Schubladendenken

„Gelassenheit können nur jene erreichen, die ein unerschütterliches und klares Urteilsvermögen haben – der Rest hadert ständig mit seinen Entscheidungen schwankt hin und her zwischen Ablehnung und Akzeptanz.“ (Seneca)

Schon bei kleinen Fragen kann ich mich aufhängen: Markiere ich in Büchern nun mit Bleistift oder mit Leuchtstift? Waren andere klar gegen Markierungen oder aber verwendeten, was grad da ist, konnte ich mich Tage und Wochen mit der Frage aufhalten, was dem Buch angemessener wäre – die Frage nach meinem Nutzen aus der Markierung und welche diesem besser dienen würde, kam erst später – so weit kam ich eigentlich selten.

Ich wollte genügen. Dem landläufigen Usus folgend, wie man mit Büchern umgeht, gewissen ästhetischen Prinzipien, wie das Buch nach meinem Lese- und Arbeitsvorgang (und ja, Bücher und Lesen war und ist immer noch teilweise mein Beruf) aussehen sollte. Dies nur ein Beispiel.

Ich bin, um es gelinde auszudrücken, nicht immer sehr entscheidungsfreudig gewesen. Ich konnte sogar bei den banalsten Fragen hin und her überlegen, Argumente wälzen und zu keinem Schluss kommen. Bei den schwierigen Fragen war es umso schlimmer. Schlussendlich wollte ich die richtige Entscheidung treffen.

Ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist, zeigt sich meist sowieso erst hinterher. Oft kann man im Vorfeld noch so viele Argumente hin und her wälzen, sie sind schlussendlich selten ausschlaggebend, denn: Man weiss tief drin eigentlich sehr genau, was man will und was passt – eine innere Stimme, ein Bauchgefühl. Nur: es ist so ungesichert, worauf will man sich berufen, wenn man sich später rechtfertigen will? Die Ratio erschien mir da oft der sicherere Weg. Das kann ich, das hat Hand und Fuss, das hat Argumente, die ich dem anderen auftischen kann. Und doch fühlt es sich oft so mühsam an. Und wie oft sagte ich im Nachhinein: „Hätte ich nur auf meine innere Stimme gehört.“

Was noch dazu kommt: Würden wir drauf hören, hätten wir eine Entscheidung, die unserem Fühlen und Sein entspräche, und damit auch wieder Ruhe. Dieses andauernde Wälzen von Argumenten, dieses Hin und Her im Geist, bringt meist vor allem eines mit sich: Unruhe.

Wenn also wieder einmal eine Entscheidung ansteht: Eigentlich kenne ich meine Antwort. Wenn ich ihr nicht traue, hilft es, eine Münze zu werfen. Wenn sie fällt, weiss ich, wie ich mich fühle. Bin ich enttäuscht, ist diese Entscheidung nicht die, welche ich mir wünsche. Bin ich zufrieden, sollte ich den Weg ausprobieren.

Ich sage nicht (NIE!!), dass man den Kopf einfach ausschalten soll. Nur: Wenn es um Entscheidungen geht, die zu einem persönlich stimmigen Weg führen sollen, sollte man den Bauch nicht ignorieren. Das heisst nicht, dass der Weg immer einfach, toll, gewinnbringend und erfolgreich ist. Aber: Es war zumindest der eigene Weg. Jeder andere kann genauso misslingen. Und dann habe ich doppelt verloren. Ich habe mich, meine Bedürfnisse und Wünsche aufgegeben, um in eine Schublade zu passen – und sie schloss immer noch nicht…

Wir werden nie in jede Schublade passen, wir sollten aber immer im Auge behalten, was in unsere passt.

4 Kommentare zu „Schubladendenken

  1. Meine Erfahrung ist, dass jeder Entscheid, den ich selber treffe, besser ist als einer den andere für mich treffen. Selbst dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass mein Entscheid weniger gut war. Wenn es mir gelingt, zum eigenen Entscheid zu stehen, setze ich mich auch für die Folgen ein. Es gibt dann das bequeme „Du hast ja gesagt, ich solle es so machen“ nicht mehr. Und jeder eigene Entscheid ist für mich auch ein Lernfeld. Ich habe so viele ungünstige Entscheide getroffen und dabei so viel erfahren und gelernt. Oft habe ich aus dem Bauch heraus entschieden, manchmal eine Entscheidungsmatrix angefertigt und ich habe nicht im Bewusstsein, wo ich erfolgreicher entschieden habe. Als Unternehmer musste ich einfach entscheiden, sonst hätten es andere getan und jetzt beginnt es wieder oben: Meine Erfahrung ist ….

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    1. Das geht als Einzelkämpfer, wie sieht das in Beziehungen aus? Ich kann es schon als Einzelkämpfer schlecht, in Beziehungen…. denke ich dann: Man müsste ja… für beide… so quasi passend….Was sagt der Entscheidungserfahrene dazu?

      Ich danke dir für deinen Einblick, ich kann ihn nicht nur nachvollziehen, ich finde ihn aus der Warte aus einzig richtig und wichtig… er gelingt mir nur nicht immer 😉

      Liebe Grüsse
      Sandra

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  2. Eine gute Frage. Es ist jene nach den Entscheidungsgrundlagen. Es ist für mich hilfreich, wenn ich von jedem Beziehungsinvolvierten genau weiss, was er denkt, fühlt, will, sollte und vor allem, was er von mir erwartet. Jetzt entscheide ich. Im Unternehmen ist es meine Aufgabe zu entscheiden und dann auch den Kopf hin zu halten. Dafür bin ich primus inter pares. In der privaten Beziehung will ich den Entscheid des anderen wissen um dann nach eventuellen Dissonanzen möglichst einen gemeinsamen Entscheid zu fällen. In einer Paarbeziehung ist es insofern etwas leichter, als die Liebe einen viel grösseren Entscheidungsspielraum ermöglicht.

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    1. Die Liebe verzeiht auch mehr. Weil sie liebt. Bedingungslos. Mit allem Schweren, allen Fehlern. Nur sollte man nie drauf bauen. Das wäre dann im Gegenzug keine Liebe, sondern Berechnung. Im Stile: Sie/Er liebt mich ja…

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