde ein schwieriger Ort: Deutsch war eine verpönte Sprache, so dass sie neben der Heimat Deutschland und all ihren Freunden da auch noch die Heimat der Sprache verlor. Else Lasker-Schüler starb am 16. Januar 1945 und wurde auf dem Ölberg in Jerusalem begraben. Sie hinterlässt ein umfangreiches lyrisches Werk, Erzählungen und Dramen.