George Tabori (24. Mai 1914 – 23. Juli 2007)

George Tabori wird am 24. Mai 1914 in Budapest geboren. Seine Eltern ziehen ihn erst katholisch auf, bis sie ihm mit sieben Jahren erklären, dass die jüdisch sei. Weil sein Vater findet, Schreibende gäbe es bereits genug und er müsse was Anständiges lernen, beginnt Tabori in Berlin eine Hotelfachlehre, bis sich die antisemitischen Vorfälle häufen und er schliesslich 1933 Deutschland verlässt.

„Als der Reichstag brannte, war es Zeit zu verschwinden.»

Die folgenden Jahre verschlagen ihn nach Budapest, London, in die Türkei, nach Palästina und Ägypten. 1941 erhält er die britische Staatsbürgerschaft. Er arbeitet Kriegsberichterstatter, später als Journalist und Übersetzer.

„Was ich immer erzählen muss, immer sagen muss: dass ich keine Heimat habe, dass ich ein Fremder bin, und das meine ich nicht pathetisch, sondern als gute Sache. Weil ein Schriftsteller, nach meinem Geschmack, muss ein Fremder sein.“

1943 erscheint Taboris erster Roman («Beneath the stone»), weitere folgen. 1947 fliegt er auf Drängen einer Literaturagentin in die USA, wo er als Drehbuchautor engagiert wird. Aus den geplanten drei Monaten werden zwanzig Jahre. In den USA lernt er auch die ganze schreibende Zunft der Auswanderer kennen und arbeitet teilweise mit ihnen.

„Stell dir vor, du lebst in einem Haus, und jeden Sonntag kommen Büchner, Kafka, Flaubert, Mahler und so weiter zu Besuch …“

1968 reist er zum ersten Mal zurück nach Deutschland, um da ein Auschwitzstück am Theater zu inszenieren. Er tut dies nicht ohne Befürchtungen, doch es wird ein Erfolg. 1971 zieht er ganz nach Deutschland, wo er sich in diversen Städten mit verschiedenen Tätigkeiten rund ums Theater einen Namen macht.

George Tabori stirbt am 23. Juli 2007 in Berlin.

Zu seinem Werk

„Der kürzeste deutsche Witz ist Auschwitz.“

Das Thema «Auschwitz» hat George Tabori nie losgelassen. Nicht nur liessen ihn die Verfolgungen durch das Naziregime von einem Ort zum anderen reisen, so dass er sich immer als Fremder fühlen musste, er hat auch seinen Vater da verloren, welcher 1944 in Auschwitz starb.

„Sechzig Jahre später besuchte ich Auschwitz, suchte nach einem Zeichen, das er mir zurückgelassen hatte. Ohne viel Hoffnung. Die Toten waren in Rauch aufgegangen… Ich hob einen Stein auf, wo ist er, ich hielt den Stein in der Hand, versuchte, seine Gegenwart zu spüren, umsonst, ich steckte ihn in die Tasche, ein Souvenir… Mahnmale sind für die Lebenden. Die Toten kümmern sie nicht.“

George Tabori war ein Mann, dem Humor wichtig war, was sich auch in seinen Theaterstücken zeigte: Er brachte den Holocaust auf eine komische und politisch nicht korrekte Weise auf die deutschen Bühnen, er provozierte und forderte sein Publikum immer wieder heraus, weil sich dieses oft schwertat, in seine Art Humor hineinzufinden. Die Anstrengung lohnt sich!

Buchempfehlung:

Neben den Klassikern wie «Autodafé» und «Meine Kämpfe» möchte ich dieses Buch ans Herz legen: «Gefährten zur linken Hand»

Der Krieg wütet im Sommer 1943 überall, nur einen kleinen Badeort in Italien scheint er vergessen zu haben: San Fernando. Dahin zieht es den Autor Stefan Farkas, welcher aber immer am Rand bleibt, das Geschehen aus Distanz beobachtet und sich mit einer zynischen Gelassenheit über alles stellt – bis der Krieg auch hier einbricht. Fakras kommt zum Schluss:

«Es gibt Zeiten, in denen das einzig Nützliche der Tod ist.»

Honoré de Balzac (20. Mai 1799 – 18. August 1850)

Sein Leben
Honoré de Balzac wird am 20. Mai 1799 im Süden Frankreichs geboren, zieht in seiner Jugend nach Paris, wo er die Schule beendet und ein Jurastudium beginnt. Daneben besucht er Vorlesungen in Philosophie. Zwar legt er noch die Zulassungsprüfung zum Abschluss des Studiums ab, beschliesst aber sodann, Schriftsteller zu werden. Finanziert durch den Vater zieht er in eine Dachwohnung und beginnt zu schreiben.

«Sie sind elende Wanzen, diese Kritiker.»

Nach kleineren Texten entstehen zusammen mit Auguste Lepoitevin, einem schon erfahrenen Schriftsteller, mehrere Romane, aber auch an eigenen versucht sich der entschlossene Schriftsteller. Der Erfolg lässt auf sich warten, der nächste Versuch geht in die Welt der Dramatik, was auch von mässigem Erfolg gekrönt ist. Er pendelt von Genre zu Genre, verfolgt verschiedene literarische Projekte, die ihn zwar nicht reich machen, ihm aber immerhin das Überleben sichern. Der ausbleibende Durchbruch lässt ihn in eine Depression verfallen.

«Alle Macht des Menschen besteht aus einer Mischung von Zeit und Geduld.»

Die unglückliche Ehe seiner Schwester inspiriert ihn schliesslich zur Schrift eines Ehehandbuches für noch ledige Männer, danach wagt er sich unter die Verleger, kauft eine Druckerei, doch auch das führt ihn nicht in den Erfolg, sondern in den Konkurs. Er beginnt wieder zu schreiben und endlich wird seine Ausdauer belohnt, er landet mit «Le dernier Chouan» einen Erfolg.

«Eine gute Frau ist wie ein gutes Buch: unterhaltsam, anregend, belehrend. Ich wollte, cih könnte mir eine ganze Bibliothek leisten.»

Das Leben in der Folgezeit ist bewegt, Balzac ist politisch engagiert, aktiver Journalist, viel auf Reisen, in Liebeleien zu verheirateten Frauen verstrickt, was zur Vaterschaft führt. Daneben fliessen auch Erzählungen und Romane aus seiner Feder, langsam ist er anerkannt in der Literaturszene.

«Es ist leichter, ein Liebhaber zu sein als ein Ehemann und zwar deshalb, weil es einfacher ist, gelegentlich einen Geistesblitz zu haben, als den ganzen Tag geistreich zu sein.»

Wirklich reich wird er trotzdem nicht, was ihn aber nicht hindert, sein Leben mit Pauken und Trompeten zu führen, im Prunk zu suhlen und sich nur mit dem Besten an Kleidung und Wohnungen zufrieden zu geben. Finanziell unterstützt wird er dabei tatkräftig von liebestrunkenen Frauen aus gutem Hause.

Das Leben als Lebemann, der aber doch immer fleissig arbeitete, zeigt irgendwann seine Spuren, die Gesundheit bröckelt, was er zuerst mit noch mehr Arbeit zu überdecken versucht. Es gelingt nicht und Balzac stirbt am 18. August 1850 nach einer zu strapaziösen Reise.

Sein Werk
Balzacs Werk besteht mehrheitlich aus einzelnen Texten, die zu Zyklen verbunden sind, und in denen ein ganzes Arsenal an Figuren auftritt. Sein Stil ist realistisch, auch wenn er der Zeit nach noch in die Romantik gehörte, die ihn aber durchaus beeinflusst. Balzac besticht durch seinen klaren und scharfen Blick auf die Menschen und ihre Machenschaften, er zeichnet damit ein eindrückliches Bild der französischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, sowohl auf dem Land wie in der Stadt.

Adolf Muschg (13. Mai 1934)

Adolf Muschg wird am 13. Mai 1934 in Zürich geboren. Seine Mutter ist Krankenschwester und die zweite Frau des Primarlehrers Friedrich Adolf Muschg. Es war ist einfache Kindheit: der Vater macht seinem Namen (Adolf) alle Ehre, indem er den Juden unterstellt, ihren Tod selbst gewollt zu haben. Zudem hat er ein eher rigides Verständnis von Sünde. Die Mutter ist psychisch instabil, weilt immer wieder in der Psychiatrie, und kümmert sich nur um ihren Sohn, wenn er krank ist. Muschg bezeichnet diese Tage als «Glückstage», weil er der Krankheit einen Gewinn abgeluchst habe. Dass er zum Hypochonder wird später (ein Thema, das er auch in seinen Romanen aufgreift), führt er darauf zurück.  

«Man muss sehr früh viel verbergen. Wenn es ein Privileg des Schreibens gibt, dann, dass man diesen Dingen nachforscht. Es sind Schätze nicht gelebten Lebens.»

Ausser einem kurzen Abstecher in ein Internat in Schiers verbringt er seine Schulzeit in Zürich, wo er auch studiert, nämlich Germanistik, Anglistik und Psychologie, auch das mit einem Abstecher, dieses Mal nach Cambridge. Er promoviert über die Dichtung Ernst Barlachs, arbeitet danach als Gymnasiallehrer in Zürich sowie an diversen Universitäten. 1970 wird er Professor für Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft an der ETH in Zürich.

