Minimalismus: Vom Brauchen und Sammeln

Ich bin kein Sammler. So generell. Ich trenne mich gerne von Dingen, die ich nicht mehr brauche, einfach weil sich so schnell so viel ansammelt – und ich finde, dass es dann nur noch als Ballast wirkt und teilweise fast erschlägt. All die vollen Schränke, der überfüllte Keller, die überquellenden Schubladen – und ja, die gefüllten Bücherregale. Ich habe immer wieder Bücher weggegeben und auch weggeworfen (bitte keine Aufschreie, wenn keiner sie will, bleibt wenig anderes übrig) und doch… es sind immer noch viele. Sehr viele. Und bei vielen weiss ich, dass ich sie wohl nie mehr lese. Und dann nehme ich sie in die Hand und denke: Was, wenn doch? Es gab in der Vergangenheit schon Bücher, die ich neu kaufen musste… weil ich das alte aus eben dem Grund weggegeben hatte.

Was bei Büchern anfängt, geht bei anderem weiter. Ganz viel liegt über Monate, Jahre unangetastet. Aber könnte man es nicht mal wieder brauchen? Gerade weil ich so vielseitig bin und immer mal wieder Neues ausprobiere oder Altes neu entdecke.

Vor einigen Jahren starb der Vater meines damaligen Freundes. Meinem Freund fiel es zu, das Haus zu räumen, um es dann verkaufen zu können. Er brauchte dafür Monate. Das Haus war vom Keller bis unters Dach voll gestopft. Mit Dingen, die offensichtlich schon lange keiner mehr in den Händen gehabt hatte. Ich dachte damals so bei mir: Das soll bei mir niemandem zufallen. Das möchte ich keinem zumuten.

Im Moment wäre es nicht ganz so schlimm wie bei besagtem Vater, aber noch immer wäre es viel. Und ich mute das aktuell mir zu. Dinge, die weder Freude bereiten noch Sinn ergeben in meinem persönlichen Leben, bevölkern mein Zuhause. Sie schauen mir aus Regalen entgegen, stehen dicht gereiht hinter Schranktüren, stapeln sich im Keller, in Schubladen und in Abstellkammern.

Kann ich sie einfach loslassen? Kann ich mich davon trennen? Hängen nicht Erinnerungen dran? Haben sie nicht einen Wert, den ich hochachten müsste? Kann ich einen Literaturklassiker weggeben? Das ist hohe Kunst? Oder die grossen Philosophen. Sind sie mehr Wert als ein aktueller Krimi? So ideell? Und praktisch?

Ab und an überkommt mich der Wunsch, einfach rigoros auszumisten. Weg mit allem, was ich nicht brauche. Wenn ich mir meinen Lebensabend ausmale, könnte ich mir gut vorstellen, irgendwo in einem ganz kleinen Häuschen zu leben mit dem, was mir wichtig ist – das wären dann wohl meine Kamera plus Zubehör, mein Computer, meine Bildbände und Lyrikbücher (vielleicht noch mein Klavier, wenn ich bis dahin endlich mal wieder spielen lernte… und irgendwie fallen mir grad noch ein paar mehr Dinge ein… )

…. nur wäre bis dahin noch viel zu tun… zum Glück bleibt noch ein wenig Zeit….

Wie habt ihr es so mit dem Wegwerfen? Bringt Besitz Glück oder ist zu viel Besitz Ballast?

7 Kommentare zu „Minimalismus: Vom Brauchen und Sammeln

  1. Ich denke, man sollte sich zunächst einmal nur ums eigene Wohlbefinden kümmern und nicht an Nachwelten denken.

    Ich arbeite ehrenamtlich in einem Freilichtmuseum für historisches Landleben. Da haben wir einen Raum auf dem Speicher voller Krimskrams und Krempel. Den hat man damals in den Häusern bewusst angelegt als Ersatzteillager. Es könnte mal etwas kaputtgehen und dann findet man dort genau das passende Ersatzteil, die eine lang gesuchte Schraube. Man hat auch unter Nachbarn und im ganzen Dorf bei Bedarf getauscht. Wenn ich da oben stehe, macht mich die Wegwerfgesellschaft von heute traurig, denn es ist eine Welt, in der ich fast nichts mehr reparieren kann!

