Tagesbild: Der Nachtschwärmer

Guten Morgen

Abschied
Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt. 
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes 
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes 
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt. 

Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen, 
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ, 
zurückblieb, so als wärens alle Frauen 
und dennoch klein und weiß und nichts als dies: 

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen, 
ein leise Weiterwinkendes – , schon kaum 
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum, 
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
Rainer Maria Rilke

Noch ist es dunkel draussen, doch bald bricht der neue Tag und damit auch die neue Woche an. Für mich ist es die letzte Woche in Spanien, dann geht es zurück in die graue und doch eher kühle Schweiz. Auch wenn ich mich auf vieles freue, hängt ein wenig Wehmut in der Luft. Das ist immer so bei den Abschieden. Beim Leben an zwei Orten überwiegt klar das Schöne und Gute, aber es fehlt auch immer etwas, etwas, das eben am anderen Ort ist. Aber noch lasse ich der Wehmut keinen zu grossen Platz, ich habe noch viele Ideen, die ich diese Woche noch umsetzen will, dann freue ich mich noch auf viele schöne Momente hier.

Habt einen schönen Tag!

Tagesbild: Katze im Skizzenbuch

Guten Morgen
Als Kind waren wir immer in einem Hotel mit zugehörigem Bauernhof in den Ferien. In den Ställen tummelten sich die Katzen, sie waren mehrheitlich wild und doch versuchten wir Kinder, sie zu zähmen. Wie schön, wenn sich eine wirklich mal streicheln liess. Ich hätte mit immer als Hundemensch bezeichnet, bin auch mit Hunden aufgewachsen. Als ich auszog, zog ich mit einer Katze zusammen, da ein Hund nicht in meinen Alltag gepasst hätte und ich ohne Tier nicht leben wollte. Wie naiv war ich gewesen, als ich dachte, eine Katze sei wie ein Hund, die müsse nur nicht raus. Es war ein regelrechtes Zusammenraufen, doch wir haben es gut hingekriegt.

Viel später wurde dann der Traum vom eigenen Hund doch wahr, zuerst noch parallel mit Katze, später dann allein. Hätte man mich noch vor wenigen Tagen gefragt, ob ich ein Katzen- oder Hundemensch bin, wäre die überzeugte Antwort gewesen: Hundemensch. Doch dann sah ich diese Sendung im TV. Und war fasziniert. Ich sass wohl die ganze Zeit mit einem Strahlen im Gesicht vor dieser Kiste und war wie gebannt. Danach musste ich gleich eine Katze zeichnen. Und erinnerte mich dabei, dass mein Name bei den Pfadfindern Felia gewesen ist – damals sagten sie mir, das hiesse Katze auf Ägyptisch. Ich habe das heute nachgeprüft, es heisst „die Glückliche“, „die Helfende“, „die Erfolgreiche“. Auch nicht schlecht.

Was bin ich denn nun? Hunde- oder Katzenmensch? Und ihr?

Habt einen schönen Tag! 💕

Tagesbild: Die Aubergine

Guten Morgen

„Die Regenzeit lässt sich durch Auberginen-Genuss gut ertragen.“

Dieses koreanische Sprichwort deutet darauf hin, dass Auberginen den Sommer in sich tragen. Die Zeit der Sehnsucht kann man sich also quasi durch den Genuss versüssen. Nun bin ich ja durch und durch Sommermensch (wenn auch im Winter geboren – vielleicht gerade drum), so dass ich mir das zu Herzen nahm und die Aubergine zwar nicht gegessen, aber gezeichnet habe. 

Ich verstehe gut, was Goethe meinte, als er sagte: 

„Nur wer die Sehnsucht kennt, weiss, was ich leide…“

Ein wirkliches Leiden ist es zwar nicht, und doch: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer…“

Habt einen schönen Tag!