Muschg hat dreimal geheiratet und ist Vater von drei Söhnen. Er ist zeitlebens vielseitig engagiert, auch politisch, was ihm sogar mal die Bezeichnung «Volksfeind» einbrachte, womit er sich in guter Gesellschaft mit Max Frisch befindet, welcher als «Staatsfeind Nr. 1» bezeichnet wurde. (Ein interessantes Bild, welches das von der Schweizer Politik und deren Sicht auf die eigenen Künstler wirft.)

Adolf Muschg hat 30 Romane, Essays, Drehbücher, Theaterstücke und Biografien verfasst und wurde dafür mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

In seinem jüngsten Roman, «Aberleben», hat Adolf Muschg nochmals aus dem Vollen geschöpft – vielleicht fast gar viel. Fast möchte man meinen, er hätte alle Themen und literarischen Mittel eines ganzen Schriftstellerlebens zusammengenommen und in eine neue Form gegossen. Wir reisen mit einem alten Schriftsteller nach Berlin, raus aus der Schweiz und einer Ehe, hin zu neuen Ufern. In der Geschichte geht es um das Schreiben und das Leben, das Lieben und das Lügen, um Identität und Zugehörigkeit. Die Geschichte weist ein Sammelsurium von literarischen Bezügen auf, und fast möchte man sich ein wenig an Max Frisch erinnert sehen, finden sich doch offensichtliche Bezüge zu dessen drei Romanen «Mein Name sei Gantenbein», «Stiller» und «Homo Faber». Dass er Max Frisch sehr schätzte, sagte er in einer Sendung anlässlich von dessen Tod, so dass diese Hinweise wohl kaum Zufall waren.

Adolf Muschg lebt heute in der Nähe von Zürich.

Ausgewählte Werke:

  • 1965 Im Sommer des Hasen
  • 1967 Gegenzauber
  • 1974 Albissers Grund
  • 1986 Goethe als Emigrant
  • 1993 Der Rote Ritter. Eine Geschichte von Parzival
  • 2001 Sutters Glück
  • 2008 Kinderhochzeit
  • 2015 Die japanische Tasche
  • 2018 Heimkehr nach Fukushima
  • 2021 Aberleben

Karl Kraus (*28. April 1874)

Am 28. April 1874 kommt Karl Kraus als Sohn eines jüdischen Papierfabrikanten und dessen Frau in Jicin, Böhmen zur Welt. 1877 zieht die Familie Kraus nach Wien, wo Karl Kraus 1892 sein Studium der Rechtswissenschaft beginnt. Karl Kraus schreibt neben dem Studium Artikel und Rezensionen, welche er in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Versuche, im Theater Fuss zu fassen sind nicht von Erfolg gekrönt, weitere Projekte wie eine geplante Satirezeitschrift verlaufen im Sande.

1896 hängt Kraus die Jurisprudenz an den Nagel und wendet sich dem Philosophie- und Germanistikstudium zu, welches er ohne Abschluss beendet. 1897 ein erster Aufschwung: Die Satire Die demolirte Litteratur wird ein Publikumserfolg, allerdings schaffte er sich damit keine Freunde in der Literatenwelt.

Ich hasse und hasste diese falsche, erlogene „Decadence“, die ewig mit sich selbst coquettiert, ich bekämpfe und werde immer bekämpfen: die posierte, krankhafte, onanierte Poesie![1]

Kraus wird im selben Jahr Wiener Korrespondent der Breslauer Zeitung, in ihm wächst der Wunsch, eine eigene Zeitschrift herauszugeben. 1899 erscheint die erste Ausgabe von Die Fackel. Auch damit macht er sich keine Freunde, ein Prozess folgt dem anderen, weil sich zu viele auf die Füsse getreten fühlen durch die Vorwürfe, die Kraus in der Fackel gegen sie veröffentlicht.

1899 löst sich Karl Kraus von der jüdischen Gemeinschaft und lässt sich 1911 in der Wiener Karlskirche römisch-katholisch taufen (1923 beendet er auch dieses Intermezzo durch den Kirchenaustritt).

1902 erscheint Kraus’ Aufsatz Sittlichkeit und Kriminalität, ein Angriff auf die vermeintliche Verteidigung von Moral, Ordnung und Sittlichkeit mit justiziellen Mitteln.  Dieses Thema begleitet ihn durch die nächsten Jahre. Ab 1906 verfasst Karl Kraus Aphorismen, welche zuerst in der Fackel, später zusammengefasst in Büchern erscheinen.

Im Jahr 1915 beginnt die Arbeit am Theaterstück Die letzten Tage der Menschheit, welches 1919 in Form von Sonderheften der Fackel veröffentlicht wird. Es folgen Lesungen im Rundfunk und Aufnahmen für Schallplatten.

Die Machtergreifung Hitlers lässt die Fackel still werden.
Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm;
Und sage nicht, warum.
Und Stille gibt es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf;
Man spricht nur aus dem Schlaf.
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei;
Nachher war’s einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.[2]

Monatelang erscheint keine Ausgabe, doch Karl Kraus’ Schaffen ruht nicht. Er arbeitet an einem Text über die Machtübernahme und die ersten Monate der nationalsozialistischen Herrschaft. Das Werk erscheint erst  posthum 1952 unter dem Titel Dritte Walpurgisnacht.

Die Fackel erscheint wieder sporadisch, was nicht allen zu gefallen scheint, da ihr Inhalt gewohnt kritisch bleibt. Im Februar 1936, nach Erscheinen einer Ausgabe, wird Kraus von einem Radfahrer niedergestossen, was immer stärkere Kopfschmerzen und Gedächtnisschwund zur Folge hat. Ein Herzinfarkt im Juni desselben Jahres führt schlussendlich zum Tod. Karl Kraus stirbt am 12. Juni 1936 in seiner Wohnung an einem Herz- und Gehirnschlag.

Der Mensch Karl Kraus
Karl Kraus ist ein kritischer Geist, der mit seiner polemischen Art aneckt und polarisiert. Er hält mit seiner Meinung nicht hinterm Zaun, sticht in die Wunden der Gesellschaft und zeigt mit dem Finger auf die Vergehen der Menschen, allen voran der sogenannt Grossen der Öffentlichkeit. Mit Leidenschaft und Wortgewandtheit setzt er sich ein, der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Er hat dabei viele Anhänger, die seinen Vorlesungen lauschen und ihn als unfehlbare Autorität sehen. Seine zahlreichen Gegner sehen in ihm einen verbitterten Misanthropen, verurteilen seine Aussprüche als hasserfüllt und übers Ziel schiessend.

Karl Kraus und die Sprache
Karl Kraus Werkzeug ist die Sprache. Er legt grossen Wert auf sie und sieht im allgemein üblichen nachlässigen Umgang mit ihr den Ursprung für viele Missstände der Welt.

Von Rache sprech’ ich, will die Sprache rächen
An allen jenen, die die Sprache sprechen.
Bin Epigone, Ahnenwertes Ahner.
Ihr aber seid die kundigen Thebaner.[3]

Sprache hat für Karl Kraus religiösen Charakter. Sünde gegen die Sprache sieht er als Lüge und die Vermehrung der Lügen als Vermehrung des Bösen in der Welt. Sprache ist für Karl Kraus das Medium des Denkens, nicht nur Mittel zum Zweck.

Dass Stil nicht der Ausdruck dessen ist, was einer meint, sondern die Gestaltung dessen, was einer denkt und was er infolgedessen sieht und hört; dass Sprache nicht bloss das, was sprechbar ist, in sich begreift, sondern dass in ihr auch alles was nicht gesprochen wird erlebbar ist; dass es in ihr auf das Wort so sehr ankommt, dass noch wichtiger als das Wort das ist, was zwischen den Worten ist…[4]

Sprache soll als Medium des Denkens immer wieder selber kritischer Reflexion unterzogen werden, nicht einfach nur dahingesagt und hingenommen sein. Rund ums ich sieht Kraus das genaue Gegenteil: Leere Floskeln, Gesagtes als blosse Hülle ohne Inhalt  – und die Welt damit dem Untergang geweiht.

Die Welt geht unter und man wird es nicht wissen.[5]

Werke von Karl Kraus

  • Die demolirte Litteratur (1897)
  • Sittlichkeit und Kriminalität (1908)
  • Sprüche und Widersprüche (1909)
  • Die chinesische Mauer (1910)
  • Die letzten Tage der Menschheit (1918)
  • Weltgericht (1919)
  • Literatur und Lüge (1929)

[1] Brief an Arthur Schnitzler, März 1893
[2] Die Fackel, Nr. 888, S. 4
[3] Worte in Versen, S. 94
[4] Die Sprache, S. 341
[5] Die letzten Tage der Menschheit, S. 10

Sarah Kirsch (16. April 1935 – 5. Mai 2013)

Zum Leben
Sarah Kirsch wird als Ingrid Hella Irmelinde Bernstein am 16. April 1935 in Limlingerode im Harz geboren und wächst in einem protestantischen Elternhaus (der Grossvater ist Pfarrer) auf. Von ihrer Mutter erbt sie die Liebe zur Lyrik. Nach dem Abitur studiert sie aus Liebe zur Natur nach einer abgebrochenen Forstarbeiterlehre Biologie. 1958 lernt sie den Lyriker Rainer Kirsch kennen, den sie 1960 heiratet. Im selben Jahr erscheinen erste lyrische Texte von ihr in Anthologien und Zeitschriften. Sie veröffentlicht diese unter dem Pseudonym Sarah, womit sie ihren Protest gegen die Vernichtung der Juden im Dritten Reich ausdrücken will.

