Keine Plattform – oder: Wieso Schweigen so schwer fällt

In Barcelona fuhr einer in eine Menge. Verletzte, Tote wohl. Die Polizei spricht von Terror. Einmal mehr schlug der zu. Und immer kriegt er Aufmerksamkeit, wird in allen Medien breitgetreten, die Angst wird geschürt. Die Menschen fragen sich, was sie noch tun können, wo sie noch hin können. Und die Terroristen? Jubilieren. Ziel erreicht.

Nun ist der Mensch nicht dumm, er denkt sich: Wir dürfen denen keine Plattform bieten. Und so schreiben nun alle: Ich biete dem keine Plattform. Ich sage NICHTS zu Barcelona. Ich gebe denen keine Plattform. Und dann nutzen sie den Hashtag. Um ja gefunden zu werden in ihrer Botschaft.

Ja, man könnte nun sagen: So doof aber auch. Das wäre einfach. Aber so einfach ist es nicht. Terror macht Angst. Tote und Verletzte machen betroffen. Und man möchte nicht einfach wegschauen. Man möchte den Opfern die Ehre erweisen, möchte seinem Entsetzen Ausdruck geben. Man möchte nicht wegsehen und nicht als Ignorant gesehen werden. Aber um das zu erfüllen, muss man es thematisieren. Und: Jede Erwähnung ist Wasser auf die Mühlen derer, die das verursacht haben.

Unser System der öffentlichen Stellungsnahme hat sich verselbständigt. Man kann nicht das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Sprich: Was nicht öffentlich wahrgenommen werden kann, ist nicht passiert. Was öffentlich wahrgenommen werden kann, wird nach allen Seiten hin genutzt.

Da kommen wir nicht mehr raus. Es gilt, damit umzugehen. Noch sind wir weit davon entfernt. Und ja, vielleicht haben wir uns damit selber überfordert. Bislang konnten wir vieles verheimlichen. Auch vor uns selber. Nun existiert quasi nichts mehr, wenn es nicht von allen gesehen werden kann. Und alle sind verdammt viele. Wie mit all denen umgehen, wenn wir oft schon mit uns selber Mühe haben? Wir wollen eigentlich nur eines: Vor allen genügen.

9 Kommentare zu „Keine Plattform – oder: Wieso Schweigen so schwer fällt

  1. Von mir aus kann ruhig jeder denken ich wäre ein Roboter, aber ich werde keine Flaggen mehr posten, oder mich um politische Hintergründe bemühen, denn alles läuft nach dem Schema F ab und hat schon duzende Male statt gefunden. Ich kaufe keine Zeitung und sehe keine Sondersendungen darüber, wozu auch. Es hilft keinem der Opfer oder deren Familien.

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  2. Eigentlich wollte ich nicht darüber schreiben. Aber es darf dennoch nicht unerwähnt bleiben, die neue Art des Terrors, Menschen mit Fahrzeugen zu Tode zu fahren.
    Liebe Sandra, ich habe Dein gestriges BlogPost heute bei mir in ein kurzes BlogPost integriert – ergänzt mit einem Uraltfoto von «Las Ramblas» aus dem Jahre 2000, als ich selbst dort war… eigentlich wunderschöne Erinnerungen. Liebe nachdenkliche Grüße bT!NA

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    1. Einfach schweigen darf man nicht, das ist so. Und vor allem darf man nicht wegschauen. Es ist eine schwierige Gratwanderung: Was feuert die Themen sogar an, wie kann man dagegen Stellung beziehen?

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  3. Es ist wichtig darüber zu berichten. Es kommt auf den Ton an. Selbst der Deutschlandfunk berichtet alarmistisch. Ich wünschte, es gäbe für jedes verhungerte Kind, für jeden verhungerten Menschen, für jeden im Straßenverkehr Getöteten oder Schwerbeschädigten die gleiche Aufmerksamkeit. Hier findet ein täglicher Massenmord vor unseren Augen und durch unser Handeln (Tun oder Unterlassen) statt. | Ich verfolge die Berichte außerhalb des Mainstreams und außerhalb extremer Verschwörungstheorien über Terrorismus bereits weit vor dem 11.09.2001. Der Tenor ist: Hinter jedem Terroristen steht ein Führungsoffizier eines Nachrichten- oder Geheimdienstes. Die Freigabe geheimer Dokumente aus der Zeit der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts belegen die These, dass viele Terrorakte Akte staatlichen Terrors waren. Terror ist Teil des poltischen Handelns – schon immer. | Die beständigen Terroranschläge klopfen uns weich, freiwillig auf unsere Freiheitsrechte „zugunsten“ der sogenannten Sicherheit zu verzichten. Merkwürdig nur, dass nach jeder weiteren Einschränkung der Freiheitsrechte, die Zahl der Terroranschläge steigt und die Abstände dazwischen immer kürzer werden. | Wir wählen unsere Schlächter selber.

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