Inhalt
«Im Grunde meines Herzens wusste ich, dass es uns nie gelingen würde, eine erfolgreiche feministische Bewegung auf die Beine zu stellen, wenn wir nicht jede und jeden, weiblich wie männlich, Frauen wie Männer, Mädchen wie Jungen, zu ermutigen können, sich dem Feminismus zu nähern.»
Feminismus ist nicht neu – trotzdem wissen wenige, was der Begriff und die dahinterstehende Bewegung wirklich bedeuten. Klischeevorstellungen herrschen in den Köpfen vor und sorgen für Ablehnung. bell hooks möchte damit aufräumen und erklärt in diesem Buch auf leicht verständliche Weise, was Feminismus will und wieso es ihn braucht.
Sie ruft dazu auf, alle ins Boot zu holen, da nachhaltige Veränderungen für alle nur gemeinsam erreicht werden können. Stimmen, die behaupten, Feminismus sei nicht mehr nötig, da alles erreicht wäre, zeigt sie auf, dass es noch immer Gewalt und Ausbeutung an und von Frauen, Sexismus und ungerechte Arbeitsbedingungen gibt. Dem können wir nur mit vereinten Kräften entgegentreten.
Weitere Betrachtungen
«Alles, was wir in unserem Leben tun, hat eine theoretische Grundlage. Ob wir nun bewusst ergründen, warum wir eine bestimmte perspektive haben oder eine bestimmte Handlung ausüben, es gibt immer auch ein zugrundeliegendes System, das unsere Gedanken und Handlungen prägt. »
Es ist wichtig, dass sexistisches Verhalten nicht per se das Verhalten eines einzelnen Menschen, sondern dass er eingebettet in ein System ist. Genauso ist es auch mit anderen Verhaltensweisen und Denkarten. Diesen auf den Grund zu gehen, sie zu analysieren, um sie durchbrechen zu können, ist der erste Schritt zur Besserung.
«Klasse ist viel mehr als Marx’ Definition vom Verhältnis zu den Produktionsmitteln. Klasse umfasst dein Vergalten, deine grundlegenden Einstellungen, welches Verhalten dir beigebracht wird, was du von dir selbst und von anderen erwartest… In der Tat fällt es heute wie früher weitaus mehr Feministinnen leichter, ihre von weisser Vorherrschaft geprägten Ansichten abzulegen als ihren Klassenelitismus.»
In der heutigen Zeit sind die Stimmen, die Rassismus vor den Feminismus stellen, laut. Was aber auch den Vertreterinnen davon meist abgeht, ist der Blick auf die durch Armut benachteiligten Frauen in der Gesellschaft. Gerade die finanziellen Verhältnisse, die soziale Schicht, in der jemand aufwächst, hat einen sehr prägenden Einfluss auf das weitere Leben eines Menschen. Dieses sollte immer im Blick bleiben bei allem, was wir anstreben. Rawls meinte in seiner «Theorie der Gerechtigkeit», dass ein System dann gerechter wird, wenn eine Veränderung auch den am schwächsten Gestellten besser hinstelle.
«Die einzige Hoffnung auf feministische Befreiung liegt in der Vision eines sozialen Wandels, die dem Klassenelitismus den Kampf ansagt.»
Schon Simone de Beauvoir war anfangs der Ansicht, dass die Umsetzung des Sozialismus das Frauenproblem von selber lösen würde. Sie rückte später davon ab. Die Unterdrückung der Frauen fusst auf mehr Kriterien als nur dem Klassenproblem. Trotzdem ist Armut eines der zentralen Frauenprobleme. Das «Handbuch Armut Schweiz», von der Caritas herausgegeben, listet Zahlen auf, nach denen vor allem Frauen (alleinerziehende Mütter, Migrantinnen, alte Frauen) von Armut gefährdet sind. Dieses Problem gilt es anzugehen, nicht statt anderer feministischer Fragen, aber als eine und zwar eine wichtige.
Persönlicher Bezug
«Wir begannen, eine Vision von Schwesterlichkeit zu verbreiten, in der alle unsere Realitäten artikuliert werden konnten.»
Betrachte ich die Geschichte des Feminismus, zeigen sich drei Wellen. Nach jeder fing man von vorne an. Erreichtes der letzten Kämpferinnen ging verloren, vergessen oder wurde mit Füssen getreten. Heute zeigt sich uns ein Bild, in welchem junge Feministinnen die «Altfeministinnen» angreifen, schwarze gegen weisse schiessen, die einen sich mehr als Opfer verstanden haben wollen als andere – Fronten, wohin man schaut, anstatt das man hingeht im Sinn der Sache und gemeinsam den Dialog führt und Wege sucht, miteinander zum Ziel zu kommen.
Immer wieder kommt die Frage auf, wie es sein könne, dass Frauen, die doch die Hälfte der Menschheit ausmachen, von der anderen Hälfte unterdrückt werden: Vermutlich genau drum: Sie treten nicht vereint als Hälfte auf, sondern schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, so dass am Schluss lauter kleine Grüppchen in die Welt rufen und damit weniger gehört werden, als möglich wäre.
Fazit
Eine leicht lesbare, sehr fundierte, tiefgründige und aufschlussreiche Einführung in den Feminismus, in seine Ziele und was es braucht, diese zu erreichen. Sehr empfehlenswert.
Autorin
hooks, bellbell hooks, geboren 1952 und gestorben 2021 in Kentucky, war Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Aktivistin. Schon als junge Studentin schloss sie sich der feministischen Bewegung an und machte sich 1981 gleich mit ihrem ersten Buch „Ain’t I a Woman: Black Women and Feminism“ einen Namen. In den nachfolgenden Jahrzehnten hat sie unzählige Werke veröffentlicht, in denen sie sich mit Rassismus, Sexismus und Klassismus beschäftigt, und ist dafür mehrfach ausgezeichnet worden. Auf Deutsch erschien zuletzt 2020 „Die Bedeutung von Klasse“ im Unrast Verlag.
Angaben zum Buch
Herausgeber: Unrast; New Edition (5. Oktober 2021)
Taschenbuch: 148 Seiten
ISBN-Nr.: 978-3897713376
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort und online u. a. bei AMAZON.DE und ORELLFUESSLI.CH
„Alles, was wir in unserem Leben tun, hat eine theoretische Grundlage…. es gibt immer auch ein zugrundeliegendes System, das unsere Gedanken und Handlungen prägt. » “
Wie wahr! Der Ungleichheit und Ungerechtigkeit liegt ein Denken, ein Weltbild zugrunde, das der Feminismus sträflich übergeht: nämlich der Dualismus von „männlich“ und „weiblich“. Der ist der Grund allen Übels, aber auch der Schlüssel, um da wieder herauszukommen.
Es gibt (symbolisch!) „männliches“ und „weibliches“ Denken – und der Kern allen Übels ist, dass wir alle im „männlichen“, patriarchalen Denken aufgewachsen sind – und auch Feministinnen meist „männlich“ denken, ohne sich dessen bewusst zu sein. Damit bekämpfen (und stärken) sie das System im außen, und das System bleibt von innen her gleich.
Es gibt heute eine Tendenz, diesen Unterschied zu verdrängen. Genau dieses „Wegmachen“ ist männliches Denken. Durch diese falsche Einheit wird der Weg zu einer möglichen Lösung versperrt.
Die Welt ist nun mal dual aufgebaut, von den Quanten bis zum Universum. Mensch ist da keine Ausnahme. Es geht aber um das falsche oder richtige Verhältnis: Um die Dominanz des männlichen Machens, das zur Unterdrückung führt – oder zur Ergänzung auf Augenhöhe, die zu einer harmonischen Ganzheit führt.
Im System liegt das Problem, aber auch die Lösung. Den Unterschied zu leugnen heißt, den Schlüssel zur Lösung wegwerfen. Dann liegt die „Lösung“ darin, den Frauen „männliches“ Denken zu lehren – womit sie das Patriarchat nicht schwächen, sondern stärken und einzementieren.
Eine fast poetische Beschreibung fand ich unlängst in einem Zeit-Artikel:
„Männer schauen die Welt an. Wir [Frauen] werden von der Welt angeschaut.“
Darin liegt die ganze Vielschichtigkeit des Problems. Und in diesem Bild liegt das Problem und auch die Lösung…
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Danke für diesen ausführlichen Kommentar. Er hat mich zu einem neuen Artikel angestiftet, wegen einer Idee, die ich schon lange in mir trage und die hier wieder aufschien. Ich werde also ausführlicher darauf zurückkommen in Kürze.
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@ „junge Feministinnen die «Altfeministinnen» angreifen, schwarze gegen weisse schiessen, die einen sich mehr als Opfer verstanden haben wollen als andere – Fronten, wohin man schaut, anstatt das man hingeht im Sinn der Sache und gemeinsam den Dialog führt und Wege sucht…“
Kampf und Krieg…
Der Feminismus ist im Grunde
ein Verrat an der Weiblichkeit.
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Ich denke nicht zwingend, aber oft so zu sehen.
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„Die Frauenrechtsbewegung hat sicherlich
viele alte Fesseln gesprengt, gleichzeitig
jedoch zum Entstehen neuer beigetragen.“
― Emma Goldman (feministische Theoretikerin)
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Nun ja, sie starb 1940 – da ging es noch etwa 30 Jahre bis zur zweiten Welle… die dritte kam noch später. Die Erkenntnis, dass selten etwas nur positive Auswirkungen hat, ist auch nicht ganz neu.
Aber: Man sollte hinschauen und draus lernen. Und eben keine Fronten immer wieder neu bauen. Insofern ein wertvolles Zitat.
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Bell Hooks: „Alles, was wir in unserem Leben tun, hat eine theoretische Grundlage.“
Das ist nicht zutreffend.
Für einiges Nützliche mag das zum Teil zutreffen, aber alles Wesentliche befindet sich jenseits allem Theoretischen, also jenseits des Verstandes.
Systeme sind Produkte des Verstandes. Wir sind
aber nicht nur Körper und theoretisierender Verstand.
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Bell Hooks: „es gibt immer auch ein zugrundeliegendes System, das unsere Gedanken und Handlungen prägt“
Klingt, als glaubte sie,
sie sei fremdgesteuert.
…durch irgend ein „System“.
Doch sobald sie eine Steuerung bemerkt, ist sie sich dieser
bewußt ― damit ist sie schlagartig frei und kann umsteuern.
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