Leseerlebnisse – Max Bentow: Der Federmann

«Unsere Ängste können uns beherrschen und unser Verhalten bestimmen. Wir müssen uns ihnen stellen. Nur so gewinnen wir die Kontrolle zurück.»

Ich hüpfe lesend von einem zum anderen, der Erzählfluss stoppt immer wieder schnell, um an einer anderen Stelle wieder einzusetzen. Die einzelnen Figuren bleiben mir so anfangs fremd, ich lese ihre Namen, sehe, was sie tun, doch ich komme ihnen nicht näher, weil sie immer wieder zu schnell verschwinden. Auch die Handlung bleibt an der Oberfläche. Es passiert einiges, auch Grausames, doch es geht nicht tief, ich kann es nur zur Kenntnis nehmen, weil es sich nicht setzt, da ich schnell wieder an einem anderen Punkt bin. Und doch zieht mich die Geschichte mit. Worum geht es?

Sie sind alle jung, blond und schön. Er schneidet ihnen die Haare ab, zerfleischt ihren Körper mit Messern, hinterlässt als Markenzeichen einen ausgeweideten Vogel ohne Federn. Der Berliner Kommissar Nils Trojan muss diesen verrückten Serientäter finden, bevor noch eine Frau sterben muss. Dass seine eigene Tochter in das Beuteschema passt, erhöht den Druck, zudem war da diese Warnung, dass auch Trojan selbst das alles nicht überleben wird. Blutig, temporeich und von der ersten bis zur letzten Seite packend.

Das scheint das neue Erzählen zu sein, dieser Wechsel von einer Perspektive zum nächsten, dieses Hin- und Herfliegen zwischen Personen und Orten und teilweise auch Zeiten (das hier zum Glück nicht auch noch). Und ja, ich mag es nicht, ich bin wirklich ein Fan der schön linearen Erzählweise, in der ich dem Geschehen ununterbrochen folgen kann. Vielleicht habe ich mich mittlerweile ein wenig daran gewöhnt, so dass ich nicht gleich abbreche, sondern durchhalte, aber nach kurzem Stöhnen begab ich mich in die Geschichte und folgte ihr trotz einiger sehr abrupter Wechsel gut. Die Wechsel sollen wohl der Spannung dienen, ich frage mich nur, ob das a) wirklich klappt und b) nicht ein billiger Trick ist, um komplexere Techniken vermeiden zu können.

Max Bentow kennt den Werkzeugkasten des Thriller-Schriftstellers und nutzt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel gut. Wir haben die steigende Spannung, die Twists, die persönliche Gefahr, den Wettkampf mit der Zeit und schlussendlich ein Finale, in dem nochmals alles an einen Höhepunkt kommt. Auf diese Weise erzählt er einen soliden, teilweise gruslig blutigen Thriller. Zum Glück werden mit der Zeit auch die Figuren erfahrbarer, zumindest die Hauptfigur offenbart ihre menschlichen Seiten, die anderen erzählen immerhin davon, dass sie welche haben.

«Auch Du wirst sterben, Trojan.»

Diese Drohung wurde zum Glück nicht wahr. Dieses war der erste Streich, sprich, der erste Band der Reihe um den Kommissar Nils Trojan. Das Schöne daran, Reihen erst lange nach ihrem ersten Band zu beginnen ist, dass auf einen Schlag ganz viele weitere Bände auf einen warten. Das ist ein bisschen wie beim Streamingdienst: Früher musste man bei Krimiserien eine Woche warten, um die nächste Folge sehen zu können, heute kann man sich in einer Nacht ganze Staffeln einverleiben. Sicher ist: Ich bleibe dran, meine Zeit mit Nils Trojan ist noch nicht zu Ende.

Leseerlebnisse – David Baldacci: Gefährliches Komplott

«In dem Moment klingelte ihr Telefon. Und Mickey Gibsons ganzes Leben als alleinerziehende Vorstadtmutter ging den Bach runter.»

Ich weiss, wieso ich nicht gerne telefoniere: Ein einziger Anruf kann das ganze Leben auf den Kopf stellen. Das passierte Mickey Gibson, einer ehemaligen Polizistin, die aufgrund ihrer Mutterschaft den aktiven Polizeidienst an den Nagel gehängt und eine investigative Computerarbeit angefangen hat. Eigentlich wollte sie mit diesem Wechsel ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder schützen, beides ist nun in Gefahr. Aber worum geht es:

Mickey Gibson kündigt wegen ihrer Mutterschaft den Polizeidienst und arbeitet von zu Hause bei einer Firma, die Vermögen aufspürt. Als sie von einer ihr unbekannten Mitarbeiterin in dieser Funktion zu einem Haus geschickt wird, um ein Inventar zu erstellen, denkt sie sich nichts dabei und läuft damit in die Falle einer Betrügerin. Nicht nur stösst sie im Haus auf eine Leiche, deren Mord ihr angelastet wird, sie muss auch um das Leben ihrer Kinder und ihr eigenes bangen, wenn sie der Betrügerin nicht hilft, etwas zu finden, das diese haben will. Bald ist nicht mehr klar, wem sie überhaupt noch trauen kann und ob sie aus dieser Sache heil rauskommt.

