Aus dem Atelier: Melancholie

„Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
und wie Legende weit und überwunden.

Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
der, reif und rauschend, über einem Grabe
den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
verlor in Traurigkeiten und Gesängen.“

(Rainer Maria Rilke, 1899)

Auch sie gehören zum Leben, die dunklen Stunden. Auch in ihnen liegt eine Schönheit, die man wohl meist erst hinterher sieht – oder zu sehen versucht, um ihnen zumindest einen Sinn zu geben. Doch was wäre all das Licht, gäbe es kein Dunkel? Gäbe es überhaupt Licht? Und gäbe es ohne Licht Dunkelheit?

Habt einen lichtvollen Tag!

Aus dem Atelier: Quo vadis?

„Manchmal muss man Wege erst gehen, um zu sehen, dass sie nicht passen.“

Ich probiere gerne Neues aus, bin anfangs meist auch Feuer und Flamme und denke schnell: Das ist es, das mache ich nun weiter. Mit der Flut des Geschafften nimmt oft das Mass an Enthusiasmus ab, bis ich an einem Punkt bin, an dem ich merke: Nein, das ist es doch nicht. Und oft kehre ich dann zu Bewährtem zurück und merke, dass ich von meinem Ausflug in neue Gefilde etwas mitgebracht habe, das sich nun auf eine gute Weise eingebracht hat.

Vermutlich ist es das, was Rilke meint, wenn er vom Leben in wachsenden Ringen spricht. Wir gehen ständig weiter, nehmen Dinge weg, andere bleiben zurück. Und so durchschreiten wir Ring für Ring unser Leben. Oft sehen wir das als Weiterentwicklung. So, als ob wir im Aussen etwas aufgenommen und verinnerlicht haben. Max Frisch sah es andersrum. Er sagte, wir entwickeln uns nicht, sondern entfalten uns. Nach dem Bild ist alles in uns angelegt, wir müssen es nur entdecken und zur Entfaltung bringen. Vielleicht ist dann das, was bleibt von den Ausflügen, das, was in meinem Innern eine Resonanz findet, weil es da schon im Verborgenen angelegt war.

Und wenn ich solche Dinge schreibe und darüber nachdenke, was wer gesagt und gedacht hat, kommt mir manchmal der Gedanke: Ist das überhaupt wichtig? Entfalten, entwickeln? Vielleicht kommt es nur darauf an, den Weg zu gehen und darauf zu achten, was wir auf ihm entdecken und wie es sich für uns anfühlt. Weniger denken. Tun.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Sichtweisen

Wenn eine Zeichnung entsteht, was war zuerst? Eine Botschaft, die ihren Ausdruck suchte? Ein Ausdruck, die sich durch die Interpretation erschliesst? Was will der Künstler sagen? Und was sagt er? Was liest der Betrachter? Soll er was sehen? Ich glaube, Picasso war es, der sinngemäss fragte, ob der, welcher nach der Bedeutung eines Kunstwerks sucht, auch nach dem Bedeutung des Vogelgesangs fragt. Nun ist das natürlich ein denkbar schlechter Vergleich, da der Vogelgesang in der Tat eine Aussage hat, für einen Zweck, nämlich dem der Kommunikation existiert. So rational war aber die Frage nicht.

Ich glaube ja, dass Kunst da entsteht, wo keine Absichten mehr sind. Da, wo man nicht etwas ausdrücken will, drückt sich etwas aus, das da ist. Das ist nicht so esoterisch gemeint, wie es klingt, ich denke nicht an eine übersinnliche Macht oder höhere Quelle, sondern an all das, was im Menschen drin ist und sich einen Weg nach draussen bahnen will. Die einen schreiben es sich von der Seele, die anderen reden, die Dritten malen, einige kochen, putzen, laufen…

