Leben in den sozialen Medien

Ich war eine lange Zeit sehr aktiv in den sozialen Medien unterwegs. Vor allem auf Facebook. Das tat nicht immer gut. Ich bin ein Mensch, der hinschaut, tief geht. Das ist nicht immer gewünscht. Ich bin ein Mensch, dem alles sehr nahe geht, der sich Dinge zu Herzen nimmt. Darunter litt ich sehr. Ich durfte nicht einfach sagen, was ich fühle, ich musste es filtern, da es taxiert wurde. Und verurteilt. Ich merkte oft: Man sucht fast nach Fehlern bei andern und drückt den Daumen rein. Und: Mir gingen all die Schicksale nah, die ich las. Ich nahm Anteil. Und merkte: Viele produzieren sogar ihr so genanntes Leid medienwirksam. Es geht nicht um ein Miteinander, um Mitgefühl, es geht um Likes.

Ich habe mir dann eine Auszeit genommen bei Facebook. Das war für mich das grösste Haifischbecken. Instagram ist viel Schein, aber selten Angriff. Twitter ist kurz und knapp, man kann alles mit der Zeichenzahl begründen oder entschuldigen. Facebook ist gnadenlos. Da leben sie sich aus. Ich mochte Facebook lange. Aber ich merkte, es tat mir nicht gut. Drum diese Nachricht:

Ich war eine Woche raus aus FB. Man glaubt es kaum. Es ging gut. Und es fiel wohl gar nicht vielen auf. Das ist gut. Ich gehe nicht ganz raus aus FB, aber ich werde kürzer treten. Und: Da ich hier freiwillig und zum Spass bin, lösche ich in Zukunft alles, was mir nicht gut tut. Wer nun was von Filterbubble babbeln will, darf sich gerne löschen. Ich mag kontroverse Diskussionen, aber keine Oberlehrer (ich habe zum Glück einen Schulabschluss und meiner reicht mir). Ich mag Kunst, aber es ist nicht alles Kunst, was sich solche schimpft und die Freiheit hat da wie überall eine Grenze, nämlich die, wenn die Freiheit anderer begrenzt wird. Ich mag keine Rassisten, keine Diskriminierer, keine Menschenverachter und keine ach so Lustigen, die auf alles einen doofen Kommentar haben. Ich suche hier keinen Mann, keiner muss sich fragen, wo ich die Zeit für das hernehme, das zu tun, was ich tue, ich werde auch nicht offenlegen, was ich dabei verdiene und wieso.

Ach ja: Den Witz, ob ich aus meinen Yogastellungen wieder raus komme, den hörte ich schon einige Male. Er ist weder originell noch lustig. Ich steh nicht so auf Dummheit und plakative Witze. Wenn jemand meint, sagen zu müssen, dass das schmerzen müsse, muss ich gestehen, dass ich wohl im Leben vieles tat, das schmerzte, wie wohl jeder Mensch. Für ein Foto in den sozialen Medien würde ich keine Schmerzen eingehen. Wozu? Einige verbiegen sich, um die Erwartungen anderer oder des täglichen Lebens zu erfüllen, ich tue es auf der Matte. Ich könnte das andere nicht. Ich bin sehr dankbar, dass ich es nicht muss.

Wer sich nun fragt, wieso ich das alles schreibe? Es hat klar Gründe. Wie sagte schon Heidegger in seiner Schrift „Der Satz vom Grund“:

„Nichts ist ohne Grund“

Ich werde mir kein dickeres Fell zulegen (wurde mir oft geraten), ich stehe zu meinen Schwächen und Problemen (ich bin kein Einhorn, ich bin ein Mensch), ich muss mich hier nicht anpissen lassen – wozu? Dazu gibt es das Leben, das tut es schon gut. Man sollte sich daneben Räume schaffen, die gut tun.

Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Aber: Sie sind eigentlich nicht wichtig. Menschen, die an mir als Menschen interessiert sind, die möchte ich nicht verlieren. Davon gibt es einige auf Facebook. Und: Sie mag sie als Menschen und nehme Anteil. Und das möchte ich weiter tun können. Der Rest hat sicher genug Plattformen, sich zu produzieren. Vermutlich geht es bei den sozialen Medien im Grunde darum. Ich suche Menschen. Und Menschlichkeit. Ich habe wenige Mittel, etwas in der Welt zu verändern. Ich kann nur im Kleinen anfangen.

