Was von der Liebe bleibt
Inhalt
Liebster,
Eine Trennung, sagte man, ist nie abgeschlossen, kommt nie plötzlich. Man sagt, eine Trennung beginnt mit ihrem Gegenteil. Sie beginnt genau im sanftesten Moment, bei der ersten Begegnung, beim ersten Blick. Ich möchte glauben, eine Trennung kennt kein Ende, und der letzte Tag, die letzte Nacht wiederholen sich unaufhörlich, mit jedem Warten, jeder Wiederkehr, immer dann, wenn du mir fehlst, immer dann, wenn ich deinen Namen sage.
Eine Frau schreibt dem Mann Briefe, der sie eines Morgens einfach verlassen hat. Für sie unverständlich, wie er einfach gehen konnte, schreibt sie ihm jeden Tag, ruft ihm die Beziehung zurück in die Erinnerung, erzählt, wie es ihr geht, was in ihr vorgeht. Sie steckt die Briefe in den Briefkasten seiner Wohnung und hofft, so das Band der Liebe aufrecht zu halten oder sogar weiterzuknüpfen. Leider wohnt heute jemand anders in der Wohnung, leert ein anderer Mann diesen Briefkasten. Marcos ist selber getrennt lebend. Seine Beziehung zerbrach, zurück blieb eine kleine Tochter, die ihm fremd ist, mit der er wenig anfangen kann, vor der er sogar Angst hat. Und irgendwie scheint ihm das ganze Leben mit allen Entscheidungen fremd.
Die Dinge geschahen, ohne dass er auch nur die geringste Kontrolle gehabt hätte, dachte er. Immer gab es jemanden, der die Entscheidungen für ihn traf. Die Hochzeit, die Idee seiner Frau, sie hatte ihn so sehr bedrängt, dass er irgendwann zugestimmt hatte; dann die Tochter, keine einzige Frage oder Ankündigung, ob er das denn auch wolle, ob er einverstanden war […] eine Aneinanderreihung von Beschlüssen in seiner Abwesenheit.
Marcos liest die Briefe, die nicht für ihn bestimmt sind. Er fühlt sich mehr und mehr in die Geschichte hineingezogen, wartet täglich auf den nächsten Brief, lässt seine Gedanken um die Frau drehen, die sie geschrieben hat. Zum ersten Mal fühlt er sich involviert. In eine Geschichte, die nicht seine ist und ihm doch nahe geht. Kann man sich in Briefe verlieben?
Carola Saavedra ist auch mit diesem Roman ein tiefgründiger und feinfühliger Roman gelungen. Es ist ein Roman, der die ganze Klaviatur des Lebens spielt, von der Liebe über Beziehungen, Trennungen hin zum Neuanfang. Blaue Blumen handelt vom Miteinander der Geschlechter. Es handelt von einem Mann, der immer wieder denselben Typ Frau in sein Leben lässt und sich dann nicht einlassen kann, weil er sich daneben klein fühlt,
Obwohl wir Erfahrungen sammeln, machen wir immer wieder dieselben Fehler
und von einer einer Frau, die liebt, obwohl sie hassen wollte, die darüber nachdenkt, wie kommen konnte, was kam. Sie setzt sich auseinander, durch die Briefe sieht man ihr Inneres.
Marcos Geschichte wird in der dritten Person aus Marcos Sicht erzählt. Der Leser verfolgt das Geschehen durch seinen Blick, sitzt in seinem Kopf und erfährt seine Gedanken. Es entsteht das Bild eines Mannes, der sich aus dem eigenen Leben ausgeschlossen fühlt, der keine Verantwortung für dieses übernimmt, weil er findet, er sei in allen Entscheidungen übergangen worden. Er baut keine Beziehung zu seinem Kind auf, ist eher gestört, wenn dieses bei ihm ist, da er es ja eigentlich auch nie gewollt hatte.
Statt sich in sein eigenes Leben zu stürzen, sich mit diesem auseinanderzusetzen, lässt er sich nun auf das Leben der unbekannten Briefschreiberin ein, lebt und fühlt mit ihr, ist mehr und mehr angezogen von ihr – was Frauen in seinem Umfeld nicht vermögen, weswegen auch seine jüngste Beziehung zerbricht.
Zurück bleiben Fragen – Fragen danach, was Liebe sei und wann sie ende. Fragen, ob in Beziehungen immer einer Täter, einer Opfer ist, einer, der bestimmt, einer, der mitläuft. Es steht die Frage im Raum, wann Beziehungen enden und wieso. Wer das bestimmt und was danach kommt – überhaupt kommen kann. Und die Frage, wo die Liebe hingeht, wenn sie geht, und wo der Hass anfängt. Am Schluss des Buches bleiben ganz viele Fragen offen und man hat das Gefühl, dass dies eigentlich erst der Anfang war – irgendwie.
Fazit:
Ein Buch mit vielen Fragen zum Leben, zur Liebe, zu Beziehungen. Tiefgründig und klug hinterlässt es am Schluss viele Fragen. Empfehlenswert.
Zum Autor
Carola Saavedra
Carola Saavedra, geboren 1973, lebt als Schriftstellerin und Übersetzerin in Rio de Janeiro. Sie hat in Deutschland Kommunikationswissenschaft studiert. 2013 erschien bei C.H.Beck ihr Roman Landschaft mit Dromedar. Für diesen erhielt sie den Rachel de Queiroz-Preis und war unter den Finalisten für die renommierten Literaturpreise Jabuti und São Paulo de Literatura. Die Zeitschrift „Granta“ zählt sie zu den zwanzig besten jungen Autoren und Autorinnen Brasiliens.
Ein Interview mit der Autorin findet sich hier: Carola Saavedra – Nachgefragt
Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 223 Seiten
Verlag: C.H.Beck Verlag (12. März 2015)
Übersetzung: Maria Hummitzsch
ISBN: 978-3406675676
Preis: EUR 18.95/ CHF 26.90
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