Und selbst wenn dieses Bild ein Ausdruck von etwas Innerem ist, heisst das nicht, dass der Betrachter genau das auch sehen kann oder gar muss. Ist es nicht viel interessanter, zu hören, was der Betrachter hört, als das, was der Künstler wollte? Dadurch würde etwas offensichtlich, was wir im Alltag oft vergessen: Es gibt verschiedene Sichten auf den gleichen Gegenstand. Um die richtige zu kämpfen ist eigentlich eine Unsinnigkeit, die zu nichts als Zwietracht führt. Eine Wahrheit gibt es nicht. Oder wie Heinz von Förster sagte:

„Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners.*

Aus dem Atelier: Sonnenstrahl

„Ein Sonnenstrahl reicht hin, um viel Dunkel zu erhellen.“ Franz von Assisi

Es muss nicht immer viel und gross sein, oft sind es die kleinen Dinge, die grosses Bewirken. In er japanischen Philosophie „Ikigai“ gibt es die fünf Säulen, wobei die vierte besagt, man solle sich an kleinen Dingen freuen. Wie viel Gutes wäre plötzlich in der Welt, würden wir das nicht übersehen bei unserer Suche nach dem Besseren?

Heute werde ich die Sonne wohl in mir finden müssen, denn draussen ziert sie sich. Etwas Farbe kann da helfen.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Go Girl

„Ich suche nicht, ich finde.“ Pablo Picasso

Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, dass ich krampfhaft versuchte, „mein Ding“ zu finden. Und ich schwirrte vom einen zum anderen und immer bleibt nach einer kurzen „Heureka-Euphorie“ ein ernüchtertes „Nein, doch nicht“ zurück. Und dann machte ich einfach wieder, was mir in den Sinn kam, und merkte, dass eigentlich alles da war. Ich es nur sehen und als „mein Ding“ erkennen müsste. Und dann schaute ich manchmal zurück auf all die Ausflüge meiner Suchereien und sah, dass in all diesen auch durchschien, was ich tue, wenn ich eben aus mir heraus arbeite und nicht nach etwas im Aussen suche.

Ich bin aus meinem früheren Leben in der Akademie so gewohnt, dass man sich abstützen, dass man bei andern suchen muss, dass man belegen und bewerten, zielorientiert vorgehen muss, dass es mir immer wieder schwer fällt, aus mir heraus frei zu arbeiten. Ich habe gemerkt, dass mir das am besten gelingt, wenn ich die Ansprüche loslasse und denke, ich übe nur. Und plötzlich ist da was, das mir gefällt. Von dem ich denke: „Genau so.“

Pablo Picasso sagte mal, Inspiration müsse einen beim Arbeiten finden. Das trifft für mich auch zu. Je mehr ich mache, desto mehr kommt alles ins Fliessen. Wenn ich aber zu viel denke, kommt alles ins Stocken.

Habt einen schönen Tag!

Klecksdiven: Tanz dich frei

Es gibt Tage, die sind schwer. Grau. Ein bisschen zu leise. Manchmal braucht es nur wenig, um wieder Licht hereinzulassen:

Ein Lied, das du liebst.
Einen Pinselstrich Farbe.
Einen Rhythmus, der dich tanzen lässt.

Meine Klecksdiva macht es vor:

Kopf hoch, Schultern zurück
Musik an
Tanzen, als wäre es der schönste Tag des Jahres

Leichtigkeit muss nicht laut sein – nur echt. 💃✨

Aus dem Atelier: Think pink

Als ich im linken Daumen Rhizarthrose bekam, welche durch eine Fehlstellung des Daumens durch einen Unfall beschleunigt wurde, dachte ich, es sei gut, sei es wenigstens links, bin ich doch ausgeprägter Rechtshändler. Dachte ich. Ich merkte erst da, wie viel ich eigentlich mit links mache. Ausser Schreiben, was links gar nicht geht, eigentlich fast alles.

