Vaterschaftsurlaub ade – oder: Sprache wörtlich genommen

Kürzlich hat unser Bundesrat entschieden, Vaterschaftsurlaub gebe es nicht. Zu teuer wohl. Die Enttäuschung in vielen Kreisen war gross. Einige meinten dann, man sollte statt dessen Elternzeit gewähren. Auch dagegen kamen gleich Stimmen, da ja doch die Frau das Kind kriege.

Ich persönlich finde die Bezeichnung Elternzeit gut. Schlussendlich werden zwei Menschen Eltern. Klar muss sich die Frau körperlich erholen, aber dann? Soll der da sein dürfen, der es will und kann im individuell gelebten System. Gesichert sollte in meinen Augen vor allem eines sein: Einer der Elternteile ist für das Kind voll da.

Was mich viel mehr erstaunt und befremdet: Man nennt das Vaterschafts- oder Mutterschaftsurlaub. Urlaub? Kinderbetreuung ist Urlaub? Ich bin wahrlich kein Fan der Goldwaage, aber da wird ein Bild zementiert, das schlicht nicht akzeptabel ist.

Ja, wir leben in einer Welt, in der nur Arbeit zählt, die man für Geld ausser Haus erledigt. Wir leben in einer Welt, die ohne Gratis-Arbeit von vielen Frauen in der Betreuung von Familienmitgliedern – die Bandbreite reicht von kinderbetreuenden Müttern über ebensolche Grossmütter hin zur Altenpflege von bedürftigen Anverwandten – nicht auskommen könnte. Aber:

Nicht nur, dass man sie nicht wertet, wenn es darum geht, zu belegen, was man geleistet hat, man benennt es als Urlaub. Wir haben noch viel zu tun. Nicht nur in Sachen Gleichberechtigung, sondern auch darin, Leistung von monetären Gegenleistungen zu trennen und den Wert für die Gesellschaft, den Wert an sich zu sehen. Und anzuerkennen.

6 Kommentare zu „Vaterschaftsurlaub ade – oder: Sprache wörtlich genommen

  1. Stimme Dir voll zu. Ich finde, alle diese alten Säcke, die normalerweise in der Politik über die Körper junger Frauen und den Mutterschafts-„Urlaub“ entscheiden, sollten (a) künstlich induziert mal die Schmerzen einer Geburt durchleben und (b) ein paar Tage lang mit 1-2 kleinen Kindern allein sein müssen. Natürlich unter Big-Brother-mässiger Beobachtung und Live-Übertragung ins TV (schon damit man eingreifen kann, wenn was schief geht…). Danach würden die vermutlich alle aus Scham im Boden versinken und nie wieder das unberufene Maul aufreissen. Und nachdem ich nun bei einigen (gerade auch alleinerziehenden) Müttern mitbekommen habe, WIE schwer das ist, verlange ich eigentlich eine volle (und gute!) Bezahlung für den „Job“ (inkl. Überstundenzuschlägen für Nacht- und Wochenendarbeit) sowohl für die Mütter als auch für die Kindergärtnerinnen. Und wenn die Kinder dann mal selbständiger sind, DANN steht den Müttern und Vätern wirklicher Urlaub zu: ein paar Jahre ausspannen oder reisen oder machen was sie wollen. Und die Politiker können derweil die Finanzen dafür erarbeiten. Oder einfach mal da den Rotstift ansetzen, wo es niemandem weh tut z.B. ausser der Rüstungsindustrie. (Die Arbeiter und Ingenieure dort könnten ja umschulen und Spielplätze oder unkaputtbares Spielzeug bauen ;-))
    Es ist SOWAS von PERVERS, dass wir die Menschen, die unsere Kinder, also die Zukunft, betreuen, schlechter bezahlen als die, die unser Geld betreuen (sollen, es aber meist veruntreuen).

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  2. Mir ist das öfter sauer hochgekommen, wenn männliche Kollegen ihren „Elternzeit-Vaterschaftsurlaub“ dazu nutzten, das Haus umzubauen, oder lang zu verreisen. Ich dachte, es soll dazu dienen, der Mutter auch den wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, indem der Vater die Familienarbeit übernahm. Aber sie blieben zwei Monate zu hause um weg vom arbeitsalltag zu sein. So schilderten sie das. Naja. Schade fand ich das. Andere sagten, da sei die Familie dann richtig zusammen. Wie man es betrachten will. 🏵

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    1. Dann wäre die Zeit ja auch zweckentfremdet. Ich wehre mich nur dagegen, Erziehungsarbeit, „Brutpflege“ als Urlaub zu sehen.

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  3. jaja, es lohnt sich über die Wörter und Worte nachzudenken, danke. Das Wort „Mutterschutzurlaub“ steht, glaub ich, in keinem diesbezüglichen Gesetz, wohl weil es auch nicht passt!
    Es gibt Mutterschutz-Gesetz und -fristen, das ist sinnvoll und richtig. Und es gibt Elternzeit, das ist ein Anfang, ein kleiner leider nur, Care-Arbeit in der Gesellschaft wertzuschätzen …
    Ich finde, ein Bereich, in dem noch viel mehr von der Gesellschaft für die Familien mit Kindern erbracht werden muss!

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