Zwischen 1963 und 1965 studiert sie mit ihrem Mann am Literaturinstitut in Leipzig und beide arbeiten fortan als freie SchriftstellerInnen, Sarah Kirsch wird Mitglied des Schriftstellerverbands der DDR. Nach zwei gemeinsamen Gedichtbänden veröffentlicht Sarah Krisch 1967 ihren ersten eigenen («Landaufenthalt»). 1968 folgt die Scheidung, Sarah Kirsch zieht nach Ost-Berlin und wird nach einer kurzen Affäre Mutter. Sie arbeitet als Übersetzerin, Journalistin und Hörfunkmitarbeiterin. 1973 folgen der nächste Lyrikband («Zaubersprüche») und zwei Prosabände.

„Ich hoffe, dass Hexen, gäbe es sie, diese Gedichte als Fachliteratur nutzen könnten.“

Ebenfalls 1973 wird Kirsch Vorstandsmitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, welcher sie (ebenso wie die SED) 1976 ausschliesst, weil sie eine der Erstunterzeichnerinnen der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann gewesen ist. 1977 wird ihr Ausreisegesuch genehmigt und sie siedelt mit ihrem Sohn in den Westen um, wird Mitglied des Pen-Zentrums der BRD. Dass sie schon früher im Westen publiziert wurde, erleichtert ihr den Start da sicherlich. Sarah Krisch bleibt politisch engagiert, sie beteiligt sich an politischen Aktionen und lehnt sowohl eine Dozentenstelle, weil die Berliner Akademie der Künste ehemalige Mitglieder der Staatssicherheit beschäftigte, wie auch das Bundesverdienstkreuz aus Protest gegen die NS-Vergangenheit des amtierenden Bundespräsidenten Karl Carstens ab.

Sarah Kirsch stirbt am 5. Mai 2013 in Heide (Holstein).

Zum Schaffen

«Frühling ist ein
Möwengefiederter
Bengel aus Schottland mit
Bärlauchatem.»

Bekannt wurde Sarah Kirsch vor allem durch ihr lyrisches Werk, welches mehrfach ausgezeichnet wurde und ihr auch zu einer Ehrenprofessur verhalf. Sie gilt als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Gedichte zeichnen sich durch ein starkes Rhythmusgefühl, den Einsatz von Zeilensprüngen und -umbrüchen, sowie das Spiel mit verschiedenen Sprachformen aus. Auch dichtet sie mit allen Sinnen, aus ihrer Sprache fliessen bildhafte Metaphern und Gerüche.

„Wie still es ist.
Die Glyzinie
Klopft mit dem Knöchel ans Fenster.“

Die Liebe zur Natur findet sich in ihrer Lyrik wieder, welche oft Naturbeobachtungen und Motive aus der Natur enthalten. Das zentrale Thema dabei ist die Erhaltung der Natur sowie ein in ihren Augen gefährdetes Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur. Marcel Reich-Ranicki nannte Sarah Kirsch Drostes «jüngere Schwester» und schrieb zu ihrem Werk in der FAZ:

„Erotisch ist nicht nur ihr Verhältnis zu den Menschen, sondern auch zur Heimat und zur Natur, zum Geist und zur Literatur, ja sogar zur Politik.“

Neben der Lyrik schrieb sie aber auch Kinderbücher und Prosatexte.

Sarah Kirsch war eine emsige Schreiberin. Sie selbst äusserte sich dazu folgendermassen:

„Eigentlich schreibe ich immer. Ich bin ein Schädling, von der vernichteten Papiermasse her und tue recht daran, in jedem Jahr, mindestens zehn Bäume zu pflanzen. Zum einen ist es eine körperliche Sucht, der materielle Vorgang des Schreibens schüttet Adrenalin gallonenweise wohl aus, so brauche ich feinste Papiere und edle Schreibgeräte. Am liebsten Tinte aus’m Tintenfass für altmodische Füller, Journale mit hinreißenden Einbänden aus Firenze zum Beispiel oder salzburgische Handfertigung gar. Es ist wie eine Sucht, wenn mein federleichter Merlin-Füller aus dem Jahr 32 über toskanisches Papier schwebt, mit lotusblauer Tinte. So bin ich fast glücklich. Um es gänzlich zu sein, bedarf es noch eines gerade entstehenden Textes, dann gerät die Sucht zur Ekstase.“

Der Anspruch ans Schreibmaterial spiegelt wohl den Anspruch wider, den sie an ihr Werk hatte. Sie arbeitete diszipliniert und sorgfältig. Täglich von sechs Uhr morgens bis knapp vor dem Mittag sass sie konzentriert am Schreibtisch, schrieb erste Gedichtentwürfe von Hand, überarbeitete diese mehrfach, feilte an Sprache und Form, bis sie diese Handschriften dann in die Maschine tippte. Die Entwürfe sind nicht erhalten, sie wurden alle vernichtet. Sie duldete nichts in ihren Augen Minderwertiges (auch Bilder, die ihren Ansprüchen nicht genügten, wurden verbrannt).

Während ihr lyrisches Werk viel Beachtung erhielt, steht diese beim Prosawerk noch aus. Dies gälte es noch zu entdecken, zumal es im Wert der Lyrik sicher ebenbürtig ist.

Zur Entspannung malte Sarah Kirsch. Ihre ersten Aquarelle hatten Briefmarkengrösse, sie nannte es selbst «Rumklecksen» und sah es nicht als Arbeit, sondern als reines Vergnügen. Das Ganze war für sie privat und nicht für Ausstellungen oder gar den Verkauf gedacht, doch als sich immer mehr Galerien zu interessieren begannen, fand auch ihre bildende Kunst den Weg in die Öffentlichkeit. Einen Einblick in ihr bildnerisches Schaffen (Aquarelle, Gouache-Malerei und Collagen) bietet ein Kunstband aus dem Jahr 2000: „Beim Malen bin ich weggetreten“.

Ausgewählte Werke

  • Berlin – Sonnenseite. Deutschlandtreffen der Jugend in der Hauptstadt der DDR (1964), Bildreportage, zusammen mit Thomas Billhardt und Rainer Kirsch
  • Gespräch mit dem Saurier (1965), Gedichtband, gemeinsam mit Rainer Kirsch
  • Die betrunkene Sonne (1966), Kinderbuch. Illustrationen von Erich Gürtzig
  • Landaufenthalt (1967), Gedichtband
  • Zaubersprüche (1973), Gedichtband, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
  • Die Pantherfrau. Fünf unfrisierte Erzählungen aus dem Kassettenrecorder (1973), Prosaband
  • Die ungeheuren bergehohen Wellen auf See (1973), Prosaband
  • Es war dieser merkwürdige Sommer (1974), Gedichtauswahl
  • Caroline im Wassertropfen (1975), Kinderbuch, mit Illustrationen von Erdmut Oelschläger
  • Zwischen Herbst und Winter (1975), Kinderbuch, zusammen mit Ingrid Schuppan
  • Rückenwind. Gedichte (1976
  • Wintergedichte (1978)
  • Drachensteigen (1979), Gedichte
  • Trennung (1979), Gedichte
  • Wind und Schatten, zusammen mit dem Künstler Kota Taniuchi
  • La Pagerie (1980), Prosagedichte
  • Geschlechtertausch (1980), zusammen mit Irmtraud Morgner und Christa Wolf
  • Hans mein Igel (1980), Kinderbuch nach den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, mit Illustrationen von Paula Schmidt
  • Papiersterne (1981), vertont von Wolfgang von Schweinitz
  • Erdreich (1982), Gedichte
  • Reisezehrung (1986), Prosa
  • Irrstern (1987), Prosaband
  • Allerlei-Rauh. Eine Chronik (1988), Prosaband
  • Luft und Wasser. Neue Gedichte und Bilder, mit Bildern von Ingo Kühl, Edition Lutz Arnold im Steidl Verlag, Göttingen 1988, Vorzugsausgabe zu ISBN 3-88243-096-6.
  • Luft und Wasser. Gedichte und Bilder, mit Bildern von Ingo Kühl, Edition Lutz Arnold im Steidl Verlag, Göttingen 1988, ISBN 3-88243-096-6.[15]
  • Schneewärme. Gedichte (1989)
  • Wintermusik (1989)
  • Die Flut (1990), Auswahl, zusammengestellt von Gerhard Wolf
  • Schwingrasen (1991), Prosa
  • Spreu (1991), Bilder-Tagebuch
  • Erlkönigs Tochter (1992), Gedichte
  • Das simple Leben (1994), Prosaminiaturen und Gedichte
  • Bodenlos (1996)

Robert Walser (15. April 1878 – 25. Dez. 1956)

Robert Otto Walser wird am 15. April 1878 in Biel geboren, wo er auch die Schule besucht, bis er diese wegen Geldnot der Familie abbrechen muss. Er hängt sehr an seiner Mutter, so dass ihr Tod 1894 ein schwerer Schlag für ihn ist. Nach einer Banklehre verlässt der theaterbegeisterte Walser die Schweiz und zieht (wie vor ihm schon sein Bruder Karl) nach Stuttgart, wo er sich neben seinem Brotjob erfolglos als Schauspieler versucht. Schon ein Jahr später bricht er auch in Stuttgart wieder seine Zelte ab und wandert zu Fuss zurück in die Schweiz, wo er sich in Zürich niederlässt. Er hält sich da mit verschiedenen Bürostellen über Wasser, was er später in seiner Literatur immer wieder als Motiv verwendet.