Nun, die in den Rau gestellte OP umging ich mit einer Spritze, die bislang gute Dienste leistet, zumindest schmerztechnisch. Wie es so kommen musste, ist nun der rechte Daumen auch dran. Die OP links sieht der Herr in Weiss noch dringender, rechts rät er auch dazu (und war eher angepisst, als ich beides nicht freudig als Option in Betracht ziehen wollte). Mit einer weiteren Spritze im Daumen bin ich wieder heim.

Und so sitze ich da und frage mich, was da wohl noch auf mich zukommen wird. Wie viel Zeit ich die Daumen nicht benutzen darf, wie ich dann zeichne, was ich dann mache. Und ich muss gestehen, es schlägt mir ziemlich aufs Gemüt.

So düster darf es nicht bleiben, da muss ein wenig Farbe her. Das hilft immer. Und auch jetzt kommt der Gedanke auf: Ich schaff’s das. Und ich mache auch schon Pläne, wie das aussehen könnte.

Habt einen schönen, farbenfrohen Tag!

Aus dem Atelier: Femme fatale

«Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet. Je mehr man die Welt liebt, desto schöner wird man sie finden.» Christian Morgenstern

An den Klagen über die grausame Welt mag viel dran sein. Zu allen Zeiten hat es sie gegeben und jede fand die ihre besonders schlimm. Zu allen Zeiten gab es aber auch Schönes und Gutes. Es liegt an uns, worauf wir den Fokus richten wollen.

Ich bin überzeugt, dass das Leben ein glücklicheres ist, wenn man den Fokus auf das Schöne legt. Wie sagte schon Epiktet: Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können, weil sie nicht in unserer Hand liegen. Und es gibt Dinge, die liegen in unserer Hand, sie können wir steuern. Steuern können wir mehrheitlich nur unseren Blick auf das, was ist, nicht aber dass es ist.

Und so habe ich beschlossen, mich fortan (noch mehr) dem Schönen zuzuwenden. Anderes gibt es ja wahrlich schon genug, darum muss ich mich nicht auch noch kümmern. Ich fange gleich mit dem Wochenende an.

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Sportliche Skizzen

«Sport ist Mord.» Winston Churchill

Als junger Mann Leistungsschwimmer, wandte er sich später anderen Leidenschaften zu. Seine Aussage ist wohl so gemeint, dass wirklicher Leistungssport immer mit viel Aufwand und Anstrengung verbunden ist.

Sport ist gesund. Sagen andere. Ich würde nicht so weit gehen, Sport als Mord zu bezeichnen, aber langweilig ist er in meinen alleweil. Ein notwendiges Übel quasi, weil es mir danach immer besser geht. Und so raffe ich mich nach meiner Yogasitzung immer auf und steige auf den Hometrainer für 10-15 Minuten. Und damit es nicht zu langweilig wird, habe ich ein Brett auf die Lenkstange gelegt und kritzle nun vor mich hin. Reduziert mit Bleistift und Leuchtstift (was halt so da liegt). Und schwupps, ist die Zeit um und die Skizze fertig. Bis zum nächsten Tag.

Mögt ihr Sport?

Habt einen schönen Tag!

Aus dem Atelier: Abstecher in die Modewelt

In den letzten Tagen habe ich einen Abstecher in die Welt der Mode, genauer der Modeillustration gemacht. Fasziniert von verschiedenen Künstlern, liess ich mich treiben, zeichnete mit klareren Linien, «zog meine vormals nackten Frauen an», liess sie gehen, stehen, tanzen. Ich experimentierte mit einem illustrativeren Stil und irgendwie gefiel mir das Aufgeräumte, die klaren Strukturen. Weniger Chaos, weniger Dreck, weniger Unordnung – sowohl auf dem Papier wie auch im Atelier. Als ordnungsliebender Mensch kam mir das sehr entgegen.

Und plötzlich merkte ich eine innere Unzufriedenheit. Da fehlte plötzlich was. Etwas, das mir die Kunst vorher gegeben hat: Die Freude am Erforschen. Ich hatte mein Grundthema verloren, nämlich den Menschen in seiner Welt und seinem Sein einen Ausdruck zu geben. Ich hatte ihn im wahrsten Sinne verkleidet.

Heute habe ich ihn wieder entkleidet. Gewisse Dinge werde ich aber mitnehmen aus der Zeit. Und genau das ist das Schöne, das wohl auch zu (meine)m Weg gehört: Immer wieder Neues erforschen, um dann mitzunehmen, was passt und wegzulassen, was doch nicht meins ist.

Habt einen schönen Tag!

Das Bild entstand nach einer Fotografie des Modehauses Chloé.

(Die Zeichnung habe ich eingescannt, um verschiedene Farbvariationen auszuprobieren. Den für solche Dinge eigens angeschafften Scanner einzurichten, war eine Herausforderung für sich….)

Ernst Ludwig Kirchner (6. Mai 1880)

«Der Maler malt die Erscheinung der Dinge, nicht ihre objektive Richtigkeit, ja er erschafft neue Erscheinungen der Dinge.» Ernst Ludwig Kirchner

Ein glückliches kann es wohl nicht nennen, blickt man auf das Leben von Ernst Ludwig Kirchner. Geboren am 6. Mai in Aschaffenburg, wo er das Abitur machte und danach Architektur studierte und auch zum Abschluss brachte. Statt sich diesem Beruf zu widmen, begab er sich voll in die Kunst, gründete zusammen mit Emil Nolde, Max Pechstein und Cuno Amiet die Künstlergruppe «Die Brücke». War er zuerst von den Impressionisten inspiriert, wandelte sich sein Stil schnell in Richtung Expressionismus, für welchen er bis heute als prominentes Aushängeschild gilt.

Leider blieb ihm die gebührende Anerkennung verwehrt, so dass er Dresden den Rücken kehrte und nach Berlin zog. Auch da war er nicht zufrieden mit der Resonanz, so dass er sich selbst unter Pseudonym Kritiken schrieb. Das mangelnde Interesse hielt ihn nicht davon ab, ein umfangreiches Werk zu schaffen. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Schaffenskraft. Er diente zuerst als Freiwilliger, danach als Rekrut, doch war er dem Druck nicht gewachsen und erlitt einen Nervenzusammenbruch, aus welchem wohl die ihn bis zum Schluss begleitende Drogenabhängigkeit resultierte.

Die bunten Farben von Kirchners Werken können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein Leidender war. Er litt an der mangelnden Aufmerksamkeit, an Krankheit, am Leben.
Der Zweite Weltkrieg stürzte ihn schliesslich vollends in die Verzweiflung. Die Nationalsozialisten deklarierten sein Werk als entartete Kunst, seine Werke wurden aus den Museen entfernt, viele sogar zerstört.

«Ich hoffte immer, dass Hitler für alle Deutschen wäre, und nun hat er so viele und wirklich ernsthafte gute Künstler deutschen Blutes diffamiert. Das ist sehr traurig für die Betroffenen, denn sie, die ernsthaften darunter, wollten alle und haben geschaffen für Deutschlands Ruhm und Ehre.» Ernst Ludwig Kirchner

Die Aussage zeugt nicht nur von politischer Ignoranz und prominentem Nationalstolz, sie weist auch andere bedenkliche Andeutungen auf, welche an dieser Stelle aber nicht Thema sein sollen. Es bleibt Kirchners Leiden an der Situation, die er, seit 1917 in Davos (Schweiz) zwar von Ferne, aber doch gefühlt unmittelbar erlebte. Seine Morphinsucht verschlimmerte sich, nachdem er vorher davon weggekommen war, bis er sich am 15. Juni 1938 mit einem Schuss ins Herz das Leben nahm. So lautet zumindest die ärztliche Diagnose, an welcher es doch verschiedene Zweifel gibt.