Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses

Inhalt

«Niemand hofft 1929 noch auf eine Zukunft. Und niemand will an die Vergangenheit erinnert werden. Darum sind alle so hemmungslos der Gegenwart verfallen.»

Schon 1929 liegt der Bruch in der Luft, 1933 besiegelt die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler endgültig das, was man landläufig als die goldenen Zwanziger nennt.

«Joeseph Goebbels schreibt am späten Abend des 30. Januar in sein Tagebuch: ‘Hitler ist Reichskanzler. Wie im Märchen.’

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Klaus Mann schreibt am späten Abend des 30. Januar in sein Tagebuch: ‘Hitler Reichskanzler. Schreck. Es nie für möglich gehalten. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.’»

Florian Illies erzählt aus einer dunkeln Zeit, in der Menschen verfolgt, Bücher verbrannt und Hoffnungen ausgelöscht wurden. Er erzählt aber auch von einzelnen Menschen in dieser Zeit, zeigt ihre Nöte sowie ihre Freuden. Während die Welt in eine der grössten Katastrophen schlittert, suchen und finden Menschen die Liebe, welche sie wohl doppelt brauchen unter diesen Umständen.

Weitere Betrachtungen

«Alle glücklichen Paare ähneln einander. Aber alle unglücklichen sind auf ganz eigene Weise unglücklich.»

Simone de Beauvoir trifft auf Jean Paul Sartre, mit dem sie fortan eine Geistesverwandtschaft sowie eine unkonventionelle Beziehung verbindet. Erich Maria Remarque verliebt sich in Marlene Dietrich, welche nach Amerika geht und ihn durch kleine Gemeinheiten am langen Arm fast verhungern lässt. Klaus und Erika Mann verstricken sich in komplizierte Liebschaften und Scheinbeziehungen. Berthold Brecht heiratet Helene Weigel, um danach seiner Geliebten den Brautstrauss als Präsent zu bringen. Pablo Picasso liebt schon die nächste, malt aber noch immer die frühere Geliebte. Hermann Hesse trifft auf Ninon, Wittgenstein versteht alles ausser der Liebe, Tucholsky vermisst in Schweden den Liebeszauber – es wird geliebt und entliebt in Florian Illies Buch «Liebe in Zeiten des Hasses» und neben all den liebestollen Verstrickungen zeichnet sich ein Bild einer Zeit, in welcher Hass die Menschen regiert.

Es ist Florian Illies gelungen, auf eine sehr unterhaltsame Weise einerseits ein Zeugnis der Zeit abzulegen, andererseits die Verirrungen und Verwirrungen einzelner Menschen darzustellen – dies aber nie wertend, nie verurteilend, immer mit einem leisen Augenzwinkern. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise, die dieser am liebsten nicht unterbrechen, sondern immer noch tiefer eintauchen will. Eine grossartige Mischung aus kompetenter Information und erzählerischer Leichtigkeit, politischer Geschichte und menschlichen Erlebens.  

Persönlicher Bezug
Mein Interesse für diese Zeit lässt seit vielen Jahren nicht nach, der Blick auf Biografien lässt diese in meinen Augen immer wieder lebendig werden. Dieses Buch vereint beides auf eine grossartige Weise. Ich bevorzuge zwar Erzählweisen, welche einen Faden von Anfang bis Ende spinnen und nicht hin und her springen, das hätte aber in diesem Fall die Chronologie durchbrochen, so dass die Entwicklung der Zeitgeschichte nicht gleich sichtbar gewesen wäre.  

Fazit
Ein sehr informatives, kompetentes, trotzdem leicht lesbares und humorvolles Buch über eine dunkle Zeit unserer Geschichte, mehr noch aber über die persönlichen Liebeserfahrungen verschiedener Dichter und Denker in ihr. Sehr empfehlenswert.

Autor
Florian Illies, geboren 1971, studierte Kunstgeschichte in Bonn und Oxford. Er war Feuilletonchef der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« und der »ZEIT«, Verleger des Rowohlt Verlages, leitete das Auktionshaus Grisebach und gründete die Kunstzeitschrift »Monopol«. Heute ist Florian Illies Mitherausgeber der »ZEIT« und freier Schriftsteller in Berlin.

Angaben zum Buch

Herausgeber: ‎ S. FISCHER; 3. Edition (27. Oktober 2021)
Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
ISBN: 978-3103970739

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8 Kommentare zu „Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses

  1. Florian Illies: „Liebe in Zeiten des Hasses“

    Gibt es auch Hass in Zeiten der Liebe?

    Natürlich gibt es keine ZEITEN der Liebe oder solche des Hasses.

    Zu jeder Zeit ist alles möglich.

    Die Energien wandeln sich. In einigen Zeiten ist eine Form von Druck stärker als in anderen. In diesen zeigen sich die Höhen… wie die Abgründe des Menschlichen am deutlichsten.

    So wie sich auch in Corona-Zeiten die
    Dinge deutlicher zeigen als in anderen.

    Und wir müssen uns – einzeln wie kollektiv – die Dinge ansehen. Ob wir das wollen, oder nicht.

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  2. Hi Sandra,
    wieso kommst du auf die Idee, mein Beitrag wäre eine Kritik an DIR ?

    Und selbst wenn der Titel von dir wäre: Mein Beitrag ist nur
    eine Reflektion, eine Antwort auf den Titel und nicht auf dich.

    Eine heitere Woche 🌲
    wünscht Nirmalo

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