1898 erscheinen die ersten Gedichte in der Zeitung, welche Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihm weitere Publikationsmöglichkeiten eröffnen. 1904 erscheint mit «Fritz Kochers Aufsätze» Walsers erstes Buch, 1908 der Roman «Der Gehülf», 1909 «Jakob von Gunten. In seinen Werken verarbeitet er immer wieder Stationen seines Lebens, so ist die Figur des Dieners, welche in vielen seiner Bücher eine Rolle spielt, auf seine eigene Ausbildung zum Diener zurückzuführen.

1906 zieht Walser nach Berlin, wo er 1907 «Geschwister Tanner» veröffentlicht, einen Roman, den er in gerade mal sechs Wochen geschrieben hatte. Durch seine Romane und die parallel dazu erscheinenden Prosastücke, welche in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften publiziert werden, etabliert sich Walser bald schon im Literaturbetrieb der damaligen Zeit, namhafte Schriftsteller wie Hesse oder Kafka nennen ihn ihren Lieblingsschriftsteller und auch andere grosse Namen preisen sein Werk. Trotzdem bleibt er zu Lebzeiten dem breiten Publikum unbekannt, obwohl schon zu Lebzeiten eine dreibändige Werkausgabe erscheint, etwas, das vielen Schriftstellern zu Lebzeiten nicht zuteil wird.

Wie immer

Die Lampe ist noch da,
der Tisch ist auch noch da,
und ich bin noch im Zimmer,
und meine Sehnsucht, ah,
seufzt noch wie immer.

Feigheit, bist du noch da?
und, Lüge, auch du?
Ich hör’ ein dunkles Ja:
das Unglück ist noch da,
und ich bin noch im Zimmer
wie immer.
(1909)

1913 zieht Robert Walser in die Schweiz zurück. Trotz vieler Erfolge reicht das Geld kaum zum Leben. Es folgen viele Umzüge, aus der finanziellen Not heraus muss er auch eine Anstellung annehmen. Daneben schreibt er unentwegt weiter und unternimmt zudem ausgedehnte Fussmärsche.

„Der Mensch ist ein feinfühliges Wesen. Er hat nur zwei Beine, aber ein Herz, worin sich ein Heer von Gedanken und Empfindungen wohlgefällt. Man könnte den Menschen mit einem wohlangelegten Lustgarten vergleichen.“

Es fällt auf, dass in Robert Walsers Familie psychische Krankheiten gehäuft auftreten. Schon die Mutter ist an einer gestorben, ebenso stirbt sein Bruder Ernst 1916 in einer Heilanstalt, der Bruder Hermann nimmt sich das Leben. Der Krieg tut das Seine dazu, Robert Walser lebt mehr und mehr isoliert und wird zudem von Angstzuständen und Halluzinationen heimgesucht. Das alles führt schliesslich zu einem psychischen Zusammenbruch und in der Folge 1929 zur Einweisung in eine Heilanstalt in Bern.  

Nach einer zeitweiligen Verbesserung seines Zustandes beginnt Walser wieder mit dem Schreiben, allerdings in viel geringerem Ausmass als früher. Auffällig ist dabei seine Methode: Mit Bleistift und in immer kleiner werdenden Buchstaben füllt er Unmengen von Blättern mit Gedichten und Prosawerken. Am Schluss messen die einzelnen Buchstaben kaum mehr als einen Millimeter.

„Die Erfolglosigkeit ist eine bitterböse, gefährliche Schlange. Sie versucht, unbarmherzig das Echte und Originelle im Künstler abzuwürgen.“

Der Schreibfluss endet 1933 nach seiner gegen seinen Willen erfolgten Verlegung in eine andere Heilanstalt nach Herisau. Ein weiterer Grund für das Versiegen desselben dürfte auch der durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr vorhandene Absatzmarkt sein. Robert Walser verbringt im Folgenden die Zeit mit den üblichen Arbeiten im Heim sowie mit Lesen und ausgedehnten Spaziergängen.

«Spazieren muss ich unbedingt, um mich zu beleben und um die Verbindung mit der lebendigen Welt aufrechtzuerhalten.»

Auch als er eigentlich als gesund gilt, will er die Anstalt nicht verlassen, es scheint, er hat hier ein Zuhause gefunden, wie er es lange nicht gekannt hat.

Der Schnee

Der Schnee fällt nicht hinauf
sondern nimmt seinen Lauf
hinab und bleibt hier liegen,
noch nie ist er gestiegen.

Er ist in jeder Weise
in seinem Wesen leise,
von Lautheit nicht die kleinste Spur.
Glichest doch du ihm nur.

Das Ruhen und das Warten
sind seiner üb’raus zarten
Eigenheit eigen,
er lebt im Sichhinunterneigen.

Nie kehrt er je dorthin zurück,
von wo er niederfiel,
er geht nicht, hat kein Ziel,
das Stillsein ist sein Glück.

Robert Walser stirbt 1956 auf einer Wanderung an einem Herzschlag. Es existieren Fotos vom Verstorbenen, wie er im Schnee liegt, welche in einer fast unheimlich zu nennenden Weise an den toten Dichter Sebastian aus Walsers erstem Roman «Geschwister Tanner» erinnern. Als Schriftsteller ist Robert Walser aber schon etwa 30 Jahre vorher verstummt, so lange liegt sein letztes Werk zurück.

Zu philosophisch

Wie geisterhaft im Sinken
Und Steigen ist mein Leben.
Stets seh‘ ich mich mir winken,
dem Winkendem entschweben.

Ich seh‘ mich als Gelächter,
als tiefe Trauer wieder,
als wilden Redeflechter;
doch alles dies sinkt nieder.

Und ist zu allen Zeiten
wohl niemals recht gewesen.
Ich bin vergessne Weiten
Zu wandern auserlesen.

Ein früher erschienenes Porträt findet sich HIER

Robert-Walser-Pfad
Wer sich Robert Walsers Lebensweg sprichwörtlich erlaufen möchte, kann dies auf dem Robert-Walser-Pfad in Herisau tun. Auf einer Strecke von 7.9 km finden sich immer wieder Tafeln mit Zitaten und Einblicken in sein Werk.

Link zum Robert-Walser-Pfad

Ausgewählte Werke

  • 1904 Fritz Kochers Aufsätze
  • 1907 Geschwister Tanner
  • 1908 Der Gehülfe
  • 1909 Jakob von Gunten
  • 1915 Kleine Dichtungen
  • 1917 Kleine Prosa
  • 1917 Der Spaziergang
  • 1917 Poetenleben

Stefan Heym (10. April 1913)

Am 10. April 1913 kommt in Chemnitz Helmut Flieg als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie zur Welt. Schon früh engagiert er sich gegen den Faschismus, was die Nationalsozialisten auf ihn aufmerksam werden lässt. Er fällt vom Gymnasium und legt sein Abitur schliesslich in Berlin ab. Sein Studium der Journalistik kann er nicht da beenden, 1933 flieht er nach dem Reichstagsbrand in die damalige Tschechoslowakei und nimmt den Namen Stefan Heym an. Ein Stipendium einer jüdischen Studentenverbindung ermöglicht ihm die Übersiedlung nach Chicago, wo er sein Studium fortsetzt und dieses mit einer Arbeit über Heinrich Heine abschliesst.

Nach einer Tätigkeit als Redakteur für eine dem Kommunismus nahe stehende New Yorker Wochenzeitung arbeitet Heym ab 1939 als freier Schriftsteller.  Schon sein erster Roman Hostages (1942)wird ein grosser Erfolg.

Heym nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an und zieht 1943 als Mitglied einer Einheit für Psychologische Kriegsführung in den Krieg, wo er Texte für Flugblätter und Rundfunksendungen schreibt. Es folgen Einsätze bei Zeitungen in Deutschland und 1945 wegen prosowjetischen Äusserungen die Rückversetzung in die Staaten, wo er wieder als freier Schriftsteller arbeitet und Ende 1948 den Roman The Cursaders veröffentlicht.

1952 verlässt Stefan Heym die USA und siedelt über Prag in die DDR über. Er arbeitet als freier Schriftsteller und sieht sich schon bald mit neuen Konflikten konfrontiert, an deren Ende ein Veröffentlichungsverbot steht. Eine unerlaubte Veröffentlichung in der BRD bringt ihm eine Geldstrafe. Eine kurzweilige Entspannung der Lage wird schnell revidiert, Heym kann nur noch in der BRD veröffentlichen und wird aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Stefan Heym spricht sich in den 1980er Jahren deutlich für die Wiedervereinigung aus, gehörte 1989 auch zu den Rednern auf der Alexanderplatz-Demonstration.

Auch nach der Wende hört sein politisches Engagement nicht auf. Immer wieder weist er auf die Benachteiligung der Ostdeutschen bei der Integration hin, übernimmt dafür sogar ein politisches Mandat, das er aus Protest 1995 wieder niederlegt. Am 16. Dezember 2001 stirbt Stefan Heym an einem Herzversagen.