    Und kürzlich durfte ich ins verschlossene Depot der Geräte und Ersatzteile. Also alles, was zuviel ist, dass es ausgestellt werden kann. Dinge, die restauriert werden müssen oder nur bei den Ausstellungen gewechselt werden. Schubladen über Schubladen voll von Muttern, Schrauben, Winkeln, Werkzeugen – allesamt „Zeug“, das heute nicht mehr hergestellt wird. Und dann erzählt mir der Kurator stolz, dass all diese Schätze, alles, worauf dieses Museum aufgebaut ist, aus Nachlässen gestiftet worden ist. Das gesamte Kulturerbezentrum existiert nur, weil Menschen etwas nicht weggeworfen haben, oft über Generationen auf Speichern, in Schuppen oder Kellern lagerten. Es gäbe uns nicht mit dem Minimalismus, wir müssten Archäologie auf Müllkippen betreiben.

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  2. Nachdem ich 20 Jahre angesammelt hatte, bin ich den letzten 10 Jahren dem Minimalismus gefolgt und meine Zimmer immer leerer gemacht. Das war am Anfang schon komisch, doch jetzt freue ich mich über den Freiraum, stelle nicht mehr jede Ecke voll und Milou freut sich ebenfalls, wenn wir Bälle werfen, denn er hat viel Platz zum laufen 😉

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  3. Wir ziehen demnächt um und gehen deshalb gerade alle Räume, Schränke usw. durch. Wir haben schon viel weggeworfen und verschenkt. Viele Dinge scheinen nur noch da zu sein, um Schrankfächer und Schubladen zu füllen, bei manchen hatte ich längst vergessen, dass ich sie noch habe. Die sind nun alle weg. Von manchen Dingen, kann ich mich noch nicht trennen, aber deren Zeit wird auch irgendwann kommen.

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  4. Mir persönlich ist der moderate Minimalismus in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen. Aber mir sind ebenso äußerst zufriedene Maximalisten bekannt, die sich an ihrem Hab und Gut erfreuen, davon kein Quäntchen belastet sind und denen vermutlich nicht einmal bewusst ist, dass sie keine Minimalisten sind – der Konzeptstreit ist für sie schlicht kein Thema und das finde ich unheimlich sympathisch.

    Noch ein Gedanke – man weiß nie, ob man wirklich noch viel Zeit bis zum Lebensabend hat. Unser Problem ist allzu häufig, dass wir glauben, wir hätten Zeit. Aber jetzt genug der Dramatik und noch einen schönen Sonntag Abend 😉

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    1. Ja, Besitz muss nicht belasten, das ist so. Es gibt durchaus Menschen, die schlicht gerne inmitten ihrer vielen Dinge leben und zufrieden sind. Es ist auch bei mir kein Belasten im schlimmen Sinne. Mehr so ab und an der Gedanke: Eigentlich brauche ich gar nicht so viel. Und dann schaue ich in meine Bücherregale und denke, dass ich die meisten der Bücher nie mehr lesen werde. Und doch… bei ganz vielen schaffe ich die Trennung nicht….

      Mal sehen, wo das alles noch hinführt. Der nächste Umzug kommt bestimmt, spätestens dann kann ich nochmals genau überlegen…

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      1. Bücher rangieren bei mir nun wiederum in einer eigenen Kategorie, die von meinen minimalistischen Bestrebungen weitgehend ausgenommen ist. Mit Büchern gibt es eine besondere ‚Beziehung‘.

        Einfach mal eines in die Hand zu nehmen und einige Worte weit zu stöbern, es dann behutsam wieder an seinen Platz zu verbringen oder aber es exponiert zu platzieren, damit es die Aufmerksamkeit für baldige erneute Lektüre erhält – das ist sehr wertvoll.

        Wenn doch mal absehbar ist, dass die ‚Beziehung‘ einem Ende zu geht, so führt das meine Bücher in die zweite Hand. Auf diese Weise ist die Trennung dann auch irgendwie romantischer 😉

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  5. Ich habe immer viel gesammelt und gehortet, bemerke aber seit einigen Jahren das Bemühen um weniger. Zwei bis drei Mal im Jahr sortiere ich massiv alles aus, was mir in die Hände fällt. Kinderbekleidung, die ohnehin keine nachkommenden Kinder in der Familie mehr brauchen, Bücher, Geschirr (wie kann man so viele Häferl haben?). Ich mag allein das stille Wissen darum, dass die Dinge lockerer im Kasten liegen oder stehen.

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