«Ich bin Jussuf, Prinz von Theben»


«Sind sie auch so schmerzlich verloren wie ich?»

Mit diesen Worten stellte sich Else Lasker-Schüler Franz Marc vor. Hier hatten sich zwei Suchende getroffen, zwei Künstler, die durch ihre Kunst und ihre Sehnsüchte verbunden waren. Vier Jahre lang tauschten sie Briefe aus, Briefe, die von Leid und Hoffnung erzählten, von den Tiefen des Lebens und die begleitet von Zeichnungen und Bildern zu kleinen Kunstwerken wurden. Immer, wenn es Else Lasker-Schüler schlecht ging, schickte ihr Franz Marc ein Bild, das ihr förmlich beim Überleben half. Für uns Nachgeborenen sind diese Briefe Zeugnisse von unschätzbarem Wert durch ihre Tiefe, ihr Blick auf die Zeit und ihren künstlerischen Ausdruck.

„Der Blaue Reiter ist gefallen, ein Großbiblischer, an dem der Duft Edens hing.
Über die Landschaft warf er einen blauen Schatten…
wo der Blaue Reiter ging, schenkte er Himmel.“
(Else Lasker-Schüler)

Als Franz Marc 1916 im Krieg fiel, war das ein schwerer Schlag für Else Lasker-Schüler, war diese Verbindung für sie doch sehr zentral und wichtig. Sie setzte den Briefwechsel fiktional fort und es entstand daraus ein Briefroman, der die Freundschaft weiterleben liess.

Ich hebe mein Glas auf die wunderbare Dichterin Else Lasker-Schüler. Sie würde heute 156 Jahre alt.

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Buchtipp (leider kaum mehr erhältlich):
Else Lasker-Schüler – Franz Marc. Eine Freundschaft in Briefen und Bildern

Franz Marc (8.2.1880 – 4.3.1916)

Vom Suchen und Finden eines Malers

Franz Marc wurde am 8. Februar 1880 in München geboren. Sein Vater war Professor an der Akademie der Schönen Künste, doch Franz zog es zuerst zum Priestertum, dann liebäugelte er mit einem Philosophiestudium, bis er sich schliesslich doch für Kunst entschied.

„Das Leben hat gegenwärtig für mich keinen anderen Sinn als den, es durch meine Malerei zu übertönen (eigentlich müsste ich sagen, ‚zu übermalen’) und alle leidenschaftlichen Lebensinstinkte zu ersticken.“

Diese Zeilen schrieb Franz Marc an seinen Bruder Paul. Sie stammen aus einer Zeit, da Franz Marc ein Suchender war. Er stand zwischen drei Frauen und konnte sich nicht entscheiden. Was er wusste war nur, dass er Künstler sein will, nicht aber, wie sein Ausdruck, was seine künstlerische Stimme sei. Er liess sich treiben, auf beiden Feldern, schwankte zwischen Farben und Formen und zwischen den Frauen hin und her. Und: Er wurde schwermütig dabei.

„Ich bin nervös und schwermütig; je weniger einsiedlerisch mein Leben scheint, desto einsamer ist es. Ich glaube, ich habe noch ein unruhevolles Dasein vor mir.“

Franz Marc heiratete, allerdings die Falsche, wie sich später herausstellen sollte. Aber zuerst reiste er noch nach Paris, was in der Zeit das Kunstmekka schlechthin war. Alle waren sie da, die Rang und Namen hatten. Was er da sah, beeindruckte ihn sehr, allen voran Gaugin und van Gogh. Dieser Besuch brachte ihn auch in seinen Stilfragen weiter, die vormals naturalistischen Darstellungen schwanden durch die Einflüsse des Impressionismus und Pointilismus mehr und mehr.

«Es gibt keine »Gegenstände« und keine »Farbe« in der Kunst, sondern nur »Ausdruck«.»

Schliesslich kam Franz Marc mit Maria Franck zusammen und langsam zur Ruhe. Gemeinsam zogen sie aus München weg aufs Land. Franz Marc legte einen Schaffenseifer ans Licht wie nie zuvor. Er malte von morgens bis abends, fand in den Tieren seine Sujets und brachte diese in einem immer klareren und eigenen Stil auf die Leinwand. An den Tieren liebte er ihr harmonisches Leben mit der Natur. Er bildete dabei nicht einfach die Tiere ab, sondern wollte die Welt aus deren Sicht zeigen.

«Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig. Gelb ist das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich. Rot die Materie, schwer und brutal und stets die Farbe, die von den anderen Farben bekämpft werden muss.»

Die Farben dienten ihm da als Ausdruck der verschiedenen Energien und Temperamente.

Nach immer grösseren Dissonanzen im Umfeld der Neuen Künstlervereinigung München, deren 3. Vorsitzender Franz Marc war, kam es zur Geburtsstunde des Blauen Reiters, mit von der Partie waren neben Wassily Kandinsky Gabriele Münter, Alexeji Jawlensky, August Macke, und einige mehr.

Das Leben hätte so weitergehen können, die Schaffenskraft war gross, das Leben mit Maria harmonisch, seine Freundschaften nährend (zu erwähnen wäre hier noch Else Lasker-Schüler, mit der ihn eine tiefe Freundschaft verband, aus welcher ein wunderbarer Briefwechsel mit Zeichnungen der beiden erhalten ist), wäre nicht der Krieg dazwischen gekommen. Marc wurde einberufen und kam darin um. Es war ihm kein langes Leben beschieden gewesen, zu dem Zeitpunkt war er erst 36 Jahre alt. Hinterlassen hat er eine wunderbar bunte Bilderwelt, die bis heute nichts an ihrer Anziehungskraft verloren hat.

Buchempfehlung: Wilfried F. Schöller, Franz Marc
Franz Marcs Leben und Schaffen ist wohl eines der gut beleuchteten. Wilfried F. Schoeller hat mit seinem Buch nicht einfach eine weitere Biografie unter vielen geschaffen, er hat tiefer gegraben, genauer hingeschaut und unbarmherziger (aber nie bösartig oder abschätzig) ans Licht geholt, was Franz Marcs Leben bewegte, wie er seinem Schaffen gegenüber stand und wie er seinen Weg ging.

Entstanden ist ein Buch, das die gängigen Klischees und tausendfach erzählten Geschichten hinter sich lässt. Es wird ein Künstlerleben plastisch, das von Widersprüchen, Zweifeln, Depressionen und Schaffenskraft zeugt. Auch die Zeit beim Blauen Reiter darf natürlich nicht fehlen, die für Franz Marc eine wegweisende war. Aus der folgenden Zeit stammen die Bilder, die in der Folge am Bekanntesten werden sollten, die als Reproduktionen Wohnzimmer und Postkarten zierten und die noch heute Scharen von Besuchern in die Museen locken.

Die vorliegende Biografie ist ein Buch über das Leben und Schaffen, über die Inspirationen und Wegbegleiter, über Freundschaften und Liebe des Künstlers sowie über den Menschen Franz Marc mit seinen Gedanken, Theorien und Zielen. Das Buch ist zudem sehr schön illustriert mit Zeichnungen und Fotos sowie mit einem Mittelteil versehen, der Franz Marcs Bilder zeigt, auf welche im Text verwiesen wird. Den Abschluss machen ein Register aller zitierten Werke sowie eine ausführliche Liste weiterführender Bücher.

Mein Fazit: Ein Standardwerk – Genauer und detaillierter kann man das Leben und Schaffen eines Künstlers nicht erzählen. Sehr empfehlenswert.