Zurück bleibt die Erinnerung an ein politisch engagiertes Leben und seine Werke, die sein Engagement durchschimmern lassen:

Wenn die unerhörten Klänge

Wenn die unerhörten Klänge
wilder Frühlingsnacht verrauscht,
und die Wolkenwindgesänge
sich mit Morgendunst vertauscht.

Treten wir ins Licht hinein,
das von feuchten Blättern rinnt;
und wir werden anders sein
als wir je gewesen sind.

Neue Liebe unter neuen
Menschen, die mit frohem Grüssen
sich des neuen Daseins freuen –

Neuer Geist, der uns beschwört!
Eine Welt zu unsern Füssen,
eine Welt, die uns gehört!
(1936)[1]

Stefan Heym hinterlässt ein grosses literarisches Werk, das sein bewegtes Leben widerspiegelt. Stets stellte er sich seiner Zeit und setzte sich für seine Überzeugungen ein. Kritiker werfen ihm vor, Fahne im Wind zu sein, doch bei Lichte betrachtet setzt er sich selten dafür ein, was gerade in ist, vielmehr geht er meist den unbequemen Weg der Opposition. Auch wenn sie schwierig ist, liebt Stefan Heym seine Zeit und sagt selber, in keiner anderen leben zu wollen, da keine so viele Veränderungen mit sich bringen könnte, wie es die seine tut. Er sieht in den Schwierigkeiten der Zeit den Antrieb für menschliches Wachstum, vor allem aber ein Paradies für einen Schriftsteller, der aus dem Vollen schöpfen kann.

Werke von Stefan Heym

  • Nazis (1938)
  • Hostages (1942, dt. Der Fall Glasenapp)
  • The Crusaders (1948; dt. Der bittere Lorbeer oder Kreuzfahrt von heute)
  • The Eyes of Reason (1951, dt. Die Augen der Vernunft)
  • Shadows and Light (1963, dt. Schatten und Licht)
  • The Queen against Defoe (1975; dt. Die Schmähschrift oder Königin gegen Defoe)

[1] Zitiert nach Stefan Heym: Ich aber ging über die Grenze. Frühe Gedichte, ausgewählt und herausgegeben von Inge Heym, mit Collagen von Horst Hussel und einem Nachwort von Michael Müller, C. Bertelsmann Verlag, München 2013.

Heinrich Mann (27. März 1871 – 11. März 1950)

Heinrich Mann wird am 27. März 1871 als erstes Kind einer Lübecker Kaufmannsfamilie geboren. Vier Jahre später kommt sein Bruder Thomas zur Welt, später die Schwestern Julia und Carla und schlussendlich der kleinste Bruder Viktor.

Mit 13 beschliesst Heinrich Mann, Schriftsteller zu werden und setzt dies auch gegen die Wünsche seines Vaters durch, welcher ihn lieber in einem Jura-Studium sähe. Heinrich Mann bricht das Gymnasium ab und wird ein Suchender. Nach einer abgebrochenen Buchhandelslehre (begonnen nur als Kompromiss mit dem Vater) arbeitet er kurz in einem Verlag, belegt einige Vorlesungen an der Uni und begibt sich danach auf Reisen. Wie tief die Ablehnung der Schriftstellerwünsche Heinrich Manns durch den Vater gehen, zeigt dessen Testament 1891:

„Soweit sie (die Vormünder) es können, ist den Neigungen meines ältesten Sohnes zu einer literarischen Thätigkeit entgegenzutreten. Zu gründlicher, erfolgreicher Thätigkeit in dieser Richtung fehlen im m. E. die Vorbedingnisse: genügendes Studium und umfassende Kentnisse. Der Hintergrund seiner Neigungen ist träumerisches Sichgehenlassen und Rücksichtslosigkeit gegen andere, vielleicht aus Mangel am Nachdenken.“

Heinrich Mann hält an seinem Wunsch fest, er schreibt Erzählungen, poetische Texte, Rezensionen und später auch politische Essays. Nach Heinrich Manns eigenen Aussagen soll sein Vater kurz vor seinem Tod doch noch den Segen für diesen Weg gegeben haben.

1904 schreibt er seinen ersten Roman, „Professor Unrat“ erscheint ein Jahr später, stösst aber in Lübeck auf Schweigen oder Kritik. Erst die Übersetzungen und die spätere Verfilmungen bringen den Erfolg.

1902 beginnt Heinrich Mann mit der Arbeit an seinem Roman „Der Untertan“, welcher aber erst 1915 erscheinen wird, allerdings nur auf russisch (es gab eine deutsche Privatausgabe, weil die Zensur die Veröffentlichung in Deutschland verunmöglichte). Erst nach dem Krieg war 1918 auch eine Veröffentlichung in Deutschland möglich.

Die Beziehung zwischen den beiden Brüdern Thomas und Heinrich ist immer von Auf und Abs begleitet. Schon in Lübeck kommt es zu einem Zwist, als der Langsamschreiber Thomas (er schreibt pro Tag etwa eine Seite bis anderthalb) den Vielschreiber anfährt:

„Ich halte es für unmoralisch, aus Furcht vor den Leiden des Müssigganges ein schlechtes Buch nach dem anderen zu schreiben.“

Die Aussage mag sehr überheblich klingen, doch Heinrich Mann steht in der Folge wirklich im Schatten seines erfolgreichen Bruders. Trotzdem ist die Bruderverbindung auch eine enge, so reisen die beiden Brüder vor Ausbruch des ersten Weltkrieges auch zusammen nach Palestrina, in der Nähe von Rom, wo Thomas Mann an seinen Buddenbrooks schreibt.

1914 bricht der Kontakt völlig ab wegen unvereinbarer politischer Haltungen. Heinrich Mann lehnt den Krieg ab. Er warnt sogar in seinem Roman „Der Untertan“ vor dem wilhelminischen Obrigkeitsstaat mit seinem Militarismus und prangert die Haltung des „Deutschland über alles in der Welt“ aufs schärfste an:

„Auf dem Pferd dort, unter dem Tor der siegreichen Einmärsche und mit Zügen, steinern und blitzend, ritt die Macht, die über uns hingeht und deren Hufe wir küssen! Gegen die wir nichts können, weil wir alle sie lieben! Die wir im Blut haben, weil wir die Unterwerfung darin haben! (…) Jeder einzelne ein Nichts, steigen wir in gegliederten Massen, als Neuteutonen, als Militär, Beamtentum, Kirche und Wissenschaft, als Wirtschaftsorganisationen und Machtverbände kegelförmig hinan, bis dort oben, wo sie selbst steht, steinern und blitzend!“

Thomas Mann hingegen ist von der allgemeinen Kriegsbegeisterung erfasst und ruft freudig aus:

„…wie die Herzen der Dichter in Flammen standen, als jetzt Krieg wurde“

Eine wirkliche Versöhnung kommt erst 1922 zustande.

Die nächsten Jahre sind nicht einfach. 1923 stirbt die Mutter, 1927 nimmt sich seine Schwester Julia das Leben (schon der Suizid von Clara 1910 hat ihn tief erschüttert), 1930 kommt es zur Scheidung von seiner Frau, zu der Zeit kennt er Nelly Kröger, seine spätere Frau, bereits.

Nach seinem politischen Einsatz (gemeinsam mit Käthe Kollwitz und Albert Einstein) für einen Zusammenschluss der Kommunisten und der Sozialdemokraten gegen die Nationalsozialisten (das kostet ihn die deutsche Staatsbürgerschaft) verlässt Heinrich Mann 1933 Deutschland und geht nach Nizza.

1935 bis 1938 schreibt er an seinem Zweiteiler „Die Jugend des Königs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Königs Henri Quatre“. Er wird zum Gegenbild aller entarteten Führerfiguren auf dieser Welt stilisiert. Sogar Thomas Mann lobt das Buch in höchsten Tönen:

„…das Gefühl, es mit dem Besten, Stolzesten, Geistigsten zu thun zu haben, das die Epoche zu bieten hat. Das Buch ist gross durch Liebe, durch Kunst, Kühnheit, Freiheit, Weisheit, Güte, überreich an Klugheit, Witz, Einbildungskraft und Gefühl…“

Nach seiner Hochzeit mit Nelly Kröger 1939 fliehen die beiden mit Golo Mann und den Werfels 1940 in teilweise beschwerlichen Fussmärschen durch die Pyrenäen in die USA, wo er sich aber nie heimisch fühlt und der Erfolg ausbleibt, obwohl er ein Werk nach dem anderen schreibt. Es sind düstere Jahre und die Alkoholprobleme seiner Frau tragen sicher viel dazu bei. Unterstützung erhält er von seinem Bruder Thomas, dessen Werke übersetzt werden und der auch sonst grosse Erfolge feiern kann. Nelly Mann nimmt sich 1944 das Leben und Heinrich Mann stürzt in ein grosses Loch.

Erst im Jahr 1949 scheint es aufwärts zu gehen. Heinrich Mann wird zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin gewählt, er stirbt aber noch vor seiner Übersiedlung am 11. März 1950 in Santa Monica, Kalifornien.