16 Kommentare zu „Leben in den sozialen Medien

  1. Sehr gut getroffen! Diejenigen die dir nahe sind – werden nicht nur „liken“ sondern werden auch ohne FB oder so ähnliches da sein! Auch von der Ferne: Mal ein Anruf ist doch viel mehr als ein „Post“ aus meiner Sicht

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    1. Wie wunderbar und wie Recht Ihr habt,
      chère soeur d’âme et cher Arno …
      … bin seit Anfang März auch in diesem Club und fühle mich sehr wohl dabei 😉
      Bisous Ihr Lieben, bT!NA

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  2. Du schreibst, du hast wenige Mittel, etwas in der Welt zu verändern, … kannst nur im Kleinen anfangen.
    Ich gebe zu bedenken, ist nicht der kleinste Stein, der ins grosse Wasser fällt, zu beginn nur mit einer kleinen Bewegung zu sehen und schlägt am ende viele Wellen. Ist nicht ein noch so kleines Korn oft der Grund etwas grosses, scheinbar Übermächtiges anzuhalten? Ich glaube, Mensch sein und es auch beweisen, ist viel nützlicher als manch scheinbare Heldentat und im Augenblick des so Sein, begegnen uns die Menschen, die mit uns Menschlichkeit leben.

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    1. Ich sehe das auch so. Ich denke, es bleibt keinem mehr übrig. Es sei denn, er geht über Leichen. Ob das dann helfen würde? Man wird oft belächelt und bekritelt. Das ist wohl so. Weiter machen. Ganz liebe Grüsse in den Norden!

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  3. Manchmal tut es einfach gut, sich etwas rauszunehmen. Ich habe in letzter Zeit weniger bei Facebook gepostet, habe wenn überhaupt meine Seite mit den Fotos gepflegt, aber letzten Endes so viel Wertschätzung Gleichgesinnter hier auf dem Blog erfahren, dass das völlig ausreicht. Nicht nur die Wertschätzung, auch das Miteinander und die Inspirationen tun gut, was ich auf FB und Co. so nie erlebt habe. Instagram ist auch in den Hintergrund getreten und siehe da… die Menschen, denen ich wichtig bin, sie erreichen mich trotzdem und das reale Leben hat sowieso so viel mehr zu bieten…

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  4. Ob ich belächelt oder bekrittelt werde, berührt mich nicht, denn ich spüre und weiss doch ganz genau was aus meinem inneren heraus richtig ist. Und wenn es für irgendwen anders, anders richtig ist oder wäre, muss dieser andere so handeln wie er es sieht. Nur ich werde ( weil ich ja nicht anders kann) mich nicht nach vorne, hinten, links oder rechts verbiegen.

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  5. Was Facebook angeht kann ich nicht mitreden, da ich auf dieser Plattform nicht unterwegs bin!

    Hier in WordPress fühle ich mich wohl!

    Was die allgemeine Diskussionskultur angeht, so hat sich vieles zum negativen entwickelt. Ich möchte sogar behaupten, dass sie garnicht mehr stattfindet, weil es nur noch zwei Lager gibt, die sich gegenseitig stigmatisieren und diskreditieren. Ich finde, dass ist eine gefährliche Entwicklung!
    Der Ton ist ebenfalls nicht mehr schön!

    Ich habe früher sehr gerne diskutiert, mitlerweile halte ich mich eher zurück!

    Ich nehme immer wieder an Petitionen Teil um einen kleinen Beitrag zu leisten.

    In WordPress habe ich so wundervolle Kontakte, die ich nicht mehr missen wollte! Es ist doch schön, dass sagen zu können!

    In diesem Sinne liebe Sandra, wünsche ich Dir alles Gute und schöne Erfahrungen im Netz, egal wo Du gerade unterwegs bist! 😉

    Liebe Grüße Babsi

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    1. Liebe Babsi
      Hier auf WordPress fühle ich mich auch wohl, aus den gleichen Gründen.😊 was du über die Diskussionskultr sagst, stelle ich leider auch fest.

      Sei lieb gegrüsst
      Sandra

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