(Bild des Tages: Die Aubergine)

Bildbetrachtungen: Paul Cézanne, Stillleben mit Äpfeln und Orangen

Wie spontan hingeworfen wirkt der Aufbau in dem Bild. Ein zusammengerafftes Tischtuch, darauf ein Teller, eine Karaffe und eine Etagere, zudem Äpfel und Orangen, alles auf einem schrägstehenden Tisch mit ebenso gerafften Tischtücher im Hintergrund, die noch dazu mit einem Mustermix aufwarten. Aber: Bei Cézanne war das kein Zufall, keine Willkür, sondern eine mit Bedacht gewählte Anordnung, was sich schon daran zeigt, dass es mehrere Versionen dieses Arrangements gibt. Die einzelnen Gegenstände wurden so lange umplatziert, bis sie ein harmonisches und ausgewogenes Ganzes ergaben. Ist das geglückt, stellt sich dieser spontane Eindruck ein.

Durch die teilweisen Umrandungen hat das Bild etwas Zeichnerisches. Einzelne Gegenstände sind durch Linien von ihrer Umgebung abgetrennt, wirken aber doch mit dieser wie eine Einheit, was dem Gleichgewicht zu verdanken ist, das Paul Cézanne in diesem Bild hergestellt hat. Die leuchtenden Farben der Früchte, das helle Weiss des Tischtuches bilden einen Gegensatz zu den eher gedämpften Tönen der anderen Tischtücher und der braunen Wand im Hintergrund. Der Blick wird durch das Helle neben dem Dunkeln gelenkt, Hell und Dunkel stehen in einem ausgewogenen Verhältnis. Ruhige Flächen stehen neben Mustern, klare Formen neben Faltenwürfen.

Man versteht sowohl Picassos wie auch Matisses Hochachtung vor diesem Maler, durch den die Malerei in neue Sphären gelenkt wurde. Sie standen damit nicht allein.

In dem Bild finden sich erste Ansätze der Idee, die später zum Kubismus führte: Die gleichzeitige Betrachtung einzelner Objekte aus unterschiedlichen Perspektiven. Während der Krug eher frontal ausgerichtet ist, blicken wir beim Teller von oben drauf. Die verschiedenen Ansichten der Äpfel und Orangen lassen die beiden Früchte auch von allen Seiten sichtbar werden. Cézanne gilt denn auch als Vorbote des Kubismus, zudem als Erneuerer der Gattung Stillleben, welche ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert in den Niederlanden gehabt hatte.

Zum Künstler
Paul Cézanne wurde am 19. Januar 1839 in Aix-en-Provence geboren. Nach der Schule begann er auf Wunsch des Vaters das Studium der Rechtswissenschaft, das er aber schon bald mehr und mehr vernachlässigte, um sich dem Zeichnen und dem Verfassen von Gedichten zu widmen und besuchte Kurse an der Abendschule. Später zog er auf Anraten seines Freundes Emile Zola nach Paris, wo er sich an der École des Beaux-Arts bewarb, aber abgelehnt wurde und fortan an der freien Académie Suisse Aktkurse besuchte. Daneben kopierte er im Louvre die alten Meister, eine Übung, die übrigens viele Maler der damaligen Zeit machten, so auch Henri Matisse. Cézanne wurde in Paris nicht heimisch, zog bald zurück nach Aix-en-Provence und arbeitete da in der Bank seines Vaters, sehr zu dessen Freude, er hoffte er sich doch den Sohn als Nachfolger. Er hat den Irrtum wohl bald erkannt, immerhin unterstützt er seinen Sohn finanziell mit dem Existenzminimum, als dieser zurück nach Paris zog, nur um erneut von der École des Beaux-Arts abgelehnt zu werden. Wieder ging er an die Académie Suisse, die damals dem Realismus verpflichtet war. Er machte die Bekanntschaft vieler später berühmter Maler wie Pissaro, Monet, Sisley oder Renoir.

„Von niemanden abhängen, der Mann seines Herzens, seiner Grundsätze, seiner Gefühle sein: nichts habe ich seltener gesehen.“

Cézanne wollte die Kunst erneuern, er wollte weg von den eingetretenen Pfaden, die Wirklichkeit sollte realistisch wiedergegeben werden, ungeschönt. Damit hob er sich von der vorherrschenden Kunst Frankreichs ab, was ihm auch beim Publikum keine Pluspunkte einbrachte. Seine Bilder wurden drum nicht in den offiziellen Kunstsalons, sondern im „Salon des Refusées“ ausgestellt. Der Publikumserfolg sollte sich aber schon bald einstellen.

„Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, die schönen Formeln unserer erlauchten Vorgänger beizubehalten. Machen wir uns doch frei davon und studieren wir die schöne Natur, versuchen wir ihren Geist herauszuheben, suchen wir uns doch so auszudrücken, wie es unserem persönlichen Temperament entspricht. Im übrigen, auch die Zeit und das Nachdenken verändern so nach und nach unser Sehen, und am Ende finden wir zum Verständnis.“

Sehr gerne malte Paul Cézanne unter freiem Himmel, die wunderbarsten Landschaftsbilder sind so entstanden. Diese Leidenschaft sollte aber auch sein Verhängnis werden, kam er doch bei einem solchen Mal-Ausflug in ein Unwetter und verlor in dem Treiben das Bewusstsein. Zwar wurde er gerettet, war aber so unterkühlt, dass er eine Lungenentzündung entwickelte und schliesslich am 22. Oktober 1906 starb.

Cézannes Schaffen durchlief mehrere Phasen:
Das frühe Werk war beeinflusst von der französischen Romantik und dem frühen Realismus. Dicker Farbauftrag und kontrastierende dunkle Farben beherrschen diese „dunkle Phase“.

Es folgte eine impressionistische Phase, beeinflusst von Pissaro und Manet. Schon bald verliess er den Impressionismus wieder, um sich einer flächigeren und an der Perspektive ausgerichteten Malweise zuzuwenden.

Er wandte sich den Stillleben zu, ein Höhepunkt in seinem Schaffen. Dabei legte er den Schwerpunkt weniger auf die einzelnen Gegenstände, sondern auf deren Anordnung und die ganze Bildkomposition. Das zeigt sich am vorgestellten Stillleben deutlich.

Auch in die Porträtmalerei begab sich unser Künstler, dies vor allem auch, um sich ein Auskommen zu sichern, verkauften die sich doch gut.

Langsam zog er sich aus der Realität zurück, die vorgefundenen Motive wichen frei erfundenen, Phantasie trat an die Stelle der Realität. In dieser Phase verlegte er sich mehr und mehr auf die Aquarellmalerei.

Grundlage von aller Malerei war für Cézanne das Zeichnen. Das wahre Schauen, das wirkliche Erfassen der Gegenstände, um sie sich auf diese Weise wirklich anzueignen, war zentral für seine Kunst:

„Das ganze Wollen des Malers muss schweigen. Er soll in sich verstummen lassen alle Stimmen der Voreingenommenheit. Vergessen! Vergessen! Stille schaffen! Ein vollkommenes Echo sein. […] Ich sehe! […] Um das zu malen muss dann das Handwerk einsetzen, aber ein demütiges Handwerk, das gehorcht und bereit ist, unbewusst zu übertragen.

Tagesbild: Der Olivenzweig

„Vom Wind umweht, mit leisem Rauschen, sieht
der Baum den Wellen zu. Er steht schon lang, ist
alt und weise, stolze Kraft auf festem
Grund, der hält und ihn zum Himmel treibt .

Was klein begann mit einem Stein, das wuchs
in Ringen an und an. Erst nur ein Stamm,
dran Äste dann, die weit und breit ins Land
ausschweifen, es ergreifen, Blätterregen

um sich legen und daran ganz klein
ein Stein in grüner Hülle, die in sich
Genuss mitträgt. Es scheint die Sonne, nährt

Die Früchte, lässt sie reifen, rund und prall, bis
eines Tages diese fallen, und zu
neuem Leben streben – irgendwann.“
SVS

Vor meinem Schlafzimmer steht ein Olivenbaum. Zu ihm geht mein erster Blick, wenn ich auf die Wiese trete. Nie habe ich mich an ihm satt gesehen, immer wieder entdecke ich Neues an ihm. Matisse sagte einst:

„Eine vertiefte Studie erlaubt es mir, vom Gegenstand meiner Betrachtung Besitz zu ergreifen und mich bei der endgültigen Ausführung des Bildes mit ihm zu identifizieren.“ 

Ähnlich auch Wolfgang Tillmans:

„Wenn man sich nicht für die vielseitigen Qualitäten eines Baumstamms interessiert, kann man sich den Gegenstand auch nicht künstlerisch aneignen, indem man ihn malt, zeichnet, filmt oder fotografiert.“

Und so wird mich der Baum auch weiter jeden Morgen fesseln. 