Werke

  • 1891 Haltlos
  • 1894 In einer Familie
  • 1897 Das Wunderbare und andere Novellen
  • 1900 Im Schlaraffenland
  • 1905 Flöten und Dolche (Novellen)
  • 1905 Professor Unrat (Roman)
  • 1907 Zwischen den Rassen
  • 1912 Die grosse Liebe
  • 1917 Die Armen
  • 1918 Der Untertan
  • 1912 Diktatur der Vernunft
  • 1932 Ein ernstes Leben
  • 1949 Der Atmen

Peter Bichsel (24. März 1935)

Peter Bichsel wird am 24. März 1935 in Luzern geboren, später zieht die Familie nach Olten, wo Peter Bichsel ans Lehrerseminar geht und schliesslich bis 1968 als Lehrer tätig ist. Schon während dieser Zeit veröffentlicht er kleine literarische Werke, hauptsächlich Lyrik, aber auch Prosa. Die kleine Form bleibt seine erste Wahl, neben Kurz- und Kürzestgeschichten schreibt er viele Kolumnen. Peter Bichsel ist ein Mann der Widersprüche. Einerseits intellektueller Linker, andererseits sehr volksnah und patriotischen Anlässen wie Schwingfesten nicht abgeneigt. Er schreibt einerseits politische Reden und Aufsätze, andererseits Artikel für die Unterhaltungspresse.

In seinen Werken erzählt er kleine Alltagsgeschichten, teilweise nur Episoden in einer einfachen Sprache. Wenn man genau hinschaut, verstecken sich dahinter tiefe und hintergründige Gedanken.  

«Ich mag Bahnfahrten und ich mag sie vor allem, wenn sie zwecklos, also ziellos, sind und ins Nichts oder ins Irgendwo führen – die dauernde Flucht, aber abgesichert durch Geleise, die zurückführen nach dem Zuhause.»

Peter Bichsel geht es nicht so sehr ums Schreiben, sondern ums Erzählen. Bei diesem Erzählen ist er sich oft selber nicht sicher, ob das, was er erzählt, schon eine Geschichte ist, ob der Stoff es wert ist, erzählt zu werden. Authentisch, wie er ist, thematisiert er diesen Zweifel auch gleich selber, so zum Beispiel in seinem Band «Zur Stadt Paris»:

«In Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hiess Zur Stadt Paris. Ob das eine Geschichte ist?»

Und später in dem Büchlein:

«Jemand hat diese Geschichte kürzlich erzählt, und wenn jemand diese Geschichte erzählt, dann meint er etwas damit, aber ich weiss nicht, was. Die Geschichte wird erzählt, wenn es um Kunst geht, eine Geschichte also, die abends erzählt wird, und eine Geschichte also, die so tut, als wäre sie selbstverständlich, eine Geschichte, die vom Zuhörer nichts anderes verlangt als ein Nicken…»

Wenn man an Peter Bichsel denkt, sieht man oft einen Mann vor sich, der in der Dorfbeiz am Stammtisch sitzt mit einem Glas Wein vor sich. Er wirkt dabei fast wie eine seiner Figuren aus seinen Geschichten, und vielleicht ist an diesem Bild genau so viel Wahres wie an den Geschichten. Viele von diesen Geschichten nehmen ihren Ursprung auch genau da – am Stammtisch. Wo wird mehr erzählt, wo sitzen Menschen zusammen und erinnern sich, freuen und ärgern sich? Und mittendrin sitzt Peter Bichsel und hört zu. Und schreibt später darüber.

Dass Peter Bichsel es liebt, zuzuhören und zu beobachten, zeigt sich deutlich in dieser Aussage, die Peter Bichsel im Filmporträt «Zimmer 202 – Peter Bichsel in Paris» machte:

«Ich bin jetzt erst mal hier. Ich muss eigentlich gar nichts unternehmen. Ich kann mich auch auf eine Bank setzen und eine Zigarette rauchen und zuschauen.»

Das tut er denn auch. Er bleibt seinem Alltags – Ich auch in Paris treu, sitzt bei einem Glas Wein im Café (nah bei seinem Hotel) oder schaut aus dem Fenster und lässt die Welt vor seinen Augen ihren Gang gehen, lässt die Geschichten zu sich kommen, die er dann irgendwann erzählen wird.

«Ich merke, wie ich immer erst eine Geschichte erzähle, bevor ich Ihre Frage beantworte…»

Das sagte Peter Bichsel in einem Gespräch mit Sieglinde Geisel. Und wir sitzen da, hören und lesen seine Geschichten, suchen und finden den Menschen darin und dahinter, und schreiben über ihn. Fast wird er so zu seiner eigenen Geschichte.

Werke

  • 1964 Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen (21 Kurzgeschichten)
  • 1969 Kindergeschichten (7 Kurzgeschichten)
  • 1969 Des Schweizers Schweiz (Aufsätze)
  • 1982 Der Leser. Das Erzählen. Frankfurter Poetik-Vorlesungen
  • 1985 Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und der schönen Magelone
  • 1986 Irgendwo anderswo. Kolumnen 1980 – 1985
  • 1995 Ein Tisch ist ein Tisch
  • 1999 Cherubin Hammer und Cherubin Hammer (Erzählung)
  • 2004 Wo wir wohnen. Geschichten

Else Lasker-Schüler (11.2.1869)

Else Lasker-Schüler wurde am 11. Februar 1869 in Elbertfeld geboren. Schon früh konnte sie lesen und schreiben, es scheint ihr wurde das Talent in die Wiege gelegt. 1899 veröffentlichte sie erste Gedicht mit Styx folgte 1901 ihr erster Gedichtband. 
Wie viele andere Juden war auch Else Lasker-Schüler eine Vertriebene des Nationalsozialismus. Um ihr Leben fürchtend, ging ihr Weg zuerst nach Zürich, später nach dem von ihr sehr geliebten Jerusalem. Geblieben ist sie dort allerdings nicht aus freien Stücken, ihr wurde die Rückreise verwehrt. Aus dem einst geliebten Land wurde ein schwieriger Ort: Deutsch war eine verpönte Sprache, so dass sie neben der Heimat Deutschland und all ihren Freunden da auch noch die Heimat der Sprache verlor. 

Else Lasker-Schüler starb am 16. Januar 1945 und wurde auf dem Ölberg in Jerusalem begraben. Sie hinterlässt ein umfangreiches lyrisches Werk, Erzählungen und Dramen.  Da sie in ihrer Freizeit gerne zeichnete, hat sie ihre Gedichtbände zum Teil sogar selber illustriert. Ihre künstlerische Ader zeigt sich auch in ihrem Breifwechsel mit Franz Marc, bestanden doch die Briefe mehrheitlich aus einer Kombination von Bild und Text – Zeichnungen, die in Marcs Schaffen einflossen.

Ein paar meiner Lieblingsgedichte von Else Lasker-Schüler:

Ein alter Tibetteppich
Deine Seele, die die meine liebet
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet

Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.

Unsere Füsse ruhen auf der Kostbarkeit
Maschentausendabertausendweit.

Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzentron
Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon.

Mein blaues Klavier
Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.

Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.

Es spielten Sternenhände vier –
Die Mondfrau sang im Boote.
– Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

Zerbrochen ist die Klaviatur.
Ich beweine die blaue Tote.

Ach liebe Engel öffnet mir
– Ich aß vom bitteren Brote –

Mir lebend schon die Himmelstür,
Auch wider dem Verbote.

Die Liebe
Es rauscht durch unseren Schlaf
Ein feines Wehen, Seide,
Wie pochendes Erblühen
Über uns beide.

Und ich werde heimwärts
Von deinem Atem getragen,
Durch verzauberte Märchen,
Durch verschüttete Sagen.

Und mein Dornenlächeln spielt
Mit deinen urtiefen Zügen,
Und es kommen die Erden
Sich an uns zu schmiegen.

Es rauscht durch unseren Schlaf
Ein feines Wehen, Seide
Der weltalte Traum
Segnet uns beide.

Hier eine kleine Deutung.

Susan Sontag (1933 – 2004)

Susan Sontag wird am 16. Januar 1933 als Susan Rosenblatt in New York City geboren. Die ersten Jahre verbringt sie bei den Grosseltern, weil ihre Eltern durch den Beruf des Vaters in China sind. Als Susan 5 Jahre alt ist, stirbt ihr Vater an Tuberkulose, Susan kriegt bald einen Stiefvater und mit diesem auch den Namen Sontag.

Beruflich weiss Susan Sontag schon früh, wo ihr Leben hinführen soll, auch wenn sie durchaus an sich und der Machbarkeit zweifelt:

Ich möchte schreiben – ich möchte in einer intellektuellen Atmosphäre leben – ich möchte in einem kulturellen Zentrum leben[1]

Der Wunsch nach Intellektualität, nach Kultur, nach Schreiben begleitet sie ein Leben lang. Vor allem in ihren jungen Jahren ist bei Susan Sontag eines zentral: Sich selber zu erschaffen, wie sie sich gerne hätte. Gerade die frühen Tagebücher zeugen von einer unerbittlichen Suche nach dem eigenen Selbst, nach dem Bild, das sie von sich haben will und ausfüllen kann. Immer wieder hinterfragt sie sich, analysiert sich, klagt sich auch an, um sich dann wieder aufzuraffen, Mut zu fassen, weiter zu gehen.