Baldacci macht vieles richtig: Die Geschichte dreht und wendet sich, es ist nicht wirklich ersichtlich, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Wem soll man in dem ganzen Kuddelmuddel trauen?

Die Protagonistin ist menschlich schwer fassbar, ich komme nicht an sie ran. Die ominöse Anruferin führt Böses im Schild, die Motive dahinter liegen im Dunkeln. Sie nervt mich mit der Zeit ziemlich, sie stellt sich zu sehr in den Mittelpunkt, drängt sich mir auf mit ihren abstrusen Gedanken und Verhaltensweisen. Zudem wirkt vieles sehr konstruiert, so dass dann und wann das Gefühl aufkommt: Ach ne, nicht auch das noch.

„Der Raum war dunkel, genau wie sie es mochte. Licht enthüllte Dinge und zeigte viel zu viel, was wahr sein könnte.“

Und dann, in all der Distanz und den Gefühlen des Abgestossenseins, überrascht mich Baldacci mit sprachlich schönen Wendungen, mit Bildern, die Gefühle plastisch werden lassen, die fühlbar machen, was in den Figuren vorgeht. Die zum Nachdenken anregen.

„Das Leben war ein Hütchenspiel. Die Gewinner konnten die Wahrheit nur besser verbergen als die Verlierer.“

So kann ich mich nur wiederholen: Baldacci macht vieles richtig, denn er hält die Spannung, weckt immer wieder neu meine Neugier, führt mir die noch offenen Fragen vor Augen, zu denen ich eine Antwort haben möchte. Also halte ich durch und lese das Buch bis zum Ende. Und da schau her: Der Meister schafft es, alle Fäden zu vereinen, alles zu einem Ende zu führen, so dass ich am Schluss fast mit einem dem Kitsch geweihten Happy-End-Tränchen dasitze und denke: Hach ja, nun ist die Welt wieder in Ordnung. So soll es bleiben. (Bis zum nächsten Buch.)  

Leseerlebnisse – Freida McFadden: Sie kann dich hören

«Ich bin starr vor Angst. Mein Urteilsvermögen hat mich schrecklich getäuscht. Ich habe eine extrem gefährliche Person unterschätzt. Und jetzt werde ich den höchsten Preis dafür bezahlen.»

Gar unbedarft ging ich ans Lesen dieses Buchs. Zwar schwirrte irgendwo im Hinterkopf, dass es ein ähnlich aussehendes Buch gibt, doch dass dies die Vorgeschichte zu diesem hier darstellte, war mir nicht klar.

«Und für jemanden wie mich ist es nicht leicht, eine andere Arbeit zu finden. Nicht mit meiner Vorgeschichte.»

So stolperte ich immer wieder über diese geheimnisvollen Andeutungen der Protagonistin Millie zu ihrer Vergangenheit, dachte anfangs, das sei geschickt gemacht, um die Spannung zu erhöhen, nervte mich bald, da es ein wenig zu oft vorkam. Hätte ich gewusst, was früher passiert ist, wären diese Andeutungen in einem ganz anderen Licht erschienen. Worum geht es?

«Ich weiss nicht, woran es liegt, aber irgendetwas in der Wohnung ist mir nicht ganz geheuer.»

Millie ist froh, eine neue Putzstelle gefunden zu haben, weil sie das Geld dringend braucht. Als sie bemerkt, dass ihr neuer Arbeitgeber nicht der nette reiche Mann ist, für den sie ihn hielt, sondern ein gewalttätiger Ehemann, kann sie nicht anders: Sie muss der armen Frau helfen, selbst wenn sie das wieder selbst in Probleme stürzt, wie damals, als sie wegen einer solchen Hilfsaktion gar im Gefängnis landete – etwas, von dem ihr aktueller und so perfekter Freund noch nichts weiss, weil Millie fürchtet, er könnte sie verlassen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, die Geschichte geizt nicht mit Twists und nimmt immer mehr Fahrt auf.

Anfangs haderte ich mit der Sprache, die mir nicht entsprach. Die Geschichte hatte aber doch etwas, das mich nicht losliess, so dass ich immer weiterlas und mit der Zeit auch die Sprache insofern ausblenden konnte, als sie mich nicht mehr störte – vielleicht hatte ich mich auch daran gewöhnt.

«Brock ist perfekt, und seine Familie ist perfekt, und ich bin weit davon entfernt, perfekt zu sein, es ist überhaupt nicht komisch.»

Das Buch hätte gut ein genaueres Lektorat vertragen, es kamen doch viele Wiederholungen vor, der gute Brock war zu perfekt, die ständigen Wiederholungen, dass er endlich erfahren müsste, was Millie vor seiner Zeit getrieben hat, etwas gar überbordend.

Die Geschichte geht sehr gemächlich los, scheint mehr eine Beziehungsgeschichte zwischen Millie und Brock zu sein als ein Krimi, kommt dann langsam in die Gänge, um schliesslich im wilden Galopp vorwärts zu preschen, einen Twist nach dem anderen einzuführen, bis hin zum Finale, das nochmals eine Überraschung birgt.