Habt einen schönen Tag. 

Tagesbild: Spassvogel

„Der humorvolle Vogel

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Wie das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.“

Wilhelm Busch

Manchmal muss man die Dinge mit Humor nehmen, sonst werden sie zu schwer. Das merkte ich gestern, als die Batterie des Mietautos abgelegen ist. Nach dem Überbrücken musste ich Fahrt aufnehmen, tat dies den steilen Hügel vor dem Haus rauf, wo das gute Gefährt ein paar Meter weiter oben den Geist aufgab. Ich wollte rückwärts wieder nach Hause rollen, da blockierten die Bremsen, wir küssten stürmisch die Wand. Eine romantische Begegnung, auf die ich hätte verzichten können. Dafür war nachher für den Abendsport gesorgt: Ich musste der Pannenhilfe entgegenrennen, den ganzen Hügel rauf. Dafür durfte ich dann mit dem netten Herrn runterfahren, der einen so rasanten Fahrstil hatte, dass ich dankbar meine Resterinnerungen an das „Vater unser“ hervorkramte. Ein paar Turbulenzen später lief dann alles wieder normal, nur mein Herz raste noch immer im Tempo des gehetzten Waldaffen. 

Neuer Tag, neues Glück. Habt einen schönen Tag!

(Zeichnung im Skizzenbuch)

Tagesbild: Der Falke

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,

die sich über die Dinge ziehn.

Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,

aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,

und ich kreise jahrtausendelang;

und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm

oder ein großer Gesang.“

Rainer Maria Rilke (1899)

Mein Bild des Tages – Kleine Studie im Skizzenbuch

Habt einen schönen Tag!

Stillleben mit Früchten

„Kommt, von allerreifsten Früchten / mit Geschmack und Lust zu speisen! / Über Rosen läßt sich dichten, / in die Äpfel muß man beißen.“ Johann Wolfgang von Goethe

Man kann sie auch malen, doch irgendwann werden sie gegessen. Im Bild zwar eine Khaki, die später dann zu einer Vorspeise wurde als Carpaccio auf Ruccola mit einem Limettendressing, Parmesanspänen und Balsamico-Creme wurde. Sehr lecker. 

Neben dem Malen mag ich auch das kreative Erkunden in der Küche. Ich halte mich selten an Rezepten, liebe es aber, in solchen zu stöbern und Inspirationen zu holen. Wo lebt ihr eure Kreativität gerne aus?

Habt einen schönen Tag!

Pieter Breughel der Ältere, ‚Der Blindensturz‘

Цифровая репродукция находится в интернет-музее Gallerix.ru

Bildbetrachtungen

„Es beginnt in der Schule, und man geht durchs Leben, indem man wiederholt, was andere gesagt haben. Ihr seid also Menschen aus zweiter Hand.“ Krishnamurti (Der Flug des Adlers)

Das klingt natürlich sehr ketzerisch, und doch ist in meinen Augen ein Funken Wahrheit dabei. In der Schule erzählt ein Lehrer seiner Klasse etwas und die Schüler müssen das glauben und lernen. So sagte Michel Bréal einst:

„Ein Professor ist ein Mann, der lehrt, was er nicht weiss.“

Gerade in der heutigen Welt, die sich in einem immer schnellen Tempo verändert, so dass keiner wissen kann, wo sie morgen stehen wird, ist es schwierig, wirklich sinnvolles und nützliches Wissen zu vermitteln. Einerseits ist es fraglich, ob das Wissen von heute morgen noch Gültigkeit hat, andererseits ist es noch unsicherer, ob das Wissen morgen noch von Bewandtnis ist. Zudem ist reines Wissen besser im Computer gespeichert und abrufbar, als in menschlichen Köpfen mit ihren Vergesslichkeiten.

