Aktuell spaltet ein Thema die Nation (die Schweiz, um genau zu sein). Sollen Menschen, die in dritter Generation in der Schweiz leben, eine vereinfachte Einbürgerung erhalten? Man halte sich das mal plastisch vor Augen:
Ernesto wandert in die Schweiz ein, ist hier Saisonarbeiter. Er heiratet, kriegt ein Kind: Ein Secondo. Wir nennen ihn Paolo. Paolo tut, was er eben tut, wir wollen das mal nicht weiter ausführen, und kriegt ein Kind: Enrico. Enrico ist die dritte Generation. Er soll nun die erleichterte Einbürgerung erhalten. Das liegt eigentlich auf der Hand, denn:
Enrico hat nie was von Italien gesehen, schon sein Vater kam hier auf die Welt (wurde wohl nie eingebürgert, man könnte sich nun fragen, wieso, tut man aber nicht). Aber: Enrico ist hier aufgewachsen (wie sein Vater), er kennt nichts anderes (ausser dem, was er zuhause erlebt).
Was ich mich frage: Was hat Enrico, was Paolo nicht hatte? Wieso wurde Paolo nicht eingebürgert? Er lebte schliesslich sein ganzes Leben hier und kriegte hier ein Kind. Was sind sachliche Gründe für die Erleichterung bei einem Menschen, der in der dritten Generation hier ist, gegenüber einem, der als Secondo hier war?
Menschen sind vielschichtig. Eine der Schichten wird sicher durch die Herkunft und durch die Kultur geprägt. Eine andere durch den Umgang. Ganz vieles ist… irgendwie diffus. Gerade in den Jahren der Pubertät. Da zählen Peergroups. Auf die haben Eltern kaum mehr Einfluss.
Wir versuchen nun aber, aus der Einbürgerungsfrage eine Rechenaufgabe zu machen. Gesetz ist immer Abstraktion, das ist mir klar. Nur so kann eine Norm haften, die auf den Allgemeinfall angewendet werden können muss. Nur: Ob man das an Generationen festmachen kann? Ich bezweifle.
Wir leben in der Schweiz in einem Land, das seine Grundsätze und Normen hat. Wir haben Gesetze und leben in einem Rechtsstaat. Dasselbe gilt für viele andere Länder rund um uns. Wäre nicht das einzig relevante Kriterium, dass sich einer, der hier sein will, an diese Normen, Grundsätze und Regeln hält? Geht es wirklich um eine Generationenfrage? Ist der Nachkömmling eines schwerkriminellen Secondos besser geeignet als ein dankbarer Flüchtling in erster Generation?
Ich bin nach wie vor der Meinung. Wer Hilfe braucht, soll kommen dürfen und soll Hilfe erhalten. Immer! Wer unsere Rechte missachtet, war der Hilfe wohl nicht wert. Der soll auch wieder gehen, um denen Platz zu schaffen, die sie suchen und annehmen. Das aber an Generationen festzumachen und es zu einem mathematischen Problem verkommen zu lassen, widerstrebt einem Philosophen wie mir.
Wir müssen helfen. Alle, denen es gut geht, stehen in der Pflicht. Das gebührt der Menschlichkeit. Wer diese ausnutzt, ist sie nicht wert. Für den Rest müssen wir einstehen. Denn: Wir haben schwarze Schafe auch in den eigenen Reihen, wir können die anderen nicht härter angehen. Mensch ist Mensch – egal, woher er kommt.