Es gibt nichts, nichts, was mich daran hindern würde, irgendetwas zu tun – ausser mir selbst … Nur die Zwänge meiner Umgebung, denen ich mich selbst unterwerfe und die mir immer allmächtig erschienen, so dass ich es nicht wagte, auch nur in Betracht zu ziehen, ihnen zuwiderzuhandeln…. Aber was hindert mich eigentlich daran?[2]

Wenig später ist sie überzeugt:

Jetzt fängt alles an – ich bin wiedergeboren[3]

Ab 1949 studiert Susan Sontag in Chicaco Literatur, Theologie und Philosophie. Mit 17 heiratet sie den Soziologen Philip Rieff, aus der Beziehung stammt Sohn David. Die Ehe geht nicht lange gut, was sicher auch an Susan Sontags Schwanken zwischen den Geschlechtern liegt. Bereits 1947 hat sie in ihr Tagebuch geschrieben:

Ich wollte mich unbedingt körperlich zu ihm hingezogen fühlen und wenigstens beweisen, dass ich bisexuell bin [am Rand: Wenigstens bisexuell – was für eine idiotische Idee][4]

Immer wieder kämpft Susan Sontag mit Krebs, schon in den 70er-Jahren muss sie sich einer aggressiven Chemotherapie unterziehen – sogar die Ärzte sehen kaum Hoffnung auf Erfolg. Sie kämpft aber auch gegen die Stigmatisierung dieser Krankheit, kämpft dagegen, nur als Kranke gesehen zu werden und nicht mehr als ganzer Mensch mit allen Facetten.

Ich für meinen Teil betrachte mich als Produkt meiner Geschichte. Mehr ist meine Wesensart nicht. – Und da ich erkenne, wie willkürlich meine Geschichte zum Teil ist, erscheint mir deren Produkt, meine Wesensart, logischerweise veränderbar, überwindbar.[5]

Susan Sontag ist zeitlebens eine Lernende, sie verschlingt Bücher, Filme, liebt Kunst und Musik. Ganze Listen legt sie an mit Titeln, die sie verschlungen hat oder noch lesen, sehen oder hören will. Sie ist in ihrem Schreiben und Urteilen aber kaum je dem Mainstream verpflichtet, sieht sich im Gegenteil als Revolutionärin im Ganzen:

Ich bin eine angriffslustige Schriftstellerin, eine polemische Schriftstellerin. Ich schreibe, um zu unterstützen, was attackiert wird, und um zu attackieren, was gefeiert wird.[6]

Allerdings resultiert diese Haltung nicht aus einer Art Trotz, vielmehr folgt sie unbeirrt ihrer Wahrnehmung und Einschätzung.

Ein grosses Thema von Susan Sontag sind immer wieder die Liebe und Beziehungen. Vieles geht in die Brüche, Susan Sontag leidet, hinterfragt sich und die verflossenen Lieben. In ihren Tagebüchern findet man viel von diesem Hadern und Leiden. In den späten 80er-Jahren scheint es ruhiger zu werden. Von 1988 bis zu ihrem Tod lebt Susan Sontag mit der Fotografin Annie Leibovitz zusammen.

Susan Sontag stirbt am 28. Dezember 2004 in New York City.

Ihr Werk
Susan Sontag ist vor allem für ihre Essays über Literatur, Kunst, Film und Fotografie bekannt, aber auch ihr Roman In Amerca stiess auf begeisterte Kritik und brachte ihr den National Book Award ein.  

Werke (u.a.)
Prosa

  • Der Wohltäter (1963)
  • Todesstation  (1967)
  • Ich, etc. (1978)
  • In Amercia (2000

Essays und andere Schriften

  • Kunst und Antikunst
  • Über Fotografie
  • Das Leiden anderer betrachten
  • Wiedergeboren. Tagebücher 1947 – 1963
  • Ich schreibe, um herauszufinden, wer ich bin. Tagebücher 1964 – 1980
  • The Doors und Dostojewski: Das Rolling-Stone-Ingterview

Weiterführende Literatur:

  • Benjamin Moser: Sontag. Die Biografie – Anhand von verschiedenen Themen nähert sich Benjamin Moser Susan Sontag und schafft so ein umfassendes, tiefgründiges und aufschlussreiches Porträt einer grossartigen Frau.
  • Daniel Schreiber: Susan Sontag. Geist und Glamour – ein gut recherchiertes, kritisches, distanziertes und doch auch bewunderndes Porträt einer spannenden Frau

[1] Susan Sontag, Wiedergeboren, Tagebücher 1947 – 1963, S. 27
[2] ebd., S. 46
[3] ebd., S: 52
[4] ebd., S. 28
[5] Susan Sontag: Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke. Tagebücher 1964 – 1980, S. 292
[6] ebd., S. 421

Ilse Aichinger (1. November 1921 –  11. November 2016)

Geboren am 1. November 1921 erlebte Ilse Aichinger eine glückliche Kindheit. Sie selber bezeichnete diese immer als ihre glücklichste Zeit. Umso mehr traf sie der Verlust derselben, als ihr Jüdischsein zum Stigma wurde im Nazideutschland. 

„Ich habe unter keinem Verlust so gelitten wie unter dem Verlust der Kindheit. Er ist das Gemeinste an der Entwicklung der Menschen. Dagegen ist Altern gar nichts. Man verliert nicht mehr so viel.“

Es gab noch eine weitere glückliche Zeit in ihrem Leben: die Ehe mit Günter Eich, welchen sie 1951 bei einer Tagung der Gruppe 47 kennengelernt hatte. Leider war den beiden kein langes Glück beschert, da Günter Eich 1972 im Alter von nur 65 Jahren starb. Durch ihn sei sie kritischer und engagierter geworden, sagte Aichinger. Es war unter anderem auch ein Engagement der Sprache, ein Anschreiben gegen den Sprachverlust, gegen den Sprachmissbrauch. Das klingt in einer Rede (Rede an die Jugend) nochmals an, welche sie 1988 im Zuge einer Preisverleihung hielt: 

„Und nicht nur die Tage, auch die Worte müssen neu erkämpft werden, gerade in einer Zeit, die geneigt ist, sie über die Welt zu streuen und unbrauchbar zu machen, die sie in den Ohren dröhnen und nicht zu sich kommen lässt.“

Wie aktuell dies auch heute noch ist. Aus derselben Rede stammt auch die folgende, Mut machende und hoffnungsvolle Passage:

„Immer wieder wird es notwendig sein, die Träume aus dem Schlaf zu holen, sie der Ernüchterung auszusetzen und sich ihnen doch anzuvertrauen. Immer wird es ein Grat sein, der zu begehen ist. Die empfindlichen Instrumente des Gleichgewichts und der Unterscheidung müssen eingesetzt, Sein und Denken müssen aufeinander abgestimmt werden, massgeblich für alles, was kommt.“

Ilse Aichinger schrieb einen Roman, Essays und Erzählungen, doch ihre grosse Liebe galt immer der Lyrik. Mit ihren Texten wurde sie zur Gruppe 47 eingeladen, gewann 1952 deren Preis. Es sollten noch viele weitere Preise folgen, verdient, da ihre Texte von einer eigentümlichen Schönheit und Tiefe sind. Leider wird Ilse Aichinger als Schriftstellerin mit ihren Texten viel zu wenig beachtet. Der grosse Erfolg beim grossen Publikum blieb aus, vielleicht, weil der Umgang mit ihren Texten nicht nur einfach ist, weil man sich wirklich auf diese einlassen muss, um sie zu verstehen und in ihrer Wohldurchdachtheit bis ins letzte Wort erkennen will. 

Ab 1985 veröffentlicht Ilse Aichinger immer weniger, teilweise beschränken sich ihre Texte auf einzelne prägnante Sätze. Gefragt, was sie als ihre grösste Begabung ansähe, antwortete Ilse Aichinger anlässlich ihres 75. Geburtstags:

«Aber die grösste Begabung ist doch die, auf der Welt sein zu können. Es auszuhalten, mit einem gewissen Frohsinn.»

1998 kommt es zu einem grossen Schicksalsschlag für Ilse Aichinger, als ihr Sohn Clemens bei einem Autounfall ums Leben kommt. Zwei Jahre später beendet sie ihre Schreibpause und beginnt, für die österreichische Tageszeitung «Der Standard» Texte zu schreiben, welche mehrheitlich autobiographischer Natur waren.

Ilse Aichinger stirbt am 11. November 2016 in Wien.

Friedrich Nietzsche (15.10.1844 – 25.8.1900)

Friedrich Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 in Röcken (einem Dorf im heutigen Sachsen-Anhalt) als Sohn eines Pfarrers geboren. Er war ein guter Schüler, dichtete und komponierte neben dem Schulunterricht, und studierte später klassische Philologie und evangelische Theologie in Bonn. Er wechselte nach Leipzig, weil ihn die Zustände in Bonn nicht überzeugten. In der Zeit wurde er auch auf den Philosophen Schopenhauer aufmerksam, der ihn sehr prägen sollte. Es folgte 1869 eine ausserordentliche Professur in Basel, die er aber aus gesundheitlichen Gründen 1975 wieder aufgeben musste.

Es folgen verschiedene Publikationen, ab 1979 reiste Nietzsche als freier Philosoph viel, auf der Suche nach für seine Gesundheit geeigneten klimatischen Bedingungen. Er war ein freier Geist, einer, der sein Denken ungern in Regelwerke passte, weswegen seine Einordung schwer fällt. War er Philosoph? Wissenschaftler? Künstler? Wohl eine Mischung aus allem. Oft formte er seine zentralen Gedanken in seinen Werke in Gedichte (überhaupt existieren von ihm rund 700 Gedichte, etwas, was wenig bekannt ist). Seine Werke erinnern oft an literarische Prosa. Es ging ihm darum, dem Ganzen die Schwere zu nehmen, eine Leichtigkeit hineinzubringen, welche nicht von Worten erschlagen wird.

Eine prägende Begegnung im Bereich war für Nietzsche Richard Wagner, den er sehr verehrte. Musik war die grosse Liebe des Friedrich Nietzsche, die Musik schenkte ihm die Augenblicke der Empfindung. Sie sollte andauern, erst durch sie fühlte er sich am Leben, im Leben zu Hause. Von ihm stammt auch der folgende Ausspruch:

«Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.»

In der Musik sah er eine Verwandtschaft mit dem Werden und Vergehen des Lebens, wellengleich. Dies wollte er auch mit seiner Philosophie in Worten einfangen, versuchte durch sie ebenso Lebensgrundlage zu schaffen, wie er diese in der Musik fand – es wollte nicht gelingen. 

Nietzsche entschied sich für einen eigenen Weg, was oft auch ein einsamer Weg ist. Die sozialen Beziehungen schwanden mehr und mehr, zerstörerische Phantasien nahmen zu, der Wahnsinn ergriff ihn immer stärker. Die psychischen Probleme hinderten ihn zunehmend am Arbeiten. Die letzten zehn Jahre verbrachte er als Pflegefall. Friedrich Nietzsche wurde nur gerade 55 Jahre alt, er starb am 25. August 1900, sein Werk aber ist unsterblich.

Lebensregeln

Das Leben gern zu leben,
musst du darüber steh’n!
Drum lerne dich erheben!
Drum lerne – abwärts seh’n!

***

Den edelsten der Triebe
veredle mit Bedachtung:
zu jedem Kilo Liebe
nimm ein Gran Verachtung

Erich Maria Remarque (22. Juni 1898 – 25. September 1925)

Erich Maria Remarque (eigentlich Erich Paul Remark, den Mittelnamen «Maria» legte er sich aus Verehrung für Rainer Maria Rilke zu) wird am 22. Juni 1898 in Osnabrück geboren. Ebenda besucht er das Lehrerseminar. Der Krieg kommt ihm dazwischen, 1916 wird er in die Armee eingezogen, wo er nach sechs Monaten Ausbildung an die Front berufen wird. Wegen einer Verletzung verbringt er die Zeit ab dem Juli 1917 bis 1918 im Lazarett. Die Armeezeit wird ihn das ganze Leben prägen, sie wird auch seine pazifistische Sicht begründen.

Nach dem Krieg arbeitet Remarque in den verschiedensten Berufen, er versucht sich als Händler, Agent für Grabsteine oder Organist, um nur einige zu nennen. 1919 legt er schliesslich die Lehramtsprüfung ab und arbeitet dann als Volksschullehrer. Daneben veröffentlicht er Gedichte und Kurzprosa, 1920 folgt der erste Roman «Traumbude». Im selben Jahr endet auch seine Lehrerkarriere mit einer Beurlaubung.

Die Jahre drauf reist er als Journalist durch Europa, wird Sportredaktor und veröffentlicht schliesslich 1929 den Roman «Im Westen nichts Neues», mit welchem er berühmt wird, wenn er auch in Deutschland einige Kontroversen auslöst. Der Roman behandelt die vom Krieg zerstörte Generation und räumt mit der Verklärung des Heldentods der Soldaten auf. Davon will man im Deutschland der Zeit nichts hören. Die amerikanische Verfilmung bringt Remarque noch mehr Ansehen, vor allem auch im Ausland, eine erneute Provokation für viele in Deutschland.

Die politische Lage in Deutschland spitzt sich zu, Remarque beschliesst  1932 in die Schweiz, nach Porto Ronco (in der Nähe von Ascona), ins Exil zu gehen. Spätestens bei der Bücherverbrennung 1933 ist klar, dass dies der richtige Schritt war, denn auch seine sind darunter. In der Schweiz stellt er seinen Roman «Drei Kameraden» fertig, welcher sich mit drei Kriegsrückkehrern und den 20er Jahren in Berlin beschäftigt.

1938 wird ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, 1939 folgt die Emigration nach Amerika, weil auch die Schweiz nicht mehr sicher scheint. Remarque hat Glück, wird er doch auch in den Staaten als Schriftsteller anerkannt, ein Glück, das vielen seiner Schriftstellerkollegen abgeht.

Nach dem Krieg lebt Remarque abwechselnd in New York und Porto Ronco (CH). 1946 gelingt ihm mit dem Roman «Arch of Triumph» ein weiterer Erfolg, an welchen er mit den darauffolgenden Romanen nicht mehr anschliessen kann. 1947 erwirbt Erich Maria Remarque die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1969 wird Remarque das Grosse Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Erich Maria Remarque stirbt am 25. September 1970 in Locarno.

Ausgewählte Romane:

  • 1920 Die Traumbude. Ein Künstlerroman
  • 1929 Im Westen nichts Neues
  • 1931 Der Weg zurück
  • 1938 Drei Kameraden
  • 1941 Liebe deinen Nächsten
  • 1946 Arc de Triomphe
  • 1952 Der Funke Leben
  • 1954 Zeit zu leben und Zeit zu sterben
  • 1956 Der schwarze Obelisk
  • 1961 Der Himmel kennt keine Günstlinge
  • 1962 Die Nacht von Lissabon
  • 1971 Schatten im Paradies (posthum)

Theodor Fontane (30.12.1819 – 20.9.1898)

„Es ist immer dasselbe Lied: wer durchaus Schriftsteller werden muss, der wer’ es; er wird schliesslich in dem Gefühl, an der ihm einzig passenden Stelle zu stehen, auch seinen Trost, ja, sein Glück finden. Aber wer nicht ganz dafür geboren ist, der bleibe davon.“

Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren, wo er später auch das Gymnasium besucht. Nach einem abgebrochenen Besuch der Gewerbeschule beginnt er 1836 eine Ausbildung zum Apotheker, um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und arbeitet nach deren Abschluss als Apothekergehilfe. Daneben erscheinen bereits erste literarische Werke. 1849 hängt er den Apothekerberuf an den Nagel, um als freier Schriftsteller zu arbeiten.

«Ohne Vermögen, ohne Familienanhang, ohne Schulung und Wissen, ohne robuste Gesundheit bin ich ins Leben getreten, mit nichts ausgerüstet als einem poetischen Talent und einer schlechtsitzenden Hose.“ (Brief an Georg Friedländer, 3. Oktober 1893)

Um finanziell über die Runden zu kommen, wird er Journalist und reist in dieser Funktion nach London, von wo er unter anderem über Kunstausstellungen berichtet – es zeigt sich darin der Kunstkenner Fontane. Daneben verfasst er Theaterkritiken und Reisebücher – alles befriedigt ihn nicht, so dass er wieder freier Schriftsteller wird. Diesem Entschluss verdanken wir heute viele grossartige Bücher.

Theodor Fontane stirbt am 20. September 1898 in Berlin.

Die Romane
Theodor Fontanes Romane werden dem poetischen Realismus zugeordnet. Er beschreibt in seinen Büchern das Leben von ganz normalen Menschen, zeigt ihre Befindlichkeiten und Schwierigkeiten. Es sind stille Bücher, die trotzdem eine grosse Tragkraft haben und in denen immer wieder Fontanes ironischer Humor durchkommt. Seine Bücher beginnen meistens gleich: Man fährt – wie bei der Kameraführung im Film – die Strasse entlang zum Haus, in den Garten, die Treppe hoch in die Wohnung und wird dann mit den Hauptfiguren des Romans bekannt. Man lernt ihre Stube kennen, die Bilder an der Wand, erfährt von einem auktorialen Erzähler einiges über ihre Geschichte und ihr aktuelles Leben.

Theodor Fontane ist aber nicht nur ein Meister der Beschreibungen, er ist auch ein Meister der Lücken. Ganz viel steht bei ihm zwischen den Zeilen, man kann es erahnen, sieht sich aber erst später in dieser Ahnung bestätigt. Teilweise sind es gerade die wichtigsten Dinge, die sich in Lücken befinden – man denke nur an Effi Briests Seitensprung.

Die meisten grossen Romane Fontanes sind erst nach seinem 60. Geburtstag entstanden. Was Thomas Mann in seinem Essay Der alte Fontane in Bezug auf dessen Briefe schrieb, könnte auch bei den Romanen gelten:

«Scheint es nicht, dass er alt, sehr alt werden musste, um ganz er selbst zu werden?»

Bekannte Werke Fontanes sind unter anderem Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862), Vor dem Sturm (1878), Grete Minde (1880), L’Adultera (1882), Irrungen, Wirrungen (1888), Unwiederbringlich (1892), Effi Briest (1896), Die Poggenpuhls (1896), Der Stechlin (1899).

Auch unbedingt lesenswert sind die Briefe Fontanes, allen voran seine Ehebriefe.

Wer könnte zu diesem Anlass ein besseres Gedicht schreiben als der grosse Meister selber?

Nicht Glückes bar sind Deine Lenze,
Du forderst nur des Glücks zu viel.
Gib Deinem Wunsche Maß und Grenze,
und Dir entgegen kommt das Ziel.

Wie dumpfes Unkraut lass vermodern,
was in Dir noch des Glaubens ist.
Du hättest doppelt einzufordern
des Lebens Glück, weil Du es bist.

Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen,
es ist nicht dort, es ist nicht hier.
Lern überwinden, lern entsagen,
und ungeahnt erblüht es Dir.