Rückeroberungen und Trotzreaktionen

Reclaim the Street

Das war das Motto der Aktion, die grad in Zürich über die Bühne ging. Eine Gruppe solcher, die wissen, was gut ist, wollten plakativ zeigen, was alles schief läuft in Zürich (und wohl auf der ganzen Welt). Sie prangerten an, dass zu wenig Freiheit herrsche, die Städte zu sehr aufgewertet würden materiell, so dass die immateriellen Werte auf der Strecke blieben. Die neue Organisation vertreibe die Alteingesessenen und mache Prunk und Protz Platz.

Freiheit – das wollten sie. Und sie kämpften dafür. Mit Zerstörung, Ausschreitung, verletzten Gegnern, welche die Sicherheit der restlichen Bevölkerung schützen wollten. Indem sie für eine Freiheit kämpften, die wohl nicht mal sie selber betraf, sondern ein Ideal war, von dem sie irgendwo mal gehört hatten (wenn überhaupt), zerstörten sie die der anderen, die da waren, wo sie nie sein würden, noch nie gewesen waren wohl, aber dachten, nie sein zu können, weil da wäre, wer nicht da hin gehörte, sondern nur da wäre, weil die Welt sei, wie sie ist, nämlich schlecht.

Es klingt kompliziert. Eigentlich ist es ganz einfach. Zürich setzt auf Erneuerung. Auf Profit. Neuer Wohnraum wird geschaffen, alter abgerissen. Der alte war für einige erschwinglich, der neue für wenige. Für alle ist er es schon lange nicht mehr. Dass diese Tendenz nicht nur schön ist, liegt auf der Hand. Es geht viel Charme verloren, viel Tradition. Die alten kleinen Läden starben schon teilweise aus, die Wohnungen für normale Familien folgen ihnen. Das bringt Leid mit sich, klar. Das entwurzelt Familien, alte Menschen, weil sie plötzlich ihren Wohnraum abgeben müssen, nur weil irgendein dahergelaufener Baumogul eine Luxushütte mit Luxuswohnungen hinpflanzen will.

Nur: Wenn wir nun alle Läden plündern, die uns auf unserem Wutmarsch in den Weg kommen, wenn wir die Autos, die da grad stehen, kaputt machen, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mitnehmen, verbrennen, zu Schrott stampfen – was genau soll das bringen? Klar, man trifft (eventuell) einen, der sich grad so eine Wohnung leisten konnte, die man sich selber wohl nie leisten können wird (zumindest heute nicht kann und wohl nicht denkt, es je zu können). Und dann? Dann ist dessen Auto ausgebrannt. Der kleine Laden, dessen Inventar man klaute, kann vielleicht dicht machen, weil er den Schaden nicht mehr tragen kann. Dessen Existenz wäre zerstört, die eigene noch gleich. Besser wird nichts. Aber darum geht es doch irgendwie auch nicht. Würde es um eine wirkliche Verbesserung gehen, müsste man doch Mittel und Wege finden, die effektiver sind. Wir leben in einer direkten Demokratie. Eine definierte Anzahl von Stimmen hilft, Sachen vors Volk zu bringen. Dann wird abgestimmt. Demokratie heisst auch, dass die Mehrheit bestimmt. Wir bestimmen immerhin frei. Mehr als so manches Land von sich behaupten kann.

Liebe Randalierer: Wenn ihr ein Anliegen habt, gibt es legitime Mittel und Wege. Die nicht zu wählen, zeigt eher eure Dummheit als die eines anderen. Zürich wird nun wieder aufräumen. Der Verlust ist 6-stellig, gebracht hat es nichts. Bis zum nächsten.