Doch es soll hier nicht um Schulkritik gehen, sondern um ein Bild, nämlich Pieter Breughels ‚Der Blindensturz‘, ein Tempera-Gemälde von einer Grösse von 154 x 86 cm, gemalt 1568.

Eine Gruppe von sechs Blinden will in der Kirche um Almosen betteln. Sie machen sich auf den Weg, verfehlen aber den richtigen und irren in der Folge umher. Die sechs tragen diverse Utensilien bei sich, die darauf deuten, welche Funktion sie beim Betteln gehabt hätten. Einer hätte musiziert (ein Instrument unter dem Gewand), ein anderer gesammelt (der Teller am Gürtel). In einer Diagonale von links oben nach rechts unten stolpern die sechs dem Fall entgegen, der erste, der Anführer, liegt schon am Boden, der zweite ist schon im freien Fall, streckt noch die Hand aus, um zu versuchen, sich aufzufangen.

Das Bild ist in gedämpften Tönen und einer reduzierten Palette aus mehrheitlich Naturtönen gehalten, einzig ein roter Pullover und rote Socken bringen etwas Farbe hinein, wobei auch das Rot gedämpft ist.

Das Bild geht auf ein Gleichnis in der Bibel zurück, so heisst es im Matthäus-Evangelium:

„Lasst sie, sie sind blinde Blindenführer. Wenn aber ein Blinder den anderen führt, so fallen sie beide in die Grube.“

Jesus meint damit die Pharisäer, die er als blinde Blindenführer sieht, welche das Volk in die Irre führen würden. Ein ähnliches Gleichnis findet sich nicht nur in der Bibel, sondern auch in indischen religiösen Schriften:

„So laufen ziellos hin und her die Toren, wie Blinde, die ein selbst auch Blinder anführt.“ (Katha Upanishaden)

Oder in den frühen buddhistischen Sutren des Pali-Kanon:

„Angenommen es gäbe eine Reihe blinder Männer, jeder in Berührung mit dem nächsten: der erste sieht nichts, der mittlere sieht nichts, und der letzte sieht nichts. Ebenso, Bhārdvāja, gleichen die Brahmanen, was ihre Behauptung angeht, einer Reihe blinder Männer: der erste sieht nichts, der mittlere sieht nichts, und der letzte sieht nichts“


Die Welt wird immer unübersichtlicher und manchmal findet man den richtigen Weg nicht. Wie froh ist man dann über jemanden, der einem zeigt, wo dieser entlangführt und wie man ihn gehen kann. Man vergisst dabei zwei Dinge: Wir wissen nicht, wie der andere seinen Weg gefunden hat und ob er wirklich richtig ist. Und: Es ist sein Weg, der für ihn funktionierte und ihn zu seinen Zielen führt. Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch hat eigene Ziele, die sich aus diesem So-Sein ergeben. Auch der Weg dahin kann nur ein eigener sein, einer, der einem entspricht.

„Du kannst von niemandem abhängig sein. Es gibt keinen Führer, keinen Lehrer, keine Autorität. Es gibt nur dich – deine Beziehung zu anderen und zur Welt.“ Krishnamurti (Einbruch in die Freiheit)

Zudem geben wir mit der Befolgung anderer Lehren die eigene Freiheit auf. Wir begeben uns in eine Abhängigkeit und verlernen nach und nach das eigene Denken und die die Fähigkeit, eigene Lösungen zu finden.

Manchmal stehen wir am Scheideweg, wissen nicht, welchen Weg wir nun nehmen sollen. Schlussendlich ist es wichtig, sich für einen zu entscheiden. Wie der andere gewesen wäre, werden wir nie herausfinden. Keinen zu wählen wäre aber die schlechteste Option. Wie schrieb Robert Frost in seinem wunderbaren Gedicht „The road not taken“:

„Two roads diverged in a yellow wood,
And sorry I could not travel both

I shall be telling this with a sigh

I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.“

(Das ganze Gedicht findet ihr HIER

An apple a day

Guten Morgen

„An apple a day keeps the doctor away.“

Eine kleine Spielerei im Skizzenbuch.

Das neue Jahr nimmt schon ganz schön Fahrt auf, wenn es so weitergeht, wie es begonnen hat, darf es gerne so bleiben. Mich hat die Schaffenswut gepackt, ich sitze von morgens (früh) bis nachts im Atelier und arbeite vor mich hin. Und nie gehen die Ideen aus, im Gegenteil, es kommen ständig tausend neue dazu. Beim Stand heute müsste ich 145 Jahre alt werden, um alle bislang vorhandenen zu realisieren. 

Kennt ihr das auch? Dass ihr förmlich überquellt vor lauter Ideen. Zum Glück ist heute ein neuer Tag mit viel Zeit! Und zwischendurch werde ich ein wenig die spanische Sonne geniessen mit einem Glas Wein, schliesslich lebt der Mensch nicht von der Arbeit allein. 

Habt einen schönen Tag!

Einfach spielen

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Friedrich Schiller

Das Spiel wird in unserer Zeit immer mehr in den Hintergrund geschoben, Leistung zählt, schon bei den Kindern. Immer früher setzt der Unterricht ein, immer weniger Zeit zum freien Spiel bleibt neben Schule und durchorganisierter Freizeit. Folgt man Schiller, so nimmt man dem Kind dadurch eigentlich die Basis seines Menschseins, ist das Spiel doch der Ort, in dem es sich und sein Sein in der Welt ausprobieren kann. Im Spiel lernen Kinder, zu kooperieren, zu interagieren, auch mal Frustration auszuhalten und Neues auszuprobieren. Der Spielplatz als Lernort fürs Leben.

Das Spiel geht immer da verloren, wo der Schwerpunkt auf dem Ergebnis liegt statt auf dem Weg dahin. Es gibt den Spruch von Konfuzius, der Weg sei das Ziel. Ich mochte ihn nie, versuchte ihn zu zerpflücken und durch Begriffsklauberei zu zerstören. Und muss gestehen: Er hatte recht. So lange es nur ums Ergebnis geht, sind wir selten an unserem Ort. Erst, wenn wir den Prozess, den Weg dahin, lieben, in ihm aufgehen, spüren wir unser Menschsein – eben im Spiel.

„Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt daran, als Erwachsener einer zu bleiben.“ Pablo Picasso

Vielleicht auch ein Grund, wieso ich die Liebe zum Spiel wieder entdeckt habe. Wieder ein wenig Kind sein. Nicht am Ergebnis haften, sondern das Tun feiern. Und manchmal bringt genau das die schönsten Ergebnisse.

Habt einen verspielten Tag!

Am Anfang steht das Zeichnen

Ich erinnere mich, dass ich als Kind mit meinen Eltern nach Bern an die grösste Picasso-Ausstellung ging, die bis dahin (zumindest in der Schweiz) je gezeigt worden war. Das Erlebnis blieb mir wohl im Gedächtnis (wenn sicher auch nicht nur), weil es nicht oft vorkam, dass wir ins Museum gingen – also eigentlich nie ausser dieser Ausnahme. Im Nachhinein ist das umso erstaunlicher, als mein Vater doch eigentlich sehr kunstaffin war.

So oder so: Die Ausstellung war gut besucht, nur ein Saal war seltsam leer. Diesen steuerten wir an. In ihm waren Skizzen, Skizzenbücher und Zeichnungen Picassos ausgestellt. Teilweise zeigten sie dasselbe Motiv in immer neuer grösserer Reduktion. Mein Vater erklärte mir, dass vor dem fertigen Bild oft Vorzeichnungen stünden, er erklärte mir den Weg Picassos vom realistischen Abbild hin zur Abstraktion und noch so vieles mehr. Diese Erklärungen liessen mich nachher die Bilder in einem ganz neuem Licht sehen.

Am Anfang steht das Zeichnen. Das sagt auch Henri Matisse, weswegen er seine Schüler zuerst zeichnen liess:

„Ja, ich habe eine Klasse von sechzig Schülern, und ich lasse sie mit peinlicher Genauigkeit zeichnen, wie Studenten es am Anfang immer tun sollten.“ Henri Matisse

Dass auch Cezanne ein begnadeter Zeichner war, blieb lange verborgen, stellte er doch zu Lebzeiten nie eine seiner Zeichnungen aus. Erst nach seinem Tod kamen sie ans Licht, viele davon sind heute im Kunstmuseum, da leider auch mehrheitlich unter Verschluss. Trotzdem lohnt es sich, sie zu studieren, zum Glück gibt es Bücher (wenn sie auch nie das direkte Anschauen ersetzen können), mit denen das gelingt, zum Beispiel das Buch „Der verborgene Cezanne. Vom Skizzenbuch zur Leinwand“.

In diesem Buch lassen sich teilweise Cezannes Wege von der Idee, hingeworfen in einer Skizze, über eine ausgearbeitete Zeichnung, die selbst schon ein Kunstwerk ist, hin zum Bild auf der Leinwand nachvollziehen. Es zeigt aber auch viele wunderbare Zeichnungen dieses Ausnahmetalents (nicht umsonst schwärmten viele heute selbst grosse Namen wir Matisse oder Picasso von ihm).

Hier findet ihr die Rezension zum Buch: Der verborgene Cezanne

Alles neu macht das neue Jahr?

Guten Morgen
Nun ist es da, das neue Jahr. Lange steuerten wir drauf zu, um nun angekommen zu sein und doch noch am Anfang zu stehen. So viele Möglichkeiten, so viele Chancen, Risiken stehen vor uns und wir nehmen den Weg durch all das auf.

Ich verzichte dieses Jahr auf einen Jahresrückblick. Es war ein gutes Jahr, ein Jahr voller Umbrüche, weil es auch ein Jahr voller Erkenntnisse war. Das ist wertvoll, von da aus gehe ich ins neue Jahr und mache es zu meinem Jahr der Kunst. Es ist ein Jahr eines (Wieder-)Neuanfangs und ich freue mich drauf. Es ist genau das: Ein Gefühl des Angekommenseins im Wissen, nun liegt ein Weg vor mir, den ich gehen will.

Was dabei sicher nie fehlen wird, sind meine Spielereien in den Skizzenbüchern. Sie sind meine Spielwiese, mein Tummelplatz, sie sind ein sicherer Ort für Erkundungen. Ich freue mich aber auch, wieder gross zu werden, die Farbe auf die Leinwände zu bringen, neue Welten entstehen zu lassen. Dabei wird die Natur meine Inspiration sein.

„Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.“ Henri Matisse

Ich freue mich zudem darauf, in die Bildwelten grosser Maler einzutauchen, mich in diese einzufühlen und einzulesen. Wie viel doch in einem einzelnen Bild stecken kann – es begeistert mich immer wieder.

Habt ihr Vorhaben/Pläne/Wünsche fürs neue Jahr?

Habt einen schönen Tag, er ist der Beginn vom Rest eures Lebens. 💕

Eine Geschichte: Nachwort (XXXXX)

Nachwort

Mondnacht
„Es war, als hätt‘ der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis‘ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande
als flöge sie nach Haus.“

(Joseph von Eichendorff)

Dieses Buch wurde nicht aus dem Nichts geboren. Als ich Didier Eribons Buch «Rückkehr nach Reims» gelesen habe, regte sich etwas in mir. Das wollte raus. So begann ich, ohne ein Ziel, ausser dem, schreibend meinen Erinnerungen auf die Spur zu kommen, von Hand Notizen zu machen. An gewissen Tagen füllte ich mehrere Seiten, an anderen knapp eine. Irgendwann war das Buch voll. Ich begann ein neues und füllte auch das.

Was nun? In die Schublade damit und gut ist? Ich beschloss, es abzuschreiben und digital zu erfassen. Danach ordnete ich es neu. Überarbeitete nochmals. Wollte es wieder dabei belassen. Da kam mir die Idee mit den Briefen. Und alles führte zu dem, was ihr die letzten Wochen und Monate lesen konntet.

Ich möchte all jenen von Herzen danken, die mich auf meiner Reise begleitet haben. Ich möchte mich bedanken für die lieben Reaktionen, die mich erreicht haben. Sie bedeuten mir viel. Diese Reise ist nun zu Ende. Und das ist gut so. Wie sagte schon Hermann Hesse:

«Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!»