Corona- oder: Danke Spanien!

Geplant war, am 1. März nach Spanien zu fliegen. Für einen guten Monat. Corona war schon ein Thema. In der Schweiz schlugen ab und an die Wellen hoch, man konnte das noch nicht so einschätzen. War es nur eine Grippe? Doch mehr? Auch die Experten widersprachen sich. Mit der Haltung, dass Angst nie der beste Ratgeber und das Leben immer risikoreich sei, dachte ich: Mein Gott… habt euch nicht so.

Wir waren also in Spanien, hier kriegten wir von Corona wenig mit, hörten nur von zu Hause, wir sollten froh sein, hier zu sein, dort herrschte fast Histerie… wir waren es auch. Zwar waren wir bald nach der Ankunft ziemlich krank, dies vor allem in meinem Fall auf eine nie dagewesene Weise…. Und ich bin wirklich hart im Nehmen. 5 Tage ohne Schlaf, ganze Nächte durchgehustet, oft ohne Luft, da ich nicht mehr einatmen konnte. Dann zum Arzt, danach dank Coritison und Tipps zum Inhalieren, jede Nacht Schlaf in Interwallen – dazwischen sass ich inhalierend am Tisch, machte mir ein freudvolles Programm, so dass die Nächte fast schon schön wurden. Man richtet es sich ja gut ein.

Ich habe in 5 Tagen mit Coritison 3 kg zugenommen, nach dem Absetzen 6 ab… und ich war vorher schon ein Minus. Ich habe also Mittel und Wege angewendet, wie ich früher in solchen Situationen zunahm. Keine Chance. Es blieb so – immerhin konnte ich einen Punkt halten. Und die Kraft kam zurück- Die teilweise Atemlosigkeit blieb. Zum Glück bin ich in dem Bereich ausgebildet. Ich kann bewusst gegensteuern, Atem lenken. Dafür war ich mehr als einmal dankbar, als die Lunge sich anfühlte, als würde sie zusammenklappen.

Im Nachhinein hatten wir hier in Spanien die härtesten Massnahmen weltweit. Nachdem wir am 1. März hier ankamen, zuerst ein wenig kränkelten, diesem aber (zum Glück) trotzten und doch noch das und jenes genossen, hiess es am 14. März: Ab heute bleiben alle zu Hause. Es darf noch einer pro Haushalt einkaufen (das war ich, mein Lieblingsmitbewohner gehörte der Risikogruppe an), ansonsten gibt es keinen Ausgang. Es sei denn, man hat einen Hund… 200 Meter vom Haus entfernt… einer… darf raus. Wir gingen zusammen – schlicht, weil da, wo wir sind, kein anderer ist. Und hier im Haus sind wir auch zusammen. Er war sonst insgesamt 70 Tage im Haus / auf dem Grundstück. Und ich ausser den (nicht sehr erfreulichen, da totalüberwacht, teilweise an Kreuzungen von der Polizei angehaltenen, um nach dem Ziel zu fragen) Einkäufen auch.

Da sitzt man dann. Eher nah. Ich bin der Künstlermensch. Der, welcher die Einsamkeit sucht. Für mich war es fast perfekt. Aber ja… zu Hause habe ich in meinem Künstlersein nicht nur gegen Störungen gekämpft, sondern auch ab und an Inspirationen gesucht. Ging nicht mehr. Aber ich musste auch nichts mehr. Er war eher der soziale… ging nicht mehr. Aber zum Glück ist er so sehr eigenständig. Das kannte ich bislang von Nicht-Künstlern nicht… von ihm ja aber schon, wir kennen uns nicht erst seit gestern.

Es war gut. Es war schön. Es war ein Geschenk. Es war Zeit. Es war Ruhe. Es war ein Miteinander, in dem jeder ganz viel Zeit für sich hatte, im Wissen, nicht allein zu sein. Es war ein Getragen-Sein. Durch eine Zeit, in der man von überall her hörte, wie schwer sie ist. Und ab und an ertappte ich mich, das Schwere zu suchen. Und wenn ich es fand, war das auch nicht immer gut, denn, dann hiess es: HE, du bist in Spanien. Das ist Urlaub. Das ist Paradies.

Das Wetter war schlecht, raus durften wir nicht. Wer raus ging, wurde kontrolliert. Strände zu. Sonne weg, keine Freunde, keine Menschen, nur Du. Und mit viel Glück einer daneben, mit dem du das aushältst. In einer Wohnung eingeschlossen 24/7. Das Glück hatte ich. Und dafür bin ich verdammt dankbar.

Ich bin aber für mehr dankbar. Ich bin stark und kräftig, ich habe den Virus wohl überstanden, konnte so hier die Stellung halten. Ich hatte die best- und liebstmögliche Begleitung. Ich hatte meine Mama zu Hause, die ich seit Dezember nicht mehr gesehen hatte, durch die ausgefallene Rückkehr war ein Treffen unmöglich. Sie seit 2 Jahren Witwe, allein, Risikogruppe. Ich bin dankbar für ein funktionierendes Miteinander im Ort, wo sie lebt, in Diemtigen. Eine langjährige Beziehung griff und hielt, Nachbarschaftshilfe funktionierte mehr als nur schön. Ein Geschenk. Ich lebte lange in Zürich, das hätte man da wohl vergebens gesucht mehrheitlich. Menschlichkeit fängt im Kleinen an.

Mama und ich telefonieren täglich. In der Schweiz ist es nun lockerer geworden, ich hätte aufhören können, sie täglich anzurufen. Sie hat ihr Leben wieder. Aber ich weiss, sie freut sich über meine Anrufe. Wir haben eine neue Mutter-Tochter-Freundin-Beziehung entwickelt. Und die ist mir/uns wertvoll. Wir können die sogar nun benennen. DAS ist ein Geschenk. Ich rufe weiter an. Täglich. Sehen schaffen wir nicht. Sie ist zum Glück eingebettet (ich hätte sie sonst lieber näher, aber das Netz ist Gold wert und es ist ihr, war meiner Eltern, auch ein wenig mein Zuhause). Wir sind uns nah. Nah gekommen in einer Zeit des «social distancing».

Es ist wohl alles, was man draus macht.

Ich fliege morgen in die Schweiz. Ich wollte schreiben «nach Hause». Es fühlt sich nicht so an. Nur ein wenig. Mein Zuhause fliegt mit mir. Das wurde mir durch die Zeit noch deutlicher (ich wusste es auch vorher schon!). Wo immer er ist, will auch ich sein. Gäbe es ihn nicht, wäre Spanien meine Heimat. Und ich möchte mich bedanken. Spanien war gut zu mir, zu uns. Es waren harte Massnahmen, es war eine entbehrungsreiche Zeit im Vergleich zum üblichen Leben, aber: Es ist ein wunderbares Land, die Menschen hier hielten zusammen. Das Land wurde extrem gebeutelt, wir haben hier 30% Arbeitslosigkeit nun, Menschen, die vorher schon arm waren, haben gar nichts mehr. Die Regierung hat eingelenkt, will einen Sozialplan über Corona hinaus schaffen. Quasi ein bedingungsloses Einkommen für Armutsbetroffene. Da könnten sich dann andere Länder auch wieder eine Scheibe abschneiden.

Ich hörte aktuell nach Ankündigung meiner Rückkehr von Nichtschweizern, für wie unbedarft sie die Schweiz erleben… Ich lese aber auch von Schweizern Shitstürme, weil sich die Schweizer so benehmen, als ob nie was gewesen sei… ich bin gespannt, wie es auf mich wirkt.

So schwer es war, nicht zurück zu können, so bleibt doch eine Wehmut, den Weg nun morgen in Angriff zu nehmen. Es war nicht nur eine leichte Zeit, es war eine – vor allem für die Umstände – wunderbare Zeit. Das verdanke ich dem Mann neben und mit mir, dem Hund mit uns (er soll nicht unerwähnt bleiben, er war tagtäglich eine Freude, ein Geschenk), und vor allem dem Land.

Danke Spanien! DU warst gut zu uns.

10 Kommentare zu „Corona- oder: Danke Spanien!

  1. 🐞💕💋 Liebe Sandra,
    ich wünsche Dir einen guten Rückflug in die Schweiz und vor allem 🍀 Bonne Santé! 🍀
    Herzliche Grüße aus Grand Est, in Frankreich, dort, wo wir auch eine strenge Ausgangssperre hinter uns haben und nun seit vorgestern die Phase 2 des Déconfinement begonnen hat.
    bT!NA 🐞💕💋

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  2. Guten Morgen Sunny, mir haben deine Zeilen hier und ebenfalls die fehlenden Zeilen doch einiges verraten, wenn ich auch deine Influenza nicht mitbekommen habe. Dieses Ding hatte mich Anfang Februar erwischt und sich vier Wochen festgesetzt. Als feine Künstlerin hast du die Gunst der Stunde für dich gesehen und gelebt, anstatt in das Horn des bösen Corona zu tuten, so wie ich es ebenfalls gemacht habe. Eine Entfernung zwischen uns spielt zwar keine Rolle, aber ich freue mich darüber, dass du wieder frei den Ort wählen kannst, an dem du sein möchtest. Atme tief und bleib